SPON

So, da bin ich dann also doch auf SPON gelandet. Wenn man mich für meinen Text beschimpfen möchte, kann man es gern hier in den Kommentaren tun. Die auf SPON selbst lese ich nicht.

Noch ein paar Hinweise:

1. Die Überschrift „Lieber frei als gerecht“ ist nicht von mir und nicht mit mir abgesprochen und ich würde das auch nicht unterschreiben. Ich glaube nicht, dass das Urheberrecht Gerechtigkeit produziert oder je produziert hat. Wer die Charts gerecht findet oder den Einkommensunterschied zwischen Lady Gaga und Malte Welding könnte sowas sagen. Jemand mit Gehirn eigentlich nicht.

2. Meine Aufdröselung des Ampelbeispiels wurde leider zerredigiert, obwohl ich einen anderen bereits redigierten Text abgenickt hatte, in dem das noch alles richtig war. In Wirklichkeit enspricht das Verfügbarmachen des Albums nicht der Demontage des Gesetzes, sondern der Ampel. So ergibt das hoffentlich auch wieder Sinn.

Hier nochmal der Absatz, wie er eigentlich erscheinen sollte:

Um die schiefe Analogie grade zu rücken, müsste man das Beispiel also modifizieren: Ein Album zum Download anzubieten ist nicht vergleichbar mit dem Überfahrenen einer Ampel, sondern dessen komplette und nachhaltige Demontage. Dazu muss man noch die im realen Leben unmögliche Annahme treffen, dass alle Autos der Welt nun mit den Transaktionskosten nicht höher als ein paar Klicks, widerrechtlich über die betreffende Kreuzung rasen können.

Aber so ist das eben. Gegen den Kontrollverlust im Journalismus ist das Internet ein Witz. 😉

Lanz

Vorweg: ich kenne und schätze Stephan Urbach und unterstütze seine Arbeit. Was ich hier über seinen Auftritt gestern bei Lanz sage, sage ich nicht gegen ihn. Ich glaube auch nicht, dass er überhaupt schuld daran ist, dass es so lief wie es lief.

Das Rumgeeiere von HerrUrbach in den Kernthemen seiner Partei, der Transparenz und des Urheberrechts, ist nur symptomatisch. Das selbe hätte jedem passieren können (passiert es auch gelegentlich), denn die Position der Partei in diesen Gebieten wird zwar immer lautstark reklamiert, ist aber in Wirklichkeit genau so wischiwaschi wie bei allen anderen Parteien.

Transparenz in der Politik wollen alle, wirklich alle und zwar schon immer. Die Frage ist immer nur, bis wohin. Und wenn die Piraten schon dort aufhören, wo jemand von öffentlichem Geld für die Arbeit in der Fraktion bezahlt wird, dann lassen sich sicher sogar in der CDU viele progressivere Positionen dazu finden. Das hat auch gar nichts mit PostPrivacy zu tun. Die Gehälter eines jeden Beamten lassen sich nachschlagen! Schon immer!

Wenn Lanz fragt, ob Stephan damit einverstanden wäre, wenn die ganzen Bücher der anwesenden Gäste raubkopiert würden und ihm nicht mehr als ein „Wir wollen Urheber und Konsumenten näher zusammenbringen“ einfällt, dann braucht es die Piratenpartei einfach nicht. Das kann sogar Bärbel Höhn. Die einzige Antwort, die es rechtfertigt, eine eigene Partei in’s Feld zu führen, ist schlicht und ergreifend: „Fick, Ja!“

Klar sind dann alle sauer. Klar bekommt man dann einen Shitstorm in’s Gesicht und Sven Regner findet einen scheiße. Hey, das ist Politik, stupid! Wenn bei deiner Forderung keiner aufschreit, hast du was falsch gemacht.

Die Piraten sind inkonsequent in ihrem Denken und in ihren Konzepten. Deswegen kann sogar ein Lanz sie vorführen. Nietzsche jammerte mal: „Wenn ich nur den Muth hätte, Alles zu denken, was ich weiß.“ Das selbe trifft für die Piratenpartei zu. Sie stellt die richtigen Fragen, fordert in die richtige Richtung. Aber sobald es konkret wird, bekommt sie Angst vor ihrer eigenen Courage und verfällt in Politikergewäsch. Schade.

WTFPL

Eat your own dogfood“ riet mir erlehmann am Wochenende, womit er sich auf meine Urheberrechtsposition bezog. Tu ich ja eigentlich, Christoph Kappes, Christian Heller und Peter Breuer taten ihr übriges und irgendwer schmiss den Text sogar noch auf Krautchan. Auch schon mein Anti-ACTA Text ist hundertfach kopiert, repostet und sogar ausgedruckt und als Flugblätter verteilt worden und ehrlich gesagt, ging es mir fast ein bisschen auf die Nerven, wenn die Leute überhaupt vorher um Erlaubnis fragten.

Ich brauche also eine Lizenz. Aber leider finde ich Lizenzen doof. Jede Lizenzierung, egal wie frei, nickt mit ihrer bloßen Existenz das Urheberrecht ab, denn ohne es, bräuchte ich sie ja gar nicht. Eine freie Lizenz sagt immer „Hey, schau her, ich bin die Ausnahme“ und goutiert damit die Norm. Gebe ich mir eine Lizenz, dann schreibe ich mich unwillkürlich in den ganzen Rechtequatsch ein, ob ich will oder nicht.

Aber OK, ich sehe es ein. Es gibt nun mal das Urheberrecht und damit muss ich auch einfach mal klar kommen bzw. mich dazu irgendwie verhalten. Für meine Leser ist es natürlich immer die Frage, wie man nun mit meinen Texten zu verfahren hat. Und irgendwie mache ich das hier ja nicht nur für mich und deswegen beuge ich mich dem Rechteregime und gebe meinen Texten eine Lizenz.

