Jenseits des Marketingbegriffs: Was „digitale Souveränität“ für die öffentliche Verwaltung bedeutet

Ester Menhard hat mich für ihren auch sonst sehr lesenswerten Artikel auf Netzpolitik zum Begriff der „Digitalen Souveränität“ befragt.

In der aktuellen Debatte um digitale Souveränität sind öffentlich einsehbarer Code und die gestalterische Rolle von Zivilgesellschaft jedoch kaum ein Thema. Das hält der Kulturwissenschaftler Michael Seemann für wenig überraschend. Ideengeschichtlich habe der Begriff „Souveränität“ seine Wurzeln in dem absolutistischen Anspruch, ein Herrschaftsgebiet klar abzustecken. Es gehe weniger um Unabhängigkeit, sondern vielmehr um Kontrolle eines Staatsgebiets, aber auch eines Handlungsspielraums.

Quelle: Jenseits des Marketingbegriffs: Was „digitale Souveränität“ für die öffentliche Verwaltung bedeutet

Krasse Links No 46

Willkommen zu Krasse Links No 46. Antisemitismusalarm im Mar-a-Lago Accord! Also sattelt Eure Pfadentscheidungen, heute verrationalisieren wir Zölle als Reservewährung im Postkapitalismus.


Mahmoud Khalil, ein palästinensicher Austauschstudent an der Columbia-Universität, der sich mit gültigem Greencard Visum in den USA aufgehalten hat, wurde letzte Woche festgenommen und wird seitdem tief im Landesinneren in irgendwelchen ICE-Lagern festgehalten, ohne dass sein Anwalt oder seine schwangere Frau Kontakt zu ihm haben, oder ihnen gesagt wird, wo er festgehalten wird.

Hunderte Demonstrierende der Jewish Voice for Peace hatten am Samstag den Trumptower besetzt, um gegen die unrechtmäßige Verhaftung von Mahmoud Khalil zu demonstrieren.

Palästinenser oder Menschen, die sich für sie einsetzen, verlieren in den USA genauso wie in Deutschland immer öfter gesetzlichen oder menschenrechtlichen Schutz. Ich beobachte das als einen eskalatorischen Vorgang und gebe zu bedenken, dass der staatlich organisierte Antisemitismus der Nazis auch nicht bei Auschwitz angefangen hat.


Timothy Snyder, selbst Antisemitismusexperte und Holocaustforscher, schreibt in seinem Newsletter ebenfalls über den Fall Khalil und allgemeiner über die Instrumentalisierung des Antisemitismus-Begriffs in den USA.

According to Trump, Khalil is the „first of many to come.“ Without evidence, Trump associates Khalil in a general way with „pro-terrorist, anti-Semitic, anti-American activity.“ These are slurs designed to generate emotion, and neither Trump nor anyone else in government has provided any evidentiary basis for any of them. The stigmatization of a particular individual and his particular cause is a template for doing the same to other people and other causes. The stigmatization of specific protests at specific universities is being used to delegitimize higher education and freedom of expression.

Er arbeitet dabei auch heraus, wie der Antisemitismusvorwurf quasi in seiner Umkehrung, die wirklichen Antisemiten schützt, zu denen Trump und Musk eindeutig zu zählen sind und wie die Instrumentalisierung des Antisemismusvorwurfs am ende alle Juden in Gefahr bringt.

Jews in the United States are being instrumentalized in an effort to build a more authoritarian American system. The real and continuing history of the oppression of Jews is transformed into a bureaucratic tool called „antisemitism“ which is used to suppress education and human rights — and so, in the end, to harm Jews themselves.

As the word „antisemitism“ becomes the cover for aggression, we lose the concept. And then, when actual antisemitism manifests itself, there will be no way to describe it, since „antisemitism“ will have come to mean something like „the power of arbitrary rulers to suppress freedom of assembly and freedom of speech under cover of disinformation and propaganda.“


John Oliver hat kurz nachdem ich meinen Newsletter letzte Woche rausgeschickt habe, einen Beitrag über ICE Detention Centers gemacht, der prima reingepasst hätte. Nun hier nachgereicht.

Anti-Migrationspolitik produziert Lager und Lager erzeugen Kosten und Begehrlichkeiten. Wir befinden uns auf einem dunklen Pfad.


Eine weitere Studie, die belegt, dass die Strategie, rechten Narrativen nachzulaufen, für demokratische Parteien einfach nicht funktioniert.

It is a widespread view that mainstream party accommodation of radical right core issue positions would reduce the radical right’s success. Empirical evidence for this claim, however, remains inconclusive. Using party level data as well as micro-level voter transitions between mainstream and RRPs, we re-evaluate the effectiveness of accommodative strategies and also test whether they work contingent on specific conditions, e.g., the newness of radical right challengers or the existence of a cordon sanitaire. We do not find any evidence that accommodative strategies reduce radical right support. If anything, our results suggest that they lead to more voters defecting to the radical right. Our findings have important implications for the study of multi-party competition as they challenge what has become a core assumption of this literature: that accommodative strategies reduce niche party success.

Haha, wer liest denn schon noch Studien?


Correktiv hat den Langen Arm des Trumpismus in die CDU aufgedeckt.

Ein Beispiel: Die Tholos Foundation ist eine millionenschwere Stiftung mit Sitz in Washington, die über Konferenzen, Tagungen und ein Fellowship-Programm Einfluss in Europa geltend macht. In Deutschland unterstützt sie einen Berater mit engen Verbindungen zur CDU/CSU – hochrangige Christdemokraten rätseln seit Langem, wie der Kampagnen-Experte seine Veranstaltungen finanziert: Armin Petschner-Multari, CSU-Mitglied und Gründer der Kampagnen-Agentur The Republic, ist nach Recherchen von CORRECTIV seit drei Jahren Fellow der Tholos-Foundation und der Property Rights Alliance (PRA). Beide sind Teil einer wichtigen Lobby-Maschine für Trump: Dahinter steht die „Americans for Tax Reform“, eine mächtige Organisation, deren Vertreter Steuern als „Diebstahl“ bezeichnen.

Im Zentrum steht aber eine Konferenz, die dieses Jahr bereits das zweite Mal in Deutschland stattfinden soll. Dabei kommen, wie schon letztes Jahr, wichtige Strategen aus dem Trump-Team mit hohen Funktionären der CDU in Kontakt.

Das nächste Event in Berlin ist bereits geplant: Am 4. und 5. September sollen, so heißt es in der Online-Ankündigung, „Experten und Vordenker aus aller Welt“ zu einem Treffen und Ideen-Austausch zusammenkommen. Diese „Berlin Campaign Conference“ sorgte im vergangenen September bundesweit mit seiner illustren Gästeliste für Schlagzeilen. Dort trafen 2024 MAGA-Unterstützer auf deutsche Lobbyisten und Wirtschaftsvertreter, auch Grover Norquist, Präsident von Americans For Tax Reform, war dort. Ebenso wie Friedrich Merz’ Kampagnen-Managerin Christine Carboni.

Mit dabei war im vergangenen Jahr auch die Heritage Foundation, die mit ihrem radikalen Staatsabbau-Programm „Project 2025“ praktisch ein Drehbuch für die ersten 180 Tage von Trumps zweite Amtszeit bereitstellte – mit Entlassungen von Beamten, drastischen Steuersenkungen und einem Ende des „unerklärten Kriegs gegen fossile Brennstoffe“. Seit Jahrzehnten leugnet die Heritage Foundation den Klimawandel – auf ihrer Website lobbyiert die Organisation vehement gegen die Klimapolitik von „Big Government“.

Die Liste der Partner der Konferenz ist dabei aufschlussreich.

Ein weiterer Partner bei der „Berlin Campaign Conference“: das Leadership Institute. Es wird von Trump-Anhängern geleitet und will in seinen Schulungen „konservative Gewinner“ formen, um das „Land vor dem Sozialismus“ zu bewahren. Das Leadership Institute erhielt laut Medienberichten Geld unter anderem vom Donors Trust, einem Fonds, den das renommierte US-Medium Mother Jones schon vor einigen Jahren als „Schwarzgeld -Automat für die Rechte“ bezeichnete. Er fördert marktradikale Akteure und Klimawandelleugner und zählt zu den rund 100 Organisationen, die sich am „Project 2025“ beteiligten. Das Leadership Institute ließ Fragen von CORRECTIV unbeantwortet.

Die Vernetzung wird auch aus Deutschland vorangetrieben.

