Von der Macht-Interdependenz Theorie zur Wert-Formel

Kernstück der Politischen Ökonomie der Pfadgelegenheiten ist die Macht-Interdependenz Theorie von Richard M. Emerson. Ich habe sie bereits an vielen Stellen erklärt, aber an dieser Stelle möchte ich den genauen Weg beschreiben, wie man von Emerson zu der Wert/Machtformel kommt.

Emersons Theorie ist deswegen von Vorzug, weil sie Macht nicht als etwas behandelt, das nur die anderen haben. Macht ist bei ihm aber auch nicht das schemenhafte Geraune, das sie in postmodernen Theorien annimmt. Macht ist bei Emerson einfach eine soziale Tatsache, in die wir alle jeden Tag und zu jederzeit, tausendfach eingebunden sind. Und gleichzeitig lassen sich alle beobachteten Machtphänomene mit Emerson beschreiben.

Im Plattformbuch habe ich Emersons Macht-Interdependenz-These so zusammengefasst.

Abhängigkeit definiert Emerson wie folgt: D(a|b) (D für “dependence”) sei die Abhängigkeit eines Akteurs A von einem Akteur B. Sie ist (1.) proportional zu As Motivation, jene Ziele zu erreichen, die B zugänglich macht, und (2.) umgekehrt proportional zur Erreichbarkeit dieser Ziele jenseits der A-B-Beziehung. Macht definiert Emerson folgendermaßen: P(a|b) (P für “power”) sei die Macht eines Akteurs A über einen Akteur B. Sie bemisst sich an dem Widerstand von B, den A fähig sei zu überwinden.

Zunächst gilt: P(a|b)=D(b|a) Die Macht von A über B entspricht der Abhängigkeit Bs von A. Da Beziehung jedoch wechselseitig abhängig ist, gilt:

P(a|b)=D(b|a) & P(b|a)=D(a|b).

Alle interdependenten Beziehungen lassen sich so darstellen. P(a|b)=D(b|a) & P(b|a)=D(a|b) bedeutet nicht, dass die Beziehung ausgeglichen ist. Eine ausgeglichene Beziehung entspräche: P(a|b)=D(b|a) == P(a|b)=D(b|a). (Die Macht und die Abhängigkeit von A über B entspricht der von B über A.)

Hier haben wir eine einfache Machtinterdependenz.

Wir denken Macht radikal relational. Macht ist immer bezogen und immer wechselseitig. Außerdem ist Macht latent. Sie tut erstmal nichts, sondern ist ein Potential. Außerdem heißt Interdependenz nicht, dass es keine Machtungleichgewichte geben kann.

Es lassen sich aber auch leicht ungleiche Beziehungen darstellen. Eventuell hat B einen guten Job und A lebt in Bs Haushalt und hält ihn am Laufen. Klar braucht B auch A, doch nicht so stark wie A B braucht. Eine solche Beziehung sähe dann so aus: P(b|a)=D(a|b) > P(a|b) = D(b|a). Emerson sieht Macht also nicht als Einbahnstraße, erkennt aber die Existenz von Ungleichgewichten an und kann sie aus den wechselseitigen Abhängigkeiten direkt ableiten.

Man kann sich das an einem Kinderspiel veranschaulichen.

Stellen wir uns eine ausgeglichene Beziehung vor: P(a|b) = D(b|a) == P(a|b) = D(b|a). A und B sind hier zwei Kinder aus der Nachbarschaft. Die beiden Kinder spielen gerne zusammen, denn allein spielen langweilt. Sie sind also von der wechselseitigen Kooperation abhängig. Würde A sich weigern, mit B zu spielen, könnte B sein Ziel (gemeinsames Spielen) nicht erreichen. Aber A könnte es ebenso wenig.

Nun zieht eine neue Familie in die Nachbarschaft, und A lernt C kennen, das gleichaltrige Kind der Familie. Die beiden freunden sich an. Das verändert auch die Beziehung zwischen A und B, da A jetzt eine alternative Spielpartnerin hat. Nun gilt P(a|b) = D(b|a) > P(b|a) = D(a|b). A hat nun mehr Macht über B, da er weniger abhängig von B ist als B umgekehrt von A.

B müsste nun einen Balanceakt vollziehen, um dieses Machtungleichgewicht wieder auszutarieren. Dafür hat sie vier Optionen.

  • Balanceakt 1: Sie kann ihre eigene Motivation, mit A zu spielen, zügeln. („A ist eh doof.“)
  • Balanceakt 2: Sie kann sich eine alternative Ressource erschließen, also zum Beispiel eine andere Spielkameradin finden. (Eine Spielkameradin D zum Beispiel.)
  • Balanceakt 3: Sie kann sich selbst als Spielkameradin für A wieder attraktiver machen (indem sie zum Beispiel in ein neues Legoset investiert), damit A wieder lieber zu B zum Spielen kommt.
  • Balanceakt 4: Sie kann As Zugang zu alternativen Ressourcen (in diesem Fall also zu C) versperren. Sie kann zum Beispiel Cs Familie überreden, wieder wegzuziehen (schwierig), oder sich mit C verbünden (leichter).

An dieser Stelle geht Emerson leider nicht in die Analyse. Er erklärt nicht, wieso und wie A mächtiger wurde, aber wir wissen, dass das Auftauchen von C offensichtlich ausschlaggebend ist.

Für meine Formel der Plattformmacht folgerte ich:

Stellen wir uns jetzt mit Emerson wieder A und B vor, die eine wechselseitig abhängige Beziehung mit komplementären Interessen führen. Durch die Graphnahme dieser Beziehung schafft es die Plattform C, dass A und B ihre Beziehung über ihre Infrastruktur fortführen. Für A und B ist das eventuell erstmal von Vorteil, denn C bietet verbesserte Techniken der Interaktion an, die die Beziehung zwischen A und B vereinfacht.

Da C aber durch seine Kontrollregime in der Position ist, die Verbindung zwischen A und B jederzeit zu unterbrechen, ergibt sich eine neue, vielleicht zunächst verdeckte Abhängigkeit von A und B zu C. A braucht C, um die Beziehung mit B fortführen zu können, und B braucht C, um die Beziehung mit A fortführen zu können. C hat somit sowohl die Macht von A über B als auch die Macht von B über A in sich aufgenommen. Dadurch ist C bereits der mächtigste Akteur in der Dreierkonstellation. As und Bs Abhängigkeit von C und damit die Macht von C reduziert sich allerdings insoweit, als A und B auch andere Möglichkeiten haben, ihre Beziehung zu führen. In der Realität sind A und B nicht nur über Facebook miteinander verbunden, sondern auch über SMS und Telegram.

Was wir bis hierhin als C beschrieben haben, ist noch nicht notwendigerweise eine Plattform, sondern ein ganz normaler Mittelsmann (oder -frau). Doch nichts anderes ist eine Plattform, nur eben mit wesentlich mehr Beziehungen. Sowohl A als auch B führen nämlich noch andere Beziehungen, zum Beispiel ist A mit D, E und F und B mit G, H und I befreundet. Auch diese Beziehungen verlagern sich zunehmend auf Plattform C, was die Abhängigkeit aller Beteiligten von C entsprechend erhöht. Was sich hier also akkumuliert, ist Netzwerkmacht, und bei Emerson wirkt sie wie Balanceakt 3: Alle Verbindungen, die über C stattfinden, erhöhen die Attraktivität von C gegenüber allen anderen Akteuren. Das Resultat sieht nun folgendermaßen aus: A, B, D, E, F, G, H und I bilden ein Netzwerk aus gegenseitig abhängigen Beziehungen, doch allesamt sind sie abhängig von C.

Vereinfacht ergibt sich daraus folgende Formalisierung der Plattformmacht P von Plattform C über eine Person X mit den Beziehungen Y:

P(c|x) = D(x|a) + D(x|b) + D(x|d) + D(x|e) … = D(x|y)
Vereinfacht:

P(c|x) = ∑D(x|y)

Wir haben also folgende Situation:

Aber die Macht wird relativiert durch die alternativen Plattformen.

Die Plattformmacht P über eine Person X, P(c|x), entspricht der Summe der Abhängigkeiten von X vom Zugang zu A, B, D, E … Y. Allerdings relativiert sich die Macht um die alternativen Möglichkeiten, diese Beziehungen auch abseits von Plattform C zu pflegen. Wenn die alternativen Plattformen C’ ebenfalls eine Beziehung zu Y ermöglichen, dann verteilt sich die Plattformmacht eben auf die Anzahl alternativer Plattformen – plus eins für Plattform C.

Und so kam es zu der Formel für Plattformmacht in meiner Dissertation.

Für die Buchausgabe, da drängte mein Lektor darauf, sollte ich die Formel rauszulassen und ich gab dem nach kurzem ringen statt. Ich gab auch deswegen nach, weil ich selbst merkte, dass da irgendwas noch nicht stimmte. Die Macht auf Personen, Plattformen und Zielen herunterzubrechen schien mir auf zweifache Weise verfehlt: Es geht doch eigentlich nie um die ganze Person und gleichzeitig geht es immer um mehr als die Person und ein irgendwie feststehendes „Ziel“. Das, was wir uns aus der Verbindung erhoffen, ist einerseits nur ein Aspekt der Person und andererseits so viel mehr: die sozialen und semantischen Pfade, die sie eröffnet, ihre Sympathie, ihre Nähe, ihr Wissen, ihre Berühmtheit (semantischer Wert), ihre Dienstleistung, ihre Unterhaltsamkeit, ihre Quellen, ihre Art auf die Welt zu schauen, etc. D.h. Ihre Pfadgelegenheiten zu weiteren Pfaden.

Das hat mich aber nicht davon abgebracht, das Konzept auf Supplychains anzuwenden, wo das Emerson-Konzept sogar noch besser als Erklärungsansatz passt.

Es brauchte aber noch ein paar Jahre, meine Beschäftigung mit Donna Haraway, meiner Beschäftigung mit LLMs und den Subjektentwurf des Dividuums, bis ich verstand, was falsch ist: Es geht nicht um die Abhängigkeit von Menschen, sondern um Abhängigkeit von Pfaden.

Enter: „Pfadgelegenheit

„Pfadgelegenheit“ ist für unsere Zwecke erstmal ein semantischer Hack, der das Denken in Netzwerken vereinfacht.

Pfadgelegenheit bezeichnet den interdependenten Vektor aus Perspektive, projizierter Handlung und dafür notwendiger Infrastruktur, durch den sich an einem konkreten Ort zu einer konkreten Zeit unsere „Agency“ entfaltet.

Eine Pfadgelegenheit ist immer materiell, aber sie ist immer auch semantisch, denn unsere Perspektive ist niemals „individuell“, sondern immer dividuell. Weil wir keine Individuen sind, die „aus dem Kopf“ oder „aus dem Bauch“ heraus entscheiden, sondern Dividuen, die einander beobachten, wie sie Pfadgelegenheiten wahrnehmen, folgen wir einander auf mehr oder minder etablierten und mehr oder minder populären Nutzenpfaden durchs Leben und erzählen uns die Richtigkeit unserer Pfadentscheidungen entlang der Rechtfertigungserzählungen, die wir dabei so aufgeschnappt haben.

Auch praktisch: Der Begriff ist skalenfrei: Die Pfadgelegenheit ist genauso das Jobangebot, der nächste Zug beim Schach, die Investition, die Beziehungsofferte, die Gelegenheit, ein anderes Land anzugreifen, der Link, oder die vor uns liegende Autobahnausfahrt.

Pfadgelegenheiten bestehen aus Pfadgelegenheiten, denn damit etwas funktioniert, muss immer erst etwas anderes funktionieren, etc. So muss A zu B oder B zu A kommen, damit sie zusammen spielen können, was ebenfalls infrastrukturelle Vorraussetzungen hat, etc. Und das Spiel ist nicht einfach das Spiel, sondern von der Pfadgelegenheit „gemeinsames Spiel“ gehen wiederum andere Pfade ab: Sozialität, Vertrauen, Vertrautheit, Lernen, gemeinsame Semantiken, Freundschaft, auf die wiederum andere Dinge aufbauen können, etc … Ich könnte den ganzen Tag über die Vorzüge dieses Begriffs schwärmen.

Mit der Pfadgelegenheit können wir auch das Kinderspiel leicht umschreiben:

Die Macht von A über B ist die Abhängigkeit Bs von der Pfadgelegenheit γ, die A zum Kinderspiel für B bietet und die Macht von B über A ist die Abhängigkeit As von der Pfadgelegenheit γ, die B zum Kinderspiel für A bietet und beide teilen das jeweils durch die Pfadalternativen zu der betreffenden Pfadgelegenheit + 1. Das + 1 steht für die irreduzibele Pfadgelegenheit, die γ bietet. Ohne 1 – ohne mindestens einen Pfad, den Pfad um den es geht – ist alles nichts.

Hier kommt die Substitutionsmatrix rein. Mit der Substitutionsmatrix können wir Austauschbarkeit berechnen, also die Pfadalternativen zum jeweiligen γ.

Hier für die Ausgangssituation von A und B.

Setzen wir die Austauschbarkeit als Pfadalternative ein, ergibt sich folgende Rechnung für die aggregierte Nettomacht der beiden Racker.

Wir sehen ein ausgeglichenes Machtverhältnis. Beide haben Macht übereinander, aber sie entspricht sich.

Doch sobald sich C sich mit A befreundet, verändert sich die Subsitutionsmatrix.

Weil aus As Sicht die Pfadgelgenheiten, die B und C jeweils zum Kinderspiel bieten, austauschbar sind, addieren wir für B und C jeweils eine 1 in den Nenner, womit ihre Pfadgelegenheiten nur noch die hälfte wert sind.

Wir sehen, wie B und C jeweils 0,5 einbüßen, die auf das Konto von A fließen.

Emerson hat über die Pfadgelegenheiten von B gesprochen, um das Ungleichgewicht wieder aufzulösen, aber nicht über die Pfadgelegenheiten von A, seine Macht auszunutzen. Dabei steckt darin das ganze Geheimnis des Kapitalismus:

  • Machtakt 1: A könnte seine Macht nutzen, um die Politik der Pfadentscheidung auszuüben: „Klar können wir spielen, aber nur wenn ich bestimmen darf, was.“
  • Machtakt 2: A könnte auch seine Macht ausnutzen, um eine Politik des Flaschenhals zu etablieren: A könnte Regeln aufstellen und zB. fordern, dass die anderen immer einen Schokoriegel zum Spielen mitbringen sollen.
  • Machtakt 3: Politik der Omniszenz, der Allwissenheit. A weiß über B und C bescheid und kann das für sich nutzen, B und C aber nur über A.
  • Machtakt 4: Politik der Sichtbarkeit. A könnte C gegenüber B verschweigen, oder andersrum.

Für die politische Ökonomie der Pfadgelegenheiten, insbesondere für die Analyse von Plattformen, sind alle Machtakte wichtig, aber Machtakt 2, die Politik des Flaschenhals, ist die Presse, aus der die Marge fließt.

Wir können unsere Interdependenz-Bilanz aufmachen und sehen, wie die Abhängigkeitsdividende in Marge verwandelt wird.

Jedenfalls wenn A ein kleines Arschloch ist. Um das hier auch einmal aufzuführen: Es gibt andere Möglichkeiten, mit Machtungleichgewichten umzugehen.

  • A könnte seine Macht ignorieren und einfach ganz normal mit B und C spielen. Wie ein ganz normaler Mensch.
  • A könnte seine eigene Macht nutzen, um sie loszuwerden. Etwa B und C miteinander bekannt machen und sich freuen, wenn sie sich anfreunden.
  • A könnte Verantwortung für die Macht empfinden und vorsichtig mit ihr umgehen und zum Wohle von B und C nutzen. Ein Konzept, dass sich „Fürsorge“ nennt, aber das aus Sicht des Kapitalismus schlicht ungehobene Marge bedeutet.

Jedenfalls wäre damit auch das Verhältnis zwischen Kapitalist*in und Arbeiter*in, sowie das zwischen Leitunternehmen und Zulieferern hinreichend erklärt. Die Effektivität von Gewerkschaften (Balanceakt 4) leuchtet auf Anhieb ein und auch die Musikindustrie lässt sich auf diese Weise gut erklären, wie es ich neulich in einem Talk vorgemacht habe, der hoffentlich bald veröffentlicht wird. Und natürlich lässt sich auch das Machtverhältnis zwischen Plattformuser und Plattform damit beschreiben.

Hier das Beispiel von Twitter zum Zeitpunkt der Übernahme: Twitter, also C sieht in uns Usern, also X, vor allem eine Pfadgelegenheit für 50 Dollar pro Monat an Umsatz, hat dafür aber noch 260 Millionen Pfadalternativen + 1. Aus unserer User-Perspektive sehen wir alle Pfadgelegenheiten, die die Plattform uns bietet, geteilt durch die Pfadalternativen, was bei Twitter damals gefühlt höchstens 1,6 waren (kann man drüber streiten), was aber eh egal ist, weil der erste Wert verschwindend klein ist. Mit anderen Worten: die Beziehung ist so ungleich, dass die Plattform den gesamten Wert der geschaffenen Pfadgelegenheiten als aggregierte Netto-Macht absorbiert, die sich dann so berechnet:

Wie wir sehen, setzt sich die aggregierte Netto-Macht (ANM) aus zwei Dimensionen, bzw. Faktoren zusammen: Breite mal Tiefe. Breite ist die Anzahl der Nettoabhängigen und die Tiefe ist die durchschnittliche Stärke ihrer Abhängigkeit und gibt damit Hinweise auf die erwartbare Schmerztoleranz. Bei Plattformen basiert auf der Breite die Netzwerkmacht, also die Hegemonie der Plattform und auf der Tiefe basiert ihre Plattform-Souveränität, das heißt, ihre Fähigkeit, sich gegen die Interessen und den Willen ihrer Nutzenden zu verhalten und weiterzuentwickeln, ohne relevant Verbindungen zu verlieren. Das Enshittyfication-Potential pro User, if you like.

Ich weiß, ich hatte die Plattformmachtformel in Krasse Links No 69 so formuliert:

Da ich die Formel bis zu diesem Zeitpunkt immer nur zum Denken benutzt habe, nicht zum Rechnen, machte es diesem Kontext Sinn mit γ‘x einen Parameter für den emergenten Nutzen mit aufzuführen, aber natürlich kann man formal γ‘x als pfadabhängigen Wert von γx subsummieren und erhält dann eine handliche allgemeine Macht/Wert Formel:

Die Macht von C über X ist die Summe der Pfadgelegenheiten γ, die X von C erwartet, geteilt durch die erwarteten Pfadalternativen von γ + 1.

All das bedeutet nicht, dass wir Macht berechnen können, denn der Wert von Pfadgelegenheiten ist ein messy Messwert, da er erstens subjektiv und zweitens latent ist. Das Preissignal ist ein Anhaltspunkt, aber man darf es nicht überbewerten, denn die wenigsten Unternehmen schöpfen die Abhängigkeits-Dividenden allzuweit aus, bzw. wir wissen es einfach nicht und auch die Kapitalist*innen wissen es nicht, sie müssen da auch immer erst vorfühlen. Aber wir können Mechanismen beschreiben, Strategien, Geschäftsmodelle, Strukturen und Ausbeutungszusammenhänge. Wir können damit einen Sensor für Macht entwickeln.

Habe ich hier etwas bewiesen? Nein. Ist die Formel beweisbar? Schwierig, aber ich denke, da werden sich Wege finden? Ich hab jedenfalls ein paar Ideen.

Davon abgesehen weiß ich eh, dass die Formel falsch ist. Alle Formeln, die versuchen, die Realität zu beschreiben, sind falsch. Aber ich glaube nicht, dass sie ganz falsch sein kann. Sie hat einen richtigen Kern. Aber wenn man das eine oder andere besser oder genauer berechnen kann, als ich es hier tue: Prima. Ich bin für Kritik und Vorschläge offen. Mathe ist echt nicht so mein Fachgebiet und ich bin für Feedback wirklich dankbar.

Was ich sagen kann ist das: Es ist die Formel, nach der ich gesucht habe. Es ist die Formel, die mir plausibel ist, die mit allem konsistent ist, was ich so beobachte: dazu gehören nicht nur die Plattformen, Supplychains und KI, sondern es matcht auch meine eigenen Erfahrungen mit Macht, d.h. Wert, d.h. Schmerz des Verlusts. Aber vielleicht ist das auch bei euch anders? Auch das interessiert mich.

Bis auf weiteres halte ich die Formel als grobe Annäherung an die Realität und damit als heuristisch-narratives Device für nützlich, weswegen mich die kommende Purge-Koalition und ihr Thanos-Effekt tatsächlich spooked.

Krasse Links No 73

Willkommen zu Krasse Links No 73. Absorbiert eure Supply-Schocks, heute drohen wir Mamdani mit Übergangswahrscheinlichkeiten, um in der Informations-Kanalisation eine antifaschistische Ökonomie zu errichten.


Ryan Broderick mit der Vogelperspektive auf die Mamdani-Wahl.

As chaotic as all of this is — and will continue to be until the midterms — there is one very clear conclusion here. American politics has changed. The Republicans felt it first. And the same way the Tea Party ate the GOP out from the inside, laying the groundwork for Trump and his MAGA rebrand, so too has what we once called The Dirtbag Left begun devouring the Democrats. The effects of the internet, a deeply alienating globalized economy, and the rise of a technofeudal billionaire class have finally cracked American Democrats wide open. We’re in a class war and it plays out on video feeds and those same billionaires own the algorithms that decide what side of it you end up on. And Mamdani and his team — and the burgeoning DSA political machine — arrived at the exact moment Americans were ready to talk about class and found the best way to hijack our new world of short-form (and long-form) video to make sure you actually heard them. Successfully turning his mayoral campaign into not just a referendum on President Donald Trump and the horrors of his second first year in office, but also the Democratic establishment. And with Mamdani’s big win this week, it’s safe to assume the Democratic civil war will be arriving on a ballot near you soon.

Wenn jemand wie Mamdani auftaucht, sortiert sich um ihn das politische Feld neu und machmal auch „besser“, in dem Sinne, dass die Bruchkanten des eigentlichen Konfliktes deutlicher zur Geltung kommen. In allen heute dafür relevanten Dimensionen ist Mamdani eine wichtige Orientierungsschneise für kommende Konflikte.


Netzwerkdenken bedeutet, Strukturen zu sehen, statt nur Objekte oder Leute. Es bedeutet, sich immer wieder die eigene Verortetheit im Netzwerk vor Augen zu führen. Netzwerkdenken bedeutet in Pfaden zu denken, denn der Pfad ist der einzige Weg durch das Netzwerk, den wir kennen. Netzwerkdenken bedeutet aber auch, in Dimensionen, statt in Kategorien zu denken und in Übergangswahrscheinlichkeiten, statt in Kausalitäten.

Das Gute ist, dass wir alle ein bisschen Netzwerkdenken gelernt haben. Ganz besonders in der Zeit Pandemie wurden wir angehalten, uns als Teil von exponentiellen Graphen zu imaginieren, die wiederum auf einem Netzwerkmodell von Ansteckungsereignissen basiert.


(Aktuelle Inzuidenz)

Das, was wir als den „R-Wert“ (oder auch R0) kennengelernt haben, ist die Übergangswahrscheinlichkeit für unfinfizierte Menschen, in der Gruppe der Infizierten zu landen.

An R können wir uns klar machen, was eine Übergangswahrscheinlichkeit ist. R bedeutet nicht, dass du dich auf jedenfalls ansteckst und es bedeutet nicht, dass du auf keinen Fall ansteckst. Übergangswahrscheinlichkeiten funktionieren anders als Kausalitäten.

R0 ist zudem ein Durchschnittswert und sehr unpräzise, wenn man ihn auf sich selbst anwendet. Übergangswahrscheinlichkeiten sind in Wirklichkeit zusammengesetzt aus den Übergangswahrscheinlichkeiten der heterogenen Strukturen, in denen Übergänge tatsächlich stattfinden.

Auf das Dividuum heruntergebrochen gibt es große Unterschiede des persönlichen R-Wertes: Gehst du wenig aus dem Haus, senkt das dein R, trägst du Maske, senkt das dein R, lässt du dich Impfen senkt das dein R, usw.

Man kann das sogar bis herunter auf Ereignisse auflösen: Eine Veranstaltung mit vielen Leuten besuchen erhöht dein R, Zugfahren erhöht dein R, mit Menschen draußen statt drinnen treffen, reduziert dein R.

Ein Beispiel: Ich war die bis letzte Woche zwei Wochen lang unterwegs, von Berlin, nach München, nach Hannover, nach Köln, nach Stuttgard und über Hannover wieder zurück. Ich war auf Theaterveranstaltungen, auf einer Hochzeit, habe ein Seminar gegeben und habe dabei ca. 6 längere Bahnfahrten zurückgelegt und ich habe nie Maske getragen und dennoch bin ich ohne eine Infektion durchgekommen.

Ein anderes Beispiel: Am Wochenende habe ich einen Freund auf dem Land besucht und zusammen haben wir ein bisschen draußen gearbeitet. Es waren auch zwei andere da, aber vor allem habe ich mit meinem Freund Zeit verbracht und vor allem draußen. Aber meinem Freund ging zum Abend hin immer schlechter und als ich schon wieder zu hause war, schickte er mir das Foto mit dem positiven Test. Und jetzt sitze ich hier mit meiner Covid Infektion.

Das scheint erstmal der Aussage von R zu widersprechen, oder?

Tja, das ist das Problem, wenn man in Kausalitäten denkt. Übergangswahrscheinlichkeiten produzieren contra-intuitive Ereignisse schon zum Frühstück!

Übergangswahrscheinlichkeiten repräsentieren in Wirklichkeit Pfade im Netzwerk, Ansteckungspfade im Falle von R. R0 ist ein aggregiertes Maß über alle Ansteckungspfade, also der Baumstruktur des Infektionsgraphen. Epidemiologie abstrahiert reale Pfade zu Wahrscheinlichkeiten und Wahrscheinlichkeiten zu Raten. Der R-Wert ist die komprimierte Form eines Netzwerks, das man nicht sehen, aber berechnen kann.

Oder andersrum: Wir, bzw. unsere direktphysischen Interaktionen miteinander, bilden das Netzwerk der Pfadgelegenheiten, in dem sich das virus bewegt. Was wir eigentlich machen, wenn wir versuchen, unseren R-Wert zu senken, ist unser relatives Zentralitätsmaß im Netzwerk der viralen Pfadgelegenheiten zu reduzieren. Idealerweise kapseln wir uns vom Netzwerk ab, was ich gerade machen muss, so ein Scheiß.

