Was soll ich dazu schon sagen. Hab doch schon alles gesagt. Vor 2 Jahren.
Luft – Tocotronic
Was ist das für ein wunderbar verstörendes Lied von Tocotronic: „Luft“. Ich komme wirklich nicht über diesen Text hinweg:
Die Luft ist so nutzlos um mich herum
so schön vergeht jetzt ein Millenium
ja, ich habe heute nichts gemacht
ja, meine Arbeit ist vollbrachtich atme nur
ich atme nur
ich atme nur
ich atme nurgenau wie jetzt nur ein bisschen anders wird es sein
sei schlau und kleb die Bilder ein
ja, ich habe heute nichts gemacht
ja, meine Arbeit ist vollbrachtich atme nur
ich atme nur
ich atme nur
ich atme nurUnd jetzt weiter im Text
neue Fehler warten
Steine liegen auf dem Weg
ich leg sie rüber in den Garten
ich warte bis dunkel ist
und ich seh die Schatten fliegen
ich warte bis es dunkel ist
das Nutzlose wird siegen
das Nutzlose bleibt liegen
also züchte ich mir StaubEntschuldigung das hab mir erlaubt
und jetzt weiter im Text
neue Wege gehen
ich weiß ich werde jetzt
jedem zur Verfügung stehen
ich gehe wenn der Tag beginnt
und ich seh die Schatten fliegen
ich gehe wenn der Tag beginnt
das Nutzlose wird siegen
das Nutzlose bleibt liegen
also laufe ich durch LaubEntschuldigung, das hab mir erlaubt
Was heißt das? Etwas ist vorbei. Etwas schönes. Und es geht schön zu ende. Ein Millenium, ein Jahrtausend, also nichts Belangloses sondern ein echter Paradigmenwechsel kündigt sich an. Aber wer möchte schon sagen, dass es nicht belanglos sei, wo das Neue doch das Belanglose ist. Das schöne Millenium wird abgelöst, ein Jahrtausendakt, eine Vorherrschaft des Schönen, abeglöst von der Belanglosgkeit, der Irrelavanz. Obwohl: „genau wie jetzt nur ein bisschen anders wird es sein„. Es ist nicht wirklich der tösende Umbruch. Keine Revolution. Es wird sich nicht alles schlagartig ändern, vielleicht ist es eher unmerklich, so nebenbei, eben belanglos. Aber doch: anders. Es hilft nichts. Es ist da. Zwecklos sich zu wehren. Kapitulation. Das ist die Kapitulation gegen das Belanglose. Es ist die Kapitulation des absoluten Schöpferwillens. Kapitulation der Kunst?
Die Kunst ist tot? Schon wieder? Sollen wir jetzt weinen? Nein, „sei schlau und kleb die Bilder ein„. Behalt die Erinnerung und dann: „weiter im Text„. Weiter im Text? aber „meine Arbeit ist vollbracht„. Was soll ich denn machen? „also züchte ich mir Staub„. Warum? „das Nutzlose wird siegen„. Das Nutzlose ist die neue Kunst. Eine Kunst, die keine Kunst mehr sein kann, denn sonst hätte sie ja eine „Funktion“.
Nur, warum sollte das Nutzlose denn siegen? „das Nutzlose bleibt liegen“ sagt der Text. Das Nutzlose wird also siegen, weil es liegen bleibt. Es bleibt liegen, also ist es vorher nicht liegen geblieben? Ja. Es wurde weggefegt, von den Straßenfegern der Kulturindustrie. Von all jenen, die bestimmen, was liegen bleibt, also „wichtig“, „relevant“, und was nicht, was weggefegt wird, also nutzlos ist. Den Gatekeepern.
Aus irgendeinem Grund kehren die Straßenfeger nicht mehr. Das Nutzlose bleibt liegen und wird deshalb siegen. Warum?
Ganz einfach: „Das ist alles nur geklaut„. Eine eigentümliche Referenz auf „Die Prinzen“ klingt an in „Entschuldigung, das hab mir erlaubt„. Ausgerechnet „die Prinzen“. Oh. Mein. Gott.
Diese Referenz ist aber dermaßen abgründig:
Einerseits. Das mitschwingende „Das ist alles nur geklaut„, das sich in seiner Zitathaftigkeit auch noch selber spiegelt. Keine Frage: Das Nutzlose ist das Zitat selber, das Mashup, das Kopieren. Ja vielleicht vor allem die digitale Kopie: „ich weiß ich werde jetzt/jedem zur Verfügung stehen„. Das Ende der Aura. Das endgültige Ende des Urheberrechts. Die Kapitulation vor dem Digitalen.
