Gestern habe ich nach Ewigkeiten mal wieder Ferris Bueller’s Day Off gesehen. Für mich ist es einer dieser Filme, die man in der Jugend gesehen hat, die einen ziemlich geprägt haben. Ich habe mir ihn immer mal wieder angeschaut, auch deswegen, weil er verdammt gut gealtert ist. Es ist immer noch ein handwerklich wahnsinnig rundes Werk und es war popkulturell ohne Frage enorm einflussreich.
Was mir aber das erste mal aufgefallen ist, ist, dass der ganze Film im Grunde eine einzige Reflexion der Philosophie Ayn Rands ist. Das meine ich nicht oberflächlich oder polemisch, so wie viele Hollywoodschinken irgendwie Rand’isch-neoliberal daherkommen, sondern ich meine es sehr konkret.
Ferris Bueller ist der ideale Rand-Charakter. Er ist egoistisch, liebt es, sich über Regeln hinwegzusetzen und dabei sind ihm alle Mittel recht. Er täuscht seine Mitmenschen und nutzt sie gnadenlos aus, seine Familie, seine Freunde, die Institutionen, alle. Alle anderen Menschen scheinen zu seinem Amüsement zu existieren.
Klingt extrem unsympathisch? Im Film eben nicht! Der Film schafft es, Ferris Bueller dennoch als extrem „likeable“ zu zeichnen. Für die anderen Charaktäre im Film ist er das Gegenteil eines Unsympaths, einer, den alle mögen, gar frenetisch bewundern und lieben. Alle wollen so sein wie er und am Ende – und hier kickt die Rand-Message erst so richtig rein – profitieren auch alle von seinen selbstsüchtigen Aktionen.
Da ist zum einen sein „Freund“ Cameron (es fällt wirklich schwer, diese Beziehung als Freundschaft zu charakterisieren). Der ist gehemmt, extrem fremdbestimmt durch sein überreguliertes Elternhaus und ihm geht es deswegen immer schlecht. Ferris überredet ihn ständig zu Dingen, die er nicht will, im Film vor allem das super wertvolle Auto (ein alter Ferrari) seines Vaters für ihre Spritztour zu nutzen. Ferris verkauft ihm das so, als würde er das für ihn tun, ihm quasi beibringen, frei zu sein. Aber in Wirklichkeit – das gibt er selbst zu – geht es ihm doch nur um den Spaß mit dem Auto. Der Film jedoch kommt zu einem Ende, an dem Ferris‘ beständiges Ausnutzen seines Freundes diesen so weit bringt, sich in einer dramatischen Aktion von seinen Eltern zu emanzipieren.
Am krassesten wird das Narrativ „Ferris Selbstsucht macht alle glücklich“ in Szene gesetzt, als er sich auf den Festwagen einer Parade schmuggelt und dann Rockenroll-lieder schmettert und die ganze Stadt (Chicago) deswegen ausflippt. Wir lernen: nur weil Ferris alle Regeln bricht – blau macht, alle anlügt, illegal den Paradenwagen in Beschlag nimmt, etc – und dabei ausschließlich egoistisch seinem Drang nach Spaß nachgeht, kann er sein Potential entfalten. Und dieses Potential ist es, wovon die ganze Gesellschaft dann profitiert – dargestellt als tanzende Menge. Das ist Ayn Rand in Reinform.
Und dann ist da noch Ferris‘ Schwester, Jeanie Bueller. Ihr Problem ist, dass sie wahnsinnig neidisch ist auf ihren Bruder ist. Sie findet es schrecklich, dass Ferris alle Regeln bricht und damit nicht nur durchkommt, sondern dafür auch noch geliebt und bewundert wird. Sie wird im Laufe des Films aber „geheilt“, indem ein sehr junger Charlie Sheen ihr rät, sich statt um ihren Bruder, mehr um sich selbst zu kümmern. Wir lernen: Die Heilung von Neid gegenüber den Grenzüberschreitern ist also eine eigene, „gesunde“ Selbstsucht zu entwickeln. Cameron und Jeanie werden also beide „geheilt“, indem sie ihren Fokus wie Ferris ausschließlich auf sich selbst richten, auf ihre eigenen Wünsche und ihr eigenes Fortkommen.
Das ist exakt das, was uns Ferris bereits in den ersten Minuten des Films auf den Weg gibt. Als er aus der Dusche steigt, erzählt er uns, dass er von „communism, fashism“ und anderen „isms“ nichts hält. Ein Ferris Bueller glaubt an nichts anderes als sich selbst. Und dass es darum geht, Spaß zu haben im Leben. Aber gut, die eigene Ideologie als Antideologie zu verkaufen ist ein sehr alter Trick.
Aber schauen wir den Tatsachen ins Gesicht: Ferris und die Welt haben eine „abusive Relationship“ und die Welt leidet am Stockholmsyndrom im Spätstadium. Ferris ist ein Arschloch und vielleicht wird er mit seiner Masche in seinem Leben noch einige Erfolge feiern, aber irgendwann wird er sehr, sehr einsam sein. Naja gut. Oder er wird Präsident der USA.
Als ich den Film zum ersten Mal sah, hatte ich ja keine Ahnung von Ayn Rand und ihren Einfluss auf die amerikanische Gesellschaft und die Mächtigkeit der neoliberalen Ideologie. Mir vermittelte der Film tatsächlich Konzepte von Freiheit, die ich verinnerlicht habe. Besonders habe ich dieses umbedingte Lob auf den Individualismus verinnerlicht und auch, dass Regelbrechen zum Freisein dazugehört – zumindest, dass Regeln der Freiheit im Weg stehen.
Ich habe mich nie wirklich wohl gefühlt beim Regelnbrechen, deswegen bin ich über die Jahre zu anderen Strategien übergegangen. Ich bin eher ein großer Regelvermeider. Ich versuche mich immer Situationen zu entziehen, in denen ich mich Regeln oder dem Regime anderer unterzuordnen habe. Und ich muss gestehen, dass ich immer noch ein Problem damit habe, Autoritäten anzuerkennen und mich in Gemeinschaften einzufügen.
Ich weiß nicht genau, was ich mit dieser Erkenntnis machen soll. Ich trage sicher eine ordentliche Portion Rand’schen Neoliberalismus in mir und ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich ihn in Gänze loswerden will. Mein Freiheitsdrang hat mich dorthin gebracht, wo ich bin und ich kann mir viele Situationen vorstellen, in denen ich unglücklicher wäre. Und über Jahre habe ich gelernt, meinen Egoismus besser zu reflektieren und bewusster dagegenzusteuern.
Was ich aber jede/r/m empfehlen kann, ist sich immer mal wieder die Filme (oder Bücher), die einen als Jungendliche/r geprägt haben, kritisch in die Hand zu nehmen und zu untersuchen, welche Ideologien man da mit der Muttermilch aufgesogen hat. Man lernt da unter Umständen viel über sich selbst.