Die Epidemiologen können natürlich nicht jeden einzelnen Pfad verfolgen, aber für ihre Modelle braucht es das nicht.

Ein Markow-Modell ist ein iterativer Prozess, der zwischen endlich vielen Zuständen – etwa gesund, infiziert, genesen – entlang von Übergangswahrscheinlichkeiten wechselt. Im Zentrum steht also die Übergangswahrscheinlichkeits-Matrix und jede Zeile steht für den aktuellen Zustand, jede Spalte für den möglichen nächsten. Multipliziert man den momentanen Zustandsvektor mit dieser Matrix, erhält man die Wahrscheinlichkeitsverteilung des nächsten Zeitschritts. In jeder Iteration „vergisst“ der Prozess die vorherigen Schritte und handelt entlang der veränderten Zustände und ihrer Übergangswahrscheinlichkeiten im ewigen Jetzt. Und trotzdem ergibt sich eine realistische Dynamik.

Weil wir keine Individuen sind, die einfach tun und lassen, was sie wollen, sondern Pfadopportunisten in einem Labyrinth aus Pfadgelegenheiten, agieren wir in vielerlei Hinsicht selbst wie Viren oder Markowmodelle: Wir erinnern uns nicht an unsere Pfade (siehe Infrastrukturvergessenheit), aber reproduzieren ihre Wahrscheinlichkeiten.

Jedenfalls hier ein ganz einfachens SIR-Modell zum Rumspielen.


Issie Lapowsky mit einem Text in Politico, der das Potential hat, die Demokratische Partei zu revolutionieren.

Future Forward ist der Super-PAC, der bei der US-Wahl einen großen Teil der demokratischen Gelder für Werbung auf Plattformen ausgeben hat und weil der auch bei den Tech-Bros beliebt war (ja, einige haben auch für Demokraten gespendet), war es bei dieser Wahl auch der mächtigste Super-Pac und gab die Richtung vor.

Once the go-to Democratic super PAC behind Barack Obama’s 2012 and Hillary Clinton’s 2016 presidential campaigns, Priorities was effectively sidelined in 2024. Future Forward received the Biden campaign’s blessing, and Silicon Valley megadonors, drawn in by the group’s data-driven approach, funneled their fortunes into Future Forward’s giant pot. In the end, Future Forward’s PAC spent more than $500 million on ads — nearly 70 percent of all presidential super PAC spending from Democrats according to one count. Priorities, by contrast, spent about $2 million.

Von Future Forward kam nicht nur Werbegeldsteuerung hin zu den Plattformen, sondern auch auf die inhaltlich-strategische Ausrichtung hatten sie großen Einfluss, denn da ist eben alles „datengetrieben“.

Throughout 2024, Future Forward worked closely with the Democratic data firm Blue Rose Research, which tested thousands of ads from both parties, including ads Future Forward commissioned and ads made by other groups. Those tests found that the ads with clear economic messages about lowering the cost of living consistently proved the most persuasive to the most people. Future Forward cut its own ads from an array of ad makers in eight languages and produced different versions to appeal to different demographics. It spent heavily online, outspending Republicans in battleground states two-to-one on digital platforms. But for the most part, Future Forward’s ads stayed relentlessly on message, with 71 percent of them focused on the economy, according to a Future Forward adviser who was granted anonymity to speak with POLITICO Magazine because they didn’t have permission to go on the record.

Aber der Versuch, einer angeblich breiten Mitte in den Umfragen hinterzurennen, um sie mit halbseidenden Versprechungen zu Preisstabilität via getargeteten Ads zu catchen, vergisst Menschen zu überzeugen, Themen zu setzen und das Narrativ zu kontrollieren.

Die Trump-Campaign hat das ganz anders gemacht.

One example of this she frequently points to is the infamous “They/Them” attack ad, which Priorities tracked. It featured Harris talking in 2019 about paying for gender-affirming surgery for trans prisoners. The ad began life as a bit of opposition research, posted to the Trump War Room account on X. The post gained steam online until, in September of 2024, the Trump campaign ran it as an ad. The more pickup the ad got — in the news and on podcasts like The Breakfast Club — the more money Trump’s camp put behind it.

“That ad didn’t come from a poll telling them to talk about that clip,” Butterfield said. “They used the internet to signal to them that it was effective rather than a poll or a focus group.”

Democrats never really responded to the claims in the ads, though. Future Forward could see that the ad was effective. But according to the Future Forward adviser, the group decided that it was up to the Harris campaign itself, not an outside super PAC, to decide what kind of stand to take on the issue. According to The New York Times, the Harris campaign did craft a rebuttal ad, but it fell flat in ad tests and was shelved. And so, in another moment that Butterfield likens to the post-debate period, Democrats left one of Trump’s stickiest digs effectively unanswered.

After Trump won, one post-election poll found that, of all of the issues, from immigration to Israel, voters thought Harris had focused excessively on transgender topics. In reality, she hadn’t said much about those issues at all. It was Trump’s team doing the talking.

Es ist aber nicht nur eine falsche Strategie. Es ist eine veraltete Strategie in einer völlig veränderten Medienlandschaft.

Between 2020 and 2024, people who consumed at least three hours of YouTube a day had moved 10 points toward Trump — a bigger swing than Black voters, Black men, young voters and a slew of other categories that were dominating headlines.

“The driver of behavior in ‘24 was so much more about your media consumption,” Butterfield said.

Ich hatte das in Krasse Links No 35 so zusammengefasst:

Was die Pandemie gemacht hat, ist die Welt neu zu verdrahten. Die materielle Mediengeschichte der Pandemie kann man an vielen Daten ablesen, etwa wie das Öffentliche Leben zum Stillstand kam und sich nie wieder ganz erholte, weil Dritte Orte – Orte jenseits von Arbeit und Zuhause – ebenfalls mehr und mehr verschwunden sind.

Die Menschen sind seither einsamer, aber haben ihre Sozialität auch verstärkt ins Internet verlagert, wo sie „Influencer*innen“ folgen, eine Menge Podcasts abonniert haben, und ihre Informationen vermehrt aus Social Media beziehen. Als sie dann noch Aktien-Trading-Apps luden und Crypto kauften, richteten sich auch ihre Aufmerksamkeitskanäle auf die boomende Investment- / Cryptoinfluencer*innen-Szene aus und sie wurden empfänglich für deren Botschaften des baldigem Kollaps, usw.

Das ist nicht nur ein Shift von „Aufmerksamkeit“ und „Medienkonsum“, als wäre das sowas wie Süßigkeiten Essen. Es ist eine völlig andere Informations-Kanalisation entstanden, die sich seit der Pandemie nicht nur verfestigt hat, sondern auch pfadopportunistisch gewachsen ist.

Aber Experimente mit aggressiveren Clips von Demokratenseite zeigen, dass die Demokraten in dieser anderen Informations-Kanalisation nicht chancenlos sind.

But throughout the summer and early fall, Priorities’ data consistently found that the Epstein Files were the one political topic that continued to break through online. That led Priorities to create an ad about the shadowy powers of the billionaire class, drawing a straight line between Trump, Epstein and the Pennsylvania megadonor Jeffrey Yass who’s backing the opposition. The ad doesn’t make any claims about Yass, but it pushes the idea that money in politics corrupts. “With money and power, who knows what you can get away with,” the voiceover intones.

Like the “They/Them” ad before it, it’s a bit of a conceptual stretch, and it didn’t perform particularly well on ad tests. But amid a crowded field of ads featuring stale B-roll of judges in robes, Abbott said it’s worth leaning into a message “that’s catching people’s attention.” In the first few days the ad ran, Priorities said, it performed better on YouTube surveys than other more traditional ads about the race, and users were twice as likely to actually click through.

Wir, unsere Gespräche am Esstisch, unsere Social Media accounts, die Plattformen, die wir nutzen, Podcasts die wir nacherzählen, Newsletter, die wir weiterleiten, Bücher, die wir weiterempfehlen, die klassischen Medien, dir wir trotzdem gucken, etc. All das bildet das Netzwerk der Pfadgelegenheiten, durch das die Narrative perkulieren. Wege zu dir, Wege von dir weg, gute Wege, breite Wege, weite Wege, schnelle Wege. Wege nach oben, Wege nach unten, Wege in die eine Community oder die andere.

Wer in Zukunft medial erfolgreich sein will, muss sich obsessiv in diese Informations-Kanalisation reindenken, muss ein Orientierungswissen darin erlangen und lernen, plausible Pfade darin zu erkennen, um die richtigen Narrative in die richtigen Netzwerkzentralitäten zu speisen.

Aber vermutlich wird das nicht reichen, vor allem, wenn sich die Purge-Koalition materialisiert.

An Stelle der Demokraten würde ich das gesamte Werbegeld in den Aufbau eigener Medieninfrastrukturen investieren, um von den kommerziellen Plattformen unabhängige Kanäle aufzustellen.


Auch Isabella Weber schreibt begeistert über die Wahl von Zohran Mamdani als Bürgermeister von New York City.

Die Menschen sind so unzufrieden mit dem Status quo, dass sie alles außer Kontinuität wählen würden. Aber die Demokraten und die meisten demokratischen Parteien weltweit scheuen sich davor, echte Alternativen anzubieten. Das hat die Wähler in die Arme der extremen Rechten, ja sogar faschistischer Kräfte getrieben. Mamdani hat es sich zum Ziel gesetzt, deren Monopol auf Visionen für eine andere Zukunft zu brechen.
Mamdani konzentriert seine Kampagne darauf, das Leben wieder bezahlbar zu machen – und bietet damit Hoffnung. Er zeigt, dass demokratische Vertreter für die grundlegendsten materiellen Interessen ihrer Wähler eintreten können. Damit stellt er das Versprechen der Demokratie wieder her. Angesichts des weltweiten Vormarsches faschistischer Bewegungen bietet seine Kampagne etwas, das dringend benötigt wird: den Beginn eines antifaschistischen Wirtschaftsprogramms, mit dem Menschen zurückgewonnen werden können, die den Glauben an die Demokratie selbst verloren haben.

Mamdanis Antwort ist bestechend einfach: Sicherstellen, dass sich alle New Yorker das Nötigste leisten können. Ein Mietpreisstopp für stabilisierte Wohnungen in Verbindung mit dem Bau von 200.000 neuen erschwinglichen Wohnungen. Kostenlose Busfahrten. Universelle Kinderbetreuung im Alter von sechs Wochen bis fünf Jahre. Pilotprogramme für städtische Lebensmittelgeschäfte in Lebensmittelwüsten. Höhere Steuern für Millionäre und Unternehmen, um all das zu finanzieren.

Was Weber hier sagt, ist nicht nur ihre Meinung, das ist auch Ergebnis ihrer Forschung.

Neue Untersuchungen, die ich zusammen mit Kollegen durchgeführt habe, zeigen, welche Preise für die Ungleichheit am wichtigsten sind. Wir haben festgestellt, dass eine kleine Gruppe von wesentlichen Sektoren – Energie, Lebensmittel und Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Chemie, Wohnen und Großhandel – eine überproportionale Fähigkeit hat, bei Preisanstiegen Umverteilungen auszulösen.

Je ärmer man ist, desto mehr gibt man für Grundbedürfnisse aus. Wenn die Preise für lebenswichtige Güter steigen, sind die Auswirkungen der Inflation auf das unterste Einkommensdezil viel größer als auf das oberste Dezil. Ein Ölpreisschock trifft die ärmsten Amerikaner mit einem um 54 Prozent höheren Inflationsanstieg als die reichsten zehn Prozent. Bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln ist die Kluft mit 126 Prozent noch größer.

Diese Primärsektoren sind aber eben auch genau die Orte, wo man eine gerechte Preisstabilisierungspolitik ansetzen muss. Das hat Mamdani verstanden.

Die Gewährleistung erschwinglicher Preise für lebensnotwendige Güter, wie Mamdani verspricht, bekämpft Ungleichheit, ohne eine Gruppe gegen eine andere auszuspielen. Es gibt keinen Konflikt zwischen Arbeitslosen und Niedriglohnarbeitern, Menschen in Arbeiterberufen und unterbezahlten Fachkräften, verschiedenen ethnischen oder religiösen Gemeinschaften. Öffentliche Dienstleistungen wie kostenlose Busse und Kinderbetreuung sind für alle zugänglich. Das Konzept basiert auf Universalität statt Ausgrenzung – eine Wirtschaftsagenda, die Menschen vereint, anstatt sie in konkurrierende Gruppen zu spalten.

Öffentliche Optionen für lebensnotwendige Güter sind eine Form der Preisstabilisierung, von der alle profitieren, nicht nur die direkten Nutzer. Unsere Untersuchungen zeigen erhebliche Überschneidungen zwischen den Sektoren, die für Inflation und Ungleichheit am wichtigsten sind. Maßnahmen zur Verhinderung von Preisschocks in wichtigen Sektoren erfüllen eine doppelte Aufgabe: Sie begrenzen Inflationsrisiken und verhindern gleichzeitig einen plötzlichen Anstieg der Ungleichheit. Dies steht in direktem Gegensatz zur konventionellen Geldpolitik – der Anhebung der Zinssätze –, die die Ungleichheit durch höhere Schuldenkosten für die Armen und ein gedämpftes Lohnwachstum aktiv verschärft.

Genau deswegen halte ich es für so wichtig, sich Wirtschaft als Abhängigkeitsnetzwerk vorzustellen. Produkte, Services oder Ressourcen haben keinen Wert ansich, durch sie fließt Wert/Nutzen. „Nutzen“ empfinden wir in dem kurzen Moment, bei dem aus einer Sache, in Kombination unseres infrastrukturellen Kontextes und aus unserer jeweiligen Perspektive eine „Pfadgelegenheit“ entsteht.

Ich „will“ nicht diesen Schraubenzieher, ich will, dass die Spühlmaschine wieder läuft, damit ich meinen Abwasch machen kann, damit ich morgen aus dem Haus kann, ohne mir Gedanken zu machen, um dann auf die Arbeit zu fahren, um Geld zu verdienen, um mir einen Schraubenzieher kaufen zu können.

„Wert“ ist ganz grob gesprochen die Summe des erwarteten Nutzens einer Sache für jemandem in seinem spezifischen materiellen Kontext und seinem spezfischen semantischen Kontext – mit seinem spezifischen Wissen, seiner spezifischen kulturellen Prägung, seinen spezifischen Plänen, etc. Auf das Dividuum runtergebrochen ist es also eine Aggregation über alle von der Sache erwarteten Pfadgelegenheiten hinweg, geteilt durch die Pfadalternativen + 1. Das rechnet man natürlich nicht im Kopf aus, sondern imaginiert es, bis man es durch den Schmerz ihres Fehlens erfährt.


(Wir kennen die Formel bereits als unvollendete Plattformmachtformel und ich denke, sie passt ganz prima auf den „Wert“ von Dingen. Wert ist die Macht, die eine Sache über uns hat.)

Die Sache und damit ein Großteil des „Wert/Nutzen“ entsteht in einem anderen Netzwerk, den Pfad der Produktion, und dort über die gesamten dafür notwendigen Infrastrukturen hinweg, die den Schraubenzieher möglich und in der konkreten Situation nützlich machen und das inkludiert die lockere Schraube in der Spülmaschine, den Baumarkt, wo ich den Schraubenzieher gekauft habe, aber auch den Hersteller, den Zulieferer und deren Arbeiter*innen und deren Familienmitglieder, die den Haushalt schmeißen, ihre Wohnungen und ihren Warenkorb zum sattwerden, das Land, auf dem die Fabrik steht und das Land aus dem die nötigen Bodenschätze kommen und natürlich das Ökosystem, in dem all das eingebettet ist.

Aber dieses Netzwerk ist hierarchisch. Netzwerkknoten die weit unten liegen und sich schwer ersetzen lassen, haben einen überproportionalen Effekt auf alle nachgelagerten Pfadgelegenheiten. Wenn Energie teurer wird, ist die Übergangswahrscheinlichkeit auf andere Sektoren groß, denn Wohnen, die Produktion von Lebensmitteln und den ganze Rest der Pfadgelegenheiten ist stark von Energieflüssen abhängig. Dasselbe gilt etwas abgeschwächt für Lebensmittel und Wohnen. Werden die Grundbedürfnisse der Menschen teurer wird ihre Arbeit teurer, oder – wie es eigentlich läuft: Arbeiter*innen werden ärmer.

Ich habe dazu mit ChatGPT mal wieder ein Markowmodell gebaut, dass die wechselseitigen Anfälligkeiten der Sektoren für Schockweitergabe verdeutlicht: Es gibt vier Sektoren: Energie, Lebensmittel, Wohnen und Restwirtschaft deren Schocks man per Button auslösen kann (Erst Play drücken).

Die Schocks verbreiten sich dann entlang der abgebildeten Transitionsmatrix auf die anderen Sektoren und kühlen sich nach einiger Zeit wieder ab. Man kann das natürlich viel detaillierter und ausgefeilter konstruieren und gemessene Übergangswahrscheinlichkeiten einsetzen, wenn man die findet.


Das Paper, auf das Weber verweist ist ebenfalls interessant, Price Shocks are Redistribution Shocks.

Using the pre-pandemic sectoral price volatility and the price changes from early 2022 as the price shocks for our simulations, we show that a small set of sectors in energy, food and agriculture, healthcare, chemicals and, to a lesser extent, wholesale trade and housing, have a disproportionate capacity to increase inequality when their prices rise. […]

We have three main findings. First, we identify a small set of essential sectors—particularly in energy (e.g., Petroleum and coal products), agriculture and food (e.g., Farms, Food and beverage products), and healthcare (e.g., Hospitals, Ambulatory care services) but also in less obvious sectors like Chemical products and to a slightly lesser extent in Housing and Wholesale trade —as the most critical points of vulnerability that can exacerbate inequality. Second, we find that there is a large overlap between the sectors that are systemically significant for inflation and those that we identify as systemically significant for inequality. Third, we show that one simultaneous shock to all systemically significant sectors in 2022 has a direct effect on inequality equivalent to nearly one year of the average annual Gini increase during the neoliberal era (1980–2021).

Sie nennen das „pathways to systemic significance for inequality“ und formalisieren das so:

These specifications allow us to define what we call the pathways to systemic significance for inequality. That is, the potential of a sector to increase income inequality depends positively on:

  • (1) The extent to which it is more important for the personal consumption of the poor than for the rich (direct channel).
  • (2) The extent to which it is used more intensively as an input by goods that are relatively more important for the consumption of the poor than for the rich (indirect channel).
  • (3) The magnitude of its price change, which in turn affects the magnitude of the inflation impact for each income group.

Auch Isabella Weber hat gelernt in Pfaden zu denken. Und das gilt auch für das, was sie „Übergewinne“ nennt.

There is one more reason why such a sectoral approach has the potential to prevent an increase in inequality: price spikes in systemically significant sectors for inflation can coordinate firms to hike prices across the economy in a process known as sellers’ inflation, which increases corporate profits and hence results in a functional redistribution of income from labor to capital (Weber et al., 2025; Weber & Wasner, 2023).

In previous work we devised an input-output simulation method to identify systemically significant sectors for inflation (Weber et al., 2024a; Weber et al., 2024b). We find that for the US, eight sectors have by far the greatest potential to trigger inflation when prices spike. These sectors are Petroleum and coal products, Oil and gas extraction, Utilities, Chemical products, Farms, Food and beverage and tobacco products, Housing and Wholesale trade. These are sectors that provide essentials for human livelihoods, essential inputs for production and essential infrastructure for the circulation of goods.

Wer im Nutzenpfad einer Sache Geld verdient, entscheidet nicht, wer den Wert konkret herstellt, sondern wer die netzwerkzentraleste Position im Abhängigkeitsnetzwerk seiner Herstellung und Vermarktung hat. (Ich bin immer noch nicht sicher, welches Maß an Netzwerkzentralität hier genau entscheidend ist. Seit ich alles konsequent in Pfaden zu denken versuche, tendiere ich zu einer Mischung aus Katz- und Current-Flow-Beweenness-Zentralität? Aber da würd ich gern mal mit nem richtigen Mathematiker drüber quatschen?)

Laufen viele Abhängigkeitlinien über deine Infrastruktur und gibt es im besten Fall auch nur wenige oder schlechtere alternative Pfade, kannst du es dir erlauben, Margen auf Kosten der anderen Netzwerkteilnehmer zu extrahieren. Von den Arbeiter*innen, klar, das hat Marx analysiert und weil Arbeiter*innen die am wenigsten netzwerkzentralen Einheiten im Nutzenfluss des Produktionspfads sind, d.h. am austauschbarsten sind, pressen die Oligarchen hier den Großteil ihrer Marge. Aber eben nicht nur? Wenn es die Abhängigkeiten hergeben, kommt die Marge eben auch auf Kosten von Zulieferern, Kund*innen, der eigenen Gesundheit, der Ökologie und über was man auch immer glaubt, genügend Macht zu besitzen.

Wir kennen diese Mechanismen vom „Monopol“ und mittlerweile hat man festgestellt, dass es auch ein Käufermonopol geben kann, aber „Monopsony“ und Monopol sind nur die unterdimensionalen Beschreibungen von Extremversionen dessen, wie der Kapitalismus funktioniert. Alle Akteure ringen miteinander um Netzwerkzentralität, denn wer Netzwerkzentralität hat, kassiert von den anderen Margen. Das heißt: Je mehr Wettbewerber, desto geringer die Macht der Unternehmen, desto kleiner die Margen. Auch abseits des Monopols lohnt es sich, Macht zu begrenzen.

Mit den Metaphern des „Marktes“ wurde die Macht in der Wirtschaft über Jahrzehnte verschleiert. „Der Markt“ sind drei Oligarchen im Trenchcoat, die zwar untereinander um ein bisschen um Einfluss konkurrieren, aber gemeinsam die „Choice Architecture“ aus Pfadgelegenheiten bereitstellen, die wir „Konsumfreiheit“ nennen und in der wir uns „frei“ bewegen dürfen – sofern wir es uns leisten können.

Der Preis, da hat die Neoklassik recht, ist der Ort, an dem sich der Pfad der Konsumption und der Pfad der Produktion/Vermarktung treffen, aber anders, als sie es sich denken.

Geld ist aus Usersicht eine universelle Pfadgelegenheit, eine art Joker-Pfadgelegenheit, die man in eine Vielzahl anderer Pfadgelegenheiten verwandeln kann. Und weil die meisten von uns zu Geld kommen, indem sie arbeiten, ist der Kapitalismus eine „Schmerzarchitektur„: Man geht so seiner Pfade und misst dabei den Wert der Pfadgelegenheiten aus dem Sortiment der einen Oligarchen am Schmerz ihres Fehlens und vergleicht ihn mit dem Schmerz, den es kostet, sich das Geld dafür bei einem anderen Oligarchen zu verdienen.

Weil nützliche Pfadgelegenheiten erst erwartet und dann zur Pfadabhängigkeit, bzw. Infrastruktur werden, besteht die Macht der Unternehmen gegenüber uns Konsument*innen in dem Potential, uns Schmerzen zuzufügen (planned Obsolescence, Preiserhöhung, Werbung, Shrinkflation, Enshittification, oder Beendung der Demokratie), ohne, dass wir das Abhängigkeitsverhältnis beenden.

Wenn Macht Netzwerkzentralität im Abhängigkeitsnetzwerk ist, dann bedeutet das aus Unternehmersicht, dass die Übergangswahrscheinlichkeit hoch ist, dass der Nutzenfluss durch die eigenen Infrastrukturen fließt. Supply-Schocks sind dann Ereignisse, die die Netzwerke verengen und damit die Macht einiger der Unternehmen erhöhen und ein Teil dieses Machtzuwachses setzen sie in steigende Preise, also in Margen auf Kosten der Konsument*innen, also in Übergewinnen um.

Man kann sich das Netz der Pfadgelegenheiten als eine riesige, komplexe, multidimensionale Landschaft mit Tälern und Schluchten vorstellen, die die wahrscheinlichen Pfade vorzeichnen, durch den der Nutzen entlang der infrastrukturellen Übergangswahrscheinlichkeiten pfadopportunistisch fließt und an dessen Engstellen sich Macht konzentriert und wo die Oligarchen ihre Schmerzkraftwerke betreiben.

Wenn wir den Oligarchen die Macht nehmen wollen, müssen wir ihnen ihre Netzwerkzentralität nehmen und das geht am besten, da hat Weber recht, indem wir die Pfadgelegenheiten aller Menschen erhöhen, durch Investition in möglichst freie und öffentliche Infrastrukturen und mit intelligenten Preiskontrollen bei pfadentscheidenden Primär-Gütern. Je mehr und bessere Alternativpfade angeboten werden, desto höher ist die Übergangswahrscheinlichkeit, dass die Menschen Oligarchmacht bypassen, was ihre Margenspielräume kollabieren lässt.

Ich nenne das die politische Ökonomie der Pfadgelegenheiten, oder auch: Kapitalismus aus Userperspektive. Aber ich bin auch mit Isabella Webers Begriff fine: antifaschistische Wirtschaftspolitik.

Einreichung Platformpower 39c3

Mein Vortrag für den wurde wieder mal abgelehnt, aber diesmal sticht es etwas härter, weil ich wirklich fühle, etwas wichtiges zu sagen zu haben, weswegen ich mir diesmal extra Mühe gegeben habe, einen verständlichen straight forward Talk einzureichen. Schade.

Controllable Standards. An Introduction to the Political Economy of Platform Power

China’s strategic interest in Taiwan, the Trump-TikTok negotiations, the drone warfare in Ukraine, Jimmy Kimmel’s dismissal, the race toward artificial general intelligence, Nvidia’s global datacenter expansion, the rise of the „Broligarchy“, cryptocurrency dynamics, Elon Musk’s transformation of Twitter into a geopolitical instrument, and his calculated development of the Starlink satellite constellation — these seemingly disparate phenomena share a common thread: our contemporary world is governed by platform power.

Unfortunately, we are semantically ill-equipped for this new reality. Our analytical vocabulary remains inadequate; our conceptual frameworks — whether invoking „market concentration,“ „techno-feudalism,“ or „surveillance capitalism“ — fail to capture what’s actually happening, leaving us functionally blind to the mechanisms shaping our political and economic landscape.

I spent the last fifteen years developing a framework to better understand and articulate platform power, culminating in my dissertation „The Power of Platforms: Politics in the Age of Internet Giants.“ This work conceptualizes platform power as a distinct force that emerges from and operates through our interconnections — a force that Silicon Valley has progressively learned to harness and leverage for profit and, increasingly, for political ends.