Andererseits. Die Prinzen. Nervigste Ausgeburt der Popkultur seit in deutscher Sprache gesungen wird. Wie kann man die Prinzen zitieren? Wie? Wie kann man es wagen? Aber das Zitat ist gleichzeitig die Antwort: „Entschuldigung, das hab mir erlaubt„. Man erlaubt es sich: das Kopieren. Man erlaubt es sich: das Zitieren. Man erlaubt sich sogar das Belanglose zu zitieren. Das Schlechte und nutzlose. Da gibt es keine Grenzen mehr. Keine Berührungsängste. Man züchtet Staub. Man erlaubt es sich, Staub zu züchten. „ja, ich habe heute nichts gemacht„. Dieses „ja„, gibt dem Satz etwas bekennendes. Es ist ein Bekenntnis, als ob man vor einem Tribunal stände, den Richterspruch erwartend. Aber es hat noch eine trotzige Note. Ja, so ist das eben. Ja, ich bin faul. Ja, ich mache belangloses. Ja, ich klaue auch von den schlechtesten Bands. Das habe ich mir erlaubt.
Die Frage stellt sich also so herum: Was ist das für eine Form von Kapitulation, wenn man als Tocotronoc die Prinzen zitiert?
Man erlaubt sich das Uncool-Sein. Die Grimasse, passend zur Pose. Albernheit. Man kapituliert vor dem subkulturellen Abwehrreflex. Im Grunde kapituliert die Pose ansich. Die Pose wird aufgegeben. Und tschüss Hipstertum.
So. Genug schwadroniert. Eine Frage an die Leser soll noch bleiben: Was hat das alles mit dem Internet zu tun?
PS: der Trick ist atmen.
EDIT: Achja, was mir noch aufgefallen ist bei dem Song: Die deutlichen musikalischen Anleihen bei Coldplay. Jedenfalls zu Anfang. Kann mir das jemand erklären? Oder ist das nur der allgemeine Trend?
Keine Zeit für Gedanken…
Deshalb lass ich heute mal andere denken.
Jetzt knall ich Euch alle ab!!!
mit meinem neuen geilen USB-Raketenwerfer. hehehehe…
Update:
Hallo Tobi…. HARHARHARHAR
Link: sevenload.com
———————————————
Link: sevenload.com
Hyperkult 16
Nachdem ich letztes Jahr nicht dort sein konnte und tatsächlich einige wirklich sehenswerte Vorträge verpasst hatte und dieses Jahr ein so außerordentlich spannendes Thema anstand, hab ich es mir diesmal nicht nehmen lassen, vor Ort zu sein.
Ich mein: „Medium Computer. Geschichte(n), Visionen, Phantasmen.“ Das hört sich nach Wünschen, Hoffnungen, Stürzen und Visionen an. Es riecht nach der Euphorie des Neuen, dem Wunsch nach gewagten Anfängen und dem Ankommen von Zukünften. Nun.
Ganz ehrlich? Ich fands‘ mau.
Ich habe den letzten Tag zwar nicht mehr mitbekommen, aber alles bisherige hat mich diesmal nicht überzeugt.
Fangen wir doch einfach mal mit Tag 1 an:
Dieser Tag stand, wie die meisten Vorträge beim Hyperkult die letzten Jahre, unter dem Stern, den man gut und gerne „Medienarchäologie“ nennen könnte. Eine Art Computergeschichtsschreibung bei angeschlossener Diskursausbreitung der damaligen Denkschemata. Kann man machen. Ist auch interessant und hat meist noch eine humoristische Note, weil: die waren ja alle so naiv, damals™
Ich finde das zwar auch sehr unterhaltsam, aber viel mehr als nette Anekdoten nimmt man dann doch nicht mit. Kittler lässt also wie jedes Jahr grüßen, aber so langsam, finde ich, ist es dann auch mal gut.
Denn andererseits ist damit immer wieder der Rekurs zurück auf die elementaren Denk und Bauweisen des Computers gezogen, die wir doch nun wirklich langsam mal drauf haben sollten. Wirklich: So interessant ist das nicht. Der Computer als Turingmaschine und dann als technisches Dings ist bereits genug erfasst, erklärt und gelobt worden.
Damit will ich nicht bestreiten, dass es wichtig ist, die Hintergründe zu kennen. Man kann sich aber auch in den Hintergründen verlieren und damit vielleicht einem Blick auf die wirklich interessanten Entwicklungen im Diesseits des Computerzeitalters nicht mehr folgen. Der Blick auf die neuen Ideen und Nutzungsweisen, die heute doch schon weit, weit, weit über das rein technische hinausgehen. Der Computer ist heute bereits eine allgemeine Kulturmaschine. Man braucht sie nicht mehr als solche deklarieren. Vielmehr muss man sie auch als solche untersuchen. Und zwar hier und jetzt.
