Kurz bevor ich hier gleich übel über die Universiät als Institution herziehen werde, will ich eine Podcast-Empfehlung loswerden.
Schon länger höre ich das „Philosophische Radio“ von WDR5. Das ist mal mehr, mal weniger gut, je nach Gast. Ist der Gast interessant, werden aufschlussreiche Gespräche über Themen geführt, über die man noch nie nachgedacht hat und man auch nie dachte, welch tiefe Gedanken sich hinter Themen wir „Staub“ oder „Warten“ verbergen können.
Der Grund für die Empfehlung heute ist aber ein anderer. Martin Warnke war zuletzt zu Gast und redet über ein Buch, dass er geschrieben hatte, von dem ich gar nichts wusste. Von dem ich aber hätte wissen können, denn ich war länger sein Student an der Universität-Lüneburg. Die thematischen Schwerpunkte in seinen Seminaren und der von ihm mitorganisierten Konferenz Hyperkult haben zum Großteil die Grundlagen dessen gelegt, mit dem ich mich bis heute beschäftige. Jedenfalls war dieser Martin Warnke nun auch da und das, was dabei rausgekommen ist, ist schon sehr hörenswert.
In seinem Buch hat er nun, wie es scheint, andere und seine eigenen „Theorien des Internet“ aufgeschrieben, die ich damals noch in ihrer Entstehung an der Uni miterlebte und die auch sehr interessant im Bezug auf den Kontrollverlust sind.
Er teilt die Entwicklung des Computers in drei Phasen ein:
In der „Synthese“ ist der Umgang mit dem Rechner noch ein Experimentierkasten der Wissenschaft, in der wohlgeformte, vorher festgelegte Dinge passierten. In der Phase der „Mimesis“ entwickelt die Technik immer mehr Schnittstellen nach außen, läd die Menschen zur Interaktion ein. Aufgabe des Computers ist es, vorhandene Technologien zu ersetzen oder nachzuahmen. Also von Compuserve bis quasi heute. Interessant ist, dass Warnke die letzte Phase, die der „Emergenz“ durchaus im Jetzt ansiedelt. Es ist eigentlich gar nichts mehr vorhersagbar, das Netz entwickelt sich irgendwie und jedes mal neu, ganz ohne Vorbild, ohne dass es noch irgendeine bewusst steuernde Kraft gibt, oder jemand, der den Überblick behält. Man könnte also sagen, dass es die Phase des Kontrollverlustes ist, im großen wie im kleinen. (Ich hatte eh vor, die Kontrollverlusttheorie langfristig in Richtung einer (kleinen) technologischen Singularität zu denken. Gleich mehr …)
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Ich verdanke der Universität eine ganze Menge. Ich habe damals Kulturwissenschaften in Lüneburg studiert und ich habe es seit dem nicht ein einziges Mal bereut.
Klar, ich kam zwar schon als recht nachdenklicher Mensch zur Uni, aber das Nachdenken droht sich ja immer schnell sich in den eigenen Kreisen festzuzirkeln und ich bin von dieser Gefahr – ich sage mal – überdurchschnittlich stark bedroht. So war die Uni für mich erstmal ein Tor. Ein riesiges Tor zu neuem Wissen. Aber eben nur ein Tor, durch das man selbst gehen musste, wenn man es denn wollte.
Man darf sich da aber kein falsches Bild machen. Ich habe viel gelernt an der Uni, aber nicht alles, was ich während der Uni gelernt habe, habe ich für Seminare gepaukt. Nein, die Universität – wie ich sie erfahren habe (aber da hat sich ja durch Bologna einiges verändert) war kein Garant für Wissen. Ich bin mir sicher, ich hätte von jeglichem Wissen unbeleckt und bar aller Interessen meinen Abschluss machen können. Ich kenne Leute, die es schafften ohne jeglichen nennenswerten Imput als Kulturwissenschafter eine beachtliche Abschlussnote zu bekommen. Man kann sich prima durchmogeln und man muss noch nicht mal besonders intelligent dafür sein. Die Universität ist ein großartige Möglichkeit der Wissensaneignung. Die Strukturen, die Seminare, die Bibliothek, die Dozenten sind aber alle nur ein Angebot, das man annehmen kann oder nicht. Viele meiner Kommilitonen sahen die paar vorgegebenen Möglichkeiten nur als Hürde, die es zu nehmen gilt, auf dem Weg zur eigentlichen Karriere. Und ja, auch das funktioniert.