Since the book’s publication, the implications have intensified exponentially. Platform power now aggressively threatens democracy world wide in tangible, immediate ways. The imperative to comprehend platform power has evolved from academic interest to existential necessity.

But to grasp the nature of platform power — its mechanisms, its strategies, its implications, its potential for violence — we must first revolutionize how we talk about economics and how we think about our place in the world.

Krasse Links No 72

Willkommen zu Krasse Links No 72. Haltet eure Zivilgesellschaften fest, heute beschämen wir den Imperialist Boomerang mit der Moral Infrastructure des Tech-Faschismus.


Die CDU fordert im Windschatten ihrer rassistischen Stadtbild-Entgleisung mehr Überwachung und Gesichtserkennung im öffentlichen Raum.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, geht nach der vielfach kritisierten Stadtbild-Äußerung von Kanzler Friedrich Merz noch einen Schritt weiter. Im Handelsblatt forderte er den Einsatz von Videoüberwachung mit Gesichtserkennung, um Städte sicherer zu machen. Er sagte, Videoüberwachung „mit automatisierter Datenauslesung“ sei vielerorts notwendig, um Straftaten besser zu verhindern und aufzuklären. Außerhalb von Bahnhöfen seien aber die Bundesländer dafür zuständig. Er forderte, Datenschützer müssten „ihre überkommenen Bedenken“ gegen den Einsatz KI-gestützter Technik aufgeben.


Anselm Mathieu in der taz über die regelmäßig außer Kontrolle geratene Polizeigewalt bei Gaza-Protesten.

In einem Video, das im Oktober aufgenommen wurde, kann man dabei zusehen, wie ein junger Polizist mit weit aufgerissenen Augen und weiten Pupillen einen Vater mit Kleinkind im Arm in Richtung einer Hausfassade drängt. Der Vater ist perplex und beteuert, er habe einfach nur an der Demo vorbeilaufen wollen.

Was der Mann getan haben könnte, ist nicht ersichtlich. Das Kind trägt eine schwarz-weiß gemusterte Jacke, die könnte von einem übereifrigen Polizeibeamten vielleicht auch mit einer Kufiya verwechselt werden. Und die wird schließlich getragen, um Palästina-Solidarität ausdrücken. Reicht das inzwischen womöglich aus, um von Po­li­zis­t*in­nen als Ge­fähr­de­r*in eingestuft und gewaltsam festgenommen zu werden?

Der Mann wird jedenfalls dazu gezwungen, sein schreiendes, verängstigtes Kind aus der Hand zu geben. Dann drücken einige Polizisten den Mann flach auf den Boden und wechseln sich dabei ab, gründlich auf den wehrlosen Vater einzuschlagen – im Hintergrund ist sein schreiendes Kind zu hören, das diesen Moment miterleben muss.

Ich war in meinem Leben bereits auf etlichen Demonstrationen und seit 2024 immer mal wieder auch auf Gaza-Demos und eine derartige Polizeigewalt wie dort, habe ich noch nicht erlebt. Die Polizei weiß genau, dass der weiße Mitte-Konsens in der Gesellschaft diese Menschen sowieso als „irgendwie antisemitisch“ und im Zweifel gefährlichen Fremdkörper im Land sieht und es deswegen mit den Grund- und Menschenrechten nicht so genau nimmt. Bei Gaza-Protesten, das hat die Polizei verstanden, hat sie einen Freifahrtsschein.


Der Soziologe Julian Go hielt einen spannenden Vortrag über die „Geschichte der Militarisierung der Polizei“ in westlichen Ländern und kommt dabei – nicht als erster – darauf, dass es sich dabei in Wirklichkeit um Boomerang-Effekte aus Kolonialprojekten handelt.

Auf einer seiner Folien steht:

Police imports the tools, taktics, techniques and forms of colonialism to rule, regulate, repress domestic populations.

„boomerang effect“

Der „Imperialist Boomerang“, also den Re-Import von Polizeitechniken aus der Kolonialunterdrückung passiert dabei jeweils über den Trasmissionsriemen der „Racialization“. Die neuen Polizei-Methoden werden beim Re-Import immer zuerst gegen rassifizierte Teile der Bevölkerung eingesetzt. Beginnend in England gegen die wachsende Zahl an Iren im Land, gegen Schwarze in den USA in direkter Tradition der Slave Patrols, aber das Muster setzt sich bis in die moderne Polizei fort.

The civil police adopt militaristic colonial modes of coercion on citizens and treat those citizens like colonial subjects because police see citizens and immigrants as colonial subjects. And the primary modality for this categorical transformation, the key social code by which this miraculous subsubstantiation of citizens into subjects occurs is racialization.

Just as white colonial settler populations constructed colonized peoples as inherently violent and criminal due to their racial status, thereby warranting militarized policing in the colonies. So too do white publics and officials in America’s cities today and in Britain, call for and justify militarized policing of black and brown populations, many of whom are immigrants, based upon racialized assumptions of the latter’s putitatively criminal and violent tendencies.

Die überboardende Polizeigewalt gegen Pro-Palästinensische Demos steht seiner Ansicht nach also in einer langen Tradition.

And so too, do white publics and officials justify militarized policing on black and brown students and their allies based upon ethnoracial assumptions of the latter’s supposed proclivities towards anti-semitism and violent terrorism.


Eine Studie der Uni-Marburg hat eine systemische Erhebung zu den Einstellungen innerhalb der Pro-Palästinenischen Demos veröffentlicht.

Die Teilnehmenden waren überwiegend jung, hoch gebildet und politisch links verortet. Ihr Protest war deutlich bürgerlich-zivilgesellschaftlich geprägt und konzentrierte sich auf gewaltfreie, legale und kommunikative Ausdrucksformen. Auffällig war eine differenzierte politische Haltung: Während eine klare Unterstützung für die Anerkennung eines palästinensischen Staates bestand, wurde gleichzeitig ein besonderer Schutz jüdischen Lebens in Deutschland befürwortet. Viele der Befragten berichteten zudem von Erfahrungen mit Ausgrenzung, Überwachung oder staatlicher Repression.


Henry Farrel schreibt interessant über die „Zivilgesellschaft„. Er geht verschiedene Sichtweisen auf die Zivielgesellschaft durch, etwa die von Gramcsi, der sie gewissermaßen als Battleground des Kampfes um kulturelle Hegemonie sah und von dem ausgerechnet Steve Bannon und Curtis Yarvin und andere gelernt haben. Und dann eben die liberale Tadition seit Humes, der in der Zivilgesellschaft eine Form der Befriedung der Gesellschaft durch die neuartige „Freiheit von Assoziation“ sieht. Diese Betrachtungen wurden durch den Schmerz der Glaubenskriege am Anfang der Neuzeit erworben, als Assoziation (speziell religiöse) identitär so fest verankert war, dass man sich deswegen gegenseitig umbringen musste. Farrel zitiert Ernest Gellner:

Modular man is capable of combining into effective associations and institutions, without these being total, many-stranded, underwritten by ritual and made stable through being linked to a whole inside set of relationships, all of these being tied in with each other and so immobilized. He can combine into specific-purpose, ad hoc, limited association, without binding himself by some blood ritual. He can leave an association when he comes to disagree with its policy, without being open to an accusation of treason. A market society operates not only with changing prices, but also with changing alignments and opinions: there is neither a just price nor a righteous categorization of men,, everything can and should change, without in any way violating the moral order. …

It is this which makes Civil Society: the forging of links which are effective even though they are flexible, specific, instrumental.

„modular man“ ist eine Pfadgelegenheit, die der Subjektentwurf des Individuums ermöglichte: Zur Etablierung einer modularen „Identität“, die nicht mehr fest verankert, sondern erwerb- und wechselbar ist, ist es hilfreich, sich als unabhängigen und „freien Geist“ zu entwerfen. Aber weil wir in Wirklichkeit keine Individuen sind, die sich einfach „selbst erfinden“, sondern Dividuen, die sich immer nur mit Versatzstücken anderer Leute Geschichten erzählen können, haben Identitäten, wie andere Semantiken, Netzwerkeffekte. Und so hat sich ein über die Zeit Prozess in Gang gesetzt, in dem nach und nach ein ganzer Garten aus identitären Pfadgelegenheiten entstand, alle mehr oder minder frei assoziiert, parallel betreibbar und ständig im gegenseitigen Klinsch. Die Zivilgesellschaft ist gleichzeitig ein Ergebnis und die Voraussetzung eines plausiblen „Modular Man“.

Aber die Zivilgesellschaft ist deswegen auch ein Gegenpol zur staatlichen Gewalt und damit Voraussetzung für Demokratie. Nur in der Vielfalt der Assoziationsmöglichkeiten und durch das „Sich-In-Check“-Halten dieser unterschiedlichen Identitätsangebote und ihren unterliegenden Ideologien, religiösen Strömungen, und wirtschaftlichen Dezentralitäten kann der Leviathan, der Staat und sein Gewaltmonopol, effektiv eingehegt werden und Demokratie ermöglichen. Wieder Gellner:

Civil Society is a cluster of institutions and associations strong enough to prevent tyranny, but which are, none the less, entered and left freely, rather than imposed by birth or sustained by awesome ritual. You can join (say) the Labour Party without slaughtering a sheep, in fact you would hardly be allowed to do such a thing, and you can leave it without incurring the death penalty for apostasy.

Ich finde diese Schilderung plausiblel, aber das heißt ja nicht, dass Gramscis Lesart der „Zivilgesellschaft“ falsch ist? Schließlich identifiziert Gramsci genauso wie Gellner die Zivilgesellschaft als entscheidenden systemstabilisierenden Faktor. Der gesellschaftliche Frieden, den die Liberalen feiern, ist – aus Sicht der Kommunisten – ein Frieden, der auf Ungerechtigkeit gebaut ist. Die Aufgabe der zivilgesellschaftlichen „Hegemonieapparate“ (Gramsci) ist auch die Verhinderung einer schlagfertigen Opposition gegen das System.

Die Zivilgesellschaft ist beides: Eine pluralistische Gegenmacht zum Gewaltmonopol des Staates und gleichzeitig eine Hegemoniearchitektur, die in einer „Teile und Herrsche“-Logik revolutionäre Strömungen marginalisiert und einhegt. Es sind einfach zwei Perspektiven auf denselben Gegenstand.

Doch dafür braucht es einen assoziationsübergreifenden kleinsten, gemeinsamen Nenner zwischen den (meisten) zivilgesellschaftlichen Akteuren: eine kulturelle Hegemonie in gewissen Fragen. Die modernen Gesellschaften wurden lange werden – so muss man wohl zugeben – nach wie vor durch die kulturelle Hegemonie eines „white supremacy“, patriarchal-heteronormativen und Pro-Kapitalistischen Konsens zusammengehalten.

Wir in der liberalen Tradition dachten bisher eigentlich, dass wir diesen Konsens die letzten 100 Jahre durchaus weiterentwickelt haben. Dass also zum Beispiel jetzt auch zum Konsens ein – zumindest verbalisiertes – Bekenntnis zu Demokratie, Menschenrechte, Antirassimus, Offenheit gegenüber anderen sexuellen Lebensentwürfen, ein minimales ökologisches Bewusstsein, etc gehört, der den alten Katalog zwar nicht verdrängt, aber doch … ergänzt hat?

Es hat sich gezeigt: Das System lässt sich nicht reformieren. Die korrupten Pfadabhängigkeiten sind zu stark und schlagen jetzt in Gestalt des Faschismus zurück.

Die Strategie der Rechten ist deswegen zweigeteilt: Zum Einen materialisiert sich Bannons und Yarvins Plädoyer für eine rechte Gegenhegemonie in der kapitalistischen Graphnahme der Öffentlichkeit in Form von Medieninfrastrukturen (Twitter, CBS, Tiktok). Gleichzeitig arbeiten Trump und seine Freunde von der Heritage Foundation an der direkten Schwächung netzwerkzentraler Hegemonieapparate: Universitäten, NGOs, Öffentliche Gelder, große Anwaltskanzleien und den übriggebliebenen Teil der „liberalen“ Medien.


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Michael Seemann
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Die Kontroverse um Ezra Kleines Parteinahme für den Faschismus hört nicht auf, spannende Texte zu produzieren. Hier antwortet Eric Reinhart auf Olúfẹ́mi O. Táíwò, der wiederum auf Ezra Klein antwortete und diesmal geht es um die Rolle der Scham in der Gesellschaft.

Aber von vorn: wie erinnern uns: In dem Monolog vor seinem Interview mit Ben Shapiro sagte Klein:

I have watched many on both sides entertain the illusion that there would be, either through the power of social shame and cultural pressure or the force the state could bring to bear on those it seeks to silence. It won’t work. It can’t work. It would not be better if it did. That would not be a free country.

Der Philosoph Olúfẹ́mi Táíwò entgegnete Klein:

The challenge for Klein and his fellow travelers is to specify what sort of ground rules could make life livable and social situations manageable for such a wide array of people whose values, commitments, and interests differ so sharply—that is, on terms other than various sorts of segregation or the most naked forms of domination and subjugation—if not precisely “social shame and cultural pressure,” now contemptuously referred to as “political correctness” or “wokeness.” We might more accurately call it exactly the “civility” that centrists like Klein otherwise pretend to champion, even while they seek to hollow out even this meager social protection of its efficacy. These codes of neighborliness or of common decency are, in other words, the bare minimum for us to exist peacefully as profoundly different people who nevertheless share the same time and place.

Scham, und die Möglichkeit sich gegenseitig zu beschämen, so Táíwò, sei die Grundlage jedes friedlichen und demokratischen Zusammenlebens.

Eric Reinhart wiederum antwortet auf Táíwò und stimmt ihm zu, was die Rolle von Scham in der Gesellschaft angeht, weist aber darauf hin, dass das System halt einfach nicht mehr funktioniert und das liegt daran, dass die Pfadabhängigkeiten von Scham nicht mehr einfach so gegeben sind.

It depends on cultural and psychic structures that make it meaningful — shared symbolic coordinates, common moral horizons, and broadly accepted authorities that can confer legitimacy on judgments of behavior. In earlier periods of liberal modernity, those structures, however contested, still exerted a stabilizing force. But today, the sturdy ground that once formed shame’s foundation has collapsed.

Mit Lacan verfolgt Reinhart diese notwendigen Pfadabhängigkeiten der sozialen Rolle der Scham auf das Symbolische zurück – zum „Namen des Vaters“.

Psychoanalytic theory helps illuminate what’s changed. In the French psychoanalyst Jacques Lacan’s account, shame arises at the intersection of two registers of psychic and social life. On the one hand, it is rooted in what Lacan calls the imaginary: the experience of seeing oneself exposed before the gaze of the Other, of recognizing one’s own insufficiency or failure. This is the affective, narcissistic dimension of shame — what happens in the psyche when the mirror cracks, when the ego or image one maintains of oneself proves to be a lie. But for shame to take hold socially, to shape collective behavior, it must be mediated by the symbolic: the shared network of language, law, and authority that tells us what counts as right or wrong, honorable or shameful. The feeling of shame originates in the imaginary, but its binding force in a society depends upon the symbolic that mediates its significance.

For much of the modern era, this symbolic mediation was anchored by what Lacan called the “Name-of-the-Father.” This is not the literal father, but the fantasy of a paternal authority that stabilizes meaning and guarantees the law. This paternal function structured the symbolic order by defining what was real, true, and legitimate. It was reinforced by institutions like the state, the church, the university, the press, and the family. Shame worked because there was a shared, if hierarchical, moral universe in which judgments had weight.

Doch diese gemeinsame Grundlage des Symbolischen erodiert seit Jahrzehnten systematisch und größtenteils gewollt, aber wurde auch nie ernsthaft durch eine andere „moralische Infrastruktur“ ersetzt.

But that world has been unraveling for decades. Neoliberal political and economic transformations hollowed out the institutions that sustained our capacity to rely upon and trust in the paternal order. Unions were crushed, social welfare, upon which the state’s sometimes function as a benevolent father-like figure depended, was gutted, knowledge-producing institutions were privatized or undermined, and public life was financialized and increasingly left to the wolves of the market rather than the protective paternalism of planners, regulators, or elected representatives. Amid these shifts, cultural authority fragmented, truth became increasingly contested, and the paternal function could no longer be sustained — now too transparently a fantasy to exercise its traditional cultural force.

In this environment, shame has lost its footing. Táíwò is right that shame once provided a kind of moral infrastructure. But that infrastructure no longer exists. The idea that we can revive shame as a stabilizing political force assumes we are still living in a neurotic society—one governed by shared prohibitions, pervasive anxieties around transgressing them, and a coherent symbolic order. In fact, we inhabit a fragmented, post-paternal landscape in which shame circulates as free-floating humiliation or weaponized cruelty rather than as a mechanism of moral regulation. Social media platforms are engines of shame, but not of shared ethical life.

Es ist dabei wichtig zu verstehen, dass es auch gute Gründe gab, den Namen des Vaters und seine Formen der Beschämung zu bekämpfen.

It’s important, though, not to romanticize the world that came before. The paternal symbolic order was never simply benevolent. It sustained patriarchal norms that pathologized difference and targeted it for violence. Shame, even when it “worked,” often did so by cultivating hostility toward those who deviated from dominant norms — queer and disabled people, racialized minorities, dissidents—rather than by fostering a universal commitment to protecting a right to individual difference and cultivating collective support for this. Liberal ideals of civility and rational discourse similarly masked the violences that structured the social order: colonial exploitation, racial terror, gendered domination. One of the big reasons that the moral glue that held society together was so adhesive was that it so often excluded others.

Hier steckt eine wichtige Erkenntnis, die Liberale von Linken trennt: Auch ungerechte Standards haben, wenn sie hegemonial sind, enormen Koordinationsnutzen, der damit einen ganzen Strauß pfadabhängiger Infrastrukturen ermöglicht. Im Zweifel ganze Zivilisationen. Mir fällt dabei die Stelle in Kunderas „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ ein:

„Aber das gebrechliche Gerüst ihrer Liebe bräche gänzlich zusammen, weil dieses Bauwerk nur auf der einzigen Säule ihrer Treue ruhte und Liebesgeschichten Imperien gleichen: wenn der Gedanke, auf dem sie gebaut sind, untergeht, so gehen sie mit ihm unter.“

Trump ist alles andere als die „Wiederkehr des Namen des Vaters“, sondern eine Art Slop-Version davon. Wie der T1000 in Terminator II in den flüssigen Stahl fällt und kurz vor seinem Ende nochmal alle Formen annimmt, die er im Laufe seiner Reise imitiert hat, so produziert der Westen sich selbst in seinem Untergang nochmal als Freakversion. Was wir heute sehen ist die schmutzige Unterwäsche des Namens des Vaters. Die komplett unverhüllten dreckigen Ecken des westlichen Unterbewusstseins als ungeniert korrupte, rassistische, sexistische und kolonialistisch-imperialistische Clownsshow.

Trump doesn’t stabilize meaning; he floods the zone with nonsense, weaponizes overwhelming and untethered affect by channeling it into cruelty and violence, and turns politics into a spectacular theater of the imaginary. His power grows not by reinstating symbolic order but by further dismantling it, leaving opponents flailing as they attempt to deploy tools—fact-checking, rational debate, appeals to civility, anachronistic insistence that noxious political actors should be ashamed of themselves—that depend on symbolic conditions that no longer hold.

You cannot shame people who no longer recognize the legitimacy of shared norms. You cannot debate authoritarians into submission when language itself is treated as a game without stakes. You cannot appeal to civility when the entire political project of the far right is to revel in transgression and humiliation. These are not exceptions or pathologies at the margins; they are central features of our present.

Deswegen denke ich, dass das mit der rechten kulturellen Hegemonie nicht auf Dauer klappen kann, denn Hegemonie erreicht man nur durch ein Mindestmaß an Berechenbarkeit. Wenn eine Zivilgesellschaft auf deine Standards aufbauen soll, müssen sie erwartbar sein. Es gibt bei den Faschisten derzeit keinen Willen, eine neue symbolische Ordnung zu verankern, stattdessen wollen sie die symbolische Ordnung der anderen direkt kontrollieren und/oder zerstören.


Elon Musk hat einen Fork der Wikipedia veröffentlicht, den er mit allerlei Lügen und transfeindlichen, rassistischen und unwissenschaftlichen Quatsch vollgepumpt hat.

Unlike the Wikipedia entry for Chelsea Manning, the whistleblower and former US Army intelligence analyst who shared secret intelligence with WikiLeaks in 2010, the Grokipedia entry on her life deadnames and misgenders her at length.

As spotted on Bluesky, Grokipedia’s entry on Race and intelligence claims that science shows some races are more intelligent than others — and even lists the so-called IQ scores of different races. Wikipedia’s entry by the same name, meanwhile, points out that differences in IQ scores can’t be explained by genetics. (Grokipedia writes that “the extent to which genetics contribute to between-group differences remains contentious.”) The policy section of the Grokipedia entry also cites the pseudoscientific journal Mankind Quarterly, known for publishing “race science” and having ties to white nationalism.

While Wikipedia calls the January 6th attack on the US Capitol an “attempted self-coup,” Grokipedia’s language about “widespread claims of voting irregularities” seemingly justifies the riot by President Donald Trump supporters, and downplays the violence by saying that “most” insurrectionists “carried no firearms and the incursion was cleared within hours.” Wikipedia readers will learn, instead, that Congress itself found the riot to be an unsuccessful, but purposeful, part of Trump’s plan to overturn the election.

Wikipedia describes George Floyd as a Black man who was murdered by a white police officer in an event that set off a wave of nationwide protests against police brutality and racism. On Grokipedia, Floyd is best known for his criminal record, starting with a sentence that is difficult to read as anything other than intentionally racist: “George Perry Floyd Jr. (October 14, 1973 – May 25, 2020) was an American man with a lengthy criminal record including convictions for armed robbery, drug possession, and theft in Texas from 1997 to 2007.” Readers don’t learn that Floyd was murdered until the fourth sentence of Grokipedia’s entry.


Der von mir sehr geschätzte Pissed Magitus mit einem sehr wahrscheinlichen Szenario, wie der Techfaschismus auch in deinem Hinterhof installiert wird.


Ken Klippenstein berichtet über den „War on Anitfa“ der Trump-Administration als Reaktion auf den Kirk-Mord.

Within hours of Charlie Kirk’s shooting last month, politicos in the White House and lawyers at the Justice Department and Homeland Security scrambled to draft up back-of-the-envelope plans for a crackdown on their domestic foes, sources tell me. Illegal immigrants, anti-ICE protesters, leftists, trans people, gamers, Hamas supporters, Antifa; the administration had a hard time pinning down who exactly was the new enemy, so they ended up including them all.

All die Lacher, dass „Antifa“ ja keine Organisation sei und dass die Trump-Adaminitration den weißen Wal jagd, bleiben im Halse stecken, wenn man bedenkt, dass „wir“ uns zwar als voneinander unabhängige „Individuen“ erzählen, aber all unsere Pfadgelegeheneiten von nur wenigen Services abhängig sind, die sich leicht unter Druck setzen lassen. Und so ist eines der ersten Instrumente der Regierung, oppositionelle Akteure und Organisationen von ihren Bankverbindungen zu trennen.

The administration’s frantic planning session precipitated by Kirk’s murder was formalized days later in Trump’s National Security Presidential Memorandum 7. Called “NSPM-7” by insiders, the sweeping directive targets radical left “terrorism” by relying on so-called indicators like “anti-Christian” and “anti-American” speech. (I’ve reported on the significance of NSPM-7 here.)

Banking compliance expert Poorvik Mehra told American Banker that NSPM-7 “is basically asking you to follow the money, but within ideological movements, and compliance teams immediately ask which customers put the banks at risk.” She anticipates that banks will respond to NSPM-7 by simply dropping affected clients rather than deal with the headache.

Der Tech-Faschismus rekrutiert zunächst all deine Infrastrukturen, um Bürgerkrieg gegen dich führen.

Krasse Links No 71

Willkommen zu Krasse Links No 71. Verschandelt eure Stadtbilder, heute tarnen wir den Killswitch der Kontrollsucht als Honigbrot und frönen der Politik des Flaschenhals jenseits des Chokepoints.


Jonas Schaible dekliniert in seinem Newsletter all die Möglichkeiten durch, die deutsche Migrationspolitik zu interpretieren: Überlastung durch zu viele Geflüchtete (Theorie 1), mediale Überdramatisierung des Problems (Theorie 2), Überdruß der Deutschen gegenüber Regelverletzung (Theorie 3) und stößt mit Merz‘ Stadtbildäußerung auf Theorie 4:

Was Merz jetzt geäußert hat, ganz unabhängig davon, was er selbst glaubt und was man ihm selbst unterstellen will oder nicht, das ist im Grunde eine vierte Theorie. Es ist die düsterste, die bislang vielleicht auch deshalb in der Debatte kaum eine Rolle gespielt hat.

Man kann sie so zusammenfassen: Es gibt aus Sicht der Deutschen ein Problem, unabhängig von Berichterstattung und Ausstattung der Kommunen und Regelbruch und es liegt darin, dass zu viele Menschen im Land sind, die anders heißen, aussehen und sprechen.

Sie läuft darauf hinaus, die Gesellschaft für in hohem Maße xenophob und rassistisch zu erklären.

Um das gleich zu sagen: Ich halte Theorie 4 für falsch. Klar, es gibt eine bestimmte Klientel von Vorstadt-Boomern, die nach Berlin oder in andere Städte fährt und sich sofort ethnische Säuberungen wünscht und ich glaube sofort, dass Friedrich Merz die Hälfte davon persönlich kennt. Aber es ist sicher nicht die Mehrheit und ganz besonders nicht dort, wo die meisten Migrant*innen wohnen?

Jedenfalls wissen wir jetzt, warum die Correktiv-Enthüllungen von Sellners Remigrationsplänen so zurückhaltend aus dem bürgerlichen Lager kommentiert wurden.

Jonas weist darauf hin, dass, wenn die CDU dieser Interpretation folgt, sie sich in eine „politische Sackgasse“ manövriert.

Wenn es wirklich so wäre, dass das Stadtbild das Problem wäre, dass viele Menschen sich nicht mehr daheim fühlen in ihrer Stadt, wenn sie aussieht, wie eine deutsche Stadt heute aussieht – dann wäre demokratische Politik wahrscheinlich am Ende ihrer Möglichkeiten.

