Frühjahrstermine

Gerade bricht wieder die Veranstaltungssaison an und deswegen ein paar Hinweise für die nächste Zeit, wo ich zugegen sein werde.

  • Diese Woche Freitag, am 15. April um 20:30 im Puschensalon plaudere ich in Berlin mit anderen über (Post-)Privatheit im Internet. Bei Brendel, Kolonnenstraße 18, Berlin.
  • Den Samstag drauf (16. April) bin ich in Düsseldorf bei dem Auditorium. Es geht um den Kontrollverlust in der Medizin. Ich halte einen Vortrag und diskutiere. Beginn 11:15.Rheinische Kliniken Düsseldorf – Sozialzentrum Bergische Landstraße 2, 40629 Düsseldorf.
  • Die Woche drauf, am 19. April ab 12:30 Uhr, diskutiere ich beim Tagesspiegel über „smart Data“ mit Dr. Susan Wegner von den Telekom Innovation Laboratories und mal wieder mit Peter Schaar. Aber mit dem diskutiere ich ja gerne. Ort: Qbo-Store, Hackesche Höfe, Hof II, Berlin
  • An dem Wochenende (22./23. April) beginnt auch mein neues Block-Seminar an der Uni Köln. Diesmal geht es um Datenbanken. Im Grunde also um die Geschichte und Bedeutung der Query. Universität zu Köln, Humanwissenschaftliche Fakultät, Gronewaldstrasse 2.
  • Und dann bin ich auch auf der re:publica. Am 5. Mai (letzter Tag) morgens gleich als erstes nachmittags um 16:15 in Station 9. Wer es schafft, da aufzustehen da noch nicht abgereist ist und sich noch zu einem talk motiviert bekommt, bekommt einen Händedruck von mir. Versprochen! Ich spreche über das, was ich Netzinnenpolitik nenne und als Teil der Plattformpolitik verstehe. Im Grunde geht es darum, ob und wie Plattformen unser Leben oder gar nur unsere Rede kontrollieren sollen.
  • Am 9. Mai werde ich auf den Medientagen Mitteldeutschland in Leipzig um 14:30 bis 15:30 über Datenschutz und Datenkontrolle diskutieren.

Sanktionsfrei ins Neue Spiel

Pünktlich zur Verabschiedung der EU-Datenschutzreform habe ich noch mal ausführlich aufgeschrieben, warum die Informationelle Selbstbestimmung konzeptionell am Ende ist. Es ist ein Recht, um das nur noch um seiner selbst willen gestritten wird, das zutiefst unehrlich ist und nur sehr mangelhaft das tut, was es eigentlich tun sollte: Menschen zu schützen.

Für alle, die glauben, dass das ja nun mal alles nicht anders geht, will ich hier anhand eines Best Practice-Beispiels das Gegenteil beweisen. Ein Beispiel, das genau so auch hätte in meinem Buch stehen können. Dort nämlich hebe ich unter Regel 2: „Überwachung ist Teil des Spiels“ das Problem von Hartz4-Empfänger/innen als Beispiel für Überwachung hervor:

„Staatliche Überwachung fängt aber nicht erst beim Geheimdienst an, sondern ist ein viel alltäglicheres Phänomen. Mithilfe von Informationszwangsabgaben werden Hartz-4-Empfänger drangsaliert. Dazu gehören die Offenlegung ihrer gesamten Eigentumsverhältnisse, Rechenschaft über ihre Anstrengungen zur Jobsuche und unangekündigte Hausbesuche. Der ständige Überwachungsdruck, gepaart mit existenziellen Konsequenzen durch die Agentur für Arbeit, kann Menschen über die Zeit zermürben. Es gibt nach wie vor viele plausible – und keineswegs neue – Gründe gegen Überwachung. Die NSA ist dabei aber nicht das Hauptproblem.“

Überwachung, das ist mein Punkt, ergibt sich nicht einfach nur der bloßen Sammlung von Daten. Erst in Kombination mit einem Sanktionsmechanismus wird Beobachtung zur Überwachung.

Als Strategie schlage ich deswegen vor, statt der Beobachtung, die Strafregime in den Mittelpunkt des Kampfes gegen Überwachung zu stellen.

„Statt also die Privatsphäre gegen Beobachtung zu verteidigen, sollten wir gegen die Instanzen der Bestrafung kämpfen: Autoritäre Grenzkontrollen, rassistische Polizeianordnungen, homophobe Strukturen in der Gesellschaft, ungerechte Gesundheitssysteme und institutionelle Diskriminierung sind die eigentlichen Problemfelder, auf denen Überwachung gefährlich werden kann.“

Das klingt jetzt jetzt auch nicht viel einfacher, als gegen die Beobachtung zu kämpfen. Ich glaube aber, dass das ein Vorurteil ist und dass in diesem Feld noch zu wenig versucht wird.

