Und nochmal Archäologie

Ich war das Wochende bis Montag bei meinen Eltern. Mein Vater hatte Geburtstag und so war eine jener Gelegenheiten an denen „man sich blicken lässt“. Aber diesmal hatte ich mir selbst noch einen Auftrag erteilt: Archäologie.

Es ist wirklich viele Jahre her, vermutlich mehr als zehn, dass ich einen Blick in die Fotoalben meiner Kindheit geworfen hab. Ich bin kein besonders nostalgischer Typ und so ist die Vergangenheit für mich vor allem eins: vorbei.

Aber letztens ging ein Link auf Twitter rum, der meine Begristerung weckte, wie die von vielen anderen. In diesem Blog werden Fotos von Fotos gesammelt, die vor dem Hintergrund ihrer jetzigen Realität fotografiert wurden. Und irgendwie machte es die Vergangenheit – und vor allem das Vergangensein der Vergangenheit – greifbar und damit interessant.

Und als ich nun zuhause war, habe ich meine alten Fotoalben durchgeblättert und nach ähnlichen Gelegenheiten gesucht. Ich bin ich nicht so der gute Fotograf, aber ich glaube, der Effekt kommt trotzdem rüber.

Der Baum ist gewachsen, wie man sieht, aber die Struktur stimmt noch. Das da war mein Spielplatz. Mitten auf dem Acker, eine winzig kleines Wäldchen. Wir haben Lagerfeuer gemacht und Kartoffeln darüber gegart. Jetzt ist vieles zugewuchert, was vorher frei war.

Ich hatte in der Streetview-Debatte immer wieder auf das Projekt von Fritten hingewiesen, der etwas sehr ähnliches tut. Fotos von damals sammeln und in den Kontext mit dem Heute stellen. Es ist eine ganz besondere Form der Archäologie und eine Form des Erinnerns, die mir sehr nah ist, theoretisch wie emotional. Und die irgendwie Zeitgemäß ist.

Durch den Cut, den die Konfrontation des selben mit seinem Vergangenem erzeugt, wird eben nicht, wie es in der klassischen Geschichtsschreibung getan wird, eine rationale Kontinuität erzeugt und eine Geschichte erzählt, sondern die nackte Andersheit zwischen den Zeiten deutlich gemacht. Es ist so, wie wenn man einen Bekannten nach langer Zeit wieder trifft und er einem sagt, dass man ja dünner oder dicker geworden ist. Das bekommt man aus seinem direkten Umfeld meist nicht zu hören, weil das zu nahe dran ist, als dass es die Veränderung beobachten könnte.

Das Geschichtsbild, das hier zum Ausdruck kommt, gleicht dem Foucaults, der die Brüche und Diskontinuitäten zwischen den Geschichts- und Diskursformationen hervorhebt. Nicht der lineare Übergang, sondern Zack – und alles ist anders. Bei Foucault sind es die Diskurse, die sich schlagartig wandeln. Auf einmal werden Dinge aussagbar, die vorher irgendwie nicht möglich waren zu sagen. Nicht in erster Linie, weil es durch Repression unterdrückt war, sondern weil das gesamte Weltbild ein anderes war. Die gesamte Konfiguration dessen, was gedacht und gesagt werden konnte.

Manchmal, wenn ich an das Weltbild meiner jungen Jahre zurückzuerinnern versuche, erlebe ich die selbe Fremdheit. Ja, ich glaube, ich habe zumindest einmal (vielleicht auch mehrmals) eine Diskursformation verlassen und bin in einer andere eingetreten. Nicht bewusst und nicht so, dass ich diese Formationen heute beschreiben könnte. Ich habe aber das Gefühl, dass ich in dieses Archiv hereingehen könnte, es archäologisch wie Foucault analysieren und den Riss beschreiben könnte, wenn ich mühe gäbe. Aber erinnern ist immer so anstrengend.

Abbo war unser erster Hund. Er war auf Fotos immer ein schwarzer Fleck und ist schon sehr lange tot. Das Meta-Foto hier war eine Herausforderung, weil an der Position an der das Original aufgenommen wurde, heute ein großer Busch steht, in den ich mich fast reinzwängen musste.

Doch da ist noch etwas anderes, an dieser Form der Erinnerung. Etwas das gleichzeitig hinter Foucault zurückbleibt und über ihn hinausgeht. Es ist ihre unwissenschaftliche Unbekümmertheit, ihre Beiläufigkeit und Zufälligkeit. Es ist nicht die Fraktur der Geschichte, die da beschrieben wird, wie sie Foucualt beschrieb (am liebsten anhand des diskursiven Wandels um das 17. Jahrhundert herum). Was wir auf den Fotos sehen ist eben keine intendierte Ausarbeitung einer Diskontinuität. Sie scheint da hindurch, das schon. Aber die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Gegenwarten ist beliebig. Irgendein „Jetzt“ wird mit irgendeinem späteren „Jetzt“ in Beziehung gesetzt.

Wo Foucaults Analyse den Bruch anhand der Dokumente vergleicht und so die unterschiedlichen Diskursformationen identifiziert, sagen diese Bilder nur: guck mal, wie anders. Sie enthalten sich quasi einer Wertung und einer Interpretation.