Man könnte diesem Gefühl nämlich nur begegnen, indem man Homogenität erzwingt, und das ginge in der real existierenden deutschen Gesellschaft nur mit autoritären Mitteln, mit schrankenloser Willkür und unvorstellbarer Gewalt.

Die Politik kann mehr Unterkünfte bauen, sie kann Kommunen mehr Geld geben und für schnellere Verfahren sorgen. Sie kann Patrouillen an die Grenze schicken, Abkommen mit Nachbarstaaten schließen und Geflüchteten weniger Geld zahlen. Sie kann den Görlitzer Park umzäunen.

Sie kann schneller und im großen Stil abschieben, wobei das, wenn man es ernst meinte, wahrscheinlich irgendwann so ähnlich aussehen muss wie in den USA derzeit, und da ist demokratische Politik dann auch am Ende. Sie kann falsch finden, wie früher Zuwanderung organisiert wurde. Ändern kann sie es nur sehr, sehr, sehr begrenzt.

Kurz gesagt: Sie kann entscheiden, wer neu ins Land kommt, aber sie muss in den allermeisten Fällen mit denen leben, die schon im Land sind.

Was sie niemals kann, ist ein Heimatgefühl herzustellen, das von der realen Heimat völlig entkoppelt ist. Was sie niemals kann, ist ein Stadtbild zu schaffen, das für jene ordentlich und sicher aussieht, für die Städte derzeit unordentlich und unsicher aussehen. Oder zu wenig Deutsch.

Kann sie das nicht? Vielleicht. Aber sie wird es dennoch versuchen?

Deswegen ist Merz’ Nebensatzentgleisung eben nicht der übliche „Onkel Erwin nach dem dritten Schnaps“-Rassismus, den man sonst von Merz und Konsorten kennt, der zwar auch schrecklich, aber vor allem schrecklich peinlich ist.

Das hier ist eine besonders deutsche Artikulation von Rassismus, die explizit auf „Reinheit“ abzielt und dabei Menschen als Fremdkörper markiert. Es ist die offene Artikulation eines rassistischen Begehrens, das nicht zu befriedigen ist, ohne eine monströse Infrastruktur der Gewalt zu errichten, deren Entstehung wir derzeit in den USA beobachten können.

Es ist klar, dass auch Trump es in Wirklichkeit auf das „Stadtbild“ abgesehen hat, auch wenn er es sich nicht traut, so offen auszusprechen, wie Merz. Aber hier ist das Ding: auch ICE wird das Stadtbild nicht genug „reinigen“, denn wann ist überhaupt „genug“? Nach wessen Maßstab?

Deswegen wird das Bedürfnis mit den Infrastrukturen – den Lagern, den Paramilitärs, der Armee in den Städten, den Sonderbefugnissen und rechtlichen Ausnahmezuständen – nicht gestillt werden, sondern wird weiter wachsen, gemeinsam mit den Erlaubnisstrukturen, mit Menschen auf bestimmte Weise zu verfahren.

Es gibt Forderungen, die kann eine liberale Demokratie nicht erfüllen. Es wäre deshalb weise, sie nicht auch noch selbst zu formulieren.

Vorsicht, Jonas. „Liberale Demokratie“ könnte ein Preis sein, den die CDU zu bezahlen bereit ist.


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LowerClassJane ordnet Merz‘ Stadtbildäußerung in den größeren Rassismuskontext dieses Landes ein.

Die Wahrheit ist: Wir leben in einem Land, das seit Jahren nach rechts rutscht, ohne jemals nach links geschaut zu haben. Ein Land, das sich selbst als „wehrhaft“ bezeichnet – aber immer nur gegen die Schwächsten aufrüstet.

Ein Land, in dem Geflüchtete in Lagern gehalten werden, unter Bedingungen, für die man in anderen Ländern diplomatische Noten verschicken würde. Ein Land, in dem die Polizei Menschen erschießt, die Schutz bräuchten – und der Innenminister dann über Vertrauen redet. Ein Land, das Sozialhilfe kürzt, aber Aufrüstung finanziert, als wäre Krieg die bessere Fürsorge.

In diesem Land sind Menschen nun mal nicht gleichviel Wert und es gibt – jenseits der Sonntagsreden – keinen Willen, das zu ändern.

Es ist das Schweigen der Institutionen. Es ist der Reflex, lieber Palästina zu zensieren als die eigene Geschichte zu hinterfragen. Es ist das Weggucken, wenn Geflüchtete erfrieren. Es ist das Wegmoderieren, wenn jemand sagt: „Das ist Rassismus.“

Vielleicht war es nie anders. Vielleicht ist das die eigentliche Wahrheit über Deutschland: Dass es immer nur bis zum Punkt der Bequemlichkeit kämpft. Und dann wieder „zurückrutscht“ in den Konsens der weißen Mitte.

Ich früchte, es ist mit den Bekenntnissen zum Antirassismus genauso wie mit den Bekenntnissen beim Klimaschutz: Die Deutschen würden ja gerne so sein, wie sie sich erzählen, aber nur so lang es sie nichts kostet.


Henry Farrell über die Ironie der Geschichte, dass China mit dem Ausfuhrstopp der seltenen Erden jetzt dieselbe Politik des Flaschenhals – oder wie Farrell es nennt „weaponized Interdependence“ – gegenüber den USA fährt, wie sie selbst gegenüber China, Russland und Iran gefahren sind.

First, and most simply: China seems to be moving from one mode of exercising its power to another. China has exercised effective control over rare earths and other critical minerals for years, but when it has used or threaten to use it, it has done so implicitly and indirectly. Specifically, it has used informal restrictions: mysterious blockages, strange frictions and other means to hamper other countries’ access to China’s internal markets, and Japan’s access to rare earths in 2010. This led some observers even to doubt that China had introduced systematic restrictions on exports. […]

It has created an entire regulatory infrastructure to underpin this claim, and has effectively banned the export of rare earth processing equipment abroad, to try to maintain its chokepoint as long as possible.

Man könnte meinen, China hat sich strategisch vom dem Shock der Trumpzölle berappelt und nimmt den Handelskrieg ernsthaft auf. Allerdings nicht so amateurhaft wie Trump.

China appears to be better placed than the U.S. to use its powers of economic coercion intelligently in pursuit of its own long term interests. The Trump administration has junked the systems that allow the U.S. government to calibrate economic coercion and to anticipate possible downsides. The National Security Council – which had come to play a crucial role in coordinating and setting policy under the Biden administration – has lost more than half of its personnel, on the theory that it is the ultimate representative of the “Deep State.” Its key China people have been Loomered. Careful bureaucratic process has been replaced by the whimsical decision making of Trump himself, as in his infamous meeting with Jensen Huang. Bessent’s criticisms of officials “gone rogue” might better have been aimed at his own boss.

Wenn eine Netzwerkzentralität ihre Macht mißbraucht, wie es USA über ihre Infrastrukturen immer wieder getan haben und mit Trump radikaler denn je tun, verändert das zwangsläufig auch das gesamte Abhängigigkeits-Netzwerk.

When interdependence is used by privileged states for strategic ends, other states are likely to start considering economic networks in strategic terms too. Targeted states—or states that fear they will be targeted—may attempt to isolate themselves from networks, look to turn network effects back on their more powerful adversaries, and even, under some circumstances, reshape networks so as to minimize their vulnerabilities or increase the vulnerabilities of others.

China hat sich gerüstet und mißbraucht seinerseits die Pfadabhängigkeit der USA und des Westens von seltenen Erden, um zurückzuschlagen.

China has indeed reshaped networks so as to maximize the vulnerabilities of the US, creating a much more dangerous and unpredictable set of dynamics. The U.S. is currently very poorly positioned to manage these complex problems. The Trump administration is more concerned with attacking perceived internal enemies than the outside world, and has stripped the bureaucracies that would allow it to begin to think straight about the problem.

Wir alle müssen jetzt ganz schnell Netzwerkmacht lernen.


Dieses Tiktok-Video fasst kurz und verständlich die Politik des Flaschenhals der trumpifizierten FCC-Behörde mit dem Frequenzband zusammmen, die hinter der Kimmel-Feuerung und Disneys Einknicken steckt und die den eigentlichen Sinn hat, mehr mediale Infrastrukturmacht zur Broligarchie zu schaufeln.

Aus dieser Richtung dürften noch einige Angriffe auf die Öffentlichkeit kommen.


Signal war kurz offline, weil Amazon Webserives down war und wenn ihr jetzt so „Hä? Ich dachte Singal wäre diese mega-sichere Hackerapp, was hat die denn mit Amazon zu tun?!?“ seid, dann hat Tech policy Press einen Artikel für euch.

On Monday, a global technical failure at Amazon Web Services (AWS), Amazon’s cloud computing division, sent hundreds of applications and services from Snapchat and Signal to Fortnite and Lloyds Bank offline. Even a range of British government services were crippled by the fault.

While precise technical details have yet to be reported, here is what we know now: There was a significant technical issue beginning in Amazon Web Services’ ‘us-east-1’ region that brought down large portions of the internet, including services like Signal. Us-east-1 is one of AWS’s key geographic regions—a cluster of data centers where companies can host their cloud infrastructure. It is located in Northern Virginia, near the United States capitol.

Deswegen steht dieses Ereignis für mehr, als uns lieb sein kann.

The “open” internet, it turns out, rests on a remarkably closed foundation. Cloud providers control information access. When AWS or other cloud behemoths, like Google and Microsoft, are down, so is the rest of the internet.


Cory Doctorow über den Killswitch des „Mad Kings“.

Remember when we were all worried that Huawei had filled our telecoms infrastructure with listening devices and killswitches? It sure would be dangerous if a corporation beholden to a brutal autocrat became structurally essential to your country’s continued operations, huh?

Wir alle leben im Territorium des verrückten Königs und er hat längst angefangen unsere Möglichkeiten zu beschneiden.

Apple and Google capitulated. Apple also capitulated to Trump by removing apps that collect hand-verified, double-checked videos of ICE violence. Apple declared ICE’s thugs to be a „protected class“ that may not be disparaged in apps available to Apple’s customers

Es gibt aber auch einen literal „Killswitch“, bzw. Abhörmechanismus namens CALEA, der in all unseren Netzwerken verbaut ist.

Take CALEA, a Clinton-era law that requires all network switches to be equipped with law-enforcement back-doors that allow anyone who holds the right credential to take over the switch and listen in, block, or spoof its data. Virtually every network switch manufactured is CALEA-compliant, which is how the NSA was able to listen in on the Greek Prime Minister’s phone calls to gain competitive advantage for the competing Salt Lake City Olympic bid […]

CALEA backdoors are a single point of failure for the world’s networking systems. Nominally, CALEA backdoors are under US control, but the reality is that lots of hackers have exploited CALEA to attack governments and corporations, inside the US and abroad. Remember Salt Typhoon, the worst-ever hacking attack on US government agencies and large corporations? The Salt Typhoon hackers used CALEA as their entry point into those networks

Leider haben wir uns vor Jahren die Möglichkeit genommen, diese Mechanismen zu umgehen, als Techfirmen und Urheberrechtslobbyisten darauf drängten, kommerzielle Systeme vor ihrer technischen Umgehbarkeit zu schützen.

These anti-jailbreaking laws were designed as a tool of economic extraction, a way to protect American tech companies‘ sky-high fees and rampant privacy invasions by making it illegal, everywhere, for anyone to alter how these devices work without the manufacturer’s permission.

But today, these laws have created clusters of deep-seated infrastructural vulnerabilities that reach into all our digital devices and services, including the digital devices that harvest our crops, supply oxygen to our lungs, or tell us when Trump’s masked shock-troops are hunting people in our vicinity.

Ganz heruntergebrochen stehen wir als Europa vor demselben Problem, wie 2022 mit den russischen Gaspipelines. Nur ist alles viel komplexer, lebenswichtiger und schwieriger zu tauschen.

When Putin invaded Ukraine, he inadvertently pushed the EU to accelerate its solarization efforts, to escape their reliance on Russian gas, and now Europe is a decade ahead of schedule in meeting its zero-emissions goals

Today, another mad dictator is threatening the world’s infrastructure. For the rest of the world to escape dictators‘ demands, they will have to accelerate their independence from American tech – not just Russian gas. A post-American internet starts with abandoning the laws that give US companies – and therefore Trump – a veto over how your technology works.

Ich kenn ja auch die Zukunft nicht, aber ich sehe derzeit keinen plausiblen Pfad, wie das irgendwie gut geht.


Diese Zeichnung von XKCD ist insbesondere innerhalb der Open Source Communities beliebt, weil es die Realität unserer digitalen Infrastrukturen so schön beschreibt.

Es wird Zeit, es umzuinterpretieren. Das größere Problem ist nicht mehr das kleine Projekt mit kaum Entwickler*innen, der Chokepoint sind heute die großen, kommerziellen Infrastrukturen, die sich mit dem verrückten König verbündet haben.


Nafeez Ahmed über die geleakten Papiere des Gaza International Transitional Authority (GITA) und wie Peter Thiel und Larry Ellison wohl dafür die Überwachungsinfrastruktur liefern werden.

A Byline Times review of the leaked Gaza International Transitional Authority (GITA) framework, procurement guidance documents, and FEC filings shows that its digital-governance backbone – covering identity, border control, aid logistics and donor coordination – matches the Oracle-Palantir technology ‘stack’ of digital technologies currently used in Israel’s defence network. They further suggest that the GITA board structure is planned to allow this stack an easy entry-point into reconstruction contracts.

The plan was drafted by the Tony Blair Institute for Global Change (TBI), whose biggest financial backer is Larry Ellison, the billionaire co-founder and executive chairman of tech giant Oracle Corporation. Since 2021, the institute received donations or pledges of at least £257 million from the Larry Ellison Foundation, an amount that dwarfs all other donors combined.

Natürlich sind Thiel und Ellisons Firmen, Oracle und Palantir genauso wie Microsoft, Google und andere bereits knietief im Genozid eingebunden.

Über Peter Thiel ist ja bereits viel bekannt, aber Ellison macht ihm und Elon Musk wie kein anderer den Platz als „Worlds biggest Tech-Supervillan“ streitig.

Ellison himself is a Trump supporter and Republican Party megadonor, who has given tens of millions of dollars to the party and embedded Oracle across the American federal government following extensive lobbying. Oracle is also poised to oversee TikTok’s US algorithm after the completion of its US sale, under Trump’s deal with China.

Ellison has close ties to fellow pro-Trump billionaire Peter Thiel, through a little-known partnership between Oracle and Palantir, the surveillance and defence-analytics firm co-founded by Thiel.

Both companies have directly supported Israel’s military operations in the Gaza Strip. But the same companies are also in prime position to profit from the technocratic management of Gaza after the war.

Seit letztem Jahr sind Oracle und Palantir eine stratgeische Partnerschaft eingegangen, die sich wie ein Bewerbungsschreiben für Nachkriegsordnung des Gazastreifens liest.

In April 2024 Oracle and Palantir announced a deep “strategic partnership” to deliver “mission-critical AI solutions to governments and businesses.” It was a relationship nearly a decade in the making – back in 2017 Ellison had held exploratory talks with Peter Thiel about acquiring Palantir outright.

By July, Palantir and Oracle jointly unveiled deployment guides showing its Foundry and AI platforms running on Oracle’s sovereign, government and “air-gapped” clouds, tailored for national security clients. In June 2025 Oracle launched its Defence Ecosystem including “Palantir for Builders.”

In dem geleakten GITA-Framework findet sich folgende Ausschreibung dazu.

That vision, which proposes a “Gaza Reconstitution, Economic Acceleration and Transformation (GREAT) Trust”, envisages creating a “blockchain registry for land” to underpin the construction of up to eight “AI-powered, smart planned cities on the inner side of the Gaza Ring. All services and economy in these cities will be done through ID-based digital system.” It even mentions an “Elon Musk Smart Manufacturing Zone” – Musk’s companies such as xAI have cultivated close partnerships with both Oracle and Palantir. Ellison invested $1 billion to support Musk’s purchase of Twitter in 2022, and sits on his board at Tesla.

Ich interpretiere das so: In Gaza entstehen die Infrastrukturen einer neuen Form von Staatlichkeit im Zeitalter der Digitalisierung. Als integrierter Tech-Faschismus.

Larry Ellison’s Oracle and Peter Thiel’s Palantir now form a single operational spine for digital governance and defence, from cloud infrastructure to predictive analytics. And Trump’s Gaza peace plan looks like the vehicle through which that spine could extend into Gaza’s reconstruction.

The technologies that mapped, targeted and managed Gaza in wartime are now the same ones perfectly positioned to administer it during peace. Which means the Gaza International Transitional Authority risks becoming not a clear break from the conflict, but a potential continuation of it by digital means.

Unsere Polizei nutzt bereits fleißig Palantir und verlangt mehr davon und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der gesamte Stack auch hier implementiert wird.

Unter anderem das meine ich, wenn ich sage: Gaza ist bald überall.

Aber ich meine auch etwas anderes. Es ist eben nicht nur die Technologie, sondern die Technologie als Soziotechnisches System, oder wie wir hier sagen: als Materiell-Semantischer Komplex.

Mit den Infrastrukturen kommen bestimmte Pfadabhängigkeiten in die Zukunft. Sie implenentieren eine bestimme Art auf Menschen zu schauen und damit verbunden die Erlaubnis, mit Menschen auf eine bestimmte Weise umzugehen. Und das wichtigste: Diese Infrastrukturen stillen kein Bedürfnis, sondern entfachen es: das Bedürfnis nach Kontrolle.

Ob wir es wollen oder nicht, diese Infrastrukturen werden, allein dadurch, dass wir ihre Existenz erlauben, Gesellschaften weltweit verändern und damit schließlich auch uns.


Ich war in Fatih Akins Amrum und finde, es ist sein bester Film bisher. Und wer ihn noch nicht gesehen hat, hier eine Besprechung mit **** MEGA SPOILERS ****.

Als wäre es das leichteste der Welt, verwebt Akin die Themen Migration und Indentität, Familie und Depression, das Ende des Nazireichs, Ideologie und Erziehung zu einer Erzählung aus der Sicht eines kleinen Jungen, Nanning, der sich nichts anderes wünscht, als das seine Mutter wieder lacht.

Der Höhepunkt ist m.E. die Unterhaltung von Nanning mit seinem Freund, wo dieser erzählt, jemand habe Hitler mit Captain Ahab aus Mobby Dick verglichen und zusammen raissonieren sie, dass Deutschland dann ja das Schiff und die Deutschen die Crew seien, aber … so fragen sie, wer oder was ist dann der weiße Wal? Sie probieren „die Amerikaner“, „Churchill“ und „Gott“, aber so richtig zufriedenstellend wird die Frage nicht beantwortet.

Das hat mich nicht mehr losgelassen: Was woll(t)en Faschisten wirklich? Einfach alle Juden umbringen? „Lebensraum im Osten“? Weltherrschaft? Ja sicher, aber wozu? Was war der eigentliche weiße Wal, den sie jagten?

Vielleicht Kontrolle? Den Wunsch nach Kontrolle hegen wir alle, doch in einer Welt, in der manche Menschen unbegrenzte Macht über andere durch die Kontrolle von Infrastrukturen erlangen können, ergeben sich aus ihrer Sicht auch Pfadgelegenheiten zur Kontrolle des Unverfügbaren.

Kontrolle des Gegners, Kontrolle der Massen, Kontrolle über andere „Rassen“, über „die Welt“, Kontrolle über Grenzen, Kontrolle der Öffentlichkeit, Kontrolle der Sexualität, Kontrolle über das „Stadtbild“, etc. Aber auch Kontrolle über das Leben, Kontrolle über den eigenen Körper und, vielleicht am entscheidensten: Kontrolle über die eigenen Gefühle?

Doch je unverfügbarer etwas ist, desto eher führt der Versuch seiner Kontrolle zur Kontrollsucht. Je mehr man kontrolliert, desto mehr will man kontrollieren, usw. Faschismus ist in seinem im Kern keine Ideologie, sondern eskallierende Kontrollsucht.

Nachdem Nanning den ganzen Film über etliche Abenteuer durchlebt hatte, um die bizarren Pfadabhängigkeits-Ketten von Weizenmehl, Butter und Honig unter den Bedingungen des Nazi-Kollaps zu navigieren und schließlich der Mutter das Honigbrot präsentiert, das sie definitiv und auf jedenfall gesund machen wird, reagiert sie mit einem kalten „Stells in die Küche“ und der kleine Ahab bricht weinend zusammen.

Aber wenn der eigentliche Weiße Wal das Trauma der abwesenden Liebe ist und seine Ersetzung durch Honigbrot teil desselben Traumas wird, wenn also Trauma zu Konsum, Konsum zu Kultur und Kultur wieder zu Trauma wird, dann ist Fatih Akins „Amrum“ eigentlich eine Inszenierung von „Schrei nach Liebe“, aber als intergenerationale Traumaarchitektur.

Annäherung an Arendts Gedankenwelt – Zeitgeister – Das Kulturmagazin des Goethe-Instituts

Susann und ich wurden nach unserem re:publica Talk gefragt, die Idee mit Bezug auf Hannah Arendt für eine Spezial des Goethe-Instituts als Text zu formulieren, was uns sofort einleuchtete. Die größte Herausforderung war allerdings den Einstundenvortrag auf weniger als 10.000 Zeichen zu komprimieren. Ich hatte schon nicht mehr an die Machbarkeit geglaubt, aber Susann gab nicht auf und jetzt ist das wahrscheinlich der dichteste Text, den wir beide je veröffentlicht haben.

Beide Serien, Andor und Sense8 zeigen, dass Widerstand möglich ist. Widerstand fängt mit Empathie und Hinsehen an und wird mit der Zeugenschaft real – und manchmal kostspielig. Egal ob der Kampf gegen ein materielles Imperium, oder in der Selbstverteidigung gegen eine hegemoniale Gesellschaftsordnung; ein Mittel gegen die Banalität des Bösen ist Zeugenschaft – semantischer Widerstand gegen Wegsehen und Ignoranz.

Quelle: Annäherung an Arendts Gedankenwelt – Zeitgeister – Das Kulturmagazin des Goethe-Instituts

Hier auch der Text auf Englisch.

Krasse Links No 70

Willkommen zu Krasse Links No 70. Holt den Leviathan aus dem Markow-Modell, heute stellen wir den Thanos-Effekt auf den Kipppunkt und kollabieren die Constraints zum „Superorganism“ des Antichrist.


Liebe Fahrgäste, wir erreichen soeben den ersten klimatischen Kipppunkt: das Absterben der Korallenriffe.

Mit dem weltweiten Absterben der Warmwasser-Korallenriffe hat die Erde den ersten Klima-Kipppunkt erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt der internationale Forschungsbericht »Global Tipping Points Report 2025«. Damit sei die Welt in eine neue Realität eingetreten, heißt es in dem Bericht, den 160 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 87 Institutionen in 23 Ländern verfasst haben. […]

Der »Global Tipping Points Report 2025« stellt fest, dass die Warmwasserkorallenriffe – von denen ein Viertel aller Meereslebewesen sowie fast eine Milliarde Menschen abhängen – ihren Kipppunkt erreicht haben. Diese Strukturen würden weit verbreitet absterben, heißt es. Der wichtigste Faktor dabei sind Korallenbleichen. Bei hohen Wassertemperaturen stoßen die Korallen ihre lebenswichtigen symbiotischen Algen aus, die sie mit Nährstoffen versorgen.[…]

Mit der bereits erreichten globalen Erwärmung von rund 1,4 Grad sehen die Fachleute die Grenze zu dieser sich selbst beschleunigenden Riffzerstörung überschritten. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich die menschengemachte Erderwärmung künftig bei 1,5 Grad stabilisieren lasse, sei ein weitreichender Verlust dieser Ökosysteme praktisch sicher.

Die nächsten Haltestellen sind

  • „großflächiges Absterben des Amazonas-Regenwalds“ (bei 1,5 Grad) und
  • das Kippen des Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) bei irgendwo unter 2 Grad.

Vielen Dank für ihre Vertrauen in den Kapitalismus und auch weiterhin eine angenehme Reise.


Relational Materialism“ is all about Constraints. Die Idee ist, dass uns das „freie Denken“ übelst in die Irre geführt hat und dass wir das Denken durch das Einsperren in „Constraints“ wieder produktiv machen können. Die Inspiration dafür ist Donna Haraways Einwand gegen die „Perspektive von Nirgendwo“, die als „Objektivität“ nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in unserer Alltagssprache ihr Unwesen treibt.

Aber weil ich gleichzeitig nicht glaube, dass mit der Objektivität auch die Möglichkeit und Notwendigkeit verschwindet, Aussagen mit Allgemeingültigkeitsanspruch zu formulieren, sammle diese Constraints und behaupte:

Der Mensch ist ein situiertes, pfadabhängiges und sequenzielles Wesen.

Als Erkenntnis ist das im Einzelnen nichts wirklich neues, sogar trivial, klar, aber die eigene Sicht auf die Welt ändert sich, wenn man diese Constraints wirklich ernst nimmt und übt, mit diesen Beschränkungen zu denken und zu sprechen und meine Hoffnung war zunächst, dann weniger Unsinn zu reden. Aber nach und nach merke ich, wie diese Sichtweise auch neue sprachliche und damit gedankliche Pfade öffnet.


Peter Thiel gab vier Vorlesungen zum Antichrist. Mir behagt es nicht wirklich, seine Gedanken widerzugeben, als wären sie etwas, was man irgendwie intellektuell ernst nehmen müsste. Weil Peter Thiel aber leider enorme Macht hat – ja, über uns alle – müssen wir alles, was er sagt und schreibt, als mehr oder minder konkret formulierte Drohung interpretieren. The Guardian hat in die geleakten Mitschnitte reingehört.

Der Constraint gegen die „Objektivität“ zwingt mich z.b. dazu, Dinge multiperspektiv zu denken und das hört sich gleichzeitig banaler und anstrengender an, als es ist: Klar, jede Perspektive ist „Einzigartig“ und so, aber dann halt auch doch nicht?

Hier kommt nämlich eine der zweite Constraint produktiv zum Tragen: wir sind materielle Wesen in einer materiellen Welt, also zweifache Weise pfadabhängig: Wir kommen immer irgendwo her und wollen/müssen immer irgendwo hin. Als Menschen sind wir abhängig von Nahrung, Sauerstoff, Wasser, körperliche Sicherheit, ein Dach über den Kopf, Gesundheit, einem Einkommen, der Kanalisation, Freunden und Familie, dass ich den Bus noch erwische und diesen Newsletter endlich fertig kriege. Aber alle Abhängigkeiten haben eine Geschichte, sind also ihrerseits pfadabhängig und zu einem früheren Zeitpunkt waren die Pfadabhängigkeiten einmal Pfadgelegenheiten, usw.