Also: Welche Lizenz? Klar, die CC0 Lizenz ist eigentlich das, was dem „Kein Urheberrecht“ weitestgehend entspricht, aber ich mag die ganze CC-Lizenz Geschichte einfach grundsätzlich nicht. Ich finde sie mit all ihren Optionen viel zu kompliziert und in ihrer Ausgestaltung dann doch viel zu sehr dem Urheberrecht anbiedernd. CC ist irgendwie so bürgerlich-alternativ, der Bioladen des Urheberrechts. Ich möchte da einfach nicht teil von sein.

Aber gottseidank gibt es ein der CC0-Lizenz ziemlich analoges Modell, das mir allein von der Attitüde her besser steht:

Die „Do What The Fuck You Want To Public License! (WTFPL)

Die WTFPL ist irgendwie das an Lizenz, was ich gerade noch ertragen kann, obwohl ich schon beleidigt und etwas gedemütigt davon bin, dass mich das bekackte Urheberrecht überhaupt dazu zwingt, mich mit Lizenzquatsch abzugeben.

Also unter dieser Lizenz stehen ab nun meine Texte, sofern nicht anders vermerkt. (Ich fürchte, dass ich eventuell Ausnahmen machen muss für Texte, die ich für Externe schreibe.)

Dann habt mal Spaß damit.

Urheberrecht

Ich hatte mich bereits mehrfach im WMR zu dem Thema geäußert, aber als Malte Spitz letztens per Twitter nach einem Text dazu fragte, konnte ich nur mit den Schultern zucken. Tatsächlich habe ich sträflich wenig zu der ganzen Urheberrechtsdebatte geschrieben. Und das, obwohl ich das Urheberrecht – bzw. die Probleme damit – schon immer mit unter dem Kontrollverlustsdiskurs subsummiert hatte.

Mein Schweigen hat zwei Gründe. Erstens war zum Thema seit ich denken kann schon immer ein lebendiger Diskurs vorhanden, den ich mal mehr, mal weniger interessiert verfolgte. Es gibt tausend gute Argumente warum es sowas wie ein „Geistiges Eigentum“ nicht gibt, warum das Urheberrecht auf der fixen Idee einer „originären Schöpfung“ beruht, dass ungeschütztes Wissentauschen einen positiven Einfluss auf die Kultur hat, etc. All das hätte ich kommentieren, paraphrasieren oder reproduzieren können, aber das war mir schlicht zu viel Arbeit.

Denn in Wirklichkeit ist meine Position zu dem Thema Urheberrecht so einfach wie langweilig:

Abschaffen. Ersatzlos.

Die Begrüdung: ich glaube, dass es der Gesellschaft unterm Strich mehr nützt, möglichst unbehinderte Informationsflüsse zu haben. Außerdem – und hier greift der Kontrollverlust – ist die Kontrolle dieser Informationsfüsse eh eine nie mehr einzulösende Utopie.

Ich könnte jetzt hiermit fertig sein, denn ja, das ist alles, was ich zu bieten habe.

Das reicht nicht aus!„, sagen jetzt alle und sie haben insofern recht, als im Mainstream gar nicht in erster Linie das Urheberrecht disktutiert wird, sondern alternative Geschäftsmodelle für Künstler. Man streitet über Modelle wie Kulturflatrate, T-Shirtverkauf oder Kulturwertmark.

Vielleicht funktioniert ja was davon. Vielleicht auch nicht. Ich finde halt nicht, dass die Gesellschaft den Künstlern ein Geschäftsmodell schuldig ist. Alle anderen müssen schließlich auch sehen, wo sie bleiben. Wenn der Putzroboter bald die Reinigungskraft ersetzt, wird sie auch nicht auf imaginäre Rechte referieren können, damit ein Anwalt ihre Bezahlung durchsetzt.

Aber jetzt sind immer noch alle unzufrieden. Sie rufen mir zu, dass dann doch die Kultur untergeht und alle Künstler ins Betteltuch weinen.

Och, ja. Naja. Es wäre quatsch zu behaupten, dass alle ihren Wohlstand behalten werden. Aber das wäre bei egal welcher Lösung eh nicht drin. Keine Änderung ohne Tränen. Sicher, es wird bestimmte Kunst nicht mehr geben oder sie wird weniger werden. Tendenziell die mit viel Investitionsaufwand, tendenziell die mit kalkulierten Gewinnabsichten. Aber sonst? Die meiste Kultur da draußen wird von den Künstlern doch heute schon für umme produziert. Warum sollten sie damit aufhören, nur weil es ein beknacktes Recht nicht mehr gibt, von dem sie zum Großteil eh nie profitierten?

Ein Autor will gelesen, ein Musiker gehört, ein Schauspieler gesehen werden. Nie war es so einfach das zu bewerkstelligen. Die Investitionskosten, die man dafür hinlegen muss, sinken fast ebenso rapide, wie die Streamingpreise pro Lied bei Spottify. So lange es Menschen gibt, werden sie Kultur produzieren, da mach mir einfach keine Sorgen. Heute können mehr Menschen Kultur machen als je zuvor und sie werden es machen, mit oder ohne Urheberrecht.

Aber Sven Regener ist dann ganz doll traurig!“ Och. Dann reiche man ihm ein Taschentuch. Meinetwegen auf Steuerzahlerkosten. (Oder ich geb eins aus.)

(Bonustrack: Ich bin übrigens für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Zack, alle Probleme gelöst. Nicht nur die der Künstler. Aber auf mich hört ja keiner.)

And the Winner is: Facebook!

Im November 2010 hatte ich mit Marcel Weiß eine Wette abgeschlossen. Bis in zwei Jahren, also bis November 2012, behauptete ich, sei Twitter ebenso weit wie Facebook, was die Nutzerzahlen anging. Ein bolder Move, aber so mag ich das eben.