Der ehemalige Weggefährte aber auch Kritiker Foucaults Jaques Derrida hat das Archiv und die Archäologie in „dem Archiv verschrieben“ neu und anders gedeutet: „Wenn wir wissen wollen, was das Archiv bedeutet haben wird, so werden wir es nur in zukünftigen Zeiten wissen.

Wenn es so ist, dass Foucault Diskursformationen ausgemacht hat, in denen bestimmte Aussagen getätigt werden können und andere nicht (so seine Definition des „Archivs“ in Archäologie des Wissens), was versetzt ihn dann „heute“ in die Lage, diese neuen Fragen an die Geschichte zu stellen, die er stellt? Und noch viel wichtiger: welche kann er heute noch nicht stellen?

Es ist nicht so, dass Foucault diese Schwierigkeit nicht bewusst gewesen wäre. Doch eine Antwort hat er auf diese Frage nicht gefunden. Jedenfalls keine befriedigende, denn schließlich hätte das grundsätzliche Infragestellen der eigenen Perspektive seine Arbeit relativiert. Sie wäre, wie die Fotos hier, eine Momentaufnahme einer zeitgenössischen Geschichtsinterpretation und offen für jede neue diskursive Verschiebung. Auch über Foucault hinaus.

Es ist so, als ob ein zukünftiges Ich diese Fotos hier noch einmal nehmen kann und dann noch einmal die Originalstätten aufsuchen und eine dritte Zeitebene hinzufügen kann. Oder sogar jemand anderes. Oder jemand tut damit etwas völlig neues damit. Oder derjenige befragt meine Perspektive auf die Geschichte. Ohne Zweifel: das geht.

Ich habe dieses Fahrrad bekommen, als ich in die 7te Klasse kam und habe es sehr lange gefahren. Sogar noch fast die gesamte Unizeit. Es wurde nie geklaut, weil es so auffällig war. Die beiden Tannen vor dem Haus sind inzwischen Verweihnachtsbaumt worden.

Vielleicht werden wir eines Tages müde lächeln, über meine 2D-Archäologie. Vielleicht braucht es in ein paar Jahren ja nur ein paar alte Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven und der Computer kann daraus ein 3D-Modell zimmern. Wer weiß schon, welche Archäologie morgen möglich sein wird? Oder wie man denken wird über das vergangene Heute oder über die Vergangenheit ansich? Oder über das heutige Denken der Vergangenheit?

Diese merkwürdige Konfiguration der Zukunft, die alles, all die Arbeit, all die Archäologie, all die Erinnerung offen wie ein Scheunentor macht – offen für Neubearbeitung, Neuinterpretation, etc – habe ich bekanntlich „Kontrollverlust“ genannt. Foucault – im Gegensatz zu Derrida – scheint der Kontrollverlust nicht geheuer gewesen zu sein. Und ja, ich gebe gerne zu, dass die Idee des Kontrollverlusts auf einer Derrida-Engine läuft.

Derrida, der seinen Blick weg von der Geschichte, auf den Blick des Historikers – oder den Foucualts – lenkt, hat eine Sache gesehen: dass ein Geschichtsbild mehr über denjenigen aussagt, der das Geschichtsbild anfertigt, als über die Geschichte selbst. Dementsprechend kann es nie um die „richtige“ Interpretation von Geschichte gehen, egal, wie man sein Geschichtsbild transformiert. Es kann immer nur um das zukünftige Gesichtsbild gehen.

Was wird X gewesen sein?“ ist Derridas immer und überall gestellte Frage. Es ist natürlich keine Frage, die man in einem empirischen oder gar formal korrekten Sinne beantworten kann. Die Befragung des Heute aus der Zukunft verschiebt die Betrachtung von der Epistemologie hin zur Politik. Ich habe das hier letztens versucht durchzuexerzieren. Ich glaube, aus diesem Denkansatz lässt sich noch eine ganze Menge herausholen. Vielleicht eine neue, zeitgemäße Linke Position?

PS: All diese Gedanken gären schon seit vielen Jahren in mir. Es ist meine bislang nicht vollendete Dosktorabeit. So langsam komme ich an dem Punkt, meine Gedanken entsprechend formulieren zu können. Vielleicht gibt es ja noch Hoffnung? Wer es genauer wissen will, lese das Exposé meiner Diss dazu.

Jugendmedienschutz gestalten: die filtersouveräne Antwort

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Folgenden Text habe ich im Nachgang zur Debatte um „Jugendmedienschutz gestalten“, bei dem ich im Juni auf dem Podium im Rahmen des Medienforums NRW saß, geschrieben. Und ich dachte, hier macht sich der Text auch ganz gut.
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Wenn wir heute über Jugendschutz in den Medien reden, sprechen wir über zwei Zukünfte: Jugend und Medien. Beide sind gewisser Maßen gerade in der Entstehung und werden sich weit weg von dem Entwickeln, was wir heute sehen. Wir haben so wenig davon Ahnung, wie das Internet in 20 Jahren aussehen wird, wie, ob aus jenem 4 jährigen Mädchen einmal eine Bundespräsidentin wird.