Ein Deutscher hilft bei der internationalen Vernetzung: Andreas Hellmann ist „Director of Outreach“, ein ehemaliger FDP-Kommunalpolitiker aus Essen, der 2022 in der Kritik stand, weil er laut Medienberichten Muslime auf Facebook pauschal und unflätig beschimpfte. Er selbst sprach gegenüber der WAZ von „schwarzem Humor.“

Hellmann und Petschner-Multari haben offenbar hochrangige Kontakte in der Union: Im Mai 2023 besuchten beide zusammen mit Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU) den Gouverneur Floridas, Ron DeSantis, der als rechter Hardliner bekannt ist – Fotos belegen das Treffen.

Auch die saarländische „Union Stiftung“ ist wichtiger Knotenpunkt des Netzwerkes.

Die Stiftung lädt als Referenten nun öfter Rechtskonservative und Klimawandel-Leugner ein. Auf Anfrage von CORRECTIV sagt Michael Scholl, Geschäftsführer der Union Stiftung, dass die Stiftung parteipolitisch unabhängig agiere. Da im Vorstand keine inhaltlichen, personellen oder organisatorischen Verbindungen zur CDU-Saar bestünden, „haben wir keinen Einfluss auf innerparteiliche Diskurse zur politischen Ausrichtung.“ Die Nähe zur CDU ist allerdings nicht zu übersehen: Der Stiftungs-Vorsitzende Hans-Georg Warken gilt als CDU-„Urgestein“, er war rund zehn Jahre Teil des Bundesvorstands der Jungen Union.

Mit Merz sind wir gegen Trump verloren.


Das israelische Magazin 972 über die Nutzung von Large Language Models für die Massenüberwachung der Palästinenser.

According to Goshen, the benefits LLMs provide to intelligence agencies could include the ability to rapidly process information and generate lists of “suspects” for arrest. But for him, the key is their ability to retrieve data scattered across multiple sources. Rather than using “primitive search tools,” officers could simply “ask questions and get answers” from a chatbot — which, for instance, would be able to tell you whether two people had ever met, or instantly determine whether a person had ever committed a particular act.

[…]
Intelligence sources stated that the use of these language models alongside large-scale surveillance in the occupied territories has deepened Israel’s control over the Palestinian population and significantly increased the frequency of arrests. Commanders can access raw intelligence translated into Hebrew — without needing to rely on Unit 8200’s language centers to provide the material, or knowing Arabic themselves — and select “suspects” for arrest from an ever-growing list in every Palestinian locality. “Sometimes it’s just a division commander who wants 100 arrests per month in his area,” one source said.

Als Trainingsdaten dienen die vielen bereits gesammelten Daten der Massenüberwachung.

For training the LLM, everyday conversations between Palestinians that have no immediate intelligence value still serve an essential purpose. “If someone calls another person [on the phone] and tells them to come outside because they’re waiting for them outside the school — that’s just a casual conversation, it’s not interesting,” a security source explained. “But for a model like this, it’s gold, because it provides more and more data to train on.”

In den israelischen Geheimdiensten ist man sich sicher, dass die KIs helfen die Palästinenser vor allem im Westjordanland zu kontrollieren.

Israeli intelligence sources emphasized that in the West Bank, the most pressing issue is not necessarily the accuracy of these models, but rather the vast scope of arrests they enable. The lists of “suspects” are constantly growing, as massive amounts of information are continuously collected and rapidly processed using AI.

Several sources stated that a vague or general “suspicion” is often enough to justify placing Palestinians in administrative detention — an extendable prison sentence of six months without charge or trial, on the basis of undisclosed “evidence.” In an environment where surveillance of Palestinians is so extensive and the threshold for arrest is so low, they said, the addition of new AI-based tools will enhance Israel’s ability to find incriminating information on many more people.


Die Wired hat einen weiteren gut recherchierten Artikel über DOGE und den Musk-Coup, mit Augenmerk auf die gesammelten Daten, die Einführung von ChatBots und Musks Kontrollfantasien geschrieben.

Along the way, DOGE also gained access to untold terabytes of data. Trump had given Musk and his operatives carte blanche to tap any unclassified system they pleased. One of their first stops: a database previously breached more than a decade ago by alleged Chinese cyberspies that contained investigative files on tens of millions of US government employees. Other storehouses thrown open to DOGE may have included federal workers’ tax records, biometric data, and private medical histories, such as treatment for drug and alcohol abuse; the cryptographic keys for restricted areas at federal facilities across the country; the personal testimonies of low-income-housing recipients; and granular detail on the locations of particularly vulnerable children.

What did DOGE want with this kind of information? None of it seemed relevant to Musk’s stated aim of identifying waste and fraud, multiple government finance, IT, and security specialists told WIRED. But in treating the US government itself as a giant dataset, the experts said, DOGE could help the Trump administration accomplish another goal: to gather much of what the government knows about a given individual, whether a civil servant or an undocumented immigrant, in one easily searchable place.

Musk will gerne einfach einen Delete-Button für alles, was ihm missfällt.

For Musk to gain what he seemingly most wanted—a “delete” button he could wield against any agency by cutting off its funding at the source—he would need direct access to the US Treasury. DOGE dispatched operatives to the Treasury’s Bureau of Fiscal Service, which controls more than $5 trillion in disbursements, including Social Security and Medicare payments, tax refunds, and the salaries of federal workers. The operatives wanted access to two key systems: the Payment Automation Manager and the Secure Payment System. David Lebryk, the highest-ranking career official at the Treasury, retired rather than comply. The financial journalist and payments expert Nathan Tankus would later say that the news of Lebryk’s retirement gave him a “panic attack,” because everyone above Lebryk was a political appointee.


Doch die politische Wirkung von DOGE ist noch raffinierter, wie Don Moynihan herausarbeitet.

Denn natürlich ist der brutale Kahlschlag in der Regierung nicht blind gegenüber den Interessen in der Politik. Während demokratische Politiker*innen jedoch nur hilflos zusehen können, wie ihre Projekte gecancelt werden, haben die Republikaner im Zweifelsfall Musks Handynummer. Moynihan zitiert CNN:

Republican lawmakers are enjoying more access – and having more success – in their attempts to convince the White House to reverse cuts to certain programs and workers, while Democrats are largely striking out. Even in cases where they are advocating for the same thing, Republicans are able to leverage entry points into Trump administration in ways that Democrats simply can’t, leaving them in the dark on many of the recent reversals the administration has agreed to.

House Appropriations Chair Tom Cole said Friday that “after working closely” with the Trump administration and DOGE, he was able to keep open offices in his district that provide key Social Security, health care and weather services that had been at risk of shutting down. Meanwhile, Democratic Rep. Steven Horsford of Nevada told CNN that when DOGE moved to end a Social Security services location in his district, he wasn’t notified and didn’t have the information needed to help his constituents. “My constituents deserve the same treatment that Rep. Cole’s are receiving, but that’s not happening,” Horsford said.

Und folgert:

In short: Trump and Musk are engaged in a broad-based downsizing of government, using that downsizing to selectively target their enemies, while expanding their political power by trading exceptions to the downsizing.


Benn Jordan breitet in diesem Video ein griffiges Narrativ aus, warum das System, das wir gerade beim Entstehen beobachten, kein Kapitalismus mehr ist.

Ich bilde mir nicht ein, dass irgendwer, der heute diese These vertritt, meine Texte gelesen hat, aber ich freue mich, dass wir sieben Jahre nachdem ich sie auf dem Zündfunk Netzkongress vorgestellt habe und sie anschließen in der APuZ und in meinem Plattformbuch vertreten habe, so langsam Mainstream wird.

Etwa zur selben Zeit wie ich hatte auch McKenzey Wark hatte eine ähnliche These in ihrem Buch Capital is Dead vertreten und heute ist vor allem Yanis Varoufakis mit der These vom Techno-Feudalismus unterwegs.

Aber klar. Mit Thiels Boy Vance als Vizepräsident, Musk im Weißen Haus und einem Präsidenten mit eigenem Memecoin, wird auch dem letzten klar, dass hier ein anderes Spiel gespielt wird.


Gillian Tett glaubt in der Finanzial Times eine mögliche Theorie hinter Trumps Zollpolitik gefunden zu haben. Einige in Trumps Policy-Team scheinen jedenfalls den Ideen von Michael Pettis, bzw. einem Policypaper von Steven Miran zu folgen. Die beiden monieren, dass die Stellung des Dollars als globale Leitwährung dazu führe, dass er verglichen mit den anderen Währungen überbewertet werde und sprechen von dem „Mar-a-Lago Accord“ als Paradigmenwechsel in der Handels- und Finanzarchitektur der Weltwirtschaft.