Meine Begründung war schlicht, dass ich Twitter für konzeptionell überlegen halte. Es gehe in Zukunft eben nicht um die komplexesten Privacyfeatures, sondern um die intelligentesten Filtertools. Ich schrieb:

Will ein Social Network dann noch einen weiteren Mehrwert bieten, muss es als Kommunikationsplattform und da vor allem als persönlicher Newsaggregator nütztlich sein. Das funktioniert bei Facebook und anderen Social Networks, nun ja, leidlich.
Gerade hierfür hat sich Twitter und das asynchrone Followen sich als ungleich mächtiger erwiesen. Natürlich ist das Konzept erstmal Kontraintuitiv und nicht so gefällig wie eine “Freundschaft“. Und wer schon mal versucht hat, Twitter zu erklären, weiß was ich meine.
Aber auf lange Frist, wenn die irreführenden Metaphern verblassen und die Menschen anfangen, tatsächlich ihren Nutzen aus den Netzwerken ziehen zu wollen, wird Twitter gewinnen.

Ich halte die Konzepte von Twitter immer noch für überlegen. Nicht nur ich. Facebook auch. Und so hat Facebook nach und nach, Feature für Feature von Twitter kopiert und implementiert. Und ich muss sagen, es ist gar nicht schlecht geworden.

Nach meiner missmutigen Rückkehr zu Facebook vor über einem Jahr habe ich tatsächlich erlebt, wie sich der Dienst immer stärker in mein Internetnutzungsverhalten schob. Ich fing an, nervige Bekannte zu „unsubscriben“, mir sehr wichtige Leute auf „All Updates“ zu stellen und so weiter. Auch fing ich an interessante Leute, die ich nicht persönlich kenne, zu subscriben. Und nach und nach wurde mein Newsstream tatsächlich immer interessanter und meine eigenen Updates bekamen zunehmend Resonanz, da auch mein Profil von einigen (etwas über 300) Leuten abonniert wurde. Und so langsam schleicht sich bei meiner Facebooknutzung ein twitterähnliches Feeling ein. Sicher, das alles ist noch nicht so gut und interessant wie meine Twittertimeline, aber immerhin so interessant, dass ich da mehrmals am Tag drauf schaue.

Gestern hab ich dann so rumgeklickt und geriet auf das Facebook-Profil von Marina Weisband, das ich subscribed habe. Ich erschrak. Neben mir hat sie über 18.000 weitere Subscribers auf Facebook! Nachdem ich meine Eifersucht überwunden hatte, schaute ich auf ihr Twitterprofil @Afelia, wo sie auch nur knapp 22.000 Follower hat. Zumindest für sie ist Facebook also auch als Öffentlichkeitskanal mindestens genauso relevant wie Twitter.

Sicher, sie ist damit eine Ausnahme. Ihre vielen Fernsehauftritte waren mit Sicherheit der Motor dieser Subscriberzahl. Und weil die meisten Menschen, die Fernsehen gucken, eher auf Facebook sind, als auf Twitter, ist das auf Facebook auch ein ganz anderes Publikum. Und das merkt man auch an den Kommentaren, die dort auflaufen.

Dennoch: Marina zeigt, die Chance, über Facebook ein größeres Publikum zu erreichen und Öffentlichkeit zu schaffen, ist eindeutig da. Und diese Öffentlichkeit ist es, die Twitter Facebook immer voraus hatte. Aber dieser Vorteil fällt gerade. Facebookuser sind behäbig in der Adaption neuer Konzepte, aber sie fangen gerade an, mit der neu gewonnenen Filtersouveränität umzugehen. Und da die Grundgesamtheit an erreichbarem Publikum auf Facebook so viel größer ist, als auf Twitter, wird Facebook dieses Rennen machen. Da bin ich mittlerweile sicher.

Es gibt schlicht keinen technischen Grund mehr für Twitter. Klar, es ist immer noch ein soziokulturell anderes Publikum, bei dem ich persönlich mich heimischer fühle. Aber auch die werden abwandern, wenn es auf Twitter immer stiller wird und man immer weniger Leute erreicht, bzw. man auf Facebook immer mehr. Sad but true.

Um 50 Euro hatte ich mit Marcel Weiss gewettet. Eigentlich wäre es an der Zeit meine Niederlage einzugestehen. Aber ich bin eigentlich ganz froh, dass ich noch bis November Zeit habe, die 50 Euro zusammenzusparen.

PS: Ja, es hat seinen Grund, dass Google+ in diesem Post keine Erwähnung findet.

Radio und Eigentum

Auf meinen Text über Eigentum und Internet hat es zahlreiche Reaktionen gegeben. Aus irgendeinem Grund vor allem von Radiosendern. Ich weiß nicht, warum das Radio sich sich so einheitlich dafür interessiert, aber die Anfragen kamen alle völlig unabhängig voneinander zustande.

1. Bereits vorletzte Woche lief auf Zündfunk im Bayrischen Rundfunk eine Sendung zum Thema „Leben in der Cloud“. Neben mir sind noch Sascha Lobo und Marcel Weiss zu hören. Depublikationssicher anhören kann man es sich hier.

2. Gestern lief auf 1Live die Sendung Vordenker, in der meine Eigentumsthese vorgestellt wurde. Ich kann leider keine mp3 finden. Aber es gibt das ganze auch in Textform. Falls sich mp3-mäßig noch was tut, werd ich es nachreichen.

3. Am Montag, den 19. März werde ich dann live im Studio bei Radio Fritz sitzen und über das Thema reden. Ich glaube, 18:05 Uhr oder so geht es los. Nach den Nachrichten.

Technikdeterminismus

Am Montag fiel mir ein Argument in’s Auge, nach dem ich schon lange suchte. Es geht um Technologien und warum es Quatsch ist zu glauben, dass wir auch darauf verzichten könnten, obwohl sie in der Welt sind. Christoph Kappes nämlich führt es so aus:

Jein. Das ist meines Erachtens nur noch eine Pseudoautonomie. Das Werkzeug ist da, und dann wird es eingesetzt, weil es Nutzen stiftet. Wie das Auto, da jammern und klagen auch alle, aber sie nutzen es, trotz Umwelt, Kosten, Sicherheit. Weil wir nicht anders können, als insgesamt effizient zu handeln- und das ist die Stelle, wo unser Geist zwar die Wahl hat, aber sie klugerweise nicht nutzt. Niemand geht 20 Stockwerke, wenn es einen Fahrstuhl gibt. Ist das noch eine „Wahl“?