Bildschirmfoto 2016-04-14 um 14.08.47 Das beste Beispiel dafür, wie erfolgversprechend dieser Ansatz sein kann, ist das Projekt von Inge Hannemann und Michael Bohmeyer. Gemeinsam wollen sie eine Plattform gründen, die mithilfe halbautomatisierten Formularpingpongs und tatsächlicher Rechtsberatung die Arbeitsagenturen zähmen soll. „Sanktionsfrei“ ist passender Weise auch der Name des Projektes, denn genau darum geht es: der überwachenden Instanz die Zähne zu ziehen.

Sanktionsfrei versucht nicht den Kontrollverlust, nicht die Beobachtung zu bekämpfen, sondern den Kontrollverlust mittels digitaler Technologie an die Behörden zurückzuspielen. Es steuert automatisch oder halbautomatisch allen Sanktionsversuchen entgegen und entkräftet sie so.

Bildschirmfoto 2016-04-14 um 14.13.44 Die Crowdfundingphase war bereits erfolgreich und hat den Mindestbetrag zur Entwicklung der Plattform eingeworben und das Entwickler/innen-Team hat sich bereits an die Arbeit gemacht. Zum eigentlichen Fundigziel fehlen aber noch ca. 50.000 Euro, aber dafür sind auch noch 25 Tage Zeit.

Sanktionsfrei ist das beste Beispiel, dass das Neue Spiel gespielt werden kann. Bitte unterstützt sie nach Kräften.

Warum die Panamapapers für alle zugänglich gemacht werden sollten

Massenmedien überschätzen ihre Kompetenz und ihre Legitimation als Sprachrohr der Öffentlichkeit. Vier Gründe, warum ich es moralisch für zwingend erforderlich halte, die Papers so schnell wie möglich der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.*

1. Vertrauen in die Medien

Ich persönlich glaube nicht, dass die beteiligten Journalist/innen mit ihren Veröffentlichungen eine politische „Agenda“ verfolgen, wie es Craig Murray sehr erfolgreich in die Gegend raunt. (Ich halte Leute, die solche Verschwörungstheorien verbreiten, immer für etwas … einfältig.) Aber die Tatsache ist nun mal, dass das Vertrauen in die „Mainstreammedien“ nicht nur bei „Lügenpresse“ rufenden Pegidos erschüttert ist, sondern selbst bereits wieder mainstreamtauglich geworden ist. Ich halte diesen Vertrauensverlust für unberechtigt, aber er ist nun mal da.

Dass Verschwörungstheorien aufkommen würden, war natürlich unvermeidlich. Und ich glaube auch nicht, dass es keine mehr geben würde, wenn die Papers veröffentlicht wären. Aber durch die Veröffentlichung würde man zumindest die daran arbeitenden Journalist/innen aus dem Schußfeld der Spekulationen nehmen.

Die Frage wiederum, ob die Rohdaten bereits gefiltert sind und ob die Quelle vielleicht eine politische Agenda verfolgt, sind, wie ich finde, sogar sehr berechtigt.

Mit der Veröffentlichung der Papers würde das Vertrauen in die Medien wieder hergestellt. Nicht in einem absoluten Maß, aber als legitimer Teil des Ökosystems Öffentlichkeit, dass als Informationsarbeiter neben allen anderen auf der selben Datenbasis arbeitet. Und ich denke, das ist bitter nötig.

2. Öffentliches Interesse steht über Privatphäre

Als Grund für die Nichtveröffentlichung werden die Persönlichkeitsrechte der Betroffnen vorgeschoben. Das mag juristisch richtig sein. Es ist ja nicht so, als hätten wir es hier mit einem Katalog überführter Straftäter zu tun. Moralisch sieht die Sache aber anders aus.

Für diese Einschätzung muss man übrigens kein Post-Privacy-Apologet sein. Wenn der juristische Schutz der Privatsphäre irgendeinen Sinn hat, dann, um den Schwächeren vor dem Stärkeren zu schützen. In diesem Fall gibt es aber keine Schwachen. Wer es sich leisten kann, sein Geld in Offshore-Paradisen zu verstecken, der ist per definitionem nicht schwach.

Wer sein Geld versteckt, versteckt es vor jemandem. Dieser Jemand hat in der Regel ein berechtigtes Interesse an dem Geld. Das muss nicht heißen, dass das Geld nicht rechtmäßig (im Sinne von legal) außer Landes geschafft wurde. Es bedeutet aber, dass die Öffentlichkeit ein moralisches Recht hat, nachzufragen, woher das Geld kommt und warum er es versteckt.