Ich habe nach Neigung und ich habe lange und ausgiebig studiert. 14 Semester, wenn ich mich richtig erinnere, allerdings mit Studienfachwechsel zwischendrin. Ich habe Theorien aufgesogen, Bücher gewälzt und mich in Gedanken verstrickt – nicht um Scheine zu machen (das auch, ich war pragmatisch genug, da ein bisschen drauf zu achten) aber in erster Linie, weil mich der Stoff interessierte, weil ich darin aufging, weil ich die Welt verstehen wollte. Das relativ freie Studium damals ermöglichte mir diese Art zu studieren, gleichzeitig ermöglichte es anderen, relativ leicht ihre wenigen Scheine zu sammeln. Für mich war das freie Studium gut, die Universität war eine große Bereicherung in meinem Leben und sie war für mich eine größere Bereicherung, als für die, die nur auf den Abschluss schielten. Es ist mir egal, ob sie mit weniger Aufwand und schneller ihren Abschluss machten, denn darum ging es mir nicht.
Aber nach der Uni entdeckte ich aber eine andere Form der Wissenssammlung und -generierung und -austauschs für mich: das Internet. Und im Gegensatz zu den Universitäten ist hier Platz für alle. Hier braucht man keinen Numerus Clausus, nicht mal Abitur um sich an diesem unendlichen Wissensschatz zu bereichern. Alle sind frei hier zu lesen und wichtiger: teilzunehmen am Diskurs, an jedem Diskurs. Hier existieren keine Abschlüsse und keine Grade, sondern wie es Habermas formulierte, „der zwanglose Zwang des besseren Arguments und das Motiv der kooperativen Wahrheitssuche„. Naja, nicht ganz. Hier gilt natürlich auch die Rhetorik und die Lautstärke eine Menge, aber eben keine Titel, Grade oder sonstiges institutionalisiertes kulturelles Kapital. Keiner erwartet einen Ausweis, dafür, dass man sich äußern darf. Ich empfinde das als sehr angenehm, denn obwohl ich immer gerne von der Elite fasele, bin ich ein sehr egalitärer Mensch. Aber dazu später.
Diese Parallelstruktur des Internets für Wissen und Austausch aller Art stellt die Universität als Institution natürlich auch in Frage, denn sie ist zumindest nicht mehr die einzige, und meiner Meinung nach nicht mal mehr die beste Lösung für das gesellschaftliche Problem der „Wissensakkumulation„. Im Elfenbeinturm der so genannten „Geisteswissenschaften“ hat man sich lange eingemauert gegen diese Erkenntnis und tut das bisweilen gerne bis heute. Diese Cordjackettigkeit will schon lange niemanden mehr außerhalb der Unimauern beeindrucken, sondern kreist zunehmend nur noch um sich selbst. Sie hat sich damit abgefunden keinerlei gesellschaftliche Rolle mehr zu spielen und die Universität hat eine Menge Schuld daran.
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die meinen, dass die Wissenschaft sich und ihre Leistungen jederzeit in Geld aufwiegen können soll, aber ich glaube schon, dass es durchaus zu hinterfragen gilt, ob sich eine Gesellschaft eine bestimmte Art von Wissenschaft leisten soll, die nur sich selbst genügt. Vielleicht sogar ja, wenn wir keine Alternative hätten. Wenn hinter den Unimauern doch noch hier und da eine nützliche Theorie oder wichtige Beobachtung gemacht wird, was ganz sicher der Fall ist, dann reicht das so lange aus, bis es bessere und effektivere Strukturen dafür gibt. Und die gibt es, meiner Meinung nach.
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Deswegen bin ich nicht wirklich traurig darüber, wie der zu Guttenberg grinsend die Wissenschaft schändet. Wie die ganze Bundesregierung die Universität, ihre Grade und ihren Habitus demütigt und durch den Dreck schleift, beobachte ich nicht ohne etwas Schadenfreude. Noch schlimmer: ich kann durchaus nachvollziehen, wenn die gesammelte Bildleserschaft im Doktortitel ein lässliches, weltfremdes und unwichtiges Emblem vermutet. Denn damit hat sie ganz ohne Frage recht.