Das ist in gewisser Hinsicht ein ökonomisches Argument. Aber Effizienzgewinne sind, egal ob man BWL studiert hat oder nicht, nun mal für jeden wichtig. Natürlich gibt es Leute, die den Fahrstuhl auch bei 10 Stockwerken nicht nutzen. Natürlich gibt es Leute, die kein Auto fahren (ich zum Beispiel). Aber davon darauf zu schließen, dass die Menschheit™  darauf verzichten könnte, ist ein Irrtum. Eine Technologie wird benutzt, wenn sie da ist, und zwar solange es für die selbe Aufgabe keine bessere Technologie gibt.

Das ist in etwa auch die Haltung, die aus „What Technology wants“ von Kevin Kelly spricht. Er argumentiert weniger theoretisch (Effizienzgewinne!) sondern empirsch („Schau, in all den tausenden Jahren haben sich Technologien immer soundso verhalten.„). Kelly knüpft seine Idee von Technologie deswegen eng an den Evolutionsbegriff.

Ich mach’s mir mal einfach: Wenn wir vorher gewusst hätten, was das Internet für Effekte zeitigen würde (erhebliche Probleme mit Urheberrecht und Privacy, erodieren staatlicher Souveränität: Kontrollverlust halt), hätten wir es dann trotzdem in Benutzung genommen? Jetzt schreien hier natürlich alle „Jaaa!“ aber ich bin mir sicher, einige Leute (manche Politiker, et al) hätten das gerne verhindert. Aber hätte man auf sie gehört? Ich glaube nicht. Die Wichtigkeit von Staatsgeheimnissen endet an der Möglichkeit eine E-Mail zu schreiben, statt einem Brief. Merkel würde niemals auf SMS verzichten wollen. Dann schon eher auf den Euro!

Das ganze in schwer: Sagen wir: Hiroshima, Nagasaki, Tschernobyl, Fukushima und Atommüll – dem allem wäre die Menschheit gewahr gewesen, bei der Erfindung der Atomenergie. Ich bin mir sicher, dass es viele Leute mehr gegeben hätte, die entschieden gegen den Einsatz dieser Technologie gewesen wären. Aber ich wette, dass die Menschen Atomkraft dennoch eingesetzt hätten (und es auch in Zukunft tun werden).

In What Technology wants kommt das Wort „inevitable“ gefühlt etwa so häufig vor, wie „the“. Es ist irgendwie eine moderne Bibel. Das Technium als gestaltendes, transzendentales Prinzip, das dafür sorgt, dass es immer weiter geht, dass es nie still steht. Eine Evolution deren Herren wir nicht wirklich sind. Erfindungen passieren wie Mutationen und erklären sich viel eher aus dem Gegebenen der vorhandenen Technologie, als durch irgendein menschliches Genie. (Technologie Z konnte erst erfunden werden, als Technologie X und Y so weit waren …)

Allerdings ist dann doch nicht alles so vorherbestimmt. Kelly vergleicht das „Wollen“ des Techniums mit dem „Wollen“ des Wassers in einem Tank. Das Wasser „will“ herausfließen. Das heißt nicht, dass es das auch schafft, aber es ist schon ein enormer Druck, der sich da aufbauen kann.

Die Wände des Tanks müssen entsprechend stark sein. Mit anderen Worten: will man eine bestimmte Technologie verhindern, muss man meist sehr viel Gegenkraft organisieren. Ich bin gespannt, ob die bei der Atomkraft ausreicht (zumindest in Deutschland).

Aber vor allem beim Internet bin ich mir sicher, dass, egal wie stark die Kräfte sind, die sich beizeiten gegen das Internet organisieren, es nicht aufzuhalten ist. Die Effizienz- und Freiheitsgewinne durch das Internet sind so enorm, dass diese Technologie jeden Tank zum Bersten bringen wird. Und was sich ihm in den Weg stellt, wird weggespült werden. Es ist der Kontrollverlust, der meine Zuversicht speist.

Wenn Technikdeterminismus eine Religion ist, dann bin ich ihr Anhänger. Ich glaube daran, dass sich nützliche Technologie durchsetzt, so sehr, wie ich an die Evolution glaube. Und wie bei der Evolution lässt sich auch immer erst im Nachhinein sagen, welche Technologie anscheinend „nützlich“ war. Es ist immer die, die sich durchgesetzt hat.

Nerdologie: 23 und 42-Nerds.

Dies ist eine kleine privatempirische Beobachtung, die ich aber sowohl küchenpsychologisch sowie mit meiner speziellen Wald und Wiesen Ethnorgraphie untermauern kann. Und weil ich das finde und weil ich das kann, schreib ich sie hier mal auf, meine kleine Nerdologie.

Ich bin ja irgendwie selber Teil der Nerdkultur und irgendwie auch nicht. Ich fühle mich regelmäßig davon angezogen und abgestoßen. Gleichzeitig. Ich versuche mich gelegentlich abzugrenzen, was mir aber nicht glaubwürdig gelingt, denn ich liebe die Nerdkultur und sie geht mir auf die Nerven – ich finde sie jedenfalls spannender als alle anderen Kulturen, wenn man das so sagen kann. Als wüsste man was das ist: Kultur – und ja, das sage ich, als Kulturwissenschaftler.

Jedenfalls ist mir aufgefallen, dass sie zwei Seiten hat, diese Nerdkultur. Naja, ich bin vorsichtig: die hat mindestens zwei Seiten, vielleicht auch mehr, aber zwei Seiten habe ich identifizieren können. Und witziger Weise lassen sich diese beiden Seiten mit den zwei wichtigesten Zahlen der Nerdkultur in Verbindung bringen: 23 und 42.