Der Constraint wird produktiv, wenn wir daraus ableiten, dass jeder Mensch in jeder Situation ebenso eingeschränkt ist, wie ich, nur anders, d.h. ein endliches, plausibles Set an materiellen Pfadgelegenheiten hat.

Nehmen wir hier Peter Thiel als nur scheinbar schwieriges Beispiel (ich hatte das bereits mal grob ausgeführt). Er ist sehr, sehr reich, er ist tief konservativ geprägt und er ist ständig nur unter seinesgleichen: weiße, reiche, mächtige Männer aus Silicon Valley und kaum jemand darunter, der „nein“ zu ihm sagt. Turns out: Es ist gar nicht so schwer, sich in jemanden hineinzuversetzen, der gleichzeitig so viel und so wenig Pfadgelegenheitsvielfalt genießt.

Thiel said that international financial bodies, which make it more difficult for people to shelter their wealth in tax havens, are one sign the antichrist may be amassing power and hastening Armageddon, saying: “It’s become quite difficult to hide one’s money.”

Thiels Gebrabbel ist nicht wirklich eine Reflexion über die Welt, sondern ein unwillkürlicher Ausdruck seiner pfadabhängigen Perspektive: Alles, was ihn, Christus, äh, Thiel an der Ausübung seiner unbeschränkten Macht (und die seiner Freunde) hindert – ja was soll das schon anderes sein, als der Antichrist?

In the 21st century, the antichrist is a luddite who wants to stop all science. It’s someone like Greta or Eliezer.

Peter Thiel hat einfach den intellektuellen Hosenstall offen, ist aber zu mächtig, als das jemand lacht. Das macht ihn aber nicht ungefährlich, im Gegenteil. Und speziell angepasste Religiosität als Erlaubnisstruktur zur Weltherrschaft ist jetzt nicht wirklich was neues.


Nach dem Raussenden des letzten Newsletters hat mich das Thema Purge-Koalition nicht losgelassen und daher habe ich immer weitergeschrieben, meine Formel zu Netzwerkmacht aktualisiert und anhand einer Beispielrechnung versucht, vorstellbar zu machen, welche Effekte eine solche Purge-Koalition zwischen allen großen Plattformen hätte.

Ich bin danach noch weitergegangen und habe extra den Thanos-Effekt erklärt und versucht, den Effekt der Zusammenarbeit großer Plattformen auf ihre Plattformmacht anhand einer editierbaren Beispielrechunung plausibel zu machen.

Auch wenn das alles quick und dirty war, stehe ich zu den Schlussfolgerungen, weswegen ich mich mit den verhaltenen Reaktionen immer noch nicht abfinden will. Deswegen ist dieser Newsletter auch der Versuch, den dahinterstehenden und zugegebenermaßen ideosynkratischen Begriffs- und Methodenapparat nochmal etwas besser zu erklären.


Die hier schon mal behandelte neuerliche Parteinahme Ezra Kleins für den Faschismus wird immer genauer aufgearbeitet. Der aktuelle neue beste Text dazu kommt jetzt von A.R. Moxon.

Er analysiert zwei Zitate von Klein, unter anderem „we are going to have to live here with each other“ aus dem Monolog vor dem Interview mit Ben Shapiro und arbeitet exakt heraus, was daran so falsch ist. Das andere Zitat ist nicht so wichtig, aber kommt aus dem absolut hörenswerten Gespräch mit Ta-Nehisi Coates, ein Podcast, den ich wirklich jedem ans Herz legen kann.

Moxon schreibt:

This is the grain of sand at the center of the pearl of my ire, because „we are going to have to live here with each other“ is the exact premise that Republicans do not agree with any of us about, and while Klein in his remarks pays lip service to some of the recent proofs of this clear fact, in his analysis of what to do about it, he excises this reality entirely. In his mind, he and Kirk were just two guys, both trying to change the country for what they thought was good. It’s a bond. Never mind that what Kirk thought was good was the American military in the streets of Chicago, and mass kidnapping in service of a white ethnostate, and the end of bodily autonomy for women and queer people, and so forth. In the Klein world, moral clarity about abuse is polarizing, and polarization, not abuse, is the problem to solve.

„we are going to have to live here with each other“. Dieser Satz hört sich so richtig und absolut unverfänglich an, jeder Mensch bei Verstand würde ihm zustimmen, aber er ist eben kein allgemeingültiger Satz. Der Satz ist teil eines konkreten Sprechaktes an einem konkreten Ort und konkret an jemanden gerichtet. „Living together“ ist niemals nicht relational und niemals nicht pfadabhängig.

We are going to have to live here with each other. Not an option if you are trans, as long as supremacists (or those who would capitulate to them in the name of winning) are still permitted to wield the levers of power. Not an option if you are an immigrant. Not an option if you are pregnant with a complication. Not an option if you are sick, or out of work. Not an option if you are homeless. And eventually not an option if you are in opposition in any way to the dictator president and his coterie of supremacists, or if you just happen to fall afoul of somebody with a grudge and a trigger finger and not much to lose. Not even an option if you are Charlie Kirk, it turns out.

Damit entlarvt Moxon Ezra Kleins Kirk und Shapiro-Apopologien als das, was sie sind: als persönliche Pfadentscheidung darüber, mit wem er „going to live together“ praktizieren will und mit wem nicht.

By his own admission, Kirk’s murder affected Ezra Klein in a personal way that all the previous acts of supremacist violence committed against all its other targets across the span of history did not. So we see that Klein recognizes a „we“ in Charlie Kirk that he does not recognize in trans people or in any of the other people I listed in the previous paragraph. In this, he reveals to us—perhaps without even knowing he is doing so—that for him, the disagreements he has with Charlie Kirk and Ben Shapiro are window dressing compared to the fundamental kinship he feels to them, three princes of public discourse, just trying their best to do what’s best, whether „what’s best“ is feeding a hungry kid or blowing him up or zip-tying his hands behind his back in the middle of the Chicago night.

When Klein scolds that „we have to live here with each other“ he is making a statement about who it is he is getting ready to live with and who he is getting ready to live without, and most gallingly he is ignoring the fact that when it comes to supremacists all of us have been living with them already all along. Nobody is suggesting mass deportation of white supremacists, or the dissolution of straight marriages, or stripping away health care for conservatives. The troops and the cops weren’t ever sent down primarily white streets, masked kidnappers aren’t terrorizing white churches or corporate boardrooms or white-collar courts. These supremacist hatemongers are being criticized, yes, and opposed, yes, and yes the culture of violence they have created sometimes ricochets back on them, but we are living in the country they demanded on having. We are all now experiencing the Republican proposition for humanity.

Eine plausible Möglichkeit, den Menschen in seinen Constraits zu modellieren, ist es, sich ihn als Pfadopportunisten vorzustellen. Das was Menschen sind, sagen, denken, glauben und tun ist weniger eine Reflexion ihrer individuellen „Persönlichkeit“ (wobei: das spielt sicher auch mit rein), als ihrer materiellen und semantischen Pfadabhängigkeiten. Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

Klein ist weiß, Staatsbürger, wohlhabend, mit hoher gesellschaftlicher Stellung – er hat etwas zu verlieren. Gleichzeitig ist er als vornehmlich linksintellektuell wahrgenommener Vordenker auch sehr angreifbar gegenüber dem Trumpfaschismus. Kirk und dann Shapiro, waren für ihn jeweils Pfadgelegenheiten diese Vulnerabilität, wenn nicht aufzuheben, so doch abzuschwächen? Auf Kosten von wem auch immer. Coates war eingeladen, um ihm die Erlaubnis dafür zu geben. Er bekam sie nicht.


Macht ist ein Potential und daher äußert sie sich abseits von konkreten Gewaltakten nie direkt, sondern meist indirekt über aggregierte Effekte auf Dividuen (wie Ezra Klein oder Peter Thiel) und ihren Pfadentscheidungen. Man kann sich das besonders gut an der Netzwerkmacht klar machen.

Von der Wikipedia gibt es diese Darstellung von Netzwerkeffekten.

Stellen wir uns vor, diese Netzwerke repräsentieren unterschiedliche Kommunikationsstandards mit verschieden großen „installed bases“ – Netzwerk A, B und C –die qua Größe unterschiedliche Netzwerkmacht inne haben.

Der relationale Materialismus (und Richard M. Emerson) zwingt uns, Macht als relationales Verhältnis zu denken: Macht ist immer Macht von jemanden über jemanden. Genauer: sie ist die Kehrseite von Abhängigkeit und damit ist sie integraler, aber genau deswegen unsichtbarer Teil unserer Perspektive auf die Welt.

Um sich das vorzustellen, muss man sich von einem mechanischen, kausal determinierten Abhängigkeits- und Machtbegriff lösen und zu einem kleinteiligen, alltäglicheren und bezogeneren Machtbegriff kommen. Macht ist eine soziale Tatsache, in der wir alle auf vielfältige Arten einbegriffen sind, ob wir es merken oder nicht, oder ob es uns das passt oder nicht.

Wie Netzwerkmacht in der jeweiligen konkreten Wirklichkeit aussieht, kann man sich an einer plausiblen Entscheidungsmatrix eines Nutzenden klar machen.

Klar, kann ich Netzwerk A oder B nehmen, aber C beinhaltet die wichtigsten Pfadgelegenheiten? Die Substitutionsmatrix sieht dann so aus.

Weil Netzwerk C so netzwerkzentral für meine Pfadgelegenheiten ist, fällt meine Entscheidung auf C. Aber hier die Preisfrage: Habe ich das nun „frei“ entschieden?

Die relativ hohe Netzwerkmacht des Netzwerks C bedeutet weder, dass ich zu Netzwerk C gezwungen werde, noch, dass alle zu Netzwerk C rennen, sondern „nur“, dass es wahrscheinlich ist, dass viele zu Netzwerk C rennen, weil das ihre je relational materielle Sicht auf das Netzwerk nunmal nahe legt.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die „plausible Entscheidungsmatrix“ auch ganz anders aussehen könnte. Manche haben alles was sie brauchen in Netzwerk B, manche brauchen eh nicht viel und nutzen A, manche sehen keinen Nutzen in irgendwas davon. Aber das sind wahrscheinlich weniger. Aber diese unterschiedliche Wahrscheinlichkeit – diese Nichtzufälligkeit – ist Ausdruck der relativen Netzwerkmacht von Plattform C.

Dieser Unterschied ist real und hat Effekte auf die Welt und bei entsprechend großen Netzwerken sind die aggregierten Effekte eben so groß, dass du von dem, was dort passiert, selbst dann betroffen bist, wenn du dort gar keinen Account hast.


Schon 2020 schrieb N.J. Hagens ein Paper namens Beyond the superorganism, in dem er eine, wie ich finde plausible Erzählung unseres Wirtschaftssystems als „self-organized, mindless, energy seeking Superorganism, functioning in similar ways to a brainless amoeba using simple tropisms“ vertritt.

Diese Superstruktur – oder wie wir hier sagen: der materiell-semantische Komplex des Kapitalismus, ernährt sich nicht nur, wie Marx analysierte, von Menschenblut (Arbeit), sondern vor allem auch von Energie, vorrangig fossile Energie.

Major transitions in human societies over the past 10,000 years were linked to the benefits from different energy types and availability (Day et al., 2018). Industrialization changed the historic human relationship of energy capture from using the daily flows of nature to using technology fueled by large amounts of cheap fossil energy.

One barrel of crude oil can perform about 1700 kW h of work. A human laborer can perform about 0.6 kW h in one workday (IIER, 2011). Simple arithmetic reveals it takes over 11 years of human labor to do the same work potential in a barrel of oil. Even if humans are 2.5x more efficient at converting energy to work, the energy in one barrel of oil substitutes approximately 4.5 years of physical human labor.

This energy/labor relationship was the foundation of the industrial revolution. Most technological processes requires hundreds to thousands of calories of fossil energy to replace each human calorie previously used to do the same tasks manually. Consider milking a cow using three methods (see Fig. 2): manual (human labor energy only), semi-automated electric milking machines (1100 kW h per cow per year), and fully au- tomated milking (3000 kW h per cow-year). The manual milker, working alone, requires 120 h of human labor per year per cow; semi-automated machines require 27 h of labor; and full automation, 12 h. We’ll estimate that the human milker generates economic value of $5 an hour working alone. Using electric milkers at $0.05 per kWh, output rises significantly and—because cheap electricity substitutes for so many human hours of labor—the revenue increases to $19 per hour with semi-automated milkers and to $25 per hour with the fully automated technologies.[…]

At 4.5 years per barrel, this equates to the labor equivalent of more than 500 billion human workers (compared to ∼4 billion actual human workers). The economic story of the 20th century was one of adding ancient solar productivity from underground to the agricultural productivity of the land. These fossil ‘armies’ are the foundation of the modern global economy and work tirelessly in thousands of industrial processes and transportation vectors. We didn’t pay for the creation of these armies of workers, only their liberation. Transitioning away from them, either via taxation or depletion, will necessarily mean less ‘benefits.’

Ein gehöriger Teil der ökonomischen Blindheit, die die Hegemonie der Neoklassischen Wirtschaftstheorie in die gesellschaftlichen Diskurse injiziert hat, ist die Verdrängung von Pfadabhängigkeiten. Das Gleichsetzen aller Güter und Rohstoffe über ihren Preis erschafft die Illusion einer allgemeinen Austauschbarkeit aller Güter. Daher fiel gar nicht auf, dass wir Energie einfach als „yet another Production Input“ behandelt haben, statt als pfadentscheidenden Anker aller Produktion.

Today, energy is still treated as merely another input into our economic system – $10 of gasoline is considered to have the same contribution to human output as $10 of Pokemon cards. This is in spite of the fact that: a) energy is needed to create and transform all material inputs and b) energy can only be substituted by other energy.

However, biophysical analysis of all production inputs shows that the economic importance of energy is substantially larger than energy’s share in total factor cost, with the opposite being true for labor. This means that energy has a significantly greater role in our wealth and productivity than its nominal cost share signal. In the case of Japan and Germany over 60% of economic productivity is explained by energy input (Kümmel and Lindenberger, 2014)

Interessanterweise gibt es von Anfang an bis in die 1970er eine enge Korrelation zwischen Enegergiehunger und Wirtschaftswachstum.

Until the 1970s, energy and GDP were nearly perfectly correlated; a 5% in- crease in GDP required a 5% rise in energy consumption (Cleveland) […]

Soaring GDP in the 20th century was tightly linked to soaring burning of fossil hydrocarbons. Society doesn’t yet recognize these links because we conflate the dollar cost of energy extraction (tiny) with the work value (huge). Energy is only substitutable with other similar quality energy. Increasingly, advanced technology is achieved with energy, and most technological advances increase future energy requirements.

Das Paper geht noch tiefer und hat auch eine interessante Betrachtung von Schulden, aber mir geht es um die Totalitätsbetrachtung des Kapitalismus ansich.

Wir alle sitzen in unseren je unterschiedlichen Nischen dieses materiell-semantischen Komplexes und so haben wir erstmal völlig unterschiedliche Perspektiven darauf. Weil wir sequenzielle Wesen sind, nehmen wir von diesem Ort aus immer nur eine Pfadgelegenheit nach der anderen wahr. ein Wort, ein Schritt, ein Gedanke, eine Handlung nach der anderen. Egal, in welchem Netzwerk wir unterwegs sind: Wir sind Pfadwesen.

Und das gilt für die Gesamtheit des materiell-semantische Komplex des Kapitalismus eben auch? Seine Pfadabhängigkeiten sind unsere Pfadabhängigkeiten, unsere Pfadentscheidungen schreiben seine Pfadgelegenheiten fort; er bewegt sich wie wir und mit uns und durch uns pfadopportunistisch durch seine Umwelt. Wir sind mit dieser Struktur verwachsen und das macht das Problem so vertrackt.

Dazu kommt, dass wir darüber kaum reden können, weil wir keine Sprache dafür entwickelt haben. Unsere Semantiken des „Marktes“, des „Geldes“ und des „Individuums“ stehen unserem Nachdenken über unsere Pfadabhängigkeiten aktiv im Weg. Aus demselben Grund, warum wir Macht ausblenden, verpassen wir unseren eigenen Untergang.

Weil Netzwerkeffekte/Netzwerkmacht Infrastruktureffekte sind, muss man zuerst eine Menge Unsinn verlernen und dann erstmal seine eigene Vulnerabilität gegenüber den eigenen Infrastrukturen eingestehen, also nicht nur eingestehen, dass man abhängig ist, dass man beeinflussbar ist, sondern dass man immer schon beeinflusst war. Man muss sich als abhängiges, immer schon in den Strukturen anderer eingezwängtes und allerlei Machteinflüssen ausgesetztes Wesen begreifen.

Ja, das tut weh. Sorry, aber ich fürchte, da kommen wir eh nicht mehr dran vorbei?


Jane Goodall ist tot und erst letztens lief auf Netflix eine Doku-Serie über und mit ihr und jetzt, nach ihrem Tod, veröffentlichen die Macherer*innen Ausschnitte des Interviews, die Goodall erst nach ihrem Tod veröffentlicht sehen wollte.

Ich finde, man merkt ihr beim Sprechen die Angst an. Das ist nicht die Angst vorm Tod, sondern die Angst um uns, die Angst um das Projekt Menschheit.


Um meinen Überlegungen zur Plattformmacht etwas mehr Kontext zu verleihen, habe ich auch an einer dynamischen, zeitbasierten Simulation gearbeitet (in Zusammenarbeit mit ChatGPT und Claude).

In der Simulation haben wir ein Haufen der bekannten Social Media Netzwerke, aber auch „Offline“ als eigene Sektion. Das Modell rechnet damit, dass ca. 5 % der User ständig das Netzwerk wechseln und die Subsititionsmatrix entscheidet in jeder Iteration darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit die User von einem Netzwerk ins andere wechseln. Es ist also quasi eine Markow-Simulation.

Markow-Modelle sind deswegen so gut geeignet, Macht zu modellieren, weil sich Macht nie direkt, sondern wie jede Struktur, immer nur als verknüpfte Wahrscheinlichkeit äußert. Wenn wir zwischen Netzwerk A, B und C mit unterschiedlicher Netzwerkmacht wählen, bedeutet Cs Machtvorsprung nicht, dass wir gezwungen sind, zu Netzwerk C zu wählen, aber dass wir wahrscheinlicher zu C wechseln, als zu A. und wenn ich zwischen den Netzwerken wechsle, dann ist eben nicht gleichwahrscheinlich, in welches Netzwerk ich wechsle, usw.

Ich habe versucht einen Feedback von der errechneten Plattformmacht auf die Subsitutionsmatrix mit einzubeziehen, also die Matrix bei jeder Iteration zu aktualisieren. Über die genaue Berechnung müsste man nochmal brüten, aber auf diese Weise zeigen die Userströme sowohl Machtakkumulationeffekte, als auch die Angreifbarkeiten von Plattformmacht.

Man kann die Purge-Koalition ein- und ausschalten, einzelne Netzwerke dabei ein- oder ausschließen. Außerdem kann man in jedem Netzwerk eine „böse Sache“ tun – denkt an die Twitterübernahme von Elon Musk oder den Cambridge Analytica Skandal bei Facebook. In diesen Fällen springen ein signifikanter Teil (ich glaub 10 %?) der User von der Plattform ab, und der Nutzen – γ – sinkt für drei Iterationen, erholt sich aber knapp unterhalb des vorherigen Werts wieder.

Auch die Purge-Koaliton ist in diesem Modell ein „Böses Event“ und lässt viele User von den betroffenen Plattformen fliehen, was den Thanos-Effekt logischer und erwartbarer Weise etwas mitigiert (nur doch knapp Verdopplung, statt Verdreifachung der Plattformmacht). Außerdem kann man Enshittyfication ausprobieren: dabei sinkt der γ-Wert weniger aber dauerhaft. So schöpft die Plattform „Wert“ ab.

γ ist wie in allen vorherigen Rechnungen aus Verlegenheit einfach überall auf 1 gesetzt und γ‘ – also der Wert der unerwarteten Pfadgelegenheiten wird bei jeder Iteration anhand von γ mit einem festen Prozentsatz errechnet, das heißt also, eine Plattform, die γ verliert, verliert auch an Pfadgelegeneheits-Wachstum. Ansonsten ist die Veränderung γ fest an das Nutzerwachstum gekoppelt.

Ihr merkt, das ist keine Simulation, um konkrete Ergebnisse zu errechnen, oder Zukunftsvorhersagen zu machen, sondern dient dazu, sich Effekte, Verhältnisse und Systematiken plausibel zu machen. Es ist voller willkürlicher Designentscheidungen und Pi mal Daumen Werten (die man aber perspektivisch durchaus mit besseren Daten ersetzen kann). Es ist ein Prototyp, der ein paar Dinge zeigen kann aber vor allem das generelle Konzept und die Funktionsweise von Plattformmacht erklärt.

Auch wenn das nur ein Prototyp ist, kann man viele Dinge ausprobieren und bekommt halbwegs plausible Ergebnisse. Das Modell auszubauen wäre ein echtes Forschungsprojekt und das kann ich gerade nicht so nebenbei leisten, deswegen belass ich das erstmal so. Have fun.


Luke Kemp vom Centre for the Study of Existential Risk in Cambridge schreibt im Guardian über den Kollaps.

“I’m pessimistic about the future,” he says. “But I’m optimistic about people.” Kemp’s new book covers the rise and collapse of more than 400 societies over 5,000 years and took seven years to write. The lessons he has drawn are often striking: people are fundamentally egalitarian but are led to collapses by enriched, status-obsessed elites, while past collapses often improved the lives of ordinary citizens.

Today’s global civilisation, however, is deeply interconnected and unequal and could lead to the worst societal collapse yet, he says. The threat is from leaders who are “walking versions of the dark triad” – narcissism, psychopathy and Machiavellianism – in a world menaced by the climate crisis, nuclear weapons, artificial intelligence and killer robots.

Jaja, man sollte bei Leuten aus derartigen Zukunftsinstitute vorsichtig sein, aber ich mag seine Gedanken. Unsere Historie, unsere Erzählungen, Selbsterzählungen und Begriffe sind von Beginn an bis zum Bersten vollgestopft mit Propaganda der jeweils Mächtigen und sie grundlegend zu hinterfragen muss der erste Schritt sein, wenn man sie verstehen will.

His first step was to ditch the word civilisation, a term he argues is really propaganda by rulers. “When you look at the near east, China, Mesoamerica or the Andes, where the first kingdoms and empires arose, you don’t see civilised conduct, you see war, patriarchy and human sacrifice,” he says. This was a form of evolutionary backsliding from the egalitarian and mobile hunter-gatherer societies which shared tools and culture widely and survived for hundreds of thousands of years. “Instead, we started to resemble the hierarchies of chimpanzees and the harems of gorillas.”

Instead Kemp uses the term Goliaths to describe kingdoms and empires, meaning a society built on domination, such as the Roman empire: state over citizen, rich over poor, master over slave and men over women. He says that, like the biblical warrior slain by David’s slingshot, Goliaths began in the bronze age, were steeped in violence and often surprisingly fragile.

Goliath states do not simply emerge as dominant cliques that loot surplus food and resources, he argues, but need three specific types of “Goliath fuel”. The first is a particular type of surplus food: grain. That can be “seen, stolen and stored”, Kemp says, unlike perishable foods. […]

The second Goliath fuel is weaponry monopolised by one group. Bronze swords and axes were far superior to stone and wooden axes, and the first Goliaths in Mesopotamia followed their development, he says. Kemp calls the final Goliath fuel “caged land”, meaning places where oceans, rivers, deserts and mountains meant people could not simply migrate away from rising tyrants. Early Egyptians, trapped between the Red Sea and the Nile, fell prey to the pharaohs, for example.

“History is best told as a story of organised crime,” Kemp says. “It is one group creating a monopoly on resources through the use of violence over a certain territory and population.”


Der wunderbare Videoessay Leviathan von Alexander Beiner wurde mir von kaa Faensen empfohlen und ich sehe mich mal wieder darin bestätigt, dass ich hier nichts neues oder außergewöhnliches erzähle, sondern vielmehr sammle und konzentriere, was „in der Luft liegt“.

Zumindest sieht auch Beiner in den aktuellen politischen Unruheherden den Anfang vom Ende des Individuums. Ich gehe nicht alle seine geschichtlichen Eindordnungen mit, aber im Großen und Ganzen kann ich den Film als Einführung in die dividuelle Weltsicht nur empfehlen.

Der Thanos-Effekt

Ich bin gerade etwas in einer Ausnahmesituation. Mit Krasse Links 69 hatte ich einen Durchbruch im Verständnis von Netzwerkeffekten, bzw. Plattformmacht, ein Thema über das ich seit 15 bis 20 Jahren nachdenke und über das ich promoviert habe. Auf der anderen Seite war die neuerliche Motivation, die Plattformforschung wieder aufzunehmen und sie mit dem relationalen Materialismus weiterzuentwickeln, Angst. Wirkliche Angst vor einer Graphnahme und effektiven Gleichschaltung der digitalen Öffentlichkeit.

Ich hatte schon lange ein flaues Gefühl im Magen, seit es um den Tiktok-Verkauf ging, mehr noch, als Larry Ellison als Käufer ins Gespräch kam aber ich hatte genug Themen, die schlimm waren, also habe ich das Thema trotzdem eher nebenbei verfolgt.

Erst beim Schreiben des letzten Newsletters stieß ich auf den tieferen Grund für das flaue Gefühl: ich sah die Möglichkeit einer Koalition aller großen Plattformen: Genauer: eine Purge-Koalition auf pro-palästinensische (und im Endeffekt alle linke) Accounts.

Ich denke, jeder von euch versteht auf Anhieb, dass das ein Problem ist und dass die personellen und deren ideologischen Parameter der Bieterkonstellation alles andere als Grund zur Beruhigung gibt, ist hoffentlich auch allen klar. Wir reden hier über ein sehr wahrscheinliches Szenario – ich würde fast sagen, ein unumgängliches, wenn der Deal durchgeht.

Aber was ich glaube, was noch nicht verstanden wird, ist die Skalierung des Problems. Mir war sie jedenfalls nicht wirklich bewusst, bevor ich sie mir selbst, Schritt für Schritt, plausibel gemacht habe.