Vielleicht ist das aber auch ein Generationenkonflikt. Der Computer ist in meiner Generation schon nicht mehr als das völlig Andere in die Welt gebrochen. Vielleicht fehlt mir deswegen diese ehrfürchtige Betrachtung des Computers als Maschine. Denn ja: Irgendwie sind viele der gelieferten Betrachtungen mehr unter Motto „Computer als Maschine“ versammelt, statt unter dem eigentlich programmatischen „Computer als Medium“.
Der andere, immer wiederkehrende Diskurs ist der der KI und der Kybernetik. Alles wirklich interessant, aber eben bereits genauso detailliert durchgekaut. Klar, es passt natürlich zum diesjährigen Thema und hätte nur schwerlich ignoriert werden können. Aber bitte, bitte, nur noch bringen wenn man hier neue Ansätze vorweisen kann. Spannend wäre z.B. den heutigen Diskurs über KI, den es tatsächlich noch gibt, vergleichend in Stellung zu bringen. Google und KI wäre auch mal so eine Sache.
„Heute“. Das ist überhaupt der Bereich, der meines Erachtens generell zu unterrepräsentiert ist auf dem Hyperkult und es auch dieses Jahr war. Man hat zwar mit Peter Haber jemanden eingeladen, der das Thema Internet und was dort gerade alles so passiert, wenigstens zur Sprache gebracht hat. Aber über das Grundlagenwissen ging auch sein Vortrag nicht hinaus. Und auch in Sachen Theoriebildung hätte man hier einiges mehr machen können.
Dann waren, vor allem am zweiten Tag, einige Vorträge dabei, die, naja, die man getrost als komplett überflüssig bezeichnen darf. Beispielsweise darüber, wie CDRom und Festplattenspeicher funktionieren, weiß ich im Groben genug und wenn ich es genauer wissen will, schau ich in die Wikipedia. Auch hier hätte man das Wissen viel mehr kontextualisieren und reflektieren müssen. Eine bloße Bestandsaufnahme ist noch kein Vortrag.
Ach ja, und noch mal speziell zu Herrn Holtwiesche. Es ist völlig OK, wenn man mit seinem Diss-Thema noch nicht so weit ist. Man kann sich sogar trotzdem auf dem Hyperkult hinstellen und darüber referieren. Und wenn man einigermaßen rhetorisch begabt ist, was er ist, merkt vielleicht auch keiner nicht jeder, wie viel sachliche Fehler und Unausgegorenheiten in dem eigenen, aus großen Namen zusammengestöpselten Post-Dingsda-Theorem eigentlich enthalten sind. Aber wie, um alles in der Welt, kommt man auf die absurde Idee, Derrida’s rhetorischen Pappkameraden – das „transzendentale Signifikat“ – als Theorie-Modell misszuverstehen und an seiner statt den Computer einsetzen zu können? Ich glaub es hupt. Setzen! sechs!
Von derart überzeugt vorgetragenen Unwissen war Gott sei Dank nicht so viel vorhanden. Allerdings – wieso Gott sei Dank? Denn allgemein kann man als Hauptkritikpunkt herausstreichen, dass es viel zu wenig Gewagtes, Visionäres und Neues gab. Und das bei einem Thema, wo es doch um Gewagtes, Visionäres und Neues geht? Wo waren die Web2.0 Apologeten? Wo waren die Schwarmintelligenzjünger. Wo waren die Singularitäts-Esotheriker? Oder wenigstens einer von der Technikfolgenabschätzung, jenem bescheidenen Beamtenkind der Futurologie? Ehrlich: Ein paar mehr Spinner hätte dem Ganzen gut getan.
Es ist ja schließlich nicht so, als ob die Menschen keine Träume mehr mit dem Computer verbänden.
Herbert w. Franke
Die heimliche Freunde
Geschenk
oha, was soll das noch werden?
Hängt hier überall an der Uni rum. Ich habe Angst…
(ich bin hier übrigens auf dem Hyperkult (ich habe leztes Mal eine Fernzusammenfassung geschrieben), so wie anscheinend auch Peter Haber)
Ach ja, Live-Stream gibts hier…
UPDATE:
ich fühl mich irgendwie, wie auf der re:publica… oder wie auf der macworld… oder wie ich sie mir vorstellle…