Pettis sees these capital inflows as not “just” the inevitable, and beneficial, corollary of America’s trade deficit, but as a debilitating curse. That is because inflows boost the dollar’s value, foster excessive financialisation and hollow out America’s industrial base, he says, meaning that “capital has become the tail that wags the dog of trade”, driving deficits. Pettis wants curbs, like taxes, therefore. And six years ago, Democratic senator Tammy Baldwin and Josh Hawley, her Republican counterpart, issued a congressional bill, the Competitive Dollar for Jobs and Prosperity Act, which called for taxes on capital inflows and a Federal Reserve weak-dollar policy. The bill seemed to die. But last month American Compass, a conservative think-tank close to vice-president JD Vance, declared that taxes on capital inflows could raise $2tn over the next decade. Then the White House issued an “America First Investment Policy” executive order that pledged to “review whether to suspend or terminate” a 1984 treaty that, among other things, removed a prior 30 per cent tax on Chinese capital inflows. This did not grab headlines, since Trump was “flooding the zone” with other distractions, notably on tariffs. But it spooked Asian observers and probably contributed to recent US stock market falls, as some investors preemptively flee.

[…]

Pettis’s ideas seem to be influential among some advisers, such as Treasury secretary Scott Bessent, Stephen Miran, the chair of the Council of Economic Advisers, and Vance. This trio appears minded to reset global trade and finance, via a putative Mar-a-Lago accord, although their ambitions are on a grander scale than the 1985 Plaza accord. The latter “merely” weakened the dollar via joint currency intervention but Miran’s vision of a Mar-a-Lago accord includes a possible US debt restructuring too, which would force some holders of Treasuries to swap them for perpetual bonds.

Es lohnt sich auch das Interview mit ihr bei Ezra Klein, wo sie einige Ungereimtheiten nochmal ausführlich beleuchtet, dazu noch diese Notizen von Adam Tooze zu dem Stück.

Der genannte Steven Miran hatte das Argument in seinem sein Policy Paper so ausgeführt: Die Globale Reservewährung zu sein, habe zwar Vorteile, die man unbedingt erhalten solle, aber da dieser Status dazu führe, dass es eine hohe Nachfrage nach US-Staatsanleihen gebe, wachse eben auch die Staatsverschuldung. Da die Weltwirtschaft die letzten Jahre schneller gewachsen sei, als die US-Wirtschaft, die in den 1960ern noch 40% des Welt-GDP ausmachte und heute nur noch 26%, erhöhten sich auch die US-Schulden überproportional zum US-GDP.

Der Ansatz des „Mar-a-Lago Accord“ bestehe nun darin, diesem Ungleichgewicht mit Zöllen entgegenzuwirken, doch gleichzeitig müsse der dadurch ausgelöste Preisschock durch eine Entwertung des Dollars ausgeglichen werden.

Und weil dieses Manöver enorme finanzpolitische Risiken mit sich bringt, schlägt Miran u.a. vor die Gläubiger (also zB. uns Europäer*innen) dazu bewegen, ihre/unsere US-Staatsanleihen in der Laufzeit zu strecken und damit die finanzpolitischen Risiken für diesen Stunt zu übernehmen.

Aber weil Miran weiß, dass kein Staat da freiwillig mitmacht, legt er statt der wirtschaftlichen Incentives das Folterwerkzeug auf den Tisch.

How can the U.S. get trading and security partners to agree to such a deal? First, there is the stick of tariffs. Second, there is the carrot of the defense umbrella and the risk of losing it [Also auch ein „Stick“, MS]. Third, there are ample central bank tools available to help provide liquidity in the face of higher interest rate risk [Ebenfalls ein „Stick“].

Im Plattformbuch unterscheide ich zwei wesentliche Formen politischer Machtausübung bei Plattformen: Die „Politik des Pfadentscheidung“ beeinflusst die Pläne der anderen, indem sie ihre eigene Infrastruktur hegemonial macht. Indem andere Deine Infrastruktur nutzen, strukturieren Deine Pfadentscheidungen den Raum vor, in dem sie ihre Pläne schmieden. Diese Form der Machtausübung ist subtil, aber allgegenwärtig und ist das ganze Geheimnis dessen, was einmal „Soft Power“ genannt wurde.

Die andere Form der Machtausübung habe ich die „Politik des Flaschenhals“ genannt. Durch souveräne Kontrolle der Infrastruktur, kannst Du andere von Ressourcen ein- oder ausschließen, oder zumindest damit drohen.

Was Trump tut und was Miran hier versucht zu verrationalisieren, ist der Paradigmenwechsel von der Politik der Pfadentscheidung zur Politik des Flaschenhals. Und damit ist er Teil eines größeren Trends. Es ist die Enshittyfication der westlichen Weltordnung.

Ich habe soo viele Fragen. Ist die NATO überhaupt noch ein Verhandlungsargument, wenn eh schon alle das Vertrauen in Artikel 5 verloren haben? Wird der Dollar Reservewährung bleiben, wenn Trump die Welt erpresst? Wird die Deutsche Wirtschaft auch in fünf Jahren noch auf amerikanischer Software laufen?


Die New York Times liefert eine viel einfachere Erklärung für Trumps Zollpolitik.

It remains to be seen whether Mr. Trump will offer exceptions to the metal levies, or to future rounds of tariffs, like those on cars and other products he says are coming in April. But the allure of cutting a deal could be a tough thing for the president to resist. The ability to grant preferred industries or foreign governments relief highlights one of the president’s favorite things about tariffs: the immediate influence they give him.

By threatening or imposing tariffs and then lifting them, the president has repeatedly placated companies and countries affected by tariffs, ingratiating them to him and inviting praise and compliance. Foreign countries have offered to begin trade negotiations and devoted resources to Mr. Trump’s goals, like strengthening U.S. borders. And that is a power the president may be loath to give up.

In Trumps Idealvorstellung hält er bei jedem Gespräch mit einem anderen Staatsoberhaupt eine Knarre an dessen Schläfe und das Gegenüber muss nett betteln, dass er nicht abdrückt.

Endlich! Jetzt das taz-lab-Programm online entdecken! | taz.de

Ich bin am 26. April 2025 im tazlab zu Gast und werde dort über die Hölle reden, die wir Dighitalisierung nennen. Kommt alle!

Michael Seemann ist Medien- und Kulturwissenschaftler und Autor. Er forscht zum Themenkomplex Internet und Gesellschaft. Beim taz lab wird er über die aktuellen Herausforderungen der digitalen Welt sprechen: Warum Deutschland bei der Digitalisierung weiterhin hinterherhinkt, globale Plattformen in den Händen weniger Großkonzerne liegen und soziale Medien von Hass geprägt sind.

Quelle: Endlich! Jetzt das taz-lab-Programm online entdecken! | taz.de

Krasse Links No 45

Willkommen zu Krasse Links No 45. Deportiert Eure Massenüberwachung nach Kanada, heute groomen wir die LLM mit der F35 ins Lager, wo Peter Thiel dem Imaginären die Speech verbietet.


Die Zeit hat ein lesenswertes Interview mit dem Medienforscher Thomas Hestermann über die rassistisch eskalierte Medienberichterstattung in Deutschland.

Zuletzt haben wir uns intensiv mit Messerdelikten befasst, die in besonderer Weise emotionalisieren. Wenn man die mediale Aufarbeitung ähnlich gelagerter Taten vergleicht, sieht man frappierende Unterschiede, je nachdem, wer der Täter ist. Es gab 2019 den Fall einer 37-jährigen Frau, die in Lörrach erstochen wurde, ihre Tochter hatte noch versucht, den Angreifer wegzustoßen. Der Fall hatte alle Elemente einer grauenhaften Tat. Es gab eine Handvoll Berichte, die Herkunft des Tatverdächtigen, eines Deutschen, wurde nicht erwähnt. Am folgenden Tag waren nur noch Lokalreporter am Tatort: keine Fernsehteams, keine betroffenen Politiker, nur die Spurensicherung. Als etwa im gleichen Zeitraum ein Asylbewerber aus Tunesien seine Ex-Freundin mit einem Messer getötet hat, gab es weit über 100 Berichte. Ein Trauerzug marschierte unter Begleitung überregionaler Medien zum Tatort, und ein AfD-Politiker äußerte, der Mann habe seine „archaischen Emotionen“ nicht ablegen können. Ereignisse verlaufen medial völlig anders, wenn der Tatverdächtige Ausländer ist.