Mir geht es bei Guttenberg um etwas anderes: Ich bin der Meinung, dass zu Guttenberg als entlarvter Betrüger und Hochstapler kein Bundesminister sein darf. Die selbe Meinung hätte ich, wenn er Jamba-Abos vertikt oder die Steuer hinterzogen hätte. Wenn man erstmal anfängt, offensichtliche Charakterlosigkeit in höchsten gesellschaftlichen Führungspositionen durchgehen zu lassen, hat die Gesellschaft ein Problem. Ein berlusconiesques Problem.
Und deswegen bin ich Guttenberg auch auf eine gewisse Art und Weise dankbar. Er hat quasi als Karikatur vorgeführt, wie die Wissenschaft funktioniert, wozu Doktorgrade heutzutage da sind und was sie wert sind oder sein sollten. Diese Demütigung ist zwar in ihrer Heftigkeit nicht repräsentativ – in Bayreuth wird anscheinend schlimmer geschlampt und gevetternwirtschaftet als üblich – aber die Tendez stimmt. Die Universität und die Wissenschaft muss sich jetzt zurecht fragen, ob sie denn gesellschaftlich überhaupt noch die Rolle und die Stellung hat, die sie immer dachte zu haben – und die sie ja auch noch heftig beansprucht. Und sie muss sich die Frage gefallen lassen, womit sie diesen Anspruch eigentlich verdient haben sollte. Das zu beantworten wird ihr schwerer fallen, als sie glaubt. Fuck Häberle! Kein Mitleid!
Bezeichnend hierfür finde ich den Katzenjammer von Heribert Prantl in der Süddeutschen letztes Wochenende. Wie der jetzt rumheult, weil Häberle, einer seiner geliebten Ikonen des Verfassungsrechts nun als gefallener Engel darsteht und wie er ihn verzweifelt von jedem Vorwurf reinzuwaschen versucht. Vergeblich. Prantls Tränen zeugen in der Tat von kaum weniger Realitätsverlust, als die bedingungslose Treue der Bildleser zu Guttenberg. Hier wie dort ist das geliebte Idol gefallen und man will es einfach nicht wahrhaben.
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Ein weiterer Effekt ist die Demütigung des Bildungsbürgers. Der Bildungsbürger ist eine Erzählung, die eigentlich eine deutsche Mutation des Tellerwäscher-Millionär-Memes aus den USA ist. Sie geht so: Wenn du recht fleißig bist, rechtschaffen und dich vor allem bildest, dann wirst du auch gesellschaftlich aufsteigen, wirst dein Geld verdienen etc. Diese Ideologie ist recht tief verankert, vor allem bei den Konservativen. Klar, denn diese Ideologie legitimiert jegliches Bessergestelltsein gegenüber der restlichen Bevölkerung durch die so genannte „Leistung„. Es braucht nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, dass jemand, der es zu etwas gebracht hat, sich und anderen genau das um so lieber einredet. Ist ja irgendwie auch menschlich. Naja, jedenfalls abstrahiert vom Einzelnen und aufgeputscht zu einer Ideologie, nennt man das dann „Bürgerlichkeit“.
Die hat übrigens eine fast „subversive“ Tradition, denn der „Bürger“ ist jemand, der sich einst durch die Selbstdefinition qua Leistung als Gegenmodell zum Adel verstand, der sich ja wiederum durch den angeborenen Stand legitimiert. Es ist also durchaus in dieser Tradition, dass Jan Fleischhauer den „Bürger“ und die „Bürgerlichkeit“ von der Guttenbergaffaire schadlos halten will, indem er Guttenbergs Fehlleistung als „typisch Adel“ darstellt. Diese Argumentation wäre auch durchaus schlüssig. Vor ca. 100 Jahren. Heute versteht sich der Adel (oder das was von ihm übrig ist) durchaus als „bürgerlich“, sonst hätte Gutti schließlich auch nicht so sehr nach dem Doktortitel gestrebt. Sowohl in Sachen Adels- als auch Doktor-titeln ist die Union unter den Parteien schließlich führend.