3. Öffentliches Interesse geht über journalistische Öffentlichkeit hinaus

„Öffentliche Interesse“, sage ich. „Hier!“ rufen die Journalist/innen und klopfen sich auf die Brust: „das öffentliche Interesse sind doch wir!“

Da, aber, liegt ein Mißverständnis vor. In Zeiten vor dem Internet mag die Presse und die Öffentlichkeit noch einigermaßen kongruent gewesen sein. Heute ist das jedenfalls nicht mehr so. Journalismus ist sicher noch ein wichtiges Subset der Öffentlichkeit, vielleicht sogar das wichtigste, aber die Öffentlichkeit ist heute so viel mehr. Überall auf der Welt gibt es Akteure, die jenseits von journalistischer Relevanz ein berechtigtes Interesse an den Daten haben.

Das offensichtlichste sind die Strafverfolgungsbehörden. Wie viele Steuerfahnder sitzen weltweit an Fällen und eine kurze Abfrage im Panamapapers-System würde ihnen den entscheidenden Hinweis liefern? Wie viele Ermitter/innen weltweit sitzen an ihren Puzzeln des organisierten Verbrechens und kommen nicht weiter, weil sie die Geldflüsse nicht weiterverfolgen können? Sollen diese Verbrechen ungesühnt bleiben, weil sie unterhalb journalistischer Relevanz angesiedelt sind? Weil sie keine gute Story abgeben?

Aber es geht viel weiter: was ist mit der verlassenen Mutter, die dem Gericht beweisen muss, dass ihr Mann ihr doch Unterhaltszahlungsfähig ist? Was ist mit den sitzengelassenen Gläubigern, deren Geld in dubiose Kanäle abgeflossen ist, während der Schuldner Privatinsolvenz angemeldet hat? Was ist mit dem pleite gegangen Verein, dessen Schatzmeister Geld hat verschwinden lassen?

Hinter jedem versteckten Geld stecken Schicksale. Das Problem der Offshoregeldes ist dezentral verteilt und fein ziseliert wie Kapillaren. So sieht die Öffentlichkeit heute aus.

4. Das moralische Recht der richtigen Frage

Und das ist vielleicht das größte Missverständnis. Die Unkenrufe angesichts der bisher kolportierten dürren Storys über einen Jugendfreund von Putin kommen nicht nur von Putinverstehern. Auch ich verstehe das nicht. 400 Journalisten arbeiten 12 Monate an 2,6 Terabyte und im Zentrum steht so eine Story?

Ich will nicht ausschließen, dass noch wirklich spannende Geschichten kommen werden. Ich glaube aber, dass hier ein grundsätzlichges Missverständnis steckt. Nämlich, dass es überhaupt den einen großen Schatz gibt, den man nur mit genug Manpower heben könne.

Übersehen wird dabei mal wieder, dass die Macht von Daten immer in der Abfrage generiert wird, weswegen noch so große Manpower und Spezialexperten nur wenig weiterhelfen. Das Wissen, um die richtige Frage zu stellen, ist da draußen, weit verteilt in den angesprochenen Schicksalen.

Wer bereits eine Ahnung hat, wessen Auto immer in der Auffahrt der großen Villa am Ende der Straße steht, der weiß einfach besser wonach er in den Panamapapers suchen muss. Wer über Mitarbeiterlisten seiner Firma verfügt, in der er krumme Dinge vermutet, kann mit den Daten mehr anfangen, als noch so gute Journalist/innen. Wer zufällig an Kontoauszüge eines Spitzenpolitikers gekommen ist, weiß einfach, was sie in die Suchmaske eingeben würde.

Der Glaube der Journalist/innen, sie selbst verfügten über die relevanten Fragen, ist eine unzeitgemäße Hybris, die sich niemand mehr anmaßen sollte. Es gibt keine Zentralkompetenz der Abfrage.

Genau wie die Probleme, die durch Offshoregeld entstehen, ist auch die Kompetenz die richtigen Fragen zu stellen, dezentral verteilt. Diese Kompetenz liegt verstreut und unzugänglich in den Köpfen von Millionen Menschen. Sie haben Fragen, auf die die Journalist/innen nicht kommen würden. Fragen, die Ungerechtigkeiten beseitigen und das Leben vieler verbessern könnten, wenn sie sie nur stellen dürften. Welches moralische Recht haben die Journalist/innen ihnen diese Fragen zu verwehren?

Die Panamapapers sind relevant für Millionen Menschen. Um diese Relevanz aber zu heben, braucht es das verteilte Wissen der Millionen Menschen. Die journalistischen Gatekeeper stehen der eigentlichen Relevanz ihres Fundes im Weg.

  • Zumindest alle Dokumente, die sich auf die eine oder andere Art mit dem Hauptgeschäft der Briefkastenfirmen beschäftigen.