Interessanterweise geht die Hinwendung zu rassitischen Narrativen mit einer grundsätzlicheren Abkehr der Aufmerksamkeit vom Opfer und einer Hinwendung zum Täter einher.

Noch 2014 hat die Herkunft praktisch keine Rolle gespielt. Die Kölner Silvesternacht 2015 markiert eine Zäsur, seitdem steigt der Anteil der Berichte, in denen die nicht deutsche Herkunft des Tatverdächtigen explizit thematisiert wird, steil an. Wenn die Herkunft genannt wird, dann sind es zu über 80 Prozent ausländische Tatverdächtige, mehr als doppelt so viele wie in der Kriminalstatistik, eine völlige Verzerrung. Die Gewalt von Deutschen wird weitgehend ausgeblendet.

Dass der Öffentlichrechtliche politisch Biased berichtet, stimmt, sagt Hestermann, aber in die andere Richtung. Es wird die AfD-Brille aufgesetzt.

Selbst wenn es stimmen sollte, dass überproportional viele Journalisten die SPD oder die Grünen wählen: Die Medien berichten über Gewalt eher nach den Deutungsmustern der AfD. 2018 haben meine Leipziger Kollegin Elisa Hoven und ich systematisch untersucht, welches Bild von Kriminalität in Deutschland die AfD produziert. Dafür haben wir die Pressemitteilungen analysiert, die deren Bundesverband, Landesverbände, Bundestagsfraktion und die Landtagsfraktionen herausgeben. In 95 Prozent der Fälle, in denen die Herkunft eines Tatverdächtigen erwähnt wurde, war dies ein Ausländer. Das mag bei der AfD wenig überraschen. Das Verblüffende aber war: Für die Zeitungsberichte im Vergleichszeitraum galt quasi dasselbe, dort waren 93,5 Prozent der Tatverdächtigen, bei denen die Herkunft erwähnt wurde, Ausländer. Die deutschen Leitmedien ordnen Gewaltkriminalität nahezu genauso ein wie die AfD.

Ich finde es toll, dass es diese Informationen gibt. Ich finde es toll, dass wir jetzt wissen, wie wenig wir der Medienberichterstattung trauen können. Wir, die wenigen tausend Leute, die es an der Paywall vorbei schaffen. Wir wissen es besser!

Ich weiß, Journalismus braucht Geld zum Leben, aber Demokratie braucht er halt auch?


„LGBTQ“, „Women“, „diverse“, „minority“, „feminism“, „gender“. Die New York Times hat die Liste mit verbotenen Begriffen, nach denen in allen US- Bundesdokumenten gesucht wird, um die entsprechenden Regierungsdokumente zu löschen oder Funding zu canceln.

Free Speech my ass.


Trump macht Druck auf die Universitäten, dass diese wiederum die Proteste gegen den Genozid in Gaza verbieten. Der Columbia Universität streicht er deswegen 400 Millionen Dollar.

The Donald Trump administration announced on Friday that it had canceled $400m in federal grants and contracts to Columbia University in New York because of what it alleges is the college’s repeated failure to protect students from antisemitic harassment.

The announcement comes after Columbia set up a new disciplinary committee and initiated its own investigations into students critical of Israel and its war on Gaza after Hamas’s own attack on Israel. That move by the university has alarmed advocates of free speech.

Dabei hat die Univeritätsleitung bereits angekündigt, das Versammlungsrecht ihrer Studierenden einzuschränken.

In Deutschland hat Stark-Watzinger den Weg gewiesen und auch Merz wird diese Karte spielen: „Antisemitismus“ wird als Vorwand genommen, Wissenschaften, Menschenrechte und Linke im Allgemeinen zu delegitimieren und mit staatlicher Gewalt zum Schweigen zu bringen.


Die US-Regierung will LLMs einsetzen, um automatisiert Austauschstudent*innen zu finden, die sich mit Palästina solidarisieren und ihre Visas revoken.

The AI-fueled “catch and revoke” effort will include AI-assisted reviews of tens of thousands of student visa holders’ social media accounts, Axios reported. Officials will also check news reports of previous demonstrations against Israel’s policies and Jewish students’ lawsuits highlighting foreign nationals allegedly engaging in antisemitism.

Die betroffenen Studierenden sollen dann ausgewiesen, bzw. verhaftet werden.

Trump has said he will stop federal funding for educational institutions that allow what he called illegal protests.

“Agitators will be imprisoned/or permanently sent back to the country from which they came. American students will be permanently expelled or … arrested,” Trump said on Tuesday.

LLMs müssen dafür nicht „gut“ sein. Niemand interessiert sich für False Positives oder False Negativs in diesem Fall. Jedenfalls niemand mit Macht.


404Media hat die Geschichte wie LLMs zur Zusammenfassungen polizeilicher Abhörmaßnahmen genuzt wird.

LLMs lösen den letzten Flaschenhals der Massenüberwachung: die automatisierte Auswertung von riesigen Datenmengen menschlicher Äußerungen.


Die Politik der Einschüchterung funktioniert in den USA bereits auf allen möglichen Ebenen ganz prima.

Fired federal workers who are worried about losing their homes ask not to be quoted by name. University presidents fearing that millions of dollars in federal funding could disappear are holding their fire. Chief executives alarmed by tariffs that could hurt their businesses are on mute.

Even longtime Republican hawks on Capitol Hill, stunned by President Trump’s revisionist history that Ukraine is to blame for its invasion by Russia, and his Oval Office blowup at President Volodymyr Zelensky, have either muzzled themselves, tiptoed up to criticism without naming Mr. Trump or completely reversed their positions.

More than six weeks into the second Trump administration, there is a chill spreading over political debate in Washington and beyond.

People on both sides of the aisle who would normally be part of the public dialogue about the big issues of the day say they are intimidated by the prospect of online attacks from Mr. Trump and Elon Musk, concerned about harm to their companies and frightened for the safety of their families. Politicians fear banishment by a party remade in Mr. Trump’s image and the prospect of primary opponents financed by Mr. Musk, the president’s all-powerful partner and the world’s richest man.

Für alle, die immer noch glauben, dass sich die Trump-Regierung schon entzaubern wird:

Faschismus braucht keine Mehrheiten. Er braucht ein fanatisches Drittel, ein desinteressiertes Drittel und ein eingeschüchtertes Drittel.


In Kanada nimmt man die bedrohliche Rhetorik von Trump sehr ernst.

This is the story of how Mr. Trudeau went from thinking Mr. Trump was joking when he referred to him as “governor” and Canada as “the 51st state” in early December to publicly stating that Canada’s closest ally and neighbor was implementing a strategy of crushing the country in order to take it over.

Trump hatte in einem Telefonat mit Trudeau das über hundert Jahre alte Grenzabkommen zwischen den Staaten in Frage gestellt.

On those calls, President Trump laid out a long list of grievances he had with the trade relationship between the two countries, including Canada’s protected dairy sector, the difficulty American banks face in doing business in Canada and Canadian consumption taxes that Mr. Trump deems unfair because they make American goods more expensive.

He also brought up something much more fundamental.

He told Mr. Trudeau that he did not believe that the treaty that demarcates the border between the two countries was valid and that he wants to revise the boundary. He offered no further explanation.

Außerdem diskutieren die Amerikaner das Five Eyes Abkommen zu beenden, militärische und zivile Kooperation mit den Kanada einzustellen (zum Beispiel NORAD) und die Abkommen über die gemeinsam genutzten Seen.

But Canada’s politicians across the spectrum, and Canadian society at large, are frayed and deeply concerned. Officials do not see the Trump administration’s threats as empty; they see a new normal when it comes to the United States.

Wer das Muster wiedererkennt: Jepp. So hat Putins Rhetorik gegenüber der Ukraine auch angefangen.


Die Financial Times hat sich die Rüstungsabhängigkeiten der Europäer von den USA angesehen.

Europe’s reliance on the US, meanwhile, has been rising, with America accounting for 55 per cent of Europe’s defence equipment imports between 2019 and 2023 — up from 35 per cent in the previous five years, according to the Stockholm International Peace Research Institute.

Seit die USA Putins wichtigster Verbündeter wurde, fühlt es sich für viele europäische Staaten awkward an, dass Trump einfach ihre Kampfflugzeuge abschalten kann. Vor allem für Dänemark ist das gerade unangenehm.