Es braucht nicht so besonders viel Lebenserfahrung, um zu begreifen, dass das Vesprechen des Bürgers und des Bildunsgsbürgers quatsch ist. Geld verdient man mit perfieden Methoden, die am rande der Legalität und jenseits der Moralität angesiedelt sind immer noch am besten. Stumpf gewinnt da meist gegen intelligent. Wer hat, dem wird gegeben und die, die am meisten arbeiten bringen oft das wenigste Geld mit nach Hause. Nietzsche würde sagen, das sei eine „Sklavenmoral“. Eine Moral, die als Erzählung die „kleinen Leute“ dazu bringt, sich mit den gegeben Umständen anzufreunden. Eine Ideologie, die einerseits dazu dient, dass die Armen diesen Werten weiter hinterher rennen, während genau diese Werte ihren Wohlstand verhindern und gleichzeitig als Rechtfertigung für die Reichen dient. „Mein Wohlstand ist rechtschaffen verdient. Schau her, ich habe sogar einen Doktorgrad!“
Natürlich stimmt es, dass man mit einem guten Abschluss bessere Chancen auf dem Jobmarkt hat. Aber 1.) muss man nicht erst die Pisa-Studie oder zu Guttenberg herziehen, um zu erkennen, dass in der Schule wie in der Universität sozial gesiebt und bevorteilt wird, was das Zeug hält. Und 2.) ist schon der Zugang zur Universität jenseits des Schulsystem und den Studiengebüren eine Hürde, die sozial schwächere nur schwerlich nehmen können. Weil ihnen etwas ganz entscheidendes fehlt.
Pierre Bourdieu hat in 70ern gezeigt, dass die Herkunft über ganz spezielle, kaum sichtbare Mechanismen die Machtstellung in der Gesellschaft beeinflusst. Es geht eben nicht nur um Einkommen oder Kapital im ökonomischen Sinne. Macht wird zuweilen viel subtiler weitergegeben. Er unterscheidet neben dem ökonomischen noch das kulturelle und das soziale Kapital. Das kulturelle – und hier insbesondere das inkorporierte kulturelle Kapital – ist das Rüstzeug dafür z.B. eine akademische Karriere überhaupt wollen zu können. Nur wenn man schon in einem Haushalt aufgewachsen ist, in dem Bildung viel gilt, begreift man Bildung als Wert ansich, den es anzustreben gilt. Und erst wenn man mit Kunst und Musik seit seiner Kindheit in Berührung gebracht wird, bekommt man einen leichten einen Zugang dazu. Und erst, wenn man in einem Haushalt aufgewachsen ist, in dem bei Tisch lebhaft diskutiert wurde, wird man Diskussionen auch in seinem weiteren Leben als sinnvoll ansehen. Man entwickelt von Kindheit auf etwas, was bei Bourdieu „Habitus“ heißt. Eine gewisse Selbstsicherheit und Selbstverständlichkeit im Umgang mit bestimmten Dingen, die man kaum nachträglich erlernen kann.
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Das, was wir derzeit zu sehen bekommen, ist das letzte Aufbäumen einer Art Klasse, deren Macht sich auf BILD, BAMS und Glotze stützte, wie es Gerhard Schröder mal so schön formulierte. Aber das stimmt natürlich nicht. Die Macht stützt sich auf so viel mehr: institutionelle Bildung, Wertekanon, Aufstiegsversprechen, Autofetisch, Bausparvertrag, Eigenheim, Urlaubsbedürfnisse, Lohnarbeit, Leistungsgedanke, Ehegattensplitting, Kunst-Museen, Theater und auch Doktortitel – und natürlich Habitus. BILD, Bams und Glotze sind nur ihre Propheten. (Guttenberg hat übrigens einen ganz bemerkenswert ausgeprägten Habitus, was sicher ein Grund für die bedingungslose Treue seiner Fans ist. Das muss die UntertanenDNA sein, die sich da Bahn bricht…)
Nichts destotrotz bröckelt diese Macht. Die Elite, ihre Werte und Versprechungen sind nicht mehr glaubwürdig. Die Institutionen verfallen in dem Maße, wie sie obsolet werden. Und im Windschatten dieses Prozesses, bildet sich eben eine neue Elite, mit neuen Werten. Welche das sein werden, kann man derzeit nur erahnen. Doch der habituelle Absetzungsprozess ist bereits im Gange. Ich habe ja die kulturelle Globalisierung sowie den Umgang mit der Technologie im Blick, die es ermöglicht, sich einerseits von der herkömmlichen Elite, als auch vom gemeinen Fußvolk abzusetzen. Beobachtbar ist auch die Abkehr von den oben genannten Pfeilern der Bürgerlichkeit, alleine schon, weil sie teilweise schon ganz absehbar keine Zukunft mehr haben werden. Diese Dinge passieren natürlich kaum bewusst. Man orientiert sich und klar, klopft man hier und da ab, welche Ideen oder Institutionen zukunftsträchtig sind, welche nicht. Um zu sehen, welche Werte eine künftige Elite in etwa haben wird, muss man sich eigentlich nur die Bürgerkinder angucken.