23

23 ist die Zahl der Illuminati. In dem dreiteiligen Roman Illuminatus von Robert Shea und Robert Anton Wilson wird diese Geheimloge beschrieben. Die Illuninati operieren im Untergrund, sie unterwandern Regierungen, planen Attentate und Revolutionen. Nichts passiert durch Zufall auf der Welt, hinter allem stecken die Illunimati. Und die 23 zeigt es an. Das Datum, die Anzahl der Opfer oder Stockwerke, die Außentemperatur, irgendwo ist sie immer versteckt, die 23. Und wenn nicht, so soch wenigstens ihre Quersumme 5.

Karl Koch, einer der Hacker, die in den 80ern in die Rechner des Pentagon eindrangen und vom KGB bezahlt wurden, verfiel dieser Verschwörungstheorie im Rausch von Drogen und Größenwahn. Er witterte überall Verrat, Überwachung und Verfolgung. Er wurde zunehmend Paranoid. Am Ende begang er Selbstmord. Viele bezweifeln den Selbstmord allerdings. Waren es am Ende die Illuminati?

42

42 ist die Antwort auf all die Fragen nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Im Roman Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams rechnet ein unfassbarer Riesencomputer mehrere Millionen Jahre an dieser Antwort. Das Ergebnis ist natürlich für viele enttäuschend. Das liegt aber nur daran, dass wir die Frage zu der Antwort nicht kennen. Die aber muss ein noch viel größerer Riesencomputer errechnen. Und so fangen sie an, einen noch viel größeren Computer …

Douglas Adams Science Fiction Persiflage ist die Bibel der Nerdkultur. Unzählige Referenzen, Meme und Anspielungen haben sich tief in das kulturelle Gedächtnis gebort und hören nicht auf, immer neue Blüten zu tragen. Die 42 hat dabei eine Sonderrolle, denn sie thront als ironische Referenz der Allwissenheit über allem.

 

Wir haben also zwei Zahlen unterschiedlichen Ursprungs und diese beiden Zahlen drücken ganz unterschiedliche Haltungen aus. Ich behaupte nun, dass diese Zahlen zwei unterschiedliche Nerdtypen repräsentieren, die wir alle kennen und die aber durchaus sehr unterschiedlich sind, beinahe Gegensätze. Ich werde diese beiden Nerdtypen hier mal überspitzt gegenüberstellen.

Der 23-Nerd

Der 23-Nerd ist auf immer der Hut. Er geht selten raus, denn er mißtraut der Welt. Er weiß: die Welt ist böse. Er weiß, die da oben wollen nur sein Schlechtestes. Er glaubt nicht umbedingt an eine globale Verschwörung (oft aber doch) und trotzdem weiß er, dass sie hinter ihm her sind. Auf dem Rechner hat er nur Debian, weil die anderen Systeme unsichere Komponenten verwenden. Open Source ist Muss, denn er will jeden Systemcall beim Vornamen kennen. Das Web sitzt er aus („Setzt sich eh nicht durch!“). Überhaupt mißtraut er jeder neuen Technologie. Für ihn sind das erstmal Unterdrückungsinstrumente und erst wenn er – 15 Jahre später – selbst anfängt, sie zu nutzen („jetzt sind sie sicher!“) werden sie ihm zur Waffe. Zur Selbstverteidigung, natürlich und gegen die bösen da oben. Datenschutz ist ihm das A und O. Vertraulichkeit ist wichtig, Informationen im Netz findet man über ihn nicht und da ist er stolz drauf. Natürlich lacht er, wenn man ihn darauf anspricht, ob er einen Aluhut hat, aber nur kurz, dann wird er ernst, denn er hat tatsächlich mal drüber nachgedacht. Überhaupt ist Humor nicht so seine Stärke, aber es gibt ja auch nicht viel zu lachen auf dieser Welt.

Der 42-Nerd

Der 42-Nerd nimmt sich nicht ganz so ernst. Aber dann wieder doch. Es ist genau diese Mischung aus Ironie und Selbstüberschätzung, die ihn ausmacht. Er ist praktisch ständig auf der Suche nach der Weltformel und ist auch bereit ein weites Stück dafür zu gehen. Und so fahndet er nach dem neuesten Supercomputer. Er sammelt Gagets, wie ander Briefmarken. Aber anstatt sie einfach zu benutzen schraubt er sie auf, modfiziert er sie, Jailbreakt sie und bürstet sie gegen den Strich. Weil er es kann. Er liebt Technologie und er liebt es mit ihr rumzuspielen. Ihm macht es nichts, wenn etwas Beta ist, wenn ihm der Computer zum zehnten Mal abstürzt, denn er will der erste sein, der die neue Software testet. Wenn man ihm etwas neues in die Hand gibt, findet er sofort kreative Arten es zu verwenden und freut sich daran, wie ein Schneekönig. Er ist natürlich viel im Netz unterwegs. Nur dort wird seine unendliche Neugier – also seine Gier nach neuem – befriedigt. Er hat auf jeder Plattform einen Account und er kann nichts unausprobiert lassen. Er braucht den sozialen Ausstausch, alleine um immer genaustens informiert zu sein. Er ist ein Spielkind, durch und durch, er nimmt nichts ernst, lässt keine Autorität gelten, krempelt alles um und weiß immer alles besser.

Wer mich kennt, weiß schon, welche der beiden Seiten mir sympathischer ist, bzw. welcher ich mich selbst am ehesten zuordnen würde. Aber ich denke, es ist nicht so leicht, dass man jetzt durch die Nerdreihen schreiten könnte und die Leute einfach unterteilen kann. Ich glaube, in jedem Nerd wohnt sowohl die 23 als auch die 42, nur unterschiedlich stark ausgeprägt. Ich habe manchmal das Gefühl, dass in Deutschland die 23 überwiegt, in Silicon Valley eher die 42. Der Chaos Comminication Congress ist eher 23, die re:publica ist eher 42. Bre Pettis ist eher 42, Richard Stallmann ist eher 23. Und so weiter.