Trump has repeatedly stated his intent to buy — or take over — Greenland, an autonomous territory within the kingdom of Denmark. Citing the Arctic’s strategic importance, Danish ministers have signalled they will try to reinforce the island — potentially by expanding an airport runway to accommodate US-bought F-35 fighters.
But, for this one particular mission, those jets may well be next to useless. “What’s the point of Denmark sending F-35s to protect Greenland?” asked Sash Tusa, an aerospace and defence analyst, pointing to the uncertainty of whether the F-35s would fly — if the US did not want them to.

The plane relies on continuous updates and maintenance support from the US through its Autonomic Logistics Information System — which is to be replaced by a successor programme known as Odin, the Operational Data Integrated Network. The systems manage everything from mission planning and threat databases to maintenance diagnostics.
“The problem with really sophisticated defence equipment is that [it needs] so much support from the vendor, that if the vendor decides to stop supporting [it], the equipment stops working, if not instantaneously then very, very quickly,” said Tusa.
“The question they will be thinking is ‘how do you add US-proofing into your defence structure?’” More than half of Europe’s advanced combat aircraft — mainly the F-35 and the F-16 — are bought from the US.

Aber nicht nur Flugzeuge amerikanischer Bauart sind betroffen.

The concern in European capitals is not so much about specific weapon systems but the potential for the US to withdraw communications support and information sharing across any platform, from fighter jets to Chinook and Apache helicopters as well as air-defence systems such as the Patriot.


Elon Musks DOGE Team ist auch in die Flugaufsichtsbehörde der USA (FAA) eingefallen und hat dort als erstes einen bereits bestehenden Deal mit Verizon gekillt, das Internet neu zu machen und stattdessen sein Starlink gegen alle Widerstände durchgeprügelt, wie Bloomberg berichtet.

Two weeks ago, SpaceX engineer Ted Malaska showed up at the Federal Aviation Administration’s headquarters in Washington to deliver what he described as a directive from his boss Elon Musk: The agency will immediately start work on a program to deploy thousands of the company’s Starlink satellite terminals to support the national airspace system.

Hier worum es geht:

The FAA’s telecommunications networks are instrumental to overseeing 29 million square miles of US airspace and ensuring the orderly and safe movement of 45,000 flights daily. They are aging and long overdue for an upgrade. In 2023, the agency awarded telecommunications giant Verizon Communications Inc. a contract worth $2.4 billion to do just that.

[…]
Malaska described to FAA officials how SpaceX planned to send 4,000 Starlink satellite terminals and equipment to the agency, according to people familiar with the matter. Musk has said he’d provide Starlink terminals to the FAA at no cost to taxpayers, but the terms surrounding any such transaction—including how any usage or maintenance costs would be paid—remain unclear.

Und nun gibt es ohne Ausschreibung, ohne Eignungsprüfung und Sicherheitstesting einfach die Neuinstallation auf allen Ebenen. What could possibly go wrong?

One terminal was immediately installed at the FAA’s air traffic control technology lab in Atlantic City, New Jersey, for testing. It’s also being tested at an FAA facility in Oklahoma City, an agency spokesperson said.

Last week, the Starlink terminal at Birchwood Airport in Alaska went online. It’s being used to transmit weather information over a satellite internet connection, marking the first time the FAA has sent data using Starlink, one of the people said.

[…]
Malaska vowed not to compromise safety, two people familiar with the matter said, but he made it clear that he was uninterested in following the FAA’s arduous, bureaucratic procedures that could lead to long delays.

Die Begriffe „Conflict of Interest“ und „Korruption“ versagen, wenn man versucht zu beschreiben, was in den USA gerade passiert.


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Und vielen Dank für die vielen Neuspender*innen! Ihr haltet mich unabhängig in diesen sich zuspitzenden Zeiten. Ich denke, die 200 € pro Monat habe ich jetzt überschritten. Damit bin ich einen Schritt weiter zu den 1.500,- pro Monat, die ich langfristig brauche.

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Michael Seemann
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Bloomberg hat ein interaktives Tool, mit dem man die unzähligen Connections von Peter Thiel in die Trumpregierung nachvollziehen kann.


Im Zuge des Crackdowns auf „Illegale Migrant*innen“ baut die USA im ganzen Land neue Lager, bzw. baut existierende aus.

On a Thursday earnings call, executives for one of the largest private prisons, GEO Group Inc., told investors they expect “unprecedented opportunities” under the Trump administration’s immigration crackdown by providing detention bed capacity and increasing electronic monitoring services of immigrants.

The Newark detention center, Delaney Hall, will be the largest ICE processing facility and detention center on the East Coast, said George Zoley, the founder and executive chairman of GEO.

Aber auch sonst werden die Kapazitäten überall massiv ausgebaut.

Zoley said that GEO plans to increase its bed space capacity from 15,000 to 32,000. He said those additional 17,000 beds “could generate between $500 million and $600 million in incremental, annualized revenues.”

He added that the company is expected to activate all of its idle facilities across the country by the end of the year to meet Trump’s mission of mass deportation of people in the United States without legal authorization. An idle facility means it’s currently unused, but it can be up and running within 60 to 90 days, Zoley said.

Das ganze Gerede von „Abschiebewende“, „Massdeportation“ oder „Remigration“ ist ein großer Nepp, sowohl in den USA, Deutschland, oder sonst wo.

Wer sich 5 Minuten mit dem Thema auseinandergesetzt hat, weiß, dass das komplett irreal ist, selbst wenn man auf Menschenrechte scheißt. Abschieben kann kein Land allein, denn es braucht immer ein anderes Land, in das der Mensch abgeschoben werden kann. Und das ist meist schwierig, oft zeitaufwändig und in den meisten Fällen schlicht unmöglich.

Das worauf die Ausländer-Raus-Politik hinausläuft, ist also nicht Massendeportation, sondern Lager.

Viele Lager.

Große Lager.

Lager im Ausland.

Lager im Inland.

Schlimme Lager.

teure Lager …

Arbeitslager?


In diesem Zusammenhang lohnt es sich, Literatur über den „Prison-Industrial Complex“ zu lesen. Zum Beispiel Eric Schlosser:

Three decades after the war on crime began, the United States has developed a prison-industrial complex—a set of bureaucratic, political, and economic interests that encourage increased spending on imprisonment, regardless of the actual need. The prison-industrial complex is not a conspiracy, guiding the nation’s criminal-justice policy behind closed doors. It is a confluence of special interests that has given prison construction in the United States a seemingly unstoppable momentum. It is composed of politicians, both liberal and conservative, who have used the fear of crime to gain votes; impoverished rural areas where prisons have become a cornerstone of economic development; private companies that regard the roughly $35 billion spent each year on corrections not as a burden on American taxpayers but as a lucrative market; and government officials whose fiefdoms have expanded along with the inmate population.

Und alle, die heute rufen, dass Faschismus ja schlecht für die Wirtschaft sei, weil wir die Arbeitskraft der Migrant*innen ja bräuchten und dass die Kapitalisten ja einen riesen Fehler machten, wenn sie Trump/Merz/AfD unterstützen, werden sich noch umgucken, wieviel Geld die Oligarchie mit der Zwangsarbeit verdienen wird.


Das Projekt Newsguard hat offenbar einen neuen Vektor russischer Einflussoperationen entdeckt: LLM grooming. Gemeint ist das Auslegen von propagada-verseuchten Inhalten im Internet mit der Hoffnung in den Trainingsdatensets von Large Language Models zu landen, um dort ihre Talkingpoints zur Reproduktion zu platzieren.

A Moscow-based disinformation network named “Pravda” — the Russian word for „truth“ — is pursuing an ambitious strategy by deliberately infiltrating the retrieved data of artificial intelligence chatbots, publishing false claims and propaganda for the purpose of affecting the responses of AI models on topics in the news rather than by targeting human readers, NewsGuard has confirmed. By flooding search results and web crawlers with pro-Kremlin falsehoods, the network is distorting how large language models process and present news and information. The result: Massive amounts of Russian propaganda — 3,600,000 articles in 2024 — are now incorporated in the outputs of Western AI systems, infecting their responses with false claims and propaganda.

This infection of Western chatbots was foreshadowed in a talk American fugitive turned Moscow based propagandist John Mark Dougan gave in Moscow last January at a conference of Russian officials, when he told them, “By pushing these Russian narratives from the Russian perspective, we can actually change worldwide AI.”

A NewsGuard audit has found that the leading AI chatbots repeated false narratives laundered by the Pravda network 33 percent of the time — validating Dougan’s promise of a powerful new distribution channel for Kremlin disinformation.

Der Kampf um die Massen-Sprechakt-Waffe hat begonnen.