Der Grund, warum der Purge in der Koalition möglich wird und vorher aber nicht, liegt daran, dass ihre Macht durch die Koalition nicht additiv wächst, sondern sich vervielfacht. Ich nenne das den Thanos-Effekt. Aus dem Newsletter:

Wie die Infinity Stones haben die einzelnen Plattformen jeweils eine enorme Plattformmacht, aber wenn man sie kombiniert – so dass die Alternativen wegfallen, explodiert die entstandene Macht weit über die kombinierte Plattformmacht der Einzelplattformen hinaus.

Im Newsletter habe ich versucht, die Plattformmacht der Purge-Koalition ins Verhältnis zur Twitterübernahme durch Elon Musk zu setzen und dabei so grob überschlagen, dass die akkumulierte Plattformmacht der Purge-Koalition irgendwo zwischen 90 und 180 mal so groß, wie die Plattformmacht von Twitter 2022 sein wird. Der fucking Todesstern.

Aber hier will ich den Thanos-Effekt selbst plausibel machen.

Dafür nehmen wir die Formel für Plattformmacht und modellieren die Purge-Koalition mit möglichst realistischen Daten.

Ich habe die Schritte mit Chat-GPT als editierbare Modell-Rechnung auf dieser Website nachvollziehbar gemacht.

Zunächst bauen wir uns eine Subsitutionsmatrix der involvierten Plattformen. Darin geben wir an, wie sehr oder nicht, eine Plattform für die andere austauschbar ist, also eine grobe Annäherung an die Idee der Wechselkosten, nur relational zwischen den Plattformen. Das sind Schätzwerte, aber ich finde sie in sich plausibel?

Die Idee ist einfach. Instagram ist nett, aber wenn die doof werden, kann ich relativ günstig zu Tiktok wechseln, aber weniger einfach zu Youtube. Oder Elon macht Ärger, dann ist Threads nicht weit, aber Tiktok ist weniger eine Alternative, etc. Die Plattformen sind einander keine vollen Substitute, aber … something to work with – in unterschiedlichem Maße.

Indem wir die Zeilen aufaddieren, können wir damit den Wert für die Pfadalternative (γ,x), also die durchschnittliche Austauschbarkeit der jeweiligen Plattform errechnen.

Danach holen wir uns die Monthly Active Users (MAUs) der Plattformen und setzen die erwarteten und unerwarteten Pfadgelegenheiten (γx + γ‘x) – wie im Rechenbeispiel im Newsletter – auf 1.

Erklärung dazu: Ja, dass die Plattformen alle ähnlich wertvolle Pfadgelegenheiten bieten ist unrealistisch, aber es ist quasi unmöglich den Wert von Pfadgelegenheiten zu messen, jedenfalls fallen mir keine überzeugenden Proxis ein. Wer eine Idee hat, ist willkommen. Das Ist aber in diesem Fall auch nicht so wichtig, denn die Veranschaulichung der Rechnung funktioniert auch unter der Annahme, einheitlicher Pfadgelegenheitswerte und ich gehe sogar fest davon aus, dass der Effekt bei realistischeren Werten für (γx + γ‘x) derselbe wäre, und im Verhältnis zu anderen Plattformen außerhalb der Koalition (die ich hier der Einfachheit halber jetzt weggelassen habe) eher stärker wird, als schwächer.

Damit haben wir jetzt alles zusammen, um die Plattformmacht der einzelnen Plattformen zu berechnen.

Im Falle der Koalition passiert nun folgendes: Es bildet sich quasi eine neue Plattform mit der MAU-Größe der aufaddierten Einzelplattformen, aber statt dass die akkumulierten Pfadgelegenheiten durch ihre Pfadalternativen (γ,x + 1) aus der Subsitutionsmatrix dividiert werden, setzen wir γ,x = 0,1 und dividieren also durch (0,1 + 1 = 1,1). Weil plötzlich (fast) alle Pfadalternativen wegbrechen. Die User sind gefangen.

Was man hier sieht: Die Plattformmacht der einzelnen Plattformen aufaddiert ergibt bereits unglaubliche 3.596, aber die Plattformmacht der Koalition ist 2,82 mal so groß wie die aufaddierten Plattformmächte und liegt bei 10.137.

Das ist der Thanos-Effekt. Nur durch die Eliminierung der Pfadalternativen hat jede Plattform jetzt fast drei mal mehr Macht über dich, als vorher. Und ja, wenn du mehrere Accounts auf den betreffenden Plattformen hast, musst du den Effekt auf dich entsprechend multiplizieren. Wenn du die Purge-Koalition verlassen willst, musst du nicht nur dein Instagram und dein X Konto aufgeben, sondern eigentlich alles von big Tech: Google, Tiktok und alle Metadienste. Das ist ne Menge Lockin.

Was bedeutet das für dich?

Das bedeutet, dass die Koalition dadurch bemächtigt ist, mehr und schlimmere Dinge zu tun, die gegen deine Interessen, Erwartungen und Prinzipien verstoßen, bevor du die Abhängigkeit auflöst. Effekt: Der Purge wird als Pfadgelegenheit für die Koalitionäre real. Und was ihnen sonst noch so einfällt.

Es bedeutet auch – das muss man sich vergegenwärtigen – auch für alle anderen Nutzenden. Du schaffst den Absprung vielleicht, weil du nicht so investiert bist, in die beteiligten Plattformen.

Aber wie die Formel nahelegt und wir am Beispiel der Twitterübernahme gesehen haben, ist die Wahrscheinlichkeit für Nutzende zu gehen, umgekehrtproportional zu ihrem Erfolg auf der Plattform. Klar, die Großen Accounts haben am meisten zu verlieren und weil sie da bleiben, halten sie auch den Großteil der anderen Nutzenden auf der Plattform. Und weil große Accounts auch außerhalb eine große Öffentlichkeitsmacht haben, verändert sich der Diskurs, auch über die Plattform hinaus.

Wenn du die Werte für unrealistisch hälst, oder Dinge ausprobieren willst, kannst du auf diese Website gehen und an allen Werten rumspielen.

Die Möglichkeit der Purge-Koalition ist real und katastrophal gleichzeitig. Wie ich im Newsletter schreibe:

Was uns bevorsteht, ist die endgültige Graphnahme und Gleichschaltung der digitalen Öffentlichkeit durch Trump, Netanjahu und ihre Tech-Oligarchenfreunde.

Der Newsletter hat leider die Message nicht rüberbringen können, das Feedback war zwar positiv, aber auch nicht tiefgehend oder kritisch. Daher ein extra Aufruf: Bei Kritik, Fragen und Unklarheiten, schreibt gerne in die Kommentare oder schreibt mir ne Mail.

Um aber einem Einwand vorauszukommen: Nein, die Pfadalternativen werden sich nicht schon von allein bilden, „wenn der Markt dafür da ist“. Das ist neoliberal gebrainwashter Bullshit.

Ich hab früher immer gesagt: Der Markt sind drei Oligarchen im Trenchcoat und ich weiß, dass das eine etwas unterkomplexe Sichtweise ist. Was ich eigentlich meine: Der Markt ist Infrastrukturrelational materielle Infrastruktur: In diesem Fall Datencenter, Glasfaserleitungen, aber eben auch: pfadabhängige Beziehungen, Verbindungen, Bedürfnisse, soziale Kontakte, berufliche Chancen, etc. die außerhalb der Plattform erst mühsam wieder aufgebaut werden müssen – wenn das überhaupt geht.

Mit der politischen Ökonomie der Pfadgelegenheiten können wir deswegen weniger unterkomplex sagen:

„Der Markt“, aus Usersicht, ist die beliebig fein granular aufschlüsselbare Subsitutionsmatrix von oligarchenabhängigen Pfadgelegenheiten im Trenchcoat.

Natürlich werden freie Konkurrenzplattformen – wie bei der Twitterübernahme – im Falle des Purge enormen Zulauf haben und unten am Boden sieht es dann manchmal so aus, als würde man das Spiel gewinnen. Aber schau, was es bei der Twitter-Übernahme geschehen ist: die meisten sind geblieben und Mastodon, Bluesky und Threads haben X nur eine Delle verpasst, aber seine Hegemonie als öffentlichen Diskursraum nicht wirklich angegriffen.

Netzwerkeffekte sind real. Es wird Zeit, sich mit ihnen zu befassen.

Edit 5.10.25: Ein weiterer Einwand zum einfangen: Warum betrifft mich das? Ich bin gar nicht auf diesen Plattformen, nutze Bluesky/Mastodon, zur not les ich ein Buch?

Das ist das, was ich auf meiner langen Reise herausgefunden habe: man kann Netzwerkeffekte nur verstehen, wenn man aus der individualistischen Perspektive aussteigt und versucht, das Dividuum zu denken. Also zunächst sich selbst als Dividuum zu denken und dann von sich auf andere zu schließen und anschließen versuchen, mit dieser anderen Perspektive die Welt zu interpretieren. Bei dieser Übung bekomm ich dann nach und nach ein besseres Gespür dafür, wie die Dinge, wie z.B. Diskurs, Medien, Öffentlichkeit, Technologie, Macht, Kultur, Politik, etc. miteinander zusammenhängen und all das auch mit mir. Es ist tatsächlich mehr ein Einüben, als ein Verstehen. Ich selbst hab es bei Donna Haraway gelernt, aber es gibt auch andere Einstiege. Spinoza, Nikolaus von Kues, Deleuze, Guttari aber das haben mir nur andere berichtet.

Der Grund, warum es eher eine Übung ist, als ein Verstehen, ist natürlich, dass wir allesamt die Subjektperspektive des „Invididuums“ seit unserer Kindheit eingeübt (bekommen) haben, denn zumindest hier im Westen ist sie seit Anfang des 20sten Jahrhunderts die hegemoniale Perspektive auf die Welt und wie alle Standards haben Metaphysiken Switching Costs. Im Fall des Individuums sind es erhebliche Switching Costs, weil es als Pfadsetzung so tief in unserem dividuell kulturellen Koordinatensystem verankert ist und viele ihre Identitäten pfadabhängig darauf aufgebaut haben.

Aber wenn man sich an vielen Beispielen immer wieder plausibel macht, wie wie oft das Individuum als plausible Erzählung nicht funktioniert und stattdessen aufzeigt, auf wie vielfältige Arten wir immer schon miteinander verbunden sind und diese Beziehungen für sich und andere sichtbar macht, dann – das hab ich jedenfalls so erlebt – wird es stellenweise möglich, die Infrastrukturvergessenheit des individualistischen Blicks zu überwinden und naja, zu sehen, was vor einem liegt. Ich sags gleich: Das was man dann sieht, ist nicht schön, aber darum geht es: trotzdem hinsehen. Verstehen. Ein Stückweit ehrliche Verantwortung übernehmen für die Gesamtscheiße, denn ob wir wollen oder nicht: auch wir sind Komplizen, denn auch wir sind pfadabhängige Profiteure. Das ist das Projekt, dass ich in meinem Newsletter eigentlich verfolge: Die eilige Konstruktion einer Off-Ramp aus einem toxisch gewordenen Individualismus. Für mich selbst, aber auch für alle, die mitkommen wollen.

Anderes Beispiel: Klimawandel. Wir können ewig über individuelle „Footprints“ streiten, aber das lenkt nur von der Wahrheit ab, die zwar klar vor uns liegt, die aber nur wenige sehen wollen: wir haben unsere Infrastruktur – den Kapitalismus – so eskalieren lassen, dass sie uns erwürgt.

Das heißt, der Einwand: „Warum betrifft mich das?“ klingt bei mir ungefähr so, wie: Klimawandel muss mich nicht interessieren, ich kauf ja Bio.

Edit 16.11.2025: Hier geht es zu einem Explainer für die theoretischen Grundlagen des Ganzen.

Edit 16.11.2025:

Hier eine dynamische, zeitbasierte Simulation (in Zusammenarbeit mit ChatGPT und Claude).

Krasse Links No 69

Willkommen zu Krasse Links No 69. Called den LockIn und lasst den Purge downstream fließen, heute redefinieren wir Netzwerkmacht als öffentliche Opfergabe an die Graphnahme der Öffentlichkeit.


Benjamin Netanjahu hat beunruhigend gute Laune, weil Tiktok demnächst von einem yet another rechtsradikalen US-Milliardär gekauft wird.

Man kann die Freude verstehen. Zwar hatte Tiktok bereits lange Bemühungen gezeigt, den westlichen Entscheidern nicht auf die Füße zu treten und brav propalästinensische Inhalte unterdrückt, doch das war nicht genug. Beim Tiktok-Deal ging es nie wirklich um China, sondern immer schon um Gaza.


Der yet another rechtsradikale Tech-Milliardär ist Larry Ellison, der neulich in einem öffentlichen Meeting seine Zukunftsvision teilte:

“Citizens will be on their best behavior, because we’re constantly recording and reporting everything that is going on,” Ellison said in an hour-long Q&A during Oracle’s Financial Analyst Meeting last week.

Ellison ist Gründer von Oracle, battelt sich seit neustem mit Musk um Platz 1 der reichsten Menschen der Welt, ist ein enger Trumpvertrauerter und früher Unterstützer und vor allem ist er best Buddy mit Netanjahu und das zionistische Projekt liegt ihm so am Herzen, dass er erst kürzlich, ganz persönlich viele Millionen Dollar an die IDF spendete.

Netanjahus gute Laune ist mehr als verständlich.


Alex Rollins Berg in The Point mit einem enorm lesenswerten Essay über Shooterkultur als sinnentleertes Medienspektakel im Kontext der Hollywood-Tradition von Gewaltdarstellungen.

In Empty Moments, the film scholar Leo Charney argues that “drift”—the inability to hold onto a stable present—is the defining feature of modernity. Violent spectacle jolts us into momentary contact with something that feels real, however horrifying it might be. Social media, like Edison’s cinema of attractions, doles out violence as a stimulant. By discarding context and moral frameworks, the violence is aestheticized and reduced to slop—slickly produced yet strangely hollow, gesturing at importance without actually achieving it. What matters most isn’t what the violence means or why it was perpetrated, only that it draws attention. Its shallowness invites viewers to project their own interpretations—or just enjoy the show.

Ich hab auch einiges gelernt, unter anderem, dass die Colombine Attentäter, damals 1999, im Vorfeld Videotapes aufgenommen haben – die „Basement Tapes“, die nie an die Öffentlichkeit kamen und nach der Auswertung und der Sichtung durch die Angehörigen vernichtet wurden. Damit reiht sich schon Columbine als frühe Pfadsetzung in die Shooterkultur ein.

Aber für Berg beginnt die Geschichte noch viel früher: bei den Kinetoskopien von Thomas Edison, in dem er einen Elefanten durch elektrischen Strom töten lässt.

In 1903, Thomas Edison produced Electrocuting an Elephant, a film just over a minute long that documents the execution of Topsy, a Coney Island circus elephant that trampled a jeering spectator.

Was Berg nicht schreibt, ist, warum Edison den Film produzierte. Er ließ den Elefanten mit Wechselstrom töten, um den Menschen zu demonstrieren, wie gefährlich der ist, im Gegensatz zum Gleichstrom, den er damals als bisher einziger Strom-Oligarch anbot und dem George Westinghouse mit seinem immer erfolgreicher werdenden Wechselstrom-System zunehmend Konkurrenz machte.

Die ersten Opfer der Plattformkriege sind Tiere.“ so begann ich die Geschichte des ersten Plattformkriegs, den „War of currents„, im Plattformbuch. Plattformkriege sind Kriege um die Pfadsetzung zur Herstellung von Hegemonie des eigenen Standards: Gleich- vs. Wechselstrom, VHS vs. Beta, Apple vs. PC, Netscape vs. Internet Explorer, Tiktok vs. Instagram, etc. Wer den Pfad zur richtigen Zeit setzt und mit den Netzwerkeffekten schwimmt, kontrolliert das Ökosystem.

Dass aber die öffentliche Opfergabe zur Plattformkultur seit Edisons Zeiten dazugehört, und offenbar die ganze Zeit mitgewachsen ist, finde ich eine bemerkenswerte Beobachtung, von der ich noch nicht so recht weiß, was ich damit anstelle.


Das Ziel der Plattformkriege ist die Graphnahme, wie ich im Plattformbuch weiter ausführe.

So wie die Landnahme die Ordnung eines Staates auf einem Territorium begründet, begründet die Einnahme eines Graphen die Ordnung einer Plattform. Der Medienwissenschaftler Christoph Engemann hat die Macht, einen Graphen zu kontrollieren, deswegen auf den Akt der „Graphnahme“ zurückgeführt. Engemann hält die Graphnahme für eine übersehene, aber nichtsdestoweniger entscheidende machtpolitische Komponente zeitgenössischer Geopolitik. Seit Edward Snowden wissen wir, dass vor den Plattformen bereits die Geheimdienste, insbesondere die NSA, an einem Weltgraphen gearbeitet haben – also an der Idee, alle stattfindenden Verbindungen der Welt zu kartographieren. Auch das US-Militär arbeitete bereits seit dem letzten Irakkrieg mit sozialen Graphen, um Verbindungsmänner zu Terrorzellen zu identifizieren, Kommandostrukturen feindlicher Kämpfer zu analysieren und in diese Verbindungen durch diverse taktische Manöver einzugreifen – eine Praxis, die auch „graph shaping“ genannt wird.

Graphen sind ebenjene unterliegende Architektur, die eine Plattform nicht selbst herstellen kann. Eine Plattform kann die Voraussetzungen schaffen, um die Verbindungen zu ermöglichen – als erwartete Selektion potentieller Verbindungen. Aber der Graph einer Plattform ist nur zu etwas nütze, wenn er in den konkreten Verbindungen mit einer Realität außerhalb der Plattform korreliert: “echte” Musikleidenschaften, bedeutende Freundschaften, bedeutende Bedürfnisse, bedeutende Interessen, bedeutende Orte, Wege oder Leidenschaften.

Und hier ergibt sich eine weitere Parallele zwischen Graph und Raum. Durch die ungleiche Verteilung der Verbindungen, etwa bei skalenfreien oder Small-World-Netzwerken, kommen vor allem die lokalen Netzwerkeffekte zum Tragen. Ein Cluster oder ein Hub sind immer auch Amplituden lokaler Netzwerkmacht. Stellt man sich die Netzwerkmacht als Höhen vor, bzw. deren Abwesenheit als Tiefen, dann wird aus der Topologie eine Topographie. Der Graph bildet dann durch das Zusammenspiel von lokalen und negativen Netzwerkeffekten widerständige, zerklüftete Landschaften ab, mit Bergen, Tälern, Schluchten, schwer überwindbaren Flüssen und Küsten. Wie die Strategien der Landnahme müssen sich auch Strategien der Graphnahme an solchen Gegebenheiten orientieren. Im Musikgraph können Hip-Hop-Fans und ihre Musik zum Beispiel so einen Cluster/Hügel bilden, der neben anderen Hügel wie Metal oder Klassik existiert und nur wenig Überschneidungen aufweist. Einen solchen Hügel zu erobern ist schwer, ihn zu halten einfach. Er ist zudem eine gute Ausgangsbasis, um von dort weitere Eroberungen vorzunehmen. Unverbundene Teile des Netzwerkes bilden dagegen so was wie eine natürliche Grenze, die die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs minimiert, und ein Territorium leichter abgrenzbar macht.206 Alle Hügel und Täler zusammen bilden dann den jeweiligen globalen Graphen eines Interaktionszusammenhangs.

Heute würde ich es anders malen: Der Graph ist ein weit verzweigter Strom aus Pfadgelegenheiten und die Hügel sind Flaschenhälse, wo sich die Flüsse durch Engstellen zwängen.

Weil jede Person auf einer Plattform eine potentielle Pfadgelegenheit für die anderen ist, gilt auf Plattformen eine Art Metcalfe’s Law, d.h. die Pfadgelegenheiten entwickeln sich exponentiell zum Nutzerzuwachs, nur dass in der Realität die Pfadgelegenheiten aus Sicht des Einzelnen eben nicht gleichwertvoll sind (99,99 Prozent der Inhalte und Nutzenden jeder Plattform interessiert mich ja nicht).

In meiner Doktorarbeit habe ich mich der Netzwerkmacht von Plattformen grob so angenähert, dass die Macht (P) der Plattform (c) gegenüber einem Nutzer (x) die Summe der Abhängigkeiten (D) von den Nutzenden mit denen er auf der Plattform interagiert (y) ist, geteilt durch die Anzahl (n) der alternativen Plattformen nc‘ + 1 (für die Plattform c und um nicht durch Null zu teilen).

Die Idee und Notation basiert auf Richard Emersons Aufsatz von 1963 „Power-Dependence Relations„, der Macht als wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis definiert und ist das Fundament meiner politischen Ökonomie der Abhängigkeiten.

Edit 16.11.2025: Hier geht es zu einem Explainer für die theoretischen Grundlagen des Ganzen.

Damals hab ich noch versucht, das Problem in Objekten zu denken, statt in Pfaden, aber weil Abhängigkeit ja nur die Rückspiegelperspektive auf gewählte Pfadgelegenheiten ist, können wir die Formel eleganter fassen. Wir ersetzen D(y|x) mit dem „Wert“ der über die Plattform für x verfügbaren und genutzten Pfadgelegenheiten (γx), und die alternative Plattform (nc‘) ersetzen wir durch (γ,x), den Wert der für x verfügbaren Pfadalternativen zu γx. Das +1 steht nachwievor für Plattform c, bzw. jetzt konkreter: für die irreduzibele Pfadgelegenheit, die Plattform c bietet, für alles, was im Zähler steht. Das macht Sinn, denn ohne 1 – ohne mindestens einen Pfad – ist alles nichts.

\Huge P(c|x) = \sum_{}^{}\frac{\mathrm{γ}_{x}^{}}{\mathrm{γ,}_{x}+1}

Die Macht (P) der Plattform (c) gegenüber einem Nutzenden (x) ist die Summe der Pfadgelegenheiten (γx), zu denen x durch die Plattform Zugang hat, geteilt durch die für x erreichbaren Pfadalternativen (γ,x) + 1.

(Ich denke, es ist offensichtlich, warum ich Gamma als Zeichen für Pfadgelegenheit nehme, und Gamma Komma, um eine alternative Pfadabhängigkeit darzustellen, aber hier sprech ichs mal an: hγbsch oder?)

In der politischen Ökonomie der Pfadgelegenheiten (Ich benenne sie hiermit um!) ist Macht bekanntlich relative Netzwerkzentralität im Netzwerk der Pfadgelegenheiten. Genauer: eine Kombination verschiedener Netzwerkzentralitäten: relative Betweenness-Netzwerkzentralität (schwer austauschbar) bei gleichzeitig nomineller Degree-Netzwerkzentralität (hohe Popularität) und/oder hoher Eigenvektor-Netzwerkzentralität (z. B. mächtige Kund*innen, Geschäfspartner*innen). Das erreichbare Maximum in diesem Spiel ist folglich das Monopol über alle Pfadgelegenheiten, aber man kann auch gute Margen verdienen, wenn man nur einfach eine relativ hohe Betweenness-Netzwerkzentralität im Vergleich zu seinem lokalen Umfeld erlangt.

Die Formel ist gewissermaßen die subjektive Messung von Netzwerkzentralität: γx entspricht der gewichteten Degree-Zentralität aus Nutzerperspektive, während die Division durch alternative Pfade γ,x eine Annäherung auf die Betweenness-Zentralität ist.

Btw. Meine lang durchdachte, aber etwas clunkyge Plattformdefinition kann man jetzt ebenfalls verschlanken:

Plattformen sind erwartete Vorselektionen potentieller Verbindungen, die unerwartete Anschlussselektionen konkreter Verbindungen wahrscheinlicher machen.

in:

Plattformen sind erwartete Pfadgelegenheiten, die unerwartete Pfadgelegenheiten wahrscheinlicher machen.

Und plötzlich fällt auf, hubs sie ist ja viel zu weit. Aber das war sie vorher schon und das liegt daran, dass ich – machtblinder weißer Dude, der über Macht schreibt, lol – den Machtaspekt einfach aus der Definition rausgehalten habe?

So ist es besser:

Plattformen sind kontrollierbare Sets erwarteter Pfadgelegenheiten, die unerwartete, aber pfadabhängige Pfadgelegenheiten wahrscheinlicher machen.

Ich könnte das ganze Plattformbuch jetzt wahrscheinlich auf unter 200 Seiten neu schreiben.

Und dann kam die Twitterübernahme durch Musk. Für Dividuen wie mich stellte sich die Frage, welchen Wert – im Sinne von Pfadgelegenheiten (Zugang zu News, Spezialinformation, eigene Reichweite, Unterhaltung, Promis, Diskurse, etc) – wir bereit waren aufzugeben, um den zugegebener Maßen mit bislang viel weniger Pfadgelegenheiten ausgestatteten Netzwerken wie Mastodon oder Bluesky eine Chance zu geben.

Das verschaffte mir zwei Datenpunkte:

  1. Ja, es gab einige Austrittswellen, die am Anfang vor allem auf Mastodon und seit letztem Jahr mehr auf Bluesky aufrauschten und immer wieder ein bisschen Leben in die Buden brachten, aber das meiste fließt immer wieder zurück ins Meer. Unterm Strich bleibt der Befund: Das absolute Worstcase Szenario, dass ein völlig durchgeknallter Faschist an die Macht der Plattform kommt und sie gezielt als Nazipropagandawaffe einsetzt, reichte nicht aus, um genug Leute zum Gehen zu bewegen. Ich behaupte: wir sehen hier nicht das Versagen des Individuums, sondern die sichtbare und monströse Wirkung von Netzwerkmacht. Die meisten wollen weg, aber halten sich gegenseitig auf X als Geisel.
  2. Der andere Datenpunkt: Der Twitterverlust tat scheiße weh. Ich glaube, es gibt nicht so viele Menschen, die verstehen können, wie tief Twitter in meine informationellen Alltagsroutinen verwoben war, wie meine Karriere und auf eine Art auch meine Identität an meinem Twitteraccount hang.

Und dieser zweite Datenpunkt – der Netzwerkschmerz – bringt mich nun dazu, die Formel anzupassen und damit auch der Definition anzugleichen. Zu den erwarteten Pfadgelegenheiten kommen die unerwarteten, aber pfadabhängigen Pfadgelegenheiten.

Die Macht (P) der Plattform (c) gegenüber einem Nutzenden (x) ist die Summe der Pfadgelegenheiten (γx), zu denen x durch die Plattform Zugang hat, plus alle Pfadgelegenheiten, die sich pfadabhängig aus γx ergeben (γ‘x) geteilt durch die für x erreichbaren Pfadalternativen (γ,x) + 1.