Gehen wir ruhig von einer, nein, von mehreren Verschwörungen aus. Und nehmen wir uns doch der Einfachheit halber die Definition herbei, die uns Julien Assange gegeben hat. Dass nämlich jede Verschwörung ein Netzwerk der Vertraulichkeit ist, ein Netzwerk, das – zumindest in erster Linie – unter einander kommuniziert und das kommuniziert, ohne dass die Außenwelt hier die selben Informationen prozessieren kann, wie die Mitglieder eines solchen Netzwerkes.
Das muss alles nicht bewusst ablaufen. Netzwerke entstehen nicht wirklich intentional. Soziale Strukturen verfilzen automatisch, sie streben dahin. Vor allem dann, wenn sie sich kulturelle Praktiken aneignen, die in ihrer Zugänglichkeit beschränkt sind. In einem bourdieuschen Sinne zugangsbeschränkt, meine ich. Die Verschwörung von der ich rede, geht nicht nur gegen das „Volk“ oder gegen den „Nationalstaat“ sondern gegen den „Bürger“ und damit auch gegen die alten Eliten.
Und genau so, wie Assange meint, diese Verschwörungsnetzwerke angreifen zu können, passiert es hier: durch das Streuen von Misstrauen innerhalb des Netzwerkes. Hier: die öffentliche Entwertung des Doktortitels. Nur brauchte es dafür gar kein Wikileaks. Wie praktisch!
Der Umbruch, den wir heute erleben ist radikal und Guttenberg ist nur sein Katalysator. Ich bin mir sicher, dass das Bildungsbürgertum alle Mittel und Wege beschreiten wird, Guttenberg zu stoppen. Viel zu viel steht für die aktuelle Elite noch auf dem Spiel. Das sind nicht nur gekränkte Werte, sondern handfeste Interessen, wie Franz Walter das so schön formuliert hat. Wenn die Doktorwürden auf das reduziert werden, was sie tatsächlich wert sind, dann wird vor allem das Bürgertum eine gesellschaftliche Inflation erfahren. Es sind ausgerechnet die Interessen von jenen in Gefahr, die die Union immer zu repräsentieren vorgab. Guttenberg wird gestoppt werden, aber nicht von uns, nicht von Links, sondern aus der eigenen Partei, bzw. dessen Basis.
Doch natürlich ist die Doktorblase längst geplatzt. Allein das Desinteresse des Volkes gegenüber Guttenbergs kleiner Schweinerei zeigt das allzu deutlich. Der Konflikt wird weitergehen und sich noch verschärfen und das erste Opfer ist die Union.
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Die nämlich steht momentan sowas von nackt da. Sie hat sich bei ihrer Kernwählerschaft auf die Knochen und für Jahre blamiert, nur um kurzfristig dem BILD-Pöbel zu gefallen. Das wird sie auf Jahre hinaus noch zu spüren bekommen. Andererseits hat die Union kaum eine andere Wahl, als genau das zu tun. Guttenberg ist war ihr einziges Rennpferd im Stall. Sein Charisma (oder Habitus) war der einzige strahlende Punkt innerhalb eines extrem schmucklosen Kanzlerinnenvereins. Hamburg hat geschmerzt, Baden-Württemberg wird schlimm und ohne Guttenberg noch viel schlimmer. Die Union, das kann man recht sicher konstatieren, steht so oder so mit dem Rücken zur Wand.