Nur eines ist sicher: Der Umbruch, den wir erleben wird beim heutigen Internet nicht halt machen, sondern weiter fortschreiten und die Kinder von denen wir heute reden, werden in einer anderen Welt leben, mit anderen Medien hantieren als wir es uns heute vorstellen.

Natürlich denken wir nicht so. Wir glauben in der besten aller Welten zu leben und unsere Werte sind das Maß der Dinge. Unsere Aufgabe ist es, aus unserer selbstherrlichen Perspektive, den Kindern diese unsere Werte im Umgang mit Medien auf den Weg zu geben. Wir kannten den direkten Draht zur Öffentlichkeit nicht, also müssen die jungen Menschen das Konzept Privatsphäre eingetrichtert bekommen. Wir hatten nicht den Zugriff auf alle Informationen, also müssen wir auch unsere Kinder vor diesen Möglichkeiten schützen. Wir nennen dann diese Beschneidung der Welt auf das uns bekannte Maß: „Medienkompetenz“ und glauben auch noch den Kindern etwas gutes damit zu tun.

Aber während wir uns hier noch darüber Streiten, wie wir unsere alte Welt in die neue, grenzenlose und digitale Welt importieren können und vor allem den KIndern beibringen, von den vielen, neuen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen, rollen diese nur mit den Augen und handeln die Umgangsweisen und Werte des kommenden Medienzeitalters aus. Denn das ist ihre Aufgabe. Nicht die unsrige.

Jugend und Medien: das ist eine Koevolution. Und egal wie wir uns bemühen, die Kinder sind doch eh schon wo anders, bevor die Tinte auf dem ersten Gesetz getrocknet ist.

Wenn man also von „Medienkompetenz“ sprechen will, so darf man nicht von dem sprechen, was wir uns als „Medienkompetenz“ vorstellen. Man muss – und ich bin mir der Unmöglichkeit dieses Unterfangens durchaus bewusst – von der Medienkompetenz der Zukunft sprechen. Man muss sich fragen: was könnte Medienkompetenz in Zukunft heißen.

So schwer diese Frage auch zu beantworten ist, glaube ich, dass man zwei Punkte jetzt schon festklopfen kann, ohne sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen:

1. Medienkompetenz wird etwas anderes sein, als das, was wir heute dafür halten.
2. Medienkompetenz wird vor allem mit der Fähigkeit zusammenhängen, sich in einem riesigen Informationsberg zurecht zu finden.

Die erste These ergibt sich aus dem Gesagten. Lassen Sie mich nur die These 2 kurz erläutern:

Eric Schmidt – noch vor kurzem der Chef von Google – bemerkte unlängst, dass in den letzten 2 Jahren so viele Daten produziert wurden, wie seit Beginn der Menschheitgeschichte bis 2003. Wenn man diesen Prozess nur ein paar Jahre weiterdenkt, hat man eine Vorstellung – nein, die Nichtvorstellbarkeit – der zukünftigen Medienrealität – also jene, in der die heutige Jugend einst leben wird. Diese Medienrealität wird ein wenig dem ähneln, wie es George Louis Borges beschrieben hat: in der Bibliothek zu Babel befinden sich alle mathematisch möglichen Texte, also alle denkbaren Buchstabenkombinationen. Eine Unendlichkeit an Daten.

Die Frage der Medienkompetenz der Zukunft wird also zwangsläufig lauten: Wie wird man sich in dieser Welt zurechtfinden?

Man wird außerordentliche Fähigkeiten entwickeln müssen, sich hier zurechtzufinden. Man wird heute noch kaum denkbare Software verwenden, um den Informationsstrom individuell aufzubereiten. Und man wird sich dabei darauf verlassen müssen, zu allen Informationen, die verfügbar sind, auch theoretischen Zugriff zu haben.

Ich glaube deswegen, dass es eine neue „Informationellen Selbstbestimmung“ geben wird. Die Selbstbestimmung sich im Wust der Informationen seinen eigenen Weg zu bahnen. Und diese Sebstbestimmung in der Filterung, Aggregierung und Aufbereitung von Information wird eine erhöhte Sensibilierung gegen Zensur voraussetzen.

In der Welt von Morgen wird es darum gehen, Herr über die Informationsflüsse zu sein, die einem die Realität bedeuten. Ich fürchte, dass Eltern, die das Netz für ihre Kinder vorfiltern, ihnen damit keinen Gefallen tun. Kinder von klein an, an das Regime der Zensur zu gewöhnen, wird nicht die Menschen aus ihnen machen, die mit dieser Zukunft gut zurecht kommen werden. Ich glaube, es wäre klug, die Kinder im Gegenteil früh gegen Zensur zu sensibilisieren und dem Umgang mit der Bibliothek von Babel nicht auszuweichen, sondern mit ihnen Wege des Umgangs damit zu entwickeln. Ich sage bewusst „entwickeln“, nicht erlernen. Denn wir sind den Kindern kein Stück voraus.