Und jetzt passt auch die Formel zur Definition:

Plattformen sind kontrollierbare Sets (c) erwarteter Pfadgelegenheiten (γx), die unerwartete, aber pfadabhängige Pfadgelegenheiten (γ‘x) wahrscheinlicher machen.

Es ist eben nicht nur Zugang zu News, Spezialinformation, eigene Reichweite, Unterhaltung, Promis, Diskurse, also den erwarteten Pfadgelegenheiten. Man muss sich die unerwarteten Pfadgelegenheiten γ‘x als den Strauch vorstellen, der aus erwarteten Pfadgelegenheiten herauswächst: ein Rauschen an neuen, im einzelnen unerwarteten Pfadgelegenheiten, die dann aber doch erwartet werden und zu Pfadabhängigkeiten verholzen – zur Infrastruktur. Der Großteil des „Werts“ einer Plattform liegt downstream der Engstelle, im oberen Gestrüpp, sonst würde es gar nicht funktionieren. Vor allem bei den halbwegs großen und aktiven Accounts liegt der „Wert“ vor allem in der Anerkennung, in den seltenen Fünden, in den unerwarteten Gelegenheiten, und ja, im Aufrechterhalten des eigenen Geschäftsmodells, in der Praxis einer spezifischen Soziabilität und irgendwann im eigenen Identitätsmodell – kurz: es geht schnell auch mal um Existenzen.


Adam Raz und Assaf Bondy in Geschichte der Gegenwart über die hergestellte Komplizenschaft der Israelis mit dem Genozid in Gaza.

Die Komplizenschaft wird auf zwei Ebenen hergestellt: der materiellen und der semantischen. Zunächst zur semantischen Ebene:

In unserem Buch „Lexikon der Brutalität: Schlüsselbegriffe aus dem Gaza-Krieg“ (auf Hebräisch im Pardes-Verlag, 2025) haben wir die diskursiven Mechanismen untersucht, die es der Öffentlichkeit gestatten, die in Gaza begangenen Verbrechen zu unterstützen oder sich gar daran zu beteiligen – die sprachlichen und kulturellen Instrumente, die das Unvorstellbare normalisieren und Massengräuel gesellschaftlich akzeptabel machen. Die gesellschaftliche Unterstützung und Beteiligung wird durch die Übernahme des Regierungsdiskurses gefördert, der anschließend in alltäglichen Interaktionen reproduziert und verbreitet wird, sei es am Esstisch, in Lehrerzimmern, in Supermärkten und so weiter.

Die verharmlosende Sprache bezieht nicht nur die Öffentlichkeit in staatliche Gewalt ein, sondern erleichtert auch die Umsetzung der Regierungspolitik. In diesem Sinne wird der gesellschaftliche Diskurs zu einem ‚Käfig‘, der das Denken einengt und den Raum für Dissens einschränkt. […]

Wir haben es mit einer systematischen semantischen Verschleierung gewalttätiger Handlungen zu tun. Sie fand in den letzten zwei Jahren in Israel in extremer Weise statt und kann als bewusste Strategie angesehen werden, sich gegen das stattfindende menschliche Leid zu immunisieren. Wenn Minister dazu aufrufen, „Gaza dem Erdboden gleichzumachen“, verbirgt sich hinter dieser Redewendung die reale Möglichkeit, Gebäude über den Köpfen ihrer Bewohner:innen zu zerstören. Wenn Politiker:innen aus Mitte- und Rechtsparteien von „freiwilliger Migration“ sprechen, dem derzeit gebräuchlichen technisch-demografischen Begriff, oder von der Errichtung einer „Riviera“ in Gaza, so sind dies letztlich Umschreibungen des Vorhabens, eine ganze Bevölkerung aus ihren im Krieg zerstörten Häusern zu vertreiben. Hinter dem Begriff „Kollateralschaden“ verbergen sich die Gesichter toter Frauen, Männer und Kinder. Die sprachliche Neutralisierung von Brutalität ermöglicht die Ausweitung und Eskalation des Krieges. Wie George Orwell in seinem Essay „Politics and the English Language“ (1946) bemerkte: „Die politische Sprache – und mit Abweichungen gilt dies für alle politischen Parteien, von den Konservativen bis zu den Anarchisten – ist darauf ausgelegt, Lügen wahrhaftig und Mord respektabel klingen zu lassen und reinem Geschwätz den Anschein von Solidität zu verleihen.“

Wie immer ist die materielle Ebene noch relevanter.

Während des Gaza-Krieges entstand in Israel eine neue wirtschaftliche Währung, bekannt als „reserve duty day“ (RDD), eine staatliche Vergütung für einen Tag Reservedienst. Der RDD ist nicht nur eine Zeiteinheit, sondern eine Form von Währung, mit der der Staat die aktive Partnerschaft seiner Bürger:innen bei seinem Projekt der Zerstörung und Vernichtung im Gazastreifen erkauft.

Dieser Mechanismus funktioniert wie folgt: Der Staat zahlt einzelnen Reservist:innen fast 29.000 israelische Schekel (etwa 7.400 Euro) pro Monat, damit sie sich „freiwillig“ zum Reservedienst melden. Zum Vergleich: Der Mindestlohn in Israel betrug 2025 pro Monat 6.248 Schekel (1.596 Euro), während das Durchschnittsgehalt aller Branchen 14.800 Schekel (3.781 Euro) erreichte. Der RDD bietet somit fast das Fünffache des Mindestlohns und fast das Doppelte des nationalen Durchschnitts. Er konkurriert damit direkt mit den Hightech-Gehältern, die seit langem den Goldstandard für prestigeträchtige israelische Jobs bilden.[…]

Die praktische Umsetzung dieses Systems führt zu einer Art „militärischer Gig-Economy“. Diese stellt eine bedeutende Neuerung in der modernen Kriegswirtschaft dar (oder was in der Vergangenheit als militärischer Keynesianismus angesehen wurde): RDD als öffentliche Bestechung von Privatpersonen. Die Flexibilität dieses Systems der „offenen Befehle“ wird durch die Erfahrung eines 34-jährigen Reservisten veranschaulicht: Dieser beschrieb, wie Soldaten RDDs nutzten, um Vorräte für die Grillparty der Einheit zu kaufen. Dafür registrierten sie den Metzger, von dem sie das Fleisch bezogen, als Reservisten, so dass dieser einen Anspruch auf 30 Tage Reservistenbezüge erhielt. Anstatt ihn in Schekel zu bezahlen, bezahlten sie ihn in RDD.

Diese Komplizenarchitektur wirkt wie ein materiell-semantischer Käfig, der die Interessen der Bevölkerung mit den Kriegen der Regierung alignt.

Dieses System schafft ein Netzwerk von Interessen, das wachsende Teile der Bevölkerung erfasst und ein kollektives Mitwirken an der Regierungspolitik intensiviert. Der Umfang dieses Netzwerks ist beträchtlich. Schätzungen zufolge waren im ersten Kriegsjahr über 300.000 israelische Reservist:innen im Einsatz, von denen viele noch immer für längere Zeit dienen und direkt in die Kriegswirtschaft eingebunden sind. Laut Militärdaten leisteten diese 300.000 Personen im Jahr 2024 einen durchschnittlichen Dienst von 120 Tagen, was einer Beteiligungsquote von bis zu 16 % der relevanten Bevölkerung entspricht (jüdische Männer im Alter von 21 bis 45 Jahren, abzüglich der Ultraorthodoxen, die keinen Militärdienst leisten). Der Anteil ist so groß, dass er einen wesentlichen Teil der Gesellschaft mit einbezieht.

Die psychologischen und sozialen Dimensionen dieses ‚ökonomischen Käfigs‘ sind ebenfalls wichtig. Für den Reservisten, der ein hohes Monatsgehalt bezieht, wird es psychologisch und wirtschaftlich schwierig sein, die Kriegsverbrechen zu kritisieren, an denen er beteiligt ist oder die er miterlebt. Seine Familie, die in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit von einem stabilen und respektablen Einkommen profitiert, wird weniger Motivation haben, sich gegen Militäroperationen, einschließlich systematischer Gräueltaten, zu stellen. Seine Freund:innen werden weniger geneigt sein, jemanden zu kritisieren, der sein Privatleben opfert, auch wenn er davon finanziell profitiert. Die sozialen Kreise jedes Reservisten – Familie, Freund:innen, Kolleg:innen und Nachbarn – werden zu indirekten Beteiligten an der Kriegswirtschaft und damit auch an deren Verbrechen. Dadurch entsteht ein Netz der Kompliz:innenschaft, das weit über die direkte militärische Beteiligung hinausgeht und ganze Gemeinschaften umfasst, deren wirtschaftliches Wohlergehen von der Fortsetzung dieser Verbrechen abhängt. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, in der Widerstand gegen kriminelle Politiken nicht nur politisch schwierig, sondern auch wirtschaftlich riskant wird.

Dieses System ist nicht temporär, sondern wird die israelische Gesellschaft auf Dauer prägen.

Der derzeitige Wandel ist mehr als nur eine vorübergehende Anpassung an die Kriegszeit. Er ist eine potenziell dauerhafte Veränderung des Sozialvertrags zwischen den israelischen Bürger:innen und dem Staat. Die israelische Politik wird von diesen Mechanismen weiterhin geprägt bleiben, während gleichzeitig die wirtschaftliche Abhängigkeit von militärischen Operationen normalisiert wird. Für Israel wirft diese Entwicklung grundlegende Fragen hinsichtlich des Weiterbestehens seiner Demokratie auf: Immerhin hat ein erheblicher Teil der Bevölkerung ein direktes wirtschaftliches Interesse an der Fortsetzung von Kriegsverbrechen.

Weil wir keine Individuen sind, die einen Kopf mit einer Meinung drin tragen, sondern Dividuen, die ihre Infrastruktur sind, haben Regierungen weltweit von den Plattformen gelernt, wie man Widerspruch verteuern kann.


Der Grund, warum Netanjahu zwar über Elon und Ellison spricht, aber nicht über Zuckerberg, liegt daran, dass Meta schon lange an Board ist. Schon 2023 veröffentlichte Humand Rights Watch einen Report darüber, wie Meta systematisch israelkritische und propalästinensische Stimmen zensiert, die BBC zeigte 2024, wie propalästinensische Stimmen algorithmis gedimmt werden, Dropsite News 2025 und der EFF wies u.a. darauf hin, dass Israelische Behörden – die Israeli Cyber Unit – einen privilegierten einen Löschzugriff auf Metaplattformen haben. Wer lieber Video schaut: Al Jazeera hat eine Doku zum Thema.


Aber das ist nicht alles. Bei Meta sind über 100 ehemalige IDF-Soldaten und Mossad-Agenten auf hohen Positionen.

Als geleakt wurde, dass Jordana Cutler, Metas aktuelle „policy chief for Israel and the Jewish Diaspora“ eine friedliche Studentengruppe, die „Students for Justice in Palestine“ als „Dangerous Organizations and Individuals“ flaggen wollte, war der Aufschrei groß.

Her resumé includes several years at the Israeli Embassy in Washington, D.C., where she worked in public affairs and as its chief of staff from 2013 to 2016, as well as a stint as a campaign adviser for the right-wing Likud party and nearly five years as an adviser to Prime Minister Benjamin Netanyahu. Upon her hiring in 2016, Gilad Erdan, then minister of public security, strategic affairs and information, celebrated the move, saying it marked “an advance in dialogue between the State of Israel and Facebook.”

Der strategische Wert des Verkaufs von Tiktok an die amerikanische Oligarchie ist nicht nur eine Pfadgelegenheit, bei Tiktok dasselbe harsche Regime einzuführen (das existiert dort schon), sondern geht weit darüber hinaus. Netanjahu und Trump haben jetzt die Pfadgelegenheit mit drei ihrer Tech-Buddies die gesamte westliche Öffentlichkeit zu umstellen.

Was heißt das?

Hier, was ich glaube, was passieren wird, sobald der Deal durch ist: Es wird einen plattformübergreifenden „Purge“ auf alle linken, trans- und vor allem propalästinensischen Accounts geben. Das war vorher technisch schon möglich und ich bin mir sicher, dass die Listen längst existieren, aber die Situation war noch nicht bereit.

Meta konnte seine Zensurbemühungen bislang nur sehr vorsichtig umsetzen, weil offen propalästinensische Accounts erstens verdammt viele sind, die zweitens eine teils erhebliche Reichweite haben (siehe Hasan Piker), aber vor allem, weil sie bei einer so brutalen Maßnahme erwarten müssen, jede Vertrauenswürdigkeit bei ihren Nutzenden zu verlieren, was zu einer Massenflucht zu Tiktok oder anderen Plattformen führen würde.

Sowas geht nur koordiniert. Auch Musk „ist ein Freund“, wie Netanjahu sagt und mit Druck aus dem Weißen Haus bekommen sie auch Youtube auf Linie (Wie so viele zuvor hat Youtube diese Woche ohne Not eine außergerichtliche Einigung mit Trump stattgegeben, mit der sie ihm 24,5 Millionen Dollar zahlen. Er hatte geklagt, weil sie seinen Account nach den Jan6-Riots gesperrt hatten. Der Kniefall ist bereits geschehen.). Aber all das geht nicht, solange Tiktok daraus Gewinn schlagen kann und schließlich den Plattformkrieg gewinnt.

Kurz: Mit Ellison an den Tiktok-Hebeln tun sich völlig andere Pfadgelegenheiten auf.

Wenn die Macht (P) der Plattform (c) gegenüber einem Nutzenden (x) die Summe der Pfadgelegenheiten (γx), zu denen x durch die Plattform Zugang hat ist, plus alle Pfadgelegenheiten, die sich pfadabhängig aus γx ergeben (γx‚) geteilt durch die für x zur Verfügung stehenden Pfadalternativen (γ,x) + 1, dann wird Trump im Falle der Purge-Koalition zu Thanos. Wie die Infinity Stones haben die einzelnen Plattformen jeweils eine enorme Plattformmacht, aber wenn man sie kombiniert – so dass die Alternativen wegfallen, explodiert die entstandene Macht weit über die kombinierte Plattformmacht der Einzelplattformen hinaus.

Edit: 5.10.25: Ich habe den Thanos-Effekt einmal ausführlicher in einem separaten Blogpost erklärt.

Jetzt, fragt ihr: ja schon klar, aber wozu diese Formel? Wie will man den Wert von Pfadgelegenheiten berechnen?!

Das geht natürlich nicht. Die Formel ist nicht zum rechnen da, sondern zum über die Macht der Plattformen nachdenken. Sie ist ein „narrative Device“ zur imaginativen Approximation der Wirkung von Netzwerkmacht und LockIn, entlang von groben Datenpunkten aus der Realität. Probiert’s aus: Bestückt die Formel einmal grob im Kopf mit den Pfadgelegenheiten und all den sich daraus ergebenden pfadabhängigen Pfadgelegenheiten eines durchschnittlichen Twitter-Users vor dem Muskkauf.

  • Versetzt euch in unterschiedliche Twitternutzende rein und geht die Pfadgelegenheiten durch, die sie auf der Plattform erwarten und prüft deren Pfadalternativen. Jedes Following (manchche sind auch auf anderen Diensten, die meisten nicht), jeden Interessenschwerpunkt: Spezielcommunities für die Twitter der beste Ort war, kaum ersetztbar, der Wunsch nach schnellen News, der Wunsch nach tiefen Recherchemöglichkeiten, der Wunsch nach sich öffentlich streitenden Promis, nach Unterhaltung, nach flirty DMs und nicht zu letzt der Pfadgelegenheit der eigenen Reichweite, aber bedenkt, dass den meisten Nutzenden fast alles davon egal ist.
  • Dann geht die unerwarteten, aber pfadabhängigen Pfadgelegenheiten durch: die Second Order Effects, die „strength of weak Ties“ kommen hier zum Tragen, Serendipität oder gar Emergenzphänomene, wie manche sagen, oder schlicht unwahrscheinliche Interferenzphänomene beim Sich-Überlappen heterogener Graphen. Denkt an Bekanntschaften, an Freundschaften, an beruflichen Kontakten, Aufträgen, die aus Tweets resultierten, denkt an Leute, die Twitter für ihren Beruf brauchen, denkt an Karrieren, die auf Twitter basierten, an Identitäten und dass sie wo anders kaum ersetzbar sind und dann denkt daran, dass all das für noch weniger Nutzende eine Rolle spielt.

Behalten wir all das im Kopf und teilen es – sagen wir allerhöchstens durch 2, weil es zwar mehrere Alternativen gab (Mastodon, Bluesky, später Threads), aber keine davon gleichwertig war.

Um einen Eindruck von der globalen Plattformmacht zu bekommen, multiplizieren wir das dann mit ca. 260 Millionen Twitter-Nutzenden, die Twitter damals hatte. Das ist – grob – die globale Plattformmacht von Twitter bei der Übernahme.

Dann versuchen wir dasselbe für die bevorstehende Graphnahme der Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu Twitter war Tiktok früh ein Ort der Professionalisierung mit zigtausenden „Influencer*innen“ und wahrscheinlich deutlich mehr Nutzenden, die indirekt mit Tiktok ihren Lebensunterhalt bestreiten. Dasselbe lässt sich über Instagram sagen und – deutlich weniger aber auch – für Youtube Shorts und X. Allein deswegen wird der durchschnittliche Wert der aufaddierten Pfadgelegenheiten bei den involvierten Plattformen pro Nutzenden ziemlich sicher höher als das von Twitter sein. Aber seien wir maximal vorsichtig und nebenbei auch pragmatisch und sagen, das entspricht sich grob.

Hier das eigentliche Problem: Während es damals immerhin noch sowas wie Ausweichoptionen gab, gibt es im Falle der Purge-Koalition keine Pfadalternativen (jedenfalls nicht sofort). Wenn X, Tiktok, Instagram, Facebook und Youtube alle das Purge-Regime übernehmen, sind die Pfadalternativen Null und die Formel teilt durch eins. Absolute Betweeness-zentralität zwischen dir und deinen Pfadgelegenheiten. Und wenn einem die Pfadalternativen ausgehen, dann ist man gefangen. Die ausübbare Plattformmacht entspricht im Zweifel für viele also dem ungeteilten Wert der eigenen Existenz. Klar, Widerstand ist möglich, du kannst durch Null teilen, aber dann bist du das alles halt los?

Zuletzt multiplizieren wir das durchschnittliche Userergebnis mit – *checks notes* – 12 Milliarden?!?! Mehr Accounts als es Menschen gibt?!

Nein, natürlich ist da viel Redundanz drin, aber keine Ahnung wie viel? Schätzen wir den Wert also auch hier maximal vorsichtig auf 3 Milliarden.

Wichtiger EDIT (2.10.25 16:00): Ich habe einen entscheidenden Denkfehler gemacht: Die Redundanz ist zum Großteil keine, denn man muss bedenken, dass das Dividuum, das Multihoming betreibt, also Facebook, X, Instagram und Tiktok parallel nutzt, daraus jeweils heterogene Pfadgelegenheiten zieht: Meist geht es um andere Menschen, andere Schwerpunkte, andere Themen, etc, sie müssen alle mitgezählt werden. Natürlich gibt es trotzdem Überlappungen, aber wir zählen hier Accounts, nicht Menschen. Daher ändere ich den Tiefpunkt der Schätzung auf – aus dieser Perspektive spektakulär vorsichtige – 6 Milliarden.

Wichtiger EDIT 2 (2.10.25 19:00): Sorry, ich habe nochmal nachgedacht und fand das jetzt methodisch nicht korrekt von mir. Es mag sein, dass die 12 Milliarden völlig überzogen sind und dass die Hälfte davon Bots sind, aber das gilt halt auch für die offiziellen Twitterzahlen, zu denen ich sie ins Verhältnis setze? Interessanter noch ist die Frage, warum ich mich so bemühe die Macht der Purge-Koalition kleinzurechnen … Jedenfalls, fuckit, wir gehen mit den 12 Milliarden. Wer bessere Zahlen hat, kann sie ja einsetzen.

Dann haben wir folgende Situation (bitte liebe Mathefreaks, korrigiert mich, ich war immer ne Null in Mathe und ring mir das hier übelst ab …)

Erklärung: Weil wir einerseits bereits die durchschnittlichen Pfadgelegenheiten von Twitter und der Purge-Koalition gleichgesetzt haben und deswegen kürzen können und anderseits festgelegt haben, bei Twitter durch 2 und bei Purge durch 1 zu teilen, haben wir nun dieses unschöne Macht-Verhältnis:

Oder als interaktive Website, wo man die Werte selbst wählen kann.

Was bedeutet das?

Netzwerkmacht ist wie alle Macht ein Potential und konkretisiert sich erst wenn es zum Konflikt kommt. Also wenn z.B. Elon Musk mit Twitter Dinge macht, die den Nutzenden nicht gefallen, aber sie bleiben, weil der Lockin stärker ist. Macht materialisiert sich in der Fähigkeit, anderen, die von ihr abhängig sind, weh zu tun, bevor sie die Abhängigkeit beenden und das bedeutet, dass wir beim Purge neue Datenpunkte erhalten werden.

Ich kann die Zukunft nicht vorhersehen, aber ausgehend von den Beobachtungen nach Elon Musks Twitterkauf, bin ich skeptisch, ob selbst so ein dreister, offener Purge ausreichen wird, dass die Leute in Scharen fliehen. Und die, die fliehen – davon wird es viele Millionen geben – werden sich, wie wir damals, in alle möglichen heterogenen Netzwerken verstreuen oder Offline gehen. Auf der anderen Seite werden viele auch einfach verstummen. Zumindest zu bestimmten Themen kann dann nicht mehr öffentlich geredet werden. Und: Wie wir bei der Transition von Twitter zu X auch gesehen haben: sehr viele gehen den neuen Vibe einfach mit und übernehmen die Themen, Worte, Narrative, Sprachregelungen, Perspektiven und Frames – ob bewusst, oder unbewusst. Und Zack gibt es ein neues „Normal“. Ihr habt gesehen, wie schnell das ging.

Egal für wie groß ihr rückblickend den Impact der Twitterübernahme und Instrumentalisierung zur Nazipropagandawaffe haltet: auf die Menschen, vor allem auf die „Eliten“ dort und über Bande für den Diskurs im Allgemeinen: rechnet mindestens mit dem 92-fachen davon, aber erwartet das biszu 185 fache (bei doppelt so hohen durchschnittlichen Pfadgelegenheitswerten, was ich für deutlich realistischer halte).

Das ist der fucking Todestern.

Was uns bevorsteht, ist die endgültige Graphnahme und Gleichschaltung der digitalen Öffentlichkeit durch Trump, Netanjahu und ihre Tech-Oligarchenfreunde.


Christian Stöcker mit einem interessanten fachlichen Blick auf die psychologisch falschen Annahmen der KI-Forschung.

Die Entwicklung des menschlichen Denkens vollzieht sich nicht unabhängig von unseren Körpern, im Gegenteil: Wir lernen, über die Welt nachzudenken, indem wir mit ihr interagieren. Dabei können wir irgendwann enorme Abstraktionslevel erreichen: Astrophysikerinnen oder Bioinformatiker sind permanent mit Dingen beschäftigt, die sie weder sehen noch anfassen können. Anfangen aber müssen wir alle mit Interaktionen mit der Umwelt. Unser Denken basiert darauf, genau wie unser Handeln. Wir verknüpfen in unseren Köpfen Sinneswahrnehmungen – Sensorik also – mit Handlungen – Motorik also. »Denken« ist zunächst einmal die interne Simulation dieser Verknüpfung. […]
Um Begriffe wie »Freiheit«, »Krankenversicherung« oder »Hypotenuse« lernen und verstehen zu können, müssen wir zunächst einmal Begriffe wie »Löffel«, »Stuhl« oder »Schuh« gelernt haben, und zwar auf Basis des physischen Umgangs mit ihnen. Abstraktes Denken ist eine Weiterentwicklung konkreten Denkens, keine davon unabhängige Funktion des menschlichen Geistes.

Ich finde das total logisch. Wir werden immer schon in ganz konkrete materielle und semantische Strukturen hineingeboren und deswegen begegnen uns alle Dinge und Worte als immer schon in materiell funktionale Pfade (Löffel als Pfadgelegenheit zum Brei essen), und ihre Pfadabhängigkeiten (Schüssel, Tisch, Essen), sowie in soziale Netzwerke (Mama füttert mich mich Löffel) und in semantischen Pfade („Will Löffel!“) eingebunden.

Weil wir keine Individuen sind, die sich der Welt gegenüberstellen, sondern relationale Materialist*innen, denken wir weder in „Objekten“ noch in „Begriffen“, sondern in Pfaden.

Denkt mal über das Denken nach und beobachtet euch selbst: Nachhausefinden, Planen, Sprechen, Kuchenbacken, Singen, Erzählen, Nachdenken, Erinnern, Kopfrechnen, Forschen, ein Wissenschaftlicher Versuch – all das sind Pfade. Um uns unsere Schuhe zuzubinden, müssen wir zuerst in die Hocke gehen, dann mit der einen Hand den einen und mit der anderen den anderen Schnürsenkel greifen und so weiter. Jeder Schritt ist notwendig, also eine Pfadabhängigkeit für den nächsten Schritt.

Dieselben Bewegungs-Pfadabhängigkeiten sind aber selbst wiederum in andere Kontexte eingewoben. Wenn z.B jemand im Trainingsanzug in die Hocke geht, gibt es diesen Moment der Unsicherheit, ob er sich die Schnürsenkel binden will, oder in den „Slav Squat“ geht.

Handlungen und ihre Infrastrukturen sind als materielle Pfadgelegenheiten mit dem Raum der semantischen Pfdgelegenheiten rhizomatisch verwoben. Oder anders: Semantik und materieller Weltbezug bilden einen gemeinsamen Latent Space, den wir nur von innen und immer nur entlang konkreter Pfade kennenlernen. Alles ist eins. Ja, doch, Spinoza, aber mit Übergangswahrscheinlichkeitsmatrix statt Kausalitätsketten.

Manche Pfade erweisen sich als Holzweg. So ist z.B einer unserer ererbten semantischen Pfade die Vorstellung, wir seien „Subjekte“ unter „Objekten“. Diese Vorstellung ist – ihr werdet es erraten – pfadabhängig von der Selbsterzählung als Individuum, also als insich abgeschlossene Entität, die sich als Geist (Intelligenz/Res Cogitans) der Welt (den Objekten/Res Extensa) gegenüberstellt.

