Heute mal etwas ganz anderes. Wobei irgendwie auch nicht. Mal sehen.
Also da haben wir gerade einen Streit – mal wieder – über Präimplantationsdiagnostik. Und ich muss sagen, ich bin da hin und -hergerissen.
Da wäre erstmal der Streit, wie er im Mainstream ausgetragen wird: hier die Ökoleute in merkwürdiger Koalition mit den CDU-Fundi-Christen gegen SPD und Liberale. Und natürlich hat Weissgarnix nicht unrecht, wenn er hier eine verlogene Debatte ausfindig macht. Natürlich ist die Grenze willkürlich/religiös fundiert, wo man von Leben/Mensch und die ganzen Implikationen wie „Würde“ herleiten kann. Dann kann man auch Abtreibungen verbieten, etc.
Andererseits dieser Tweet von @pantoffelpunk:
[Link]
Anderseits der Film GATTACA:
Es stellt sich – um mal von der unfruchtbaren (kchkchkhch) Debatte um „Ethik“ und „Moral“ wegzukommen – die Frage, wie hier „private“ Interessen, denen einer „Gesellschaft“ entgegenstehen. Eine politische Frage also. Denn machen wir uns nichts vor: wenn wir uns fragen, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen, kommen wir um die Frage: „wer regelt die Geburt?“ nicht herum. Denn geregelt wird sie so oder so.
Die vollkommen privatistische Antwort: Die Eltern regeln die Geburt. „Mein Bauch gehört mir“ gilt ja immer noch und zwar als progressiver Slogan. Aber: dann wird das GATTACA-Szenario mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wahr werden. Denn mehr noch als „das Beste für ihr Kind„, wollen Eltern „das beste Kind„. Das bestmögliche, das genetisch irgendwie machbar ist.
Und deswegen wird die PID eben nicht bei schlimmen Krankheiten stehenbleiben, sondern langfristig auch bei der Ausbesserung von Unzulänglichkeiten nicht halt machen. Ein Casting aus mehreren 100 befruchteten Eizellen wird irgendwann Standard werden und welche Eltern werden dann nicht „unten rechts“ bestellen? (Für Nicht-Appleuser: das ist in der Produkttabelle immer die Maxiamalausstattung)
Ein PID-Wettrüsten wäre die Folge. Die Züchtung des Supermenschen. Vermutlich – jedenfalls zunächst – auch mit ungleichen Mitteln. Vor allem die Anzahl der Befurchtungsvariationen wird entsprechend der Geldbörse der Eltern eine Begrenzung erfahren. „Das perfekte Kind“ wird man aber mit höherer Wahrscheinlichkeit eher unter 1000, als unter 100 befruchteten Eizellen finden.
Dagegengehalten wird mit: dann lassen wir die Selektion eben ganz. Wir verbieten PID und überlassen alles, dem Zufall/Gott etc. Aber auch dieses Szenario ist relativ unrealistisch in einer globalisierten Welt. Dann geht man eben in’s Nachbarland, wie übrigens jetzt schon. Außerdem lässt sich sehr wohl auch argumentieren, dass ein Leben, dass keine Überlebenschance hat, nur unnötige Quälerei ist. Sind wir nicht auch in der Pflicht zu regulieren, wo wir es können?
Es bleibt also nichts anderes, als sich mit der PID zu arrangieren. Und dann sollte man zunächst auf den Tisch legen, wo genau die Probleme damit liegen.
Mein Unwohlsein liegt eindeutig an der Entscheidungsmacht, die da aus dem Himmel fällt. Darf es eine solche Instanz geben, die sagt, dieses ist „wertes“, jenes ist „unwertes“ Leben? Es ist mir unangenehm, wenn dritte über Leben oder Nichtleben von anderen entscheiden – auch weil diese anderen dann in der Gesamtheit die Gesellschaft stellen werden, das sollte man nicht vergessen.
Mit scheint, wir haben es hier mit einem Plattformneutralitätsproblem zu tun. Betrachtet man den Uterus als Gebärinfrastruktur, die in privater Hand liegt, dann hat man das Problem, dass das, worauf Gesellschaft beruht – nämlich seine biologischen Individuen – durch die PID gescannt und nach Gutdünken der privaten Betreiber der Infrastruktur reguliert werden. Die Präimplantationsdiagnostik ist die Deep Packet Inspection des Genpools.
Braucht es also eine Uterusneutraität, die – ähnlich wie die Netzneutralität – genau regelt, wie viel in welchen Grenzen überhaupt privat reguliert werden darf? Ähnlich wie bei der Netzneutralität kann es nicht darum gehen, den privaten Betreibern zu verbieten, ihre Infrastruktur durch Regulierung am Laufen zu halten, sondern sie muss dieser Regulierung enge Grenzen zu setzen. Man könnte die PID beispielsweise nur auf streng eingegrenzte gesundheitliche Beeinträchtigungen beziehen und jede Erweiterung unter politische Abwägung stellen. Ich glaube auch, dass genau das gerade diskutiert wird.
Mein Punkt ist einfach, dass man die PID und damit die Geburtenkontrolle sehr wohl als politisches Problem betrachten sollte. Es darf in dieser Hinsicht keinen Freifahrtsschein der Eltern geben. Die Frage: „in welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ ist eine politische Frage, die die PID zuungunsten der Gesellschaft in die Hände Einzelner legt. Um das zu erkennen braucht man aber keine „Ethik“ und schon gar keinen Gott.