Archäologie des Heute – das Denken der Zukunft denken

Es ist eine Binsenweisheit, dass bestimmte Konzepte und deren gesellschaftliche Bewertung sich mit dem Verlauf der Geschichte mehrfach gewandelt haben.

Es ist richtig, dass es nicht so lange her ist, dass die geschlechtliche Rollenverteilung mit deutlicher Unterordnung der Frau nicht nur vorhanden, sondern auch gesellschaftlich breit akzeptiert war. Es ist richtig, dass die Worte „Zensur“ und „Propaganda“ erst seit sehr kurzer Zeit einen negativen Klang haben und noch vor 60 Jahren als unverzichtbare Notwendigkeit einer jeden politischen Öffentlichkeit verstanden wurden. Es ist richtig, dass Todesstrafe, Krieg und Blutrache und ähnliches für sehr lange Zeit auch in Europa als völlig legitime, sogar als Gesellschaft zusammenhaltende Institutionen angesehen wurden. All das waren zu ihrer Zeit keine Repressionsmaßnahmen gegen den Willen des Volkes, sondern tiefer gesellschaftlicher Konsens zur Organisation des Zusammenlebens. Wer an ihm rüttelte war ein Träumer, ein Idealist, Utopist, jemand, der die öffentliche Ordnung zu zerstören drohte.

Aber während die letzten Jahrzehnte in der Geisteswissenschaft ein bitterer Kampf darum geführt wurde, ob denn nun diese unsere Menschenrechte und alle damit einhergehenden Errungenschaften wie Demokratie, Rechtstaat und Emanzipation die universell richtige Richtung für die Menschheit vorgeben, oder ob all das doch als Zufallskonstellation im relativistischen Ozean der Möglichkeiten schwimmt – blind für den eigenen Eurozentrismus – glaube ich, dass es Zeit wird diese Frage völlig anders zu stellen.

Ich glaube, wir haben unser „Heute“ lange genug von der Vergangenheit her gedeutet. Es wird Zeit, es von der Zukunft her zu deuten.

Wie das geht? Eigentlich gar nicht. Aber weil ich es trotzdem für notwendig halte, so: Man muss sich selbst, uns alle, diese unsere Gesellschaft in der wir leben mit den historisierenden Augen eines zukünftigen Beobachters betrachten. Man muss das Heute von der Zukunft her befragen. Ähnlich pikiert und arrogant wie wir auf die Vergangenheit, wird die Zukunft auf uns blicken. Doch was wird sie sehen? Welche Dinge, die uns heute als ganz normal, sogar wichtig und unverzichtbar vorkommen, werden in der Zukunft als rückschrittliche, barbarische, gewalttätige, grobe, undemokratische und unmenschliche Praktiken betrachtet werden? Und zwar in dem selben Sinne, wie wir heute über die Unterdrückung der Frau, das Verbot von Homosexualität, von Zensur, Krieg und so weiter anders, nämlich fortschrittlicher denken. Über welche Dinge wird man sich nicht mehr eine Vorstellung machen können, dass wir sie über uns ergehen haben lassen und sie sogar für wichtig hielten?

Ich habe hier mal ein paar Dinge aufgelistet, von denen ich glaube, dass sie in diese Kategorie gehören könnten:

1. Medienregulierung – Ein Nobrainer, klar. Jeder, der im Internet unterwegs ist, weiß eigentlich, dass dieser Zug abgefahren ist. Doch der Kampf hat längst begonnen und die bisherigen Medienregulierungen wirken heute schon antiquiert. Aber noch sitzen wir an Tischen zusammen (so wie ich letzte Woche) und diskutieren über den Jugendschutz, der als Medienregulation irgendwie in dieses Internet reingezimmert werden soll. Und nein, es ist noch nicht so weit, dass ein komplettes „Lassen wir es doch einfach“ überhaupt ernsthaft zur Sprache gebracht wird.

Das Internet wird sich nicht regulieren lassen. Zumindest nicht effektiv. Die Erkenntnis ist auf dem Weg, aber noch lange nicht angekommen. In spätestens 10 Jahren werden wir aber über diese Versuche nur lachen und das ganze Konzept „Medienregulierung“ wird uns zumindest altväterlich überholt vorkommen. Ja, sogar der CDU.

2. Depublikation – damit meine ich nicht nur, das, was die Öffentlich Rechtlichen so tun müssen. Ich meine damit die Idee, Daten aus welchem Grund auch immer, zu löschen. Früher habe ich die SMS aus meinem Telefon gelöscht, eine zeitlang auch die Mails aus meinem Posteingang. All das ist nicht mehr notwendig denn die Speicherkapazitäten steigen schneller als ich schreiben kann. Gelöscht wird nur noch, was eh redundant vorhanden ist und schnell wieder besorgt werden kann: Spielfilme, Musik, etc. Löschen ist auf längere Frist fatal. Eine volltextdurchsuchbare Datenbank mit den Mails der letzten 10 Jahre ist ein Schatz. Ich kann anhand der Daten mein Leben nachvollziehen und alte Dokumente wiederfinden.