Was der beschriebene Google-Roboter tut, wenn er unbeholfen Stofflappen in Plastikwannen hievt, ist menschlichem »Denken« tatsächlich näher als das, was ChatGPT tut, wenn man es auffordert, ein Gedicht über kartenspielende Hunde zu schreiben. Die Maschine muss »Begriffe« im engeren Sinn bilden. Sie muss die Worte in ihrem Sprachkorpus in Verbindung bringen mit Objekten und Konzepten in der realen Welt, etwa mit den Farben der Stoffstücke und Wannen; mit Objekten, die sie mit ihren Sensoren wahrnehmen kann und mit denen ihre Effektoren, in diesem Fall ihre »Hände«, interagieren können.

Ich bin da glaube ich noch etwas skeptisch, denn unsere menschliche Semantik ist immer in unseren materiellen Erfahrungsrahmen situiert und damit feingranular und tief verwoben. Was passiert, wenn man voneinander unabhängig erworbene Latent Spaces – den Latent Space der LLMs (Texte) und den Latent Space der materiellen Pfadgelegenheiten des Robotertrainings – einfach miteinander verbindet? So rein intuitiv kommt mir das sehr wacklig vor.

Aber ich gebe Stöcker recht, dass der weitere Weg zur KI über dem Weltbezug kommen wird und das das unschön wird.

Das ist, psychologisch betrachtet, so folgerichtig wie Furcht einflößend. Wenn die künstlichen Intelligenzen der Zukunft physisch oder anderweitig in die reale Welt eingreifen können – sei es als Haushaltsroboter mit übermenschlichen Kräften, als ultraschnelle, autonome Handelsmaschinen an den Börsen der Welt, oder gar als Drohnenschwarm , der selbstständig Ziele angreift –, dann werden die bislang teils hysterischen Warnungen vor den Gefahren durch Maschinen , die gewaltige Schäden anrichten, plötzlich viel plausibler.

Hier ein Vorschlag: Als „Intelligent“ bezeichnen wir die je nach Kriterium als erfolgreich beurteilte Navigation des Latentspace. Die Erfolgskritierien können dabei sehr unterschiedlich sein: konkrete Kompetenzen und Fertigkeiten, akademischer Grad, feindlichem Feuer ausweichen, Effizienz, die erfolgreiche Absolvierung von IQ-Tests, monetärer Erfolg, erschoßene Kombattanten, Humor, Eleganz, Höflichkeit, gehackte Infrastrukturen, soziales Geschick, Charisma, Eloquenz, „Thoughtleadership“, Agieren als autonome Kampfformation, oder einfach, wenn wir jemanden als besonders Aufmerksam für Bedürfnisse anderer wahrnehmen. „Intelligenz“ ist „erfolgreiche Navigation“ in der Metrik, die dir gerade wichtig ist.

Das „Individuum“ hat uns in sein Reich der Unverbundenheit gelockt, ins Reich der Objekte und unverbundenen Handlungen, wo die Infrastruktur immer schon da war und wir immer schon „frei“, „autonom“ und „intelligent“ waren. Ich finde, es ist Zeit, erwachsen zu werden und aus dieser kindischen Superheldenerzählung auszusteigen und uns unsere relational materiell situierte und dadurch notwendig sequenzielle Natur einfach mal einzugestehen und für unsere Pfadabhängigkeiten Verantwortung zu übernehmen.

Krasse Links No 68

Willkommen zu Krasse Links No 68. Widersteht dem Hype, die Pfadgelegenheit ist nah, heute vernetzen wir das Prisoner Dilemma mit Spinoza.


Einigen wird es aufgefallen sein: der Newsletter von letzter Woche ist leider aus versehen unfertig rausgegangen.Sorry, hier die die Vollverion.


Jimmy Kimmel darf heute Abend wieder senden. Disney hat sich damit dem öffentlichen Aufschrei und dem sich formierenden Boycott (vorerst) gebeugt.

Disney hatte zuerst öffentlichen Drohungen von Brandon Carr, dem Chef der Medienaufsichtsbehörde FCC vorauseilend gehorcht und Kimmel rausgeworfen, nachdem dieser in seiner Sendung unvorsichtiger weise andeutete, dass Kirkmörder Tyler Robinson ein rechter sein könnte. Also direkte staatliche Zensur, wegen einer unvorsichtigen Formulierung in einer Zeit der Ungewissheit. Die Hintergründe gut aufbereitet hat John Oliver.


In einem Anflug von Erkläreritis habe ich versucht, meinen Begriff der „Pfadgelegenheit“ zu erklären, woraus dieser LinkedIn-Post entstand (Sorry für Kleinschreibung, ist so ein Social Media-Tick von mir).

der begriff der „pfadgelegenheit“ ist der versuch, das amalgam aus handlung und den dafür notwendigen infrastrukturen in einen netzwerkfähigen begriff zu verpacken und so menschliche handlungen wieder an die gesellschaftlichen strukturen rückzukoppeln.

die grundannahme: du kannst nur handeln, wenn es einen weg dazu gibt. wir gehen nicht „unseren“ pfad, wir entscheiden uns zwischen materiell gegebenen pfaden.

„pfadgelegenheit“ ist so ein einfaches, unscheinbares wort, aber auch so extrem nützlich. hier ein paar beispiele:

wir haben damit eine pfadgelegenheit für eine infrastrukturbewusstere semantik:

eine pfadsetzung ist eine pfadentscheidung aus einer gegebenen menge aus pfadgelegenheiten, die rückblickend zur pfadabhängigkeit wird.

zum netzwerk werden pfadgelegenheiten, wenn man versteht, dass der ganze sinn von pfadgelegehheiten ist, neue pfadgelegenheiten zu ermöglichen.
bonusnutzen: das denken in pfadgelegenheiten entfaltet implizit und ganz automatisch eine räumliche und historische struktur, die sich durch pfad-abhängigkeiten beschreiben lässt und damit implizit auch macht abbildet. das funktioniert sowohl für materielle wie für semantische infrastrukturen.

beispiel: die einfach scheinende handlung: „nudeln kochen“ können wir mithilfe der „pfadgelegenheiten/pfadabhängigkeiten“-semantik in ein beliebig feingranulares netzwerk aus logistikunternehmen, wasserrohren, stromkabeln, historischen ereignissen, kraftwerken, weizenfeldern und arbeitsbedingungen in anderen ländern auffalten.

semantische pfadgelegenheiten:

jedes wort, jeder satz, jeder gedanke ist pfadgelegenheit für weitere semantische pfadgelegenheiten.

jedes wissen bereitet pfadgelegenheiten für neues wissen. aber auch semantische pfadgelegenheiten haben materielle pfadabhängigkeiten. bücher im elternhaus, medienkonsum, schulalltag, der vermittelte „wert von bildung“ etc.

auch: verschwörungstheorien bieten pfadgelegeheiten in andere verschwörungstheorien, „rabbitholes“ bestehen aus semantischen pfadgelegenheiten.

das netz aus semantischen pfadabhängigkeiten in das wir reingeboren wurden, ist die matrix in der wir leben. wir haben nicht genug abstand dazu, sie zu hinterfragen. jedenfalls nicht „individuell“. auch hier sind wir auf pfadgelegenheiten angwiesen, auf andere kritische beobachter*innen und ihren alternativen semantischen pfadgelegenheiten zur erklärung der welt.

aus all dem ergibt sich die endgültige dekonstruktion des „individuums“. es gibt kein ungeteiltes res cogitans, alles ist res extensa. das dividuum ist der schnittpunkt aus milliarden netzwerken. es lebt nicht nur in seiner infrastruktur, das dividuum _ist_ seine infrastruktur.

ich nenne das „relationaler materialismus“. es ist im grunde eine fusion aus sience & technology studies und graphentheorie, inspiriert von spinoza, deleuze und donna haraway.

wer das spannend findet, kann meinem newsletter folgen, wo ich diese redepraxis selbst einübe und immer mal wieder weiterentwickle.

Liked gern, oder hinterlasst einen Kommentar. Meine Inhalte haben es nicht leicht in algorithmischen Umwelten.


Eine mir selbst bislang geheim gebliebene Inspiration für den relationalen Materialismus habe ich übrigens von Baruch Spinoza (Wiki), was ich aber erst merkte, als ich dieses wunderbare Then & Now Video über seine Philosophie sah.

Ich weiß selbst nicht, wie diese Trainingsdaten-Kontamination passieren konnte – ich habe Spinoza nie gelesen, aber ich schätze, das ist unvermeidlich, wenn es um einen so pfadentscheidenen Denker geht. Vielleicht könnte die Kontamination über irgendwas mit Hegel und Weltgeist oder so passiert sein?

Die Wege im Netzwerk sind unergründlich.


Aline Blankerts mit einer guten und fairen Diskurskritik um Plattformen und ihre Regulierung, am Beispiel eines Meinungsstücks von Meredith Whittaker, die zwar eine gute Analyse liefert, aber auch mit offensichtlich inadäquaten Vorschlägen um die Ecke kommt.

But by describing a real problem and writing about an inadequate solution, it becomes harder for others to open up the window she almost closed. For example, arguing against the inclusion of AI agents at OS-level becomes harder because Whittaker focuses on how to adjust their design rather than whether they are desirable in the first place. Design fixes are not addressing the question of human agency and human connection.

In dem Buch „Power. A radical View“ von Steven Lukes geht er verschiedene Formen von Macht durch und eine, die vielen Philosophen bisher Kopfweh bereitet, war die Macht, die Agenda zu setzen.

Lukes zeigt dafür unterschiedliche Strategien auf, etwa Biases in der Gruppe zu mobilisieren, durch Institutionelle Barrieren oder über die Kontrolle des Zugangs zur Entscheider-Gruppe, etc.

Aber es braucht auch etwas anderes: Die Pfadgelegenheit einen Diskurs aufzugleisen. Denn ist ein Diskurs mit einem bestimmten Frame erstmal etabliert, akkumuliert er alle Aufmerksamkeit und alle debattieren über das für und wieder der Vorschläge innerhalb dieses Frames. Präziser: Der Frame generiert semantische und diskursive Pfadgelegenheiten, die alle pfadabhängig von seinen unausgesprochenen Setzungen und Weglassungen bleiben.

Die Pfadgelegenheit der diskursiven Aufgleisung hat selbst diverse Pfadabhängigkeiten:

  • materielle Infrastrukturen, also Medien, um am Diskurs teilzunehmen (internet, Social Media, Medienökosystem)
  • mit möglichst breiter etablierter Zuhörerschaft (zb. Economist).
  • Dazu bedarf es eine möglichst herausgehobene gesellschaftliche Stellung des Sprechenden (bekannt, renommiert, oder institutionell herausgehoben, zb. CEO von Signal)
  • und dann – das ist der kontingente Part – Timing

Ob das Timing richtig war oder nicht, also wie weit der Pfad reicht, den man beschritten hat, stellt man immer erst hinterher fest, aber die Reihenfolge der Beiträge ist definitiv nicht egal.

Wer in einem Moment des anschwellenden Diskurses über ein allgemein sichtbares Problem seinen Frame setzt, während noch wenige oder nur weniger laute, oder weniger plausible alternative Frames als Deutungs-Pfadgelegenheit mit im Entscheidungsraum stehen, hat gute Chancen, den eigenen Frame hegemonial zu machen.

Ich weiß das unter anderem deswegen, weil meine Freundin mich immer wieder darauf hinweist, dass ich in Diskussionen dazu neige. Sorry.


Mirko Lange macht mit seinem Projekt „Desinfo-Index“ etwas sehr wichtiges, das in den einfachen Faktenchecks untergeht: nicht nur analysieren, ob etwas „wahr“ oder „unwahr“ ist, sondern in wie fern versucht wird, mit eigenen Frames materielle Realitäten unsichtbar zu machen. Rhetorisches Gaslightning, wenn man so will und eine allseits beliebte Technik der Diskursmächtigen – hier sehr anschaulich demonstriert an einer Äußerung von Jens Spahn.

„Naja, es gibt diejenigen, die glauben, Gerechtigkeit stellt man dadurch her, dass man den einen was nimmt. Ich bin eher auf der Seite, die sagt, Gerechtigkeit stellt man dadurch her, dass man den anderen die Chance
gibt, selbst was aufzubauen.“

Natürlich versucht Spahn hier eine diskursive Pfadsetzung, die die Milliardäre aus der Schußlinie bringt.

Doch volkswirtschaftlich stellt sich die Frage: Ist es überhaupt möglich, echte Chancengleichheit herzustellen, ohne zugleich Vermögen umzuverteilen? Wer 100 Millionen erbt, startet mit Kapital, Netzwerken, Sicherheit. Wer nichts erbt, hat oft sogar strukturelle Nachteile. Solche Unterschiede vererben sich über Generationen hinweg. Und das blendet Spahns These komplett aus. […]

Spahns Satz ist also weder Lüge noch offene Delegitimierung. Es ist auch mehr als ein simples Framing. Die Aussage blendet eine strukturelle Realität aus und verwandelt ein komplexes Spannungsfeld in eine scheinbar klare Alternative. Genau hier setzen wir an: Wir nennen das „strukturelle Verzerrung“ oder „Realitätsverkürzung“. […]

Solche Sätze sind besonders wirksam, weil sie auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Sie sind nicht überprüfbar wie eine Faktenbehauptung, aber sie verschieben den Diskurs subtil. Wer Umverteilung fordert, wirkt plötzlich destruktiv; wer nur Chancen betont, erscheint konstruktiv. Doch die gesellschaftliche Wirklichkeit ist komplexer.

Sowas als regelmäßiger und aktueller Service ist viel wert.


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Michael Seemann
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Haha, ChatGPT ist so doof!

Aber jetzt mal Hand aufs Herz wer das nicht kennt? Das hat nix mit KI oder Menschen zu tun: Semantik erzeugt Anschlusssemantik und es erfordert immer ein kleinen Akt der Gewalt, ein Gespräch zu beenden.


Der Mustread-Text der Woche kommt von Henry Farrel, der in seinem Newsletter Martin Niemöllers bekanntes Gedicht „Als die Nazis die Kommunisten holten…“ als vernetztes Prisoner Dilemma modelliert.

Ausgehend vom Collective Action Problem folgert er, dass Macht aus der Fähigkeit entspringt, Menschen zu koordinieren.

struggles for power are struggles over the means of coordination. Who is capable of coordinating better, wins. And want-to-be authoritarians and mass publics face different coordination problems.

In der politischen Ökonomie der Abhängigkeiten würde ich es so formulieren: die Macht des „Leaders“ entspringt der Abhängigkeit der anderen von seiner Fähigkeit – partiell oder generell – das Collective Action-Problem für sie zu überwinden, um versprochene Pfadgelegenheiten (echt oder erlogen) zu erreichen. Schafft es ein Leader, Menschen zu koordinieren, ergeben sich daraus Netzwerkeffekte: Je mehr sich von ihm führen lassen, desto größer und relevanter werden die sich daraus ergebenen kollektiv erreichbaren Pfadgelegenheiten.

Draus ergibt sich u.a. folgende Strategie:

In more modern circumstances, your best strategy as an aspiring tyrant is likely to convince others (a) that they do live in a society of competing groups, and (b) that the smart money will always be on joining the dominant group, and not being one of the dominated ones.

Im Grunde macht man allen weis, dass sie in einem „Prisoners Dilemma“ mit allen anderen stecken, in dem es die rationalste Strategie ist, sich zu ergeben, weil man annehmen muss, dass die anderen Akteure diese Strategie ebenfalls fahren.

Der Kniff ist nun, das Prisoners Dilemma unter den Bedingungen vernetzter Aufmerksamkeit zu betrachten.

Their approach to both universities and law firms has been to make simple coordination seem like a prisoner’s dilemma, by picking off opponents, one by one, and by trying to create a common understanding that collective resistance is useless, since your potential allies are likely to defect. The early decision of one extremely prominent law firm, Paul Weiss, to defect, shaped common expectations so that several others rushed immediately to defect too, for fear that they would be stranded amidst the dominated group, rather than joining the dominating coalition in a subordinated role.

Der Erste, der fällt, setzt den Frame und gleist die allgemeine Erwartung auf, dass die anderen Eliten ebenfalls einknicken. Weil wir keine Individuen sind, die entweder egoistisch oder solidarisch sind, sondern Dividuen, die einander beim egoistisch oder solidarisch sein zuschauen, und daraus ihre Schlüsse für ihre Strategie ziehen, hat Trump eine Möglichkeit gefunden, die halbe gesellschaftliche Elite der USA – immer einen nach dem anderen – in die Knie zu zwingen.

Doch die Wahrheit ist: Sie haben nur noch nicht verstanden, das alle in einem Boot sitzen.

Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.

Aber Trump strebt nach unbeschränkter Macht, so Farall weiter.

Absolute power implies absolute impunity: if I enjoy such power, I have no incentive to behave trustworthily to anyone. For just the same reason, no-one has any incentive to trust me. You will not believe my promises, and you may fear that if you give in to my threats, you will only open yourself to further abuse. Thus – as I, as an aspiring authoritarian move closer to unbounded control, I need to artfully balance the benefits that my power can bring to my allies with the fear those allies may reasonably have over what happens should that power be turned against them.

Das ist seine Schwäche, denn Trump kann in seiner selbstherrlichen Mannier nicht die allgemeine Erwartung aufrecht halten, sich an irgendwelche Abmachungen zu halten. Und wenn diese Erwartung bricht, wird auch seine Macht zu koordinieren prekär und der Widerstand bekommt eine Chance.

As a whole body of research on “tying the king’s hands” argues, independent actors will prefer to flee monarchs who refuse to be bound rather than to cooperate with them, because they know that such monarchs can’t be trusted. Any deal that they make can later be un-made, and probably will be, if unmaking it is to the king’s advantage. The best option may be not to submit, especially if you believe that others are similarly unwilling to comply. This may, in effect, turn what was a prisoner’s dilemma (in which everyone’s best strategy is to defect) back into a nearly pure coordination game again, allowing easier collective resistance.

Wir müssen das Spiel ändern: von Prisoners Dilemma zu – ich schlage vor – Star Wars.


Andor-Showrunner Dan Gilroy ruft zum Widerstand auf.

I deeply disagree but acknowledge it was a difficult decision. If you believe otherwise, wait until fate knocks on your door and demands you choose between conscience and hardship — because if you work in this industry that day is coming.

Whether you’re reading this on line at Blue Bottle or killing time before your 3 o’clock Zoom or staring at a glowing screen unable to sleep, we have all become characters in a story where our actions carry actual weight and consequence. Our industry faces the most sophisticated, venomous, creeping evil in America’s history. There’s no standing above this conflict. No impartial observers. If you’re on the sidelines you’ve made a choice and must live with it.

In unserem Andor-Talk auf der Republica haben wir unter anderem herausgearbeitet, wie konsequent die Serie das Opfer inszeniert, das die Rebellion bedeutet. Und ich glaube, wenn wir uns nicht ehrlich darüber machen, dass das hier kein Spiel mehr ist und dass die Verteidigung der Freiheit zunehmend Opferbereitschaft fordert und weiter fordern wird, werden wir das kollective Action Problem nie überwinden.


so?

The Rebellion will be cringe or not at all.


KI wird nicht nur als „Blase“ bezeichnet, sondern immer wieder auch als „Hype„, auch von mir. Das mag intuitiv richtig klingen, jedoch ist auch diese Bezeichnung irreführend und verdeckt die ganz realen und schädlichen Anwendungsfelder, in denen KI jetzt schon genutzt wird, argumentieren Hagen Blix und Ingeborg Glimmer in diesem sehr lesenswerten Essay, der mir sehr aus der Seele spricht.

We find ourselves in a moment where big tech has allied with the far right, where AI mass produces fascist slop aesthetics, where visas are getting revoked because AI tools took issue with someone’s speech, and where an AI job crisis is unfolding. Meanwhile, many criticisms of AI latch on to the lies and exaggerations used in marketing chatbots and other technologies. They focus on identifying and deflating hype (or on calling AI snake oil, suggesting that it’s all a bubble, a con, a scam, a hoax, etc.). This kind of critical frame is dangerously inadequate for understanding what is actually going on, let alone for doing something about it. Even if the AI peddlers listened and the hype disappeared, the problems would remain. So the problem with AI isn’t hype. The problem is who and what it’s useful for. […]

Is any of this an issue of hype, of some discrepancy between promised capabilities and real capabilities? Or is the root issue that the very real affordances of very real AI potentiate fascist political aims and methods? Is the problem that some model output is untrue, or is it that AI models operate akin to the online troll, who just asks questions and just says (bullshit) things for the lulz? Of course, AI tools have no intentions. They cannot care for the lulz. But they are, by design, incapable of not bullshitting. They cannot recognize that “their reality” (bytes, letters, pixels, etc) is distinct from reality as such.

Dieses Mißverständnis spiegelt unseren inadäquaten Umgang mit dem Faschismus: Auch seine Inkonsistenzen sind kein „Mangel“, sondern Herrschaftstechnik, eine Herrschaftstechnik, die durch KI-Slop auch noch ausgeweitet wird.

Fascism, meanwhile, is committed to a play of power and aesthetics that regards a desire for truthfulness as an admission of weakness. It loves a bullshit generator, because it cannot conceive of a debate as anything but a fight for power, a means to win an audience and a following, but never a social process aimed at deliberation, emancipation, or progress towards truth. Fascists do, of course, try to exploit the very prerequisites for discourse (a willingness to assume good faith, to treat equality if not as a condition, then at least as a laudable aim of social progress, etc). Take, for example, the free speech debates as an attempt to blindside the enemy (that is, us). Fascists are continually proclaiming their defense of and love for free speech.

They are also arresting people for speech, banning books, and attacking drag story hours. To take this as an inconsistency, or an intellectual mistake is to misunderstand the very project—fascists are not in it for consistency, nor for making a rational, reasonable world with rules that free and equal people give themselves. The apparent contradiction is, instead, part of the same family of strategies as flooding the zone is—to use whatever tool is necessary in order to accrue power, strengthen hierarchies, and entrench privilege.

Fast alle die „Shortcomings“, die KI nachgesagt werden sind für die Herrschenden Vorteile, actually.

Journalist and researcher Sophia Goodfriend calls this whole thing an AI drag net and observes quite acutely: “Where AI falters technically, it delivers ideologically”. Indubitably, people are getting falsely classified as having engaged in speech unsanctioned by the self-proclaimed free speech absolutists. But those misclassifications are mistakes only in a narrow technical sense. After all, we can actually be quite certain about the real political aims of Marco Rubio’s state department. They’re invested in a) an increase in deportations, and b) the suppression of particular kinds of speech—and neither of those depends on amazing accuracy (hitting the “right” people). They depend mostly on scale (hitting a lot of people). For the first goal—more false positives means more cancelled visas, means more deportations. Check. As for the second aim, the suppression of speech depends on a sufficient reach to make everyone feel like “it could be me next, (unless I censor myself/make myself quiet and small/self-deport/etc)”. And here, too, the tool certainly delivers. In our book, Why We Fear AI, we argue that it is in fact precisely the error-prone and brittle nature of these systems that makes them work so well for political repression. It’s the unpredictability of who gets caught in the drag net, and the unfathomability of the AI black box that make such tools so effective at producing anxiety, that make them so useful for suppressing speech.

Dazu gehören auch die berühmten „Biases“, die in den Modellen verbaut sind.

We certainly know that the “mistakes”, the misidentifications, aren’t randomly distributed. In fact, we’ve known at least since Joy Buolamwini and Timnit Gebru’s 2018 Gender Shades paper, that facial recognition algorithms are, among other things, more likely to misidentify Black people than white people. When the AI errors are so clearly distributed unequally, and the errors are a source of harm—of false arrests and possible police violence—then it is obviously unhelpful to simply call them “errors”, or theorize this through a lens of “hype”. What this system produces isn’t errors, it’s terror. […]

The gap provides plausible deniability: “It’s the algorithm that messed up”, they will surely tell us, and that therefore, no person is really responsible for racist false arrests. But the very fact that the misidentifications are predictable at the level of populations (we know what groups will be misidentified more often), and unpredictable at the level of individuals (nobody knows in advance who in particular will be misidentified) also enhances its usefulness to the political project of producing political terror: Again, it’s about producing the widespread feeling that “it could happen to any of us, it could happen to me”. This is as true of AI as it is of other, older tools of political terror and police intimidation.

In the words of cybernetician Stafford Beer, there is „no point in claiming that the purpose of a system is to do what it constantly fails to do“. And to focus primarily on what the system can’t actually do (as the hype frame does) risks distracting from what it is actually doing.

Um zu verstehen, wozu AI wirklich da ist, muss man sich ansehen, an wen und mit welcher Message die Services beworben werden: Manager und CEOs.

The union busting pitch gives the real economic purpose of AI away: It’s a tool to depress wages. And for that goal, whether the tool can actually replace the work done by people at the same level of quality is often largely irrelevant. After all, replaceability is not about simple equivalence, but more often than not about price-quality tradeoffs. People like to buy whatever they think is a good bang for the buck. Companies do too, often substituting cheaper inputs (skills, stuff, etc) to drive down their costs even if it reduces quality. That’s the obvious horizon for AI—not full automation, but the model of fast fashion or IKEA: Offer somewhat lower quality at significantly lower prices and capture the market from the bottom up.

But the real economic problem isn’t hype. The attack on workers, on the quality of jobs, and the quality of the things we make and consume, is the problem—and that problem exists quite regardless of the hype. Unless you’re a venture capitalist, you aren’t the target of the AI advertisement—you’re the target of the threat. We have no use for terms that warn investors that they might be making bad investments, we need terms that are useful for fighting back.

Wir müssen aufhören, KI als „Hype“ „entlarven“ zu wollen und stattdessen Licht auf KI als politisches Projekt werfen.

Ultimately, hype itself is too stuck in a narrowly technical perspective, too focused on identifying lies, rather than identifying political projects. We should not make the mistake of thinking that just because a statement is a lie, it can be disregarded. Contrary to what the hype frame may suggest, once you figure out that a lie is a lie, the work is only just beginning.

Und dann lasst uns anders über KI reden:

Let’s call AI what it is, a weapon in the hands of the powerful. Take the wage-depression project—let’s call it class war through enshitification, automated union busting, a bullshit machine for bullshit jobs, or Techno-Taylorism. Let’s take some inspiration from the Luddites, who called the big tech innovation of their day, the steam engine, “a demon god of factory and loom”, or “a tyrant power and a curse to those who work in conjunction with it.” Let’s make up better words, better phrases, and better frames that clarify the political stakes. Let’s de-shitify the world!