Ich glaube übrigens, obwohl ich selber so viel eher 42 bin, dass 23 wichtig ist und gut. Irgendwer sagte mal: Das Flugzeug wurde von Optimisten erfunden, der Fallschirm von Pessimisten. Die 23-Nerds ziehen alles immer wieder ein Stück zurück, insitieren auf Sicherheit, kühlen die Euphorie der 42er. Und das ist wahrscheinlich auch gut so. (Obwohl ich mir hierzulande dann doch deutlich mehr 42 wünsche!)

Die Zukunft spüren

Heute hatte ich ein politisches Spontantransparenzerlebnis. Man fragt sich ja oft, wie in der Politik Ideen auf den Weg gebracht und Entscheidungen abgestimmt werden. Heute hatte ich das direkt bei mir in der Timeline.

Ausgangspunkt war, dass in der Hamburger Bürgerschaft Hans-Jörg Schmidt (@hschmidt) (SPD) für die Rechtssicherheit für W-Lanbetreiber warb und dazu eine Initiative im Bundesrat einbringen will. (Video). Daraufhin entspann sich dieser Dialog auf Twitter (von unten nach oben lesen):

Zur Einordnung der Personen:

@alios = Pirat.
@alx42 = Berliner Abgeordneter Piratenpartei
@hschmidt = Hambuger Bürgerschaft Sprecher für Medien- & Netzpolitik (SPD)
@boehningB = Chef der Berliner Senatskanzlei (SPD)
@KohlmeierSPD = Sprecher der Berliner SPD-Fraktion für Rechts- und Netzpolitik (SPD)

(nicht mit draufgepasst hat, dass @rka der Fraktionsvorsitzende der Piraten in Berlin auch die Aktion guthieß)

Ganz unabhängig davon, ob diese Kooperation nun tatsächlich statt findet oder nicht, hat mich das Erlebte fasziniert. Aus mehreren Gründen:

  1. Klar, das Erlebnis hautnah dabei zu sein, wenn Politik passiert.
  2. Die komplette Abbildung eines Entscheidungsprozess in einem Medium – wenn auch eines spezifischen (siehe 3) – und die damit geschaffene Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
  3. Vor allem: Auch die Spontanität und Geschwindigkeit dieser Entwicklung. Solche bilateralen Gespräche zweier Parteien dreier Fraktionen zweier unterschiedlicher Parlamente aus zwei Bundesländern über eine politische Kooperationen hat es auf diese Weise (Schnelligkeit, Direktheit, Unkompliziertheit) sicher noch nicht gegeben. Das kann nur Twitter, bzw. das Internet. Irre.

Klar, das alles ist nicht der Weisheit letzter Schluss und vielleicht wird daraus ja auch nichts. Aber es gibt einem ein Gefühl dafür, was alles Möglich ist. Ein Gefühl für die Zukunft der Politik.

Eigentumpopeigentum – oder warum Heveling recht hat


Bild: Tillmann Allmer
Gestern hatte ich mit Max bei Wir müssen reden mal wieder eine etwas heftigere Diskussion. Es ging um Eigentum, geistiges wie das an Dingen. Ich habe die These vertreten, dass nicht nur das geistige Eigentum in der Krise ist, sondern auch das herkömmliche immer mehr an Bedeutung verliert. Max widerspricht mir in beiden Punkten. Ich fürchte auch, dass ich meinen Punkt nicht ganz klar machen konnte, bzw. ich merke, dass der Gedankengang doch gar nicht so trivial ist und eine gewisse Herleitung braucht. Jedenfalls dort, wo ich von einem Bedeutungsverlust von normalen Eigentum rede. Deswegen hier nochmal ein Erklärungsversuch. (Geistiges Eigentum / Urheberrecht lass ich hier mal absichtlich außen vor.)

Zunächst ein paar obligatorische dontgetmewrong-Worte: Natürlich gibt es Eigentum. Mehr und vielfältiger und umfassender denn je. Eigentum ist die Grundlage des Kapitalismus und diese Grundlage ist mächtiger und dominanter als je zuvor. Nie war Eigentum rentabler, nie war Eigentum entscheidender für die eigene ökonomische Situation. Das alles will ich gar nicht bestreiten, im Gegenteil – ich komme darauf zurück.

Ich will aber kurz den Blick weg von den durchaus wichtigen Macht- und Verteilungsfragen auf den rein funktionalen Aspekt von Eigentum lenken. Eigentum ist vor allem ein Prinzip, mit dem wir Ressourcen verteilen. Eigentum ist ein Rechtstitel. Im Gegensatz zum Besitz, der nur anzeigt, wer gerade über eine Sache verfügt, ist das Eigentum einklagbar. Mit anderen Worten, um Eigentum auf einem System zum laufen zu bringen, braucht es erstmal einen Staat mit Gewaltmonopol und eine Justiz. (Diese Vorgänge werden sehr gut und anschaulich beschrieben in „Eigentum, Zins Geld“ von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger.) Es grenzt sich deswegen vor allem gegen das feudale Distributions-Prinzip (Gewalt und Erbfolge) ab, wo man eben das Land besaß, dass man verteidigen konnte. Und Ansgar Heveling hat nicht völlig Unrecht, wenn er im Eigentum die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft sieht.

Wichtig ist: Eigentum hat also eine funktionale Dimension und somit eine Aufgabe in der Gesellschaft. Eigentum ist die grundlegendste Basis auf der wir klären, wer etwas nutzen darf, also wie wir vorhandene Ressourcen verteilen. Es ist – wie ich finde – auch ein besseres System als der Feudalismus, der diese Fragen mit Kriegen und Erbfolgen regelte. Doch: ist es auch heute noch gut genug?