Wir erleben einen kulturellen Wandel, der das Löschen von Information zu einer – ich sag mal – repressiven Sache machen wird. Löschen verweigert Zukunft. Nämlich die Zukunft diese Daten mit neuen Methoden zu bearbeiten, zu durchsuchen und Vergangenheit zu rekonstruieren. Wir werden nach und nach ein Volk von Archäologen und wir entwickeln langsam ein Bewusstsein dafür, dass Daten in ihrem Wert nicht festgelegt sind und dass dieser Wert mit zunehmedem zeitlichen Abstand und fortschreitender technologischer Entwicklung immer weiter steigt. (Im Grunde liegt diesem Gedanken die gesamte Ethik des Anderen zu Grunde, wie ich sie mal formuliert hatte) Datenlöschen wird in 20 Jahren das Bilderstürmen der Zukunft sein.

3. Lohnarbeit – ich glaube, dass wir auf eine Postarbeitsgesellschaft zusteuern. Neben den versteckten Arbeitslosen, die mit politischen Tricks aus der Statistik rausgehalten werden, haben wir meines Erachtens noch eine riesige stille Reserve. Nämlich die, die wegrationalisiert werden könnte, würde man den aktuellen Stand der IT-Technologie von heute konsequent anwenden. Einen kleinen Ausblick in diese Welt hat Gunter Dück ja auf der re:publica geleistet.

Und das, was an „Dingen, die es zu tun gibt“ übrig bleiben, wird keine repetitiven, langweiligen Elemente mehr erhalten und von den Leuten gern und selbstbestimmt erarbeitet werden. Die Lohnarbeit, wie wir sie heute kennen, wird in 40 Jahren als ein grausamer Anachronismus, als eine subtile Form von Gewalt und Unterdrückung angesehen werden.

4. Regiert werdenich habe diesen Zusammenhang letztens schon bei ZEIT Online angedeutet. Die heutigen Versionen von Demokratie sind dem viel komplexeren Spektrum an politischer Willensbidlung durch das Internet nicht mehr gewachsen. Wir sehen heute schon ein deutliches Erodieren der Regierungsmacht und ein allgemeines Auflehnen der Menschen gegen die Entscheidungsmächtigkeit von Regierungen.

Historisch wird man sicherlich auch noch in Zukunft zwischen den Diktaturen und den Demokratien unterscheiden, aber insgesamt wird das Konzept des Regiertwerdens, der Regierung, etc. als ganzes diskreditiert. Ich weiß keine Lösung, ich habe keine Vorstellung davon, wie Politik in der Zukunft organsiert wird. Aber ich bin mir sicher, dass das, was wir heute „Demokratie“ nennen, in 50 Jahren als atavistische Gewaltherrschaft und als kollektives Unterdrückungssystem in den Geschichts-eBooks stehen wird.

FAZIT – Es wird Zeit, dass wir aufhören immer nur zu jammern, wie die hereinbrechende Zukunft unsere Welt gestaltet. Wir sollten lieber schauen, was die Zukunft für uns tun kann. Wir sollten Utopien entwickeln, die sich die Zukunft, die heutigen Trends zunutze machen und diese heute noch einfordern.

Die derzeitige Linke ist eine konservative Jammerlinke. Sie sieht überall nur die Felle wegschwimmen und meint alles festhalten zu müssen. Gentrifizierung, Neoliberalismus, Konsumwahn – das sind die Schreckgespenster einer sich in Rückzugskämpfen verzettelnden Linken.

Was wir brauchen ist eine neue Linke, die nicht nur gegen die Managergehälter nölt, sondern Managergehälter für alle fordert. Eine Linke, die sich über Effizienz, Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau freut, weil sie die Geißel der Menschheit – die Arbeit – zum Verschwinden bringt.

Ich träume von einer Linken, die Startups gründet, um den Kapitalismus abzuschaffen. Eine Linke, die den Privilegierten nicht ihre Freizügigkeit vorwirft, sondern losgeht und diese Freiheit auch für die Nichtprivilegierte erstreitet.

Lasst uns mit dem abschätzigen Blick des zukünftigen Beobachters auf unsere Welt sehen und aus dieser Diskrepanz die Empörung über unser rückschrittliches „Jetzt“ gewinnen.

Sich über die Zukunft Gedanken machen

Ich arbeite ja seit geraumer Zeit an Zukunftsvisionen, Utopien und Szenarien des Kontrollverlusts und der Postprivacy. Und habe das Problem, dass die Zukunft natürlich „unwritten“ ist. Und seit Talebs schwarzem Schwan weiß ich auch, dass das in einem Maße zutrifft, das weit über das hinausgeht, was es diese Plattitüde auszudrücken im Stande ist.

Schwarze Schwäne kommen dabei natürlich häufig im Gewand der Technologie daher. Ich glaube aber, eine Methode gefunden zu haben, mit der man einige Entwicklungen mit größerer Sicherheit vorhersagen kann, also ohne.

Man muss dort hinschauen wo das Geld ist.

Wie organisieren sich die Reichen? Was für Leute arbeiten in welcher zuarbeitenden Position für gut dotierte Institutionen. Welche unglaublich teuren Technologien werden da verwendet? Wie machen sich Wohlhabende das Leben angenehmer und die Prozesse effizienter? Wie wird mithilfe von Technologie und Manpower Komplexität reduziert?