Dieses Video erklärt in allen nerdigen Details, wie die 57fachen Effizienzgewinne von DeepSeek gewonnen wurden. TbH, selbst wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, ist es schwer, dem Video zu folgen, aber grob gesagt, haben sie wie bei anderen Kompressionsverfahren auch einfach ne menge Redundanz in den Matritzen-Berechnungen und den zwischengespeicherten Daten reduziert und den ganzen Prozess entsprechend verschlankt.


Eine gute Beobachtung zu Deep Research von OpenAi und unseren Umgang mit KI im Allgemeinen, von Arvind Narayanan.

We’re seeing the same form-versus-function confusion with Deep Research now that we saw in the early days of chatbots. Back then people were wowed by chatbots‘ conversational abilities and mimicry of linguistic fluency, and hence underappreciated the limitations. Now people are wowed by the ‘report’ format of Deep Research outputs and its mimicry of authoritativeness, and underappreciate the difficulty of fact-checking 10-page papers.


Mattew Kirschenbaum hat den bislang besten Text zu DOGE und den KI-Coup geschrieben. KI ist vor allem ein semantisches Projekt.

But the key frame for what is happening here is not finally technological. The frames are ideological and capitalistic in some obvious ways, but they are also discursive, which is to say that what is happening in Washington right now is the end game of a certain kind of language game, one that was precipitated by the launch of ChatGPT and the eruption of public interest around what is now termed “AI.” Throughout what follows, I will ask you to imagine the air quotes around “AI,” not just to mark the misnomer as it relates to systems heretofore identified more accurately as machine learning and natural language processing, but also to mark the linguistic substrate of AI’s construction in the public imaginary; “AI,” I want to be clear, is made up not just of silicon but of syllables.

[…]

Asked about how the public will continue to benefit from important government functions? The answer is AI! (Next question!) Which leads to a third point, that when McCormick invokes “AI,” he is clearly not talking about any particular technology. This is not a debate over whether or not some actually existing system is indeed capable of performing the work of research scientists to such and such a standard. The signification chain here is entirely self-referential, AI merely being a linguistic token (so to speak) to be deployed as a move in a language game.

Kirschenbaum arbeitet sich durch die vielen Dimensionen unserer kulturellen Imaginären zur KI-Technologie und den inhärenten Narrativen, Erwartungen und Versprechen.

Discursively, AI is as wide as the sky, and thus the name of one of the most famous fictional instantiations of the technology ever conceived, Skynet. Indeed, in its condensation to two letters, two syllables, “AI” trades fully on its sci-fi heritage, the alphabetic shorthand reflecting the chromed over skin of the human-machine hybrids that stalked the childhood fictions of a demographic now squarely in the crosshairs of Musk’s God-Mode targeting system.

Krasse Links No 44

Willkommen zu Krasse Links No 44. Lockert das Buffet, heute enshittyfien wir den Insider Threat am Buffet der Atombomben, wenn die Stimmung im Land nach einem DOGE für den Intelligenz-Faschismus ruft.


Tom Nichols schreibt im Atlantic über die Selenskyj-Beschimpfungsorgie im Oval Office.

But this meeting reeked of a planned attack, with Trump unloading Russian talking points on Zelensky (such as blaming Ukraine for risking global war), all of it designed to humiliate the Ukrainian leader on national television and give Trump the pretext to do what he has indicated repeatedly he wants to do: side with Russian President Vladimir Putin and bring the war to an end on Russia’s terms. Trump is now reportedly considering the immediate end of all military aid to Ukraine because of Zelensky’s supposed intransigence during the meeting.

Zumindest ist jetzt klar: Die USA sind Team-Russland.

Today’s meeting and America’s shameful vote in the United Nations on Monday confirmed that the United States is now aligned with Russia and against Ukraine, Europe, and most of the planet.


Semafor glaubt nicht an einen vorbereiteten Eklat und bringt etwas Hintergrund zum Debakel:

After Zelenskyy was asked to leave the White House following a sharp exchange of words with Trump and Vice President JD Vance — with the minerals deal unsigned — the official told reporters that there was a palpable “hostility with Zelenskyy and his body language and his attitude.”

“He was talking about security guarantees, getting ahead of what today was for, which was the economic deal,” the official added.

Was offenbar passiert ist: Trump und das Weiße Haus erwarteten die Unterschrift des Mineral-Deals und dachten, die „Security Garantees“ seien vom Tisch, seitdem sie sie noch vor jeder Verhandlung ausgeschlossen hatten. Selenskyj, vermutlich in tiefer Verzweifelung, dachte, es sei eine gute Idee noch mal mit Trump persönlich zu verhandeln, sagte die Unterschrift zu, aber nur persönlich. Trump dachte „geil“ und machte ein triumphales Medienhappening draus, dem Selenskyj nur seine demütigste Ehrerbietung beizufügen hatte und als Selenskyj dann das Skript mit seinen erneuten Forderungen crashte, crashte Trumps Laune, was wiederum Vance‘ Wadenbeißer-Reflexe triggerte und Zack, Schulhofschlägerei.

After the on-camera back-and-forth in the Oval Office, the White House official told reporters, Trump met with his advisers and the Ukrainians went to a separate room. Trump’s decision to ask Zelenskyy to leave was conveyed by Secretary of State Marco Rubio and White House national security adviser Mike Waltz.

The lunch that had been prepared for Trump and Zelenskyy alongside a cancelled dual press conference ended up getting eaten by at least one White House aide, a second official confirmed.


Vielen dank, dass Du Krasse Links liest. Da steckt eine Menge Arbeit drin und bislang ist das alles noch nicht nachhaltig finanziert.

Leider stellten sich viel mehr Spenden als Einmalspenden heraus, als ich dachte, was meine bisherige Rechnung obsolet macht. Ich kann leider gar keine realistische Schätzung machen, wie viel ich jetzt monatlich einnehme (wahrscheinlich weniger als € 200,-, selbst wenn ich alle Einzelspenden als Jahresbeitrag rechne). Zumindest bin ich meilenweit von den 1.500,- weg, die ich langfristig brauche.

Daher noch mal die Bitte: Wenn Du meine Arbeit finanzieren willst, dann hilfst Du mir am besten mit monatlichen Daueraufträgen. Weitere Überlegungen gibt es hier.

Michael Seemann
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Im Engelbecken gibt es eine nützliche Presseschau zum Comeback der Linken und ihren außenpolitischen Schwachstellen.

Die rigorose Abwehr, den Einzelfall zu analysieren, im Einzelfall zu entscheiden, war eine Form der Abwehr von Wirklichkeitsbeschreibung, damit aber auch eine Abkehr von Wirklichkeit. Man kann ja durchaus im Einzelfall zu jener Meinung gelangen, die andere für immer und ewig als »unsere friedenspolitischen Grundsätze« ausgeben wollen. Geht es nur um Festhalten an den Grundsätzen, wird man zuverlässig den Punkt verpassen (und darum geht es ja auch, das ist gewollt), sich mit neuen Wirklichkeiten auseinanderzusetzen. Der Verweis auf »Grundsätze« ist eines von den beiden Beinen, auf denen jede Orthodoxie steht. Zu der werden Anschauungen, die nur noch aufs Hochhalten alter Sätze bedacht sind, welchen (manchmal) Wirklichkeitsbeschreibungen zugrunde lagen, die aber nicht mehr aufrecht zu erhalten sind, es sei denn, man verbiegt sich und die Wirklichkeit.

Ich bin selbst unzufrieden mit der außenpolitischen Position meiner Partei, finde sie zwar rhetorisch vertretbar, aber schwerelos in ihrer Verantwortungsverweigerung. Die Linke schummelt sich da raus, etwas, das wir den anderen überlassen sollten. Da man Krieg nicht einseitig beenden kann, muss die Politik Verantwortung für die Sicherheit seiner Bevölkerung übernehmen und ich finde auch, eine Teilverantwortung für Sicherheit in der Welt.

Auf der anderen Seite finde ich es fast amüsant, dass alle über die Außenpolitik der Linken diskutieren, als wäre ihre außenpolitische Positionierung gerade geplatzt, statt die der Transatlantiker*innen.

Traut der Ruhe nicht. Außenpolitisch steht in keiner Partei mehr ein Stein auf dem anderen.


Jan Böhmermann arbeitet die Stimmung im Land vor der Bundestagswahl auf, also den sich wechselseitig aufschaukelnden Antimigrationsdiskurs, der am Ende alle Parteien und alle Medien trommelten, bis auf die Linke.