Vorestern wurde ich von einem Journalisten des Bayerischen Rundfunks interviewt (Sendung kommt wohl nächste Woche) und zwar über „mein Leben in der Cloud“. Ich hatte mal einen Artikel über mein digitales Nomadentum geschrieben, weswegen er auf mich kam. Mein Leben kann man mit einiger Berechtigung als „Postmateriell“ bezeichnen. Ich besitze sehr wenig Gegenstände und das auch freiwillig und bewusst. Nicht weil ich so ein konsumkritischer Geist wäre (absolut nicht), sondern weil sich Eigentum nicht besonders gut anfühlt. All die Dinge, die ich besitze, fesseln mich an einen Ort, machen mich weniger flexibel, schränken mich in meiner Bewegungsfreiheit ein. Jedenfalls gefühlt und fühlen tu ich das immer, wenn ich meine materielle Welt mit der im Netz vergleiche.

Wenn ich es radikal durchdenke, brauche ich einen Rechner, ein Smartphone und ein Platz zum schlafen. Der Rest ist in der Cloud. All meine Informationen, meine Musik, meine Bücher, meine Freunde, meine Lebensstil, meine Identität. Identität – das ist sicher ein wesentlicher Punkt – hat sich immer gerne an Einrichtungs- und sonstigen Gegenständen festgemacht. Das tue ich nicht mehr. Ich wohne in einer 30qm-Bude und wenn ich Leute empfange, dann in meinem Lieblingscafe um die Ecke. Identität geht im Internet viel besser.

Jetzt schreien wieder einige, ich wolle meinen Lebensstil als Grundlage der Gesellschaft festlegen. Nein, ich weiß, dass ich da gewisser Maßen einen Radikalentwurf lebe. Ganz und gar nicht besonders ist aber, dass ich beispielsweise zur Miete wohne. Das geht den meisten Menschen so, jedenfalls in Deutschland. Klar. Es gibt nach wie vor diesen bürgerlichen Traum von „was eigenes“, aber ich habe den Eindruck, dass sich immer mehr Menschen mit dem „zur Miete wohnen“ nicht nur arrangieren, sondern dessen Vorteile nicht mehr missen wollen. In Spanien sind die Jugendlichen unter anderem deswegen so frustriert, weil die Jugendarbeitslosigkeit für sie gleichzeitig bedeutet, dass sie nicht von zuhause ausziehen können. Es gibt dort nämlich fast gar keinen Mietmarkt, sondern nur Eigentum. Und ohne Arbeit keinen Kredit, ohne Kredit keine Eigentumswohnung, ohne Eigentumswohnung streckt man die Füße halt unter Mamas Tisch.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich also heraus, dass der Mietmarkt viel schneller und flexibler auf individuelle Bedürfnisse reagieren kann, als der Eigentumswohnungsmarkt. Der Mietmarkt ist die effizientere Strategie, die Ressourcen (vorhandener Wohnraum) schnell und passgenau den Bedürfnissen der Individuen zuzuführen. Denn die sind immer schnelllebiger und mobiler und wechseln heute schnell man die Lebensituation, den lebensentwurf, den Job, den Partner, die Sexuelle Identität, whatsoever. Manche finden das schlimm, ich nenne das Freiheit. Die Menschen sind freier in ihrer Lebensgestaltung und in ihren Lebensentwürfen, wenn es einen Mietmarkt gibt.

Bereits um die Jahrtausendwende hat Jeremy Rfikin ein wichtiges Buch geschrieben: Access. Er macht darin die Beobachtung, dass sich in unserem everydaylife das Eigentum nach und nach verabschiedet und durch Miet- und Zugangsbezahlmodelle ersetzt wird. Das heißt, es geht immer weniger darum, Eigentum zu kaufen und zu verkaufen, sondern darum, Zugang zu Ressourcen zu vermieten – Access eben. Er beizieht das natürlich auf das gerade heranrollende Internet und damit auf den Zugang zu Informationen. Lizenzmodelle bei kulturellen Gütern, aber auch all die anderen Märkte, die von Eigentumsbasierten Verteilungsformen zu zugangsorientierten Verteilungsformen wandeln, sind sein Thema.

Er sieht diese Entwicklung zunächst erstmal recht kritisch, zeigt die Gefahren auf, leider kaum die Vorteile. (Die da zb. wären, dass es enorm viel mehr Menschen ermöglicht, an Kultur und Wissen zu partizipieren) Und leider analysiert er diese Verschiebung so gut wie gar nicht. Rifkin hat eine wichtige Beobachtung gemacht, er hat sie aber nicht verstanden. Denn dass zugangsorientierte Verteilung immer weiter um sich greift, ist nicht Zufall, sondern hat seinen Grund.

Dadurch, dass wir immer bessere Kommunikationsmedien haben, sinken die Transaktionskosten für die Ressourcenverteilung. Eigentum ist in Sachen Transkationskosten immer schon ein effizientes Modell gewesen. Man legt es einmal fest und dann bleibt es in dem Zustand, es sei denn man verkauft es weiter. Eine Sache zu mieten ist sehr viel komplizierter. Dadurch, dass das Verhältnis von vornherein befristet ist, gibt keine Sicherheit, wer die Sache verwenden kann. Auch, dass zwei Parteien nun gleichzeitig Rechte an einer Sache haben, verkompliziert alles. Rechte und Pflichten müssen bilateral ausgehandelt werden. Wenn ein Mieter abspringt, muss ein neuer gefunden werden und die Aushandlungsprozesse beginnen von neuem, etc.