Die Überlegung ist einfach: Technologie hat die letzten Jahrzehnte vor allem zweierlei gezeigt: dass sie Zuarbeiter und Zwischenagenten ersetzt und dass sie relativ schnell billiger wird.

Vieles von dem, was man heute über sein Mobiltelefon und das Internet macht, haben schon vor Jahrzehnten persönliche Assistenten für Firmenbosse erledigt. Das was Sekretärinnen damals wie heute tun, ist zum Großteil besser oder zumindest anders in Software abbildbar. Ebenso freiberufliche Trader auf der Wallstreet. Und auf technologischer Seite haben ebenso die Mobiltelefonie wie Computer zuerst nur in Institutionen mit viel Geld reüssiert, bevor sie sich in der Gesellschaft breit machen.

Die Methode ist also: Schaue dahin wo das Geld ist und überlege, wie das, was du da siehst, die Gesellschaft verändern wird, wenn es billig und ubiquitär wird.

Das ist natürlich kein Garant dafür, dass man richtige Vorhersagen macht, aber vielleicht informiertere und tendentiell stimmigere, als einfach in’s blaue hinein zu phantasieren.

Was ich so tue

Es reicht mal wieder nur für ein paar Ankündigungen, Bakanntmachungen, etc.

Am Mittwoch, also morgen, bin ich in einer merkwürdigen Runde bei dem Medienforum NRW, das ja bislang eher unrühmlich in den Timelines auftauschte und werde da zwischen einem Shitload an (16!) Experten und Jens Best irgendwie klar zu machen versuchen, dass wir unsere Jugend nicht vor Informationen schützen müssen, sondern sie sensibilisieren sollten vor Zensur.

Jugendmedienschutz gestalten. 22.06.2011 um 15:30 im Raum 4 im Staatenhaus am Rheinpark und Stream gibt es laut Veranstalter hier.

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Das Projekt Map My Story nimmt immer mehr Gestalt an. Wird wohl mal Zeit, dass ich was drüber erzähle.

Also da turnen einige Künster, Schauspieler und sonstige Performer rum, um sich mit Performances, Kunst und Sozialen Orten an Utopien zum Ende des Subjektes und des Privaten auszulassen. Das Ganze geht beinahe ein Jahr lang so weiter. Und man kann da jederzeit und jeden Tag irgendwie dabei sein. Die Trailer Lounge zum Beispiel ist ein echt genialer OpenAir Coworkingspace. Sowas hab ich eigentlich immer gesucht, für den Sommer. Alles muss man selber machen. Auf ne Art.

Am 16. Juli 2011 um 19 Uhr eröffnet dann die Ausstellung. Ingolf Keiner hat 12 Räume in dem Gebäude umgestaltet. Ich bin kein Kunstexperte, aber kann mich schon sehr amüsieren, was Ingolf da so macht. Hier ein paar Videos zum „Making of“ der Räume.

Ich persönlich bin da vor allem für das Blog zuständig. Nicht alleine, jeder von uns kann und soll da posten, aber ich bringe sozusagen den ideologischen Überbau des ganzen. Im Grunde versuche ich da, möglichst bold und gerne auch übertrieben spinnert Utopien und Maximalforderungen der Postprivacy und Kontrollverlust zu formulieren. Aber irgendwie passen auch die anderen Beiträge gut zueinander und es entwickelt sich irgendwie ein Austausch. Das wird so langsam zu einem echt lesenswerten Blog.

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Ach noch was: Wir müssen Reden 25 und 26 sind gleichzeitig rausgekommen. Die Runde mit bosch und Mathias Richel ist kontrovers, emotional, politisch und lohnt sich!

Humanisten Popisten

Auf ctrl-verlust (für die, die das da immer nicht lesen) habe ich mal so eine art viertel-rant, zumindest aber eine Kampfansage gegen einen gewissen „Humanismus“ geschrieben, der sich in der Gesellschaft breit macht. Und dessen Wurzeln ich für irrational, unvernünftig und sogar rassistisch halte. Hier entlang!

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Dann wollte ich noch auf die nächste Folge „Wir müssen reden“ hinweisen. Wir haben nämlich Mathias Richel und Bosch zu Gast. Das wird sicherlich ein clash der Kulturen. Vielleicht schaffe ich es ja, den beiden ein bisschen ihren Humanismus aus dem Leib zu … äh argumentieren. Ha! Jedenfalls wird das ganze Morgen abend (Donnerstag, der 16.) wieder ca. 21:00 Uhr stattfinden. Es wird ein Fest.

Dradio-Wissen: Netzkommentar Facebook

Netzkommentar zur Facebook Gesichtserkennung (Download):

Facebook hat am Mittwoch sein lange angekündigstes Gesichtserkennungsfeature freigeschaltet. Wenn man also Fotos hochlädt, schlägt der Algorithmus automatisch Leute aus der eigenen Freundesliste vor, sofern er diejenigen zu erkennen glaubt. Viele nutzen das Feature bereits bei Apples Fotosoftware iPhoto oder Googles Bilderdienst Picasa.