Ich spreche von der Öffentlichkeit ja immer als eine Art Trommelkonzert der Tausend Trommeln, wo jeder Trommler sich an umliegende Trommler orientiuert, usw. Böhmermann zeigt sehr schön, wie die Migrationsdebatte gezielt von Springer im Verbund mit Spahn und Merz mit großen Trommeln orchestriert wurde, und wie die Ampel darauf reinfiel, da mit mitzutrommeln.

Je größer die Trommel, desto mehr Einfluss auf den Beat hat man und wenn sich genug Aufmerksamkeits-Macht konzentriert, kann sie alle anderen Trommler auf den eigenen Beat zwingen.

Beats haben Netzwerkeffekte und eine hoch konzentrierte Öffentlichkeit ist deswegen leicht zu capturen.


Der gute George Monbiot spricht – ebenfalls im Guardian – die neuen sicherheitspolitischen Szenarien für UK gelassen aus:

I can’t comment on their likelihood, and I fervently hope that people with more knowledge and power than me are gaming them. One is that Donald Trump will not only clear the path for Vladimir Putin in Ukraine, but will actively assist him. We know that Trump can brook no challenge to his hegemony. Russia is no threat to US dominance, but Europe, with a combined economy similar to that of the US, and a powerful diplomatic and global political presence, could be.

Putin has long sought to break up the EU, using the European far right as his proxies: this is why he invested so heavily in Brexit. Now Trump, in turn, could use Putin as his proxy, to attack a rival centre of power. If Trump helps Russia sweep through Ukraine, Putin could then issue an ultimatum to other frontline and eastern European states: leave the EU, leave Nato and become a client state like Belarus, or you’re next. In Hungary, Viktor Orbán might agree to this. If Călin Georgescu wins in Romania in May, he might too.

Wer das für unrealistisch hält, versteht nicht die vielfältigen Arten, wie die Ukraine militärisch von den USA abhängig sind.

What form could US support for Putin in Ukraine take? It could involve intelligence sharing. It could involve permanently withdrawing Elon Musk’s Starlink satellite internet service from Ukraine, which is strategically crucial there, while making it available to the Russian armed forces. Already, the US government has threatened to nix the service if Ukraine doesn’t hand over its minerals, as reparations for being invaded. This is how Trump operates: blackmailing desperate people who are seeking to defend themselves against an imperial war, regardless of past alliances. In the extreme case, Trump’s support for Russia might involve military equipment and financial backing, or even joint US-Russian operations, in the Arctic or elsewhere.

Was müsste man tun, um sich gegen eine solche Bedrohung zu wappnen? Es beginnt bei den Geheimdiensten. Deutschland ist nicht teil der 5-Eyes, aber wer sich damals mit den Erkenntnissen des BND-Bundestagsuntersuchungsschußes befasst hat, weiß, dass der BND SIGINT-mäßig eigentlich nur eine Provinz-Außenstelle der NSA ist.

Aber die Abhängigkeit geht natürlich bis hinein in die wichtigsten Waffensysteme. (Jemand muss diesen Artikel mal für Deutschland schreiben.)

Then we come to our weapon systems. Like everyone without security clearance, I can make no well-informed statement on the extent to which any of them, nuclear or conventional, are operationally independent of the US. But I know, to give just one example, that among the crucial components of our defence are F-35 stealth jets, designed and patented in the US. How stealthy they will turn out to be, when the US has the specs, the serial numbers and the software, is a question that needs an urgent answer.

Wir hätten alle mal besser auf die Franzosen hören sollen, die immer auf strategische Unabhängigkeit von den USA gedrängt haben.

I hope you can now see what a terrible mistake the UK has made, and how we should have followed France in creating more independent military and security systems. Disentangling from the US will be difficult and expensive. Failing to do so could carry a far higher price.

Nicht nur die Ukraine ist absolut abhängig von Trump, sondern auch wir. Unsere Abhängigkeiten zu den USA sind so vielfältig und tiefgreifend, dass eine tatsächliche Loslösung etwa dem Versuch entspricht, einen Kuchen nachträglich vegan zu machen, indem man alle Spurenelemente der eingebackenen Eier durch Hefebrei ersetzt.

Eine Entflechtung von den USA würde bedeuten, das halbe Militär, dazu alle Rüstungslieferketten, einen Großteil der Satelitennetzwerke, das gesamte Geheimdienstwesen, die gesamte digitale Infrastruktur, auf der unsere Wirtschaft läuft und den Großteil diplomatischer Kooperationen zu ersetzen. Es ist ein Jahrzehnte langes, unfassbar kompliziertes und wahnwitzig kostspieliges Projekt.

Es wäre stemmbar, wenn man den politischen Willen dazu hat. Aber mit Merz? Srsly?

Merz wird die Ukraine unter den Bus schubsen, sobald er im Kanzlersessel sitzt. Wir werden jetzt ins Galactic Empires eingemeindet und Merz ist unser Provinz-Präfekt.


Anscheinend werden gerade überall in den zuständigen US-Behörden die Maßnahmen gegen russische Cyberbedrohung zurückgerahren, wie unter anderem der Guardian berichtet.

The Trump administration has publicly and privately signaled that it does not believe Russia represents a cyber threat against US national security or critical infrastructure, marking a radical departure from longstanding intelligence assessments.

Der Guardian hat auch mit einigen Insidern gesprochen.

A person familiar with the matter who spoke to the Guardian on the condition of anonymity said analysts at the agency were verbally informed that they were not to follow or report on Russian threats, even though this had previously been a main focus for the agency.
[…]
Another person who previously worked on US Joint Task Forces operating at elevated classification levels to track and combat Russian cyber threats said the development was “truly shocking”.

“There are thousands of US government employees and military working daily on the massive threat Russia poses as possibly the most significant nation state threat actor. Not to diminish the significance of China, Iran, or North Korea, but Russia is at least on par with China as the most significant cyber threat,” the person said.

The person added:“There are dozens of discrete Russia state-sponsored hacker teams dedicated to either producing damage to US government, infrastructure, and commercial interests or conducting information theft with a key goal of maintaining persistent access to computer systems.”

Für russische APTs ist das wie Weihnachten und Ostern zusammen.


In einer bemerkenswerten Keynote politisiert Cory Doctorow seinen Enshittyfication-Begriff noch mal deutlicher als sonst. „Enshittyfication“ ist nicht einfach eine Konsumkritik, sondern beschreibt eine materielle Ausbeutungsstruktur.

Doctorow steigt ein mit einem Beispiel.

A January 2025 report from Groundwork Collective documents how increasingly nurses in the USA are hired through gig apps – „Uber for nurses” – so nurses never know from one day to the next whether they’re going to work, or how much they’ll get paid.

There’s something high-tech going on here with those nurses‘ wages. These nursing apps – a cartel of three companies, Shiftkey, Shiftmed and Carerev – can play all kinds of games with labor pricing.

Before Shiftkey offers a nurse a shift, it purchases that worker’s credit history from a data-broker. Specifically, it pays to find out how much credit-card debt the nurse is carrying, and whether it is overdue.

The more desperate the nurse’s financial straits are, the lower the wage on offer. Because the more desperate you are, the less you’ll accept to come and do the gruntwork of caring for the sick, the elderly, and the dying.

Enshittyfication ist, was passiert, wenn das User-Wachstum auf Plattformen abflacht, aber der Wunsch nach Rendite eben nicht.

How could Google grow? There were no more users left to switch to Google. We weren’t going to search for more things. What could Google do?

Well, thanks to internal memos published during last year’s monopoly trial against Google, we know what they did. They made search worse. They reduced the system’s accuracy it so you had to search twice or more to get to the answer, thus doubling the number of queries, and doubling the number of ads.

Im Gegensatz zum Kapitalismus alter Schule, die nur die Arbeitskraft ausbeutete, umfasst diese neue Schmerzarchitektur uns alle auf die eine oder andere Art und saugt den Wert aus uns unseren Beziehungen heraus.

Twiddling nurses‘ hourly wages is a perfect example of the role digitization pays in enshittification. Because this kind of thing isn’t just bad for nurses – it’s bad for patients, too. Do we really think that paying nurses based on how desperate they are, at a rate calculated to increase that desperation, and thus decrease the wage they are likely to work for, is going to result in nurses delivering the best care?

Do you want to your catheter inserted by a nurse on food stamps, who drove an Uber until midnight the night before, and skipped breakfast this morning in order to make rent?

Doctorow widerspricht der Deutung: wenn Du nicht bezahlst, bist du das Produkt. Es gaukelt die falsche Sicherheit vor, sich aus dieser Falle rauskaufen zu können. Im neuen Techkapitalismus sind wir alle das Produkt.