Sprich: in vielen Bereichen lohnt sich das Mietmodell nicht besonders gut. Bei Wohneigentum hatten wir eine recht frühe Entwicklung hin zum Mietmarkt. Natürlich vor allem, weil Wohnraum so grundlegend ist und das Mietenmodell schnell rentabel werden kann. Aber auch dadurch, dass durch das Mietrecht viel vereinfacht wurde, und sich Standardmietverträge durchsetzen konnten. Außerdem haben sich die Zwischenhändler wie Makler und Wohnungsgesellschaften etabliert, an die man die Transaktionskosten outsourcen konnte. Und wir sind hier nicht am Ende: gerade sehen wir, wie sich der Mietmarkt weiter liberalisiert – und zwar durch das Internet. Hotelartige Mietmodelle werden auf einmal für jeden möglich über Plattformen wie 9Flats und airbnb und Couchsurfingcommunities. Sie alle reduzieren die Transaktionskosten für die gegenseitige Vermittlung und Aushandlung von Wohnraumverteilung, so dass immer volatilere Mietmodelle rausspringen.

Das Internet und die begleitenden Technologien sind gerade auch dabei einen anderen Markt zu einem Mietmarkt umzugestalten. Ein Auto war immer etwas, was man selbst besaß. In den Städten können wir aber sehen, dass immer mehr Carsharing-Dienste auftauchen. Mietautos gibt es ja schon länger, aber die hat man nicht für eine Stunde ausleihen können. Das hätte sich nicht gelohnt, weder für den Mieter, der auf gut Glück zum Vermieter kommen muss, noch für den Vermieter, der jedesmal viel Verwaltungs- und Kontrollkram abwickeln muss, wenn ein Auto rein oder raus geht. Durch das Internet kann ich nun aber sofort erfahren, welcher Wagen frei ist und wo er steht. Ein Klick und ich hab ihn gebucht – für ein, zwei Stunden. Der Vermieter sieht immer wer gerade welchen Wagen wo fährt, automatisch. Durch die Reduzierung der Transaktionskosten im Internet werden solche Modelle immer attraktiver. Und irgendjemand hat mal ausgerechnet, dass wir mit effizienten Carsharingmodellen die Innenstädte von 80% des herumstehenden Blechs befreien könnten, ohne dass jemand Mobilitätseinbußen hinnehmen müsste.

Wir sehen also, dass in unserem Leben das Ressourcen-Verteilungsmodell über Eigentum immer mehr an – zumindest funktionaler – Bedeutung verliert und dass das seine guten Gründe hat. Wir können Bedürfnisse und Ressourcen durch Zugangsmodelle und mithilfe der Kommunikationstechnologie viel feingranularer und schneller aufeinander abstimmen und auf Bedürfnisse gezielter reagieren. Und ich finde das etwas gutes und ich möchte das nicht mehr missen. Ich finde, das ist die Zukunft, die wir anstreben sollten, aus ökologischen Gründen ebenso, wie aus freiheitlichen.

Nun müssen wir aber einräumen, dass unterhalb dieser Oberfläche auf der wir so wunderbar eigentumslos dahingleiten, es nach wie vor diesen Eigentumslayer noch gibt. Nur weil wir damit nicht in Berührung kommen (Ich weiß nicht, wem das Haus gehört, in dem ich wohne und es interessiert mich auch nicht), heißt es nicht, dass da kein Eigentum am Werkt ist. Im Gegenteil. Den Eigentümern geht es bei dieser Entwicklung ganz und gar prima, denn sie bekommen fast die gesamte Rendite, von diesen Effizienzsteigerungen. Überall wo durch technologischen Produktivitätsgewinn ein Arbeitsplatz eingespart wird, freut sich der Kapitalist, denn es ist seine Rendite. Und das beste: er muss dafür keinen Finger krumm machen!

Nehmen wir den Hauseigentümer. Früher kümmerte es sich noch selbst um seine Mieter, suchte sie aus, sorgte für ihre Zufriedenheit und kümmerte sich um das Haus. All das hat er jetzt in den Wohnungsverwaltungslayer ausgelagert. Er muss sich um nichts kümmern. So wenig wie ich ihn kenne, kennt er mich. Mit anderen Worten, er ist von allen Pflichten eines Eigentümers befreit, kassiert nur noch die Rendite. Und wenn die Wohnungsgesellschaft durch wohnungsvermittelnde Internetportale effizienter Mieter findet, dann ist er es, der diesen Produktivitätsgewinn einstreicht. Ohne, dass er sich überhaupt um irgendetwas nur noch kümmern müsste. Oder andersherum gesagt: er hat für die gesamte Verteilungsfunktionalität des Systems keinen Nutzen mehr, sondern fällt ihm nur – und zwar erheblich – auf die Tasche.

Der Eigentümer ist in dieser schönen neuen Welt der nutzlose Parasit. Er hat sich längst von jeglicher Aufgabe befreit, er spielt in dem System keine Rolle mehr. Aber er ist es, der am meisten von ihm profitiert. Und wenn man sich also das System und wo es hinführt auf diese Weise anschaut, dann kommt das System Eigentum also in erhebliche Legitimationsnot. Und ich bin sogar der Überzeugung, dass viele der Turbulenzen an den Finanzmärkten mit genau dieser Entwicklung zu tun haben. Dass eine kleine Klasse von wenigen Besitzenden aber nicht produktiven Menschen gibt, die Produktivitätsrenditen einseitig absaugen – dahin wo sie nutzlos sind – und so Ressourcen blockieren.

Die einzig verbleibende Funktion von privatem Eigentum ist die Investition. Und die funktioniert immer schlechter und führt zu enormen Ungleichgewichten.

Ich glaube also, dass wir Eigentum funktional in Zukunft nicht mehr brauchen. Es war mal eine effiziente und sogar emanzipative (verglichen mit dem vorher vorherrschenden Feudalismus) Ressourcenverteilungsstrategie, aber sie ist ganz offensichtlich überholt. Alles, wozu Eigentum gut ist wird mehr und mehr auf einem neuen Abstraktionslayer besser und effizienter abgebildet. Und so wie die Gesellschaft damals die immer mehr nur noch zu last fallenden Feudalherren loswerden musste, wird es dereinst unsere Aufgabe sein, die Eigentümer loszuwerden. Ansgar Heveling ist einer, der das begriffen hat – zumindest ahnt er es. Und er hat Angst. Zu recht.