Aber nun fühlen sich alle überrumpelt, weil Facebook die Funktion standardmäßig für alle Nutzer freigeschaltet hat. Auf ihren Facebook-Walls schimpfen sie auf Facebook, Politiker und Datenschützer schäumen und die Medien geben Anleitungen, wie man das Feature wieder abschaltet.

Doch das geht nicht. Der Algorithmus wird auch weiterhin über jedes hochgeladene Bild laufen und versuchen, Gesichter zu erkennen. Nur die automatische Vorschlagsfunktion für die Freunde kann man deaktivieren.

Automatisierte biometrische Gesichtserkennung steht schon mit einem Bein in der Wirklichkeit und hebt das andere gerade in unsere Richtung. Bald wird sie allgegenwärtig sein und um einiges besser funktionieren. Sie wird in Videoüberwachungssystemen, Handykameras und in den Crawlern von Suchmaschinen eingebaut werden und alle Fotos im Internet mit Identitäten verknüpfen. Sie wird uns jederzeit zur Verfügung stehen und das wird die Gesellschaft verändern.

Wenn ich heute über die Straße gehe, werde ich von meinen Bekannten erkannt und vom Bäcker nebenan. Morgen weiß jeder, der es wissen will, wer der Typ mit der Brötchentüte ist. Facebook wagt einen kleinen Schritt in diese Richtung. Statt uns von Datenschützern und profilierungssüchtigen Politikern verunsichern zu lassen, sollten wir die Chance nutzen, uns mit den neuen Möglichkeiten vertraut zu machen. Sie werden für die Zukunft noch sehr wichtig werden.

140Sekunden

Die Kommunikation war nicht leicht, mit den Leuten bei 140Sekunden. Hin und her ging es immer wieder bei Tweetauswahl, Termin und Locationfindung. Dann haben wir schließlich in der Bibliothek des Deutschen Historischen Museums gedreht. In der Tat ein ganz schnuckliger Ort, wobei ich nicht fand, dass er besonders gut zu mir passt. Ich war eher für das Technikmuseum, aber gut. (Und warum haben die eigentlich mein altes Blog abgefilmt?) Jedenfalls ist das Resultat ganz gut geworden, obwohl es 8 Uhr morgens war und ich während des Drehs das Gefühl hatte, dass ich noch gar nicht richtig wach bin.

(und dann dieser Drang, immer wenn eine Kamera aufnimmt wie ich Dinge auf dem Rechner tue, einfach mal youporn aufzurufen.)

Heute, den 8. Juni 2011 um 21:15 Uhr wird auf ZDF-Info im Rahmen des Elektischen Reporters dieser Clip gezeigt. Und ihr könnt ihn jetzt schon sehen:

Ein kurzer Gedanke zu Bitcoins

Eben fragte mich ein Freund, ob ich Bitcoins kenne und ob ich empfehlen würde, zu investieren. Ich dachte kurz nach und antwortete: Klar, warum nicht?

Also, ich find’s lustig. Wie sie sich alle aufregen und es mit der Angst bekommen. Und wie sie auf Twittter jetzt schon stöhnen, wegen des Hypes.

Ich glaube übrigens nicht, dass Bitcoins nun die uns alle befreiende Währung sein wird, die uns in ein neues Wirtschaftssystem führt und ich gebe Torsten im großen und ganzen recht. Jedoch nicht bei der Bewertung. Ich glaube, Bitcoins werden relevant.

Ich würde eine Sache nicht außer acht lassen: Bitcoins sind eine Self-fulfilling Prophecy. Und zwar eine sehr ausgefuchste.

Warum?

Weil der Mensch gierig ist. Bitcoins haben oder nicht haben ist die Frage, nicht, ob sie einen realen Wert repräsentieren, oder tatsächlich einmal das Zahlungsmittel der Zukunft sein werden. Die Frage ist eher die, die mein Freund mir stellte: soll ich investieren? Lohnt sich das? Und die Antwort ist auf absehbare Zeit schlicht und ergreifend: ja!

Der vorherbestimmte Gang der Bitcoins ist, dass ihr Wert steigen wird. Es ist eine Währung, die nichts anderes tut, als zu deflationieren. Es gibt schließlich keinen Grund für Bitcoins, sich jemals auf irgendeinen Preis einzupendeln. Es ist ja fest definiert, wie viele Bitcoins es jemals geben wird, also wird der Preis für Bitcoins für immer steigen, wie der Wert eines Rembrandt-Gemäldes.

Das heißt, es ist zu jederzeit wirtschaftlich rational in Bitcoins einzusteigen und es wird immer wirtschaftlich irrational sein, aus Bitcoins auszusteigen (sie also tatsächlich für Zahlungen zu verwenden). Damit sind Bitcoins der perfekte Geldstaubsauger. Sie werden eine ganze Menge Kapital aufsaugen und für eine unabsehbare Zeit binden. Wie viel, ist nicht abzusehen.