Der Union droht eine Krise, die nur noch mit 1999 zu vergleichen ist. Die Glaubwürdigkeit und jeder Rest an Integrität ist verspielt und sie hat auf diesem Weg nicht mal etwas nennenswertes zustande gebracht. Dazu der jämmerliche Koalitionspartner FDP, dem es kaum besser geht. Diese Regierung ist am Ende. Klar, das habe ich schon mal gesagt, damals mit Blick auf die Medien, die Merkel fallen ließen, aber diesmal ist es noch um einiges schlimmer und vor allem nachhaltiger. Das ist kein Stimmungstief mehr, da bricht gerade die Substanz weg. Nicht nur der mediale, sondern der komplette gesellschaftliche Rückhalt steht hier auf dem Spiel. Und das während die uns bekannte Welt da draußen auseinanderbricht, die Finanzkrise noch nicht verdaut ist und das Internet alle Machtverältnisse durcheinander wirbelt.
Aber die Zukunft des Konservatismus ist derzeit ganz gut in vielen Ländern zu beobachten. Den USA, Dänemark, den Niederlanden, Österreich und Italien, beispielsweise. Dort hat man jedes Wertekorsett abgelegt und fährt nur noch unter der Fahne des Populismus und der Niveaulosigkeit. Alles, was Wählerstimmen fängt, wird gemacht. Noch ist die Union nicht im ganzen soweit und ich glaube auch, dass es ein letztes Aufbäumen geben wird. Aber die Zukunft wird so sein, es sei denn eine andere Partei erledigt den Job. Rechts von der CDU.
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Wie ich bereits sagte. Dieses Jahr wird etwas – zumindest einiges – passieren. Bzw. es passiert schon was. Es ist in diesem jungen Jahr bereits viel mehr passiert, als im gesamten letzten Jahr zusammen genommen. Und es hört nicht auf. Alles destabilisiert sich, alles gerät aus dem Fugen. Alles, was bereits seit Jahren porös war, bei dem man aber immer sagte: das hält noch. All das ist irgendwie zu ende, stirbt, berstet, verfällt, wird verhöhnt, bricht auseinander.
Der Kontrollverlust ist eine kleine, technologische Singularität. Ein Punkt auf der Achse der Zeit, ab der die Dinge unvorhersehbar werden. Genauer: wo Informationen auf eine Art miteinander interagieren, die die Komplexität übersteigt, die man noch nachvollziehen kann. In der alles im wahrsten Sinne des Wortes, „verrückt“ wird. Aus dem Kontrollverlustmoment des Einzelnen wird der allgemeine Kontrollverlust. Alles strebt diesem Punkt zu, in einer sich beschleunigenden Welt mit sich beschleunigendem technischen Fortschritt mit sich beschleunigenden Ereignissen aber einem endlichen Menschen. Das, was Warnke Emergenz nennt, macht uns das Netz zu einem „Es“, das einfach da ist und das wir nicht mehr zu durchschauen im Stande sind. Das aber irgendwie funktioniert und Dinge tut und Ereignisse zeitigt, die wir nicht mehr verstehen, aber hinnehmen. Und wenn man ehrlich ist, fühlt es sich jetzt bereits ein bisschen so an.
Ich glaube nicht, dass der Punkt schon da ist. Wir sind nahe dran, aber das, was wir zu spüren bekommen sind nur die Ausläufer. Dennoch wird 2011 ein wichtiges Jahr markiert haben. Vielleicht das Jahr, an dem man den Blick nicht mehr von der Tatsache abwenden konnte, wie sehr sich die Welt gerade ändert und dass die alten Strukturen dem Druck nicht mehr stand hielten. 2011 ist ein Jahr des Endes für sehr vieles, soviel steht fest. Bisher ist aber noch nichts unter die Räder gekommen, was ich vermissen werde. Wobei ich natürlich nicht wissen kann, welch Rattenschwanz noch daran hängt, welche Dinge mit dem Bürgertum in den Abgrund gerissen werden und was ich dereinst vielleicht mal zurücksehnen werde. Aber wenn man das eh nicht wissen kann – denke ich mir – dann sollte man sich in so einer Situation nicht so viel Sorgen machen, sondern eher Poppkorn.