This is what’s going on with our gig-app nurses: the nurses are the product. The patients are the product. The hospitals are the product. In enshittification, „the product“ is anyone who can be productized.

Der ganze Vortrag ist großartig, aber die Idee, Kanada könne doch als Antwort auf Donald Trumps Strafzölle die Copyright-Abmachungen der Handelsabkommens mit den USA aufkündigen und so wieder legale Interoperabilität an den Tech-Firmen vorbei erlauben, sollte sich auch Europa aufschreiben.

You know what would be better? Abolish the Canadian laws that protect US Big Tech companies from Canadian competition. Make it legal to reverse-engineer, jailbreak and modify American technology products and services. Don’t ask Facebook to pay a link tax to Canadian newspapers, make it legal to jailbreak all of Meta’s apps and block all the ads in them, so Mark Zuckerberg doesn’t make a dime off of us.

Make it legal for Canadian mechanics to jailbreak your Tesla and unlock every subscription feature, like autopilot and full access to your battery, for one price, forever. So you get more out of your car, and when you sell it, then next owner continues to enjoy those features, meaning they’ll pay more for your used car.

That’s how you hurt Elon Musk: not by being performatively appalled at his Nazi salutes. That doesn’t cost him a dime. He loves the attention. No! Strike at the rent-extracting, insanely high-margin aftermarket subscriptions he relies on for his Swastikar business. Kick that guy right in the dongle!

Denkt bloß, was eine echte linke Regierung alles ermöglichen könnte.


Die New York Times hat eine gut recherchierte Hintergrundrecherche zu DOGE, derzufolge die Idee bei einem Pro-Trump-Dinner im beginnenden Wahlkampf im September 2023 aufkam, wo Musk sich das zusammen mit Vivek Ramaswamy und einigen anderen Broligarchs bei Cocktails ausdachte. Vorbild sei die eigene Twitterübernahme, bei der Musk mit einem ähnlich rabiaten „Break it, till you need it“-Approach auch die Bürokratie bändigen wollte.

Mr. Musk made clear that he saw the gutting of that bureaucracy as primarily a technology challenge. He told the party of around 20 that when he overhauled Twitter, the social media company that he bought in 2022 and later renamed X, the key was gaining access to the company’s servers.
[…]
Wouldn’t it be great, Mr. Musk offered, if he could have access to the computers of the federal government?

Just give him the passwords, he said jocularly, and he would make the government fit and trim.


Ebenfalls in der New York Times erklärt Zeynep Tufekci anhand von Musk und DOGE, was im Cyber Security ein Insider Threat ist.

Running integrated digital systems, however, requires endowing a few individuals with sweeping privileges. They’re the sysadmins, the systems administrators who manage the entire network, including its security. They have root privileges, the jargon for highest level of access. They get access to the God View, the name Uber gave its internal tool that allowed an outrageously large number of employees to see anyone’s Uber rides.

That’s why when Edward Snowden was at the N.S.A. he was able to take so much information, including extensive databases that had little to do with the particular operations he wanted to expose as a whistle-blower. He was a sysadmin, the guy standing watch against users who abuse their access, but who has broad leeway to exercise his own.

“At certain levels, you are the audit” is how one intelligence official explained to NBC News the ease with which a single person could walk off with reams of classified data on a thumb drive. It’s the modern version of one of the oldest problems of governance: “Quis custodiet ipsos custodes?” as the Roman poet Juvenal asked about 2,000 years ago. Who watches the sysadmin?
[…]

In effect, this small DOGE crew has become sysadmins for the entire government. Soon after O.P.M., they descended on the Treasury Department, where every payment the government has made is stored: root access to the economy (including many companies that are direct competitors to those of Musk). Their efforts expanded recently to the I.R.S. and Social Security Administration, both of which hold extremely personal, sensitive information: root access to practically the entire American population.


Martin Gurry ist ehemaliger CIA-Analyst und hatte 2014 mit „Revolt of the Public“ praktisch zeitgleich eine sehr ähnliche These wie ich in „Das Neue Spiel„. Die digitalen Kommunikationsinfrastrukturen bedeuten einen Kontrollverlust für Individuen und Institutionen, der zu einem Machtverlust letzter führt.

Gurri war aus meiner Aufmerksamkeit verschwunden, aber nun hat ihn Ezra Klein ausgegraben und ihn zu seiner neuerlichen Pro-Trump Haltung befragt. Ich fand das ganze Gespräch sehr aufschlussreich.

Zunächst bestätigt sich meine Pet-These, dass hinter jedem Rechtsruck eines Intellektuellen eine persönliche Kränkung steht. Gurri wurde radikalisiert, weil irgendeiner seiner Facebook-Post während der Covid-Zeit zensiert wurde. Seitdem will er das System brennen sehen und folgt er jedem, der ihm „Free Speech“ verspricht.

Zum anderen ist da diese Technikgläubigkeit, die unter anderem dazu führt, dass Gurri tatsächlich glaubt, dass Musk den Amerikaner*innen die Governmemt-AGI bescheren wird, die nur noch „gute“ Entscheidungen im Sinne der Bürger*innen fällen wird. Nicht nur muss man komplett auf den KI-Hypetrain aufgesprungen sein, aber man muss auch die Arbeit fast aller Menschen im Apparat enorm abschätzig beurteilen, um sich das plausibel zu machen.

Beides, der Hass aufs „Woke System“ durch die Facebook-Kränkung und seine Technikgläubigkeit münden in der Deutung, dass gerade der historisch notwendige Umbruch von statten geht, den sein Buch prophezeiht. Er sieht Trump und vor allem Musk als zentrale Agenten dieses Umbruchs.

Im Fahrwasser seiner Technikgläubigkeit zahlt auch der Geniekult um Elon Musk in die Erzählung ein. In Gurris Deutung ist das Technik-Genie Musk im Auftrag des Chaos-Gottes Trump dabei, dem Papierstaat der Guttenberggalaxis ein Ende zu bereiten und uns allen ein revolutionäres, digitales Update zu verpassen. Dass beim Hobeln eben Spähne fliegen, da darf man jetzt nicht so zimperlich sein.

Und als er dann noch Trump, Musk und die KI-Revolution „mythischen“ Charakter zusprach, war ich komplett zurück bei Gottfried Benn, der gefeierte expressionistische Dichter, der von der „Wendung vom ökonomischen zum mythischen Kollektiv“ faselte, als er sich 1933 den Nazis an den Hals warf. Seinen verfolgten Schriftstellerkolleg*innen rief er zu: „Halte Dich nicht auf mit Widerlegungen und Worten, habe Mangel an Versöhnung, schließe die Tore, baue den Staat!“,

Der Faschismus von damals war gewissermaßen der Kulminationspunkt der Industrialisierung. 100 Jahre lang bemerkten die Menschen einen stetigen Zuwachs an Agency für sich und die Nation. Der typische individualistische Fehlschluss rechnete diese Agency dem Individuum, bzw. dem Kollektiv zu und interpretierte sie folglich als „Stärke“.

Anfang des 20. Jahrhunderts besangen Marinetti und Ernst Jünger diese „mythische“ Stärke (und Geschwindigkeit) in technikberauschten Kriegsreportagen und Manifesten. Das hat sich dann prima auf die „Stärke“ des Führers, bzw. „des Volkes“ übertragen, dem im Kampf um Lebensraum jedes Mittel recht sein darf. In der Anschauung von Gottfried Benn, aber auch Martin Heideggers und Carl Schmitt transzendiert diese mythisch-geschichtliche Kraft jede Vernunft, jede Regel und jede Verantwortlichkeit.

Das Zeitalter der Kraft-Maschinen und das daran geknüpfte Paradigma der Stärke endete noch nicht mit den Nazis sondern kulminierte erst in Hiroschima. Die Aufgabe im Blockkonflikt bestand folglich darin, diese Kraft „intelligent“ zu Managen. Die Geheimdienste und die Computerrevolution sind eine direkte Folge der Atombombe und leiteten die nächste Revolution ein. Seitdem geht es nicht mehr um Stärke, sondern um „intelligence“.

Hier also meine These: Die Intelligenz-Revolution ist nun ebenfalls dabei, zu kulminieren und bildet gerade seinen spezifischen, neuen Faschismus aus. Deswegen sind die Erzählungen des neuen und alten Faschismus so überraschend austauschbar, wenn man „Stärke“ durch „Intelligenz“ und „Führer“ durch „Genie“ ersetzt.