Wenn nichts dazwischen kommt, (ein Hack oder eine tatsächlich zielführende, polizeiliche Maßnahme der Regierungen) können Bitcoins also tatsächlich eine Gefahr für Regierungen und sogar für die Weltwirtschaft werden. Bei 1 Milliarde Dollar größe wird der Bitcoinmarkt eine Gefahr, denn dieses Geld fehlt wo anders. Und ich für meinen Teil sehe keinen Grund, warum bei einer Milliarde Schluss sein sollte.

Der Geldstaubsauger hat also das Potential eine sehr signifikante Menge an Kapital zu binden, eine Menge, die der Weltwirtschaft ernsthaft schaden kann. Es wird dann nur noch darauf ankommen auf welche Preissteigerungsrate sich die Bitcoins einpendeln werden. Denn alle anderen Investmentangebote müssen mit dieser Rate konkurrieren. Am Ende könnte die gesamte Weltwirtschaft zusammenbrechen.

Fazit: Bitcoins sind für nichts eine Lösung. Aber sie könnten ein brillianter Hack des derzeitigen Wirtschaftssystems sein.

Meins!

Als ich in Ägypten war, machte eine Meldung die Runde, dass eine wahnsinng riesige Fliegerbombe in Berlin gefunden wurde. Und zwar direkt vor meiner Haustür (ca. 5 Meter). Die gesamte Gegend wurde evakuiert, es wurden Plünderungen befürchtet und natürlich die Explosion, die nicht nur mein Haus komplett pulverisiert hätte.

Dementsprechend trötete es mir in die Kanäle voll. „Hey, mspro, schon gehört?“ Und ob ich denn keine Angst habe, um mein „Hab und Gut„.

Im Geiste machte ich Inventur:

1. Laptop … liegt im Hotelzimmer.
2. iPhone … in meiner Tasche.
3. … … … who fucking cares?

Ich war gerade direkt bei den Pyramiden, also twitterte ich:

Es wäre mir tatsächlich egal gewesen. Ich besitze nichts. Nichts wichtiges. Nichts wichtiges, was ich nicht auch jederzeit ohne Rückschmerzen 24 Stunden am Tag mit mir herumtragen kann und es dementsprechend auch tue. Gut, ich hab einen Arsch voll Bücher, von denen ich sicher einige neu kaufen würde. Vermutlich diesmal als eBook.

Mir geht es so, wie es hier in diesem treffenden Artikel beschrieben ist. Ich bin ein Tech-Nomade, ein digitaler Minimalist in Sachen Besitz. Ich reduziere. Alles Gegenständliche ist mir zu viel.

Ganz ehrlich? Ich würde gerne nur möblierte Zimmer bewohnen. Alles soll schon da sein, ich will morgen mit meiner Umhängetasche umziehen können. Meine Devices selbst schrumpfen nach jedem Neukauf und das fühlt sich richtig und gut an. Und alles andere hat gefälligst auch zu verschwinden. Dinge binden sich so unangenehm an’s Bein. Eigentum fühlt sich nicht danach an, dass es mir Freiheit vermittelt. Im Gegenteil.

Aber ging es bei Eigentum nicht auch vor allem darum? Um Freiheit? War Vermögen, Eigentum, Besitz nicht Mittel zum Zweck, sich frei zu entwickeln? War das nicht – zumindest auch – der tiefere Grund, überhaupt danach zu streben?

Klar, musste man noch vor nicht allzu langer Zeit Wohlhabend sein, um überhaupt zu reisen. Und um sich Bildung zuzulegen. Und um „Weltgewand“ zu sein, internationalen Umgang zu pflegen und an bestimmte Informationen zu kommen. Kunstbeflissenheit ist in einer Welt, in der das eine Bild eben nur in dem einen Museeum 1000 Km weit entfernt hängt, eben eine teure Sache.

Aber all das ist heute erschwinglich. Es ist nicht umsonst, der Zugang zu dem kostet noch Geld, aber man muss eben kein Vermögen mehr aufbringen, daran teil zu haben. Und die Kosten sinken beständig.

Mit anderen Worten: Identitätsressourcen (soziale Kontakte, Informationen), die früher nur unter Einsatz hoher Geldmittel zu erlangen waren, sind heute mithilfe relativ geringer Mittel, vor allem aber durch digitale Technologie, erreichbar. Ich bin mir sicher, das verändert unseren Bezug zum Besitz ganz gewaltig.

Freiheit, im Sinne von erhöhter identitärer Optionsvielfalt bietet nicht mehr das Eigentum, sondern der Zugang zu Kontakten und Information. Mein Laptop und mein iPhone sind für mich nur deswegen so wichtig, weil sie die Tore zum Internet repräsentieren. (Selbst diese Hardware ist ja im Grunde schon sehr leicht austauschbar, nur eben leider teuer.)

Und dann musste ich an den Artikel von Rolf Schwartmann „Meins bleibt meins“ denken, in dem er in etwa die Meinung vertrat, dass, wenn wir es zulassen, dass das Urheberrecht geschschwächt/ausgehöhlt oder abgeschafft wird, das Eigentum ansich in Frage steht.

Und ich dachte mir: Ooch, warum eigentlich nicht?