Gute Gründe

Vielleicht hast du gute Gründe dafür, dass ich dich nett finden soll.
Vielleicht hast du gute Gründe dafür, dass alle deine Lieblingsserie sehen sollten.
Vielleicht hast du gute Gründe dafür, dass ich wegschauen soll, wenn du an mir vorbei gehst.
Vielleicht hast du gute Gründe dafür, dass dass ich dir auf Twitter follown sollte.
Und vielleicht hast du gute Gründe dafür, dein Haus hinter einer schmierigen Milchglasverpixelung zu verstecken und damit das digitale Abbild meiner Straße zu verschandeln.

Aber mit Verlaub, die sind mir völlig schnurz.

Mein Haus (Puh!)

Mein Haus (Puh!)


Mein Haus. Ich habe Glück gehabt. Keine spießigen Besitzstandswahrer die Privatsphäre statt als Persönlichkeitsrecht als Besitzrecht uminterpretieren.

In meiner Nachbarschaft

In meiner Nachbarschaft


In meiner Nachbarschaft. Wenn man bedenkt, dass es meist nur ein einziger Mieter pro Haus ist, der diese Verschandelungen zu verantworten hat, tun einem die anderen sehr leid. Die Verantwortlichen sollten sich schämen. Elende Egoisten!

Mein Panoramioprofil

Mein Panoramioprofil


Mein Panoramioprofil. Ich bin nicht bereit den Leuten ihr verqueres Verständnis von Privatsphäre durchgehen zu lassen. Ihre vermeintliche Freiheit schränkt nämlich meine ein, nicht umgekehrt.

Bilder bei Panoramio landen automatisch bei Googlemaps. Bei mixxt kann man der der Gruppe Streetview / verschollene Häuser um Jens Best beitreten.

Übrigens: Wer Streetview als teil einer irgendwie verstandenen Postprivacy versteht, ist ein Idiot.

UPDATE:

So sieht dann ein durch Panoramio Rekonstruiertes Haus in Streetview aus. (Das kann dann bei meinen Fotos noch ne ganze Weile dauern, wie ich in Erfahrung bringen konnte) (via: baranek)

UPDATE 2:

Andreas Türk (nicht der aus dem Fernsehen, sondern der von Google) hat schon angekündigt, dass Google nicht zensierend in den User Generated Content wie aus Panoramio zensierend eingreifen zu wollen.

UPDATE 3:

Schöner Radiobeitrag im Deutschlandradio über den Start von Google Streetview, in dem auch ich was in’s Mikro sage.

Download

Ich, irgendwie.

Gestern hat mich der @holadiho auf Twitkrit … ähh, porträtiert. Ich hab nicht alles verstanden, muss ich sagen.

Und gestern startete @mspromille. Ein Twitteraccount zum übersetzen meiner Tweets in’s Nüchterne noch Besoffenere.

Kontrollverlust kann auch lustig sein. Für andere.

Vermutlich trage ich auch ein „Kick me!„-Schild auf dem Rücken. Aber was solls.

Netzkommentar: Postprivacy

Mein neuer Netzkommentar bei dradio.wissen befasst sich mit Postprivacy als Chance:

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Der Student Tyler Clement sprang am 22. Septmeber von einer Brücke in den Tod. Sein Mitbewohner hatte ihn mit einem Mann im Bett gefilmt und das Material in’s Internet gestellt. Niemand durfte wissen, dass Tyler schwul ist. Glaubte er.

2007 stellten Studenten vom MIT eine Software namens „Gaydar“ vor. Sie kann recht zielsicher Homosexuelle bei Facebook ausfindig machen, indem sie die öffentlich einsehbaren Freundeslisten auswertet.

Datenschützer stehen solchen Phänomenen hilflos gegenüber. Sie haben weder Antworten auf die Boshaftigkeit von Mitbewohnern, die mit Kamera und weltweitem Publikum ausgestattet sind, noch auf die Macht verknüpfbarer Datenmassen, wie sie „Gaydar“ nutzt.

Hilfe kommt von anderer Stelle. Auf der Internetplattform „It Gets Better“ stellen Menschen – meist Homosexuelle – Videos ein, in denen sie von ihrer Jugend erzählen. Wie sie gemobbt wurden, wie sie auf das Unverständnis ihrer Eltern stießen, wie sie alle Hoffnung verloren. Manche Geschichten sind so schlimm, dass sie sie teilweise niemandem sonst je erzählten.

Wer könnte Hoffnung besser vermitteln, als die einst Hoffnungslosen? In der Intimität dieses Augenblicks der Entblößung versichern sie, dass „es“ besser wird und dass sie der Beweis dafür sind. Heute anerkannt, geliebt und mitten im Leben stehend, stellen sie die demütigenden Details ihrer Jugend der Öffentlichkeit zur Verfügung. Als eine Art stützendes Geländer, als eine reichende Hand in die dunkle Höhle, damit sich die Jugendlichen daran aufrichten können.

Zwischen diesen beiden Polen: „Gaydar“ einerseits und „It Gets Better“ andererseits, lässt sich die Zukunft ablesen: Andersheit lässt sich kaum mehr durch Privatheit schützen. Aber sehr wohl durch Öffentlichkeit stärken.

Postprivacy – das Ende der Privatheit – ist die Realität, auf die wir unweigerlich zusteuern. Postprivacy ist deswegen aber vor allem ein Appell an alle, die sich Öffentlichkeit heute schon leisten können. Denn jeder kann dem anderen ein Geländer sein.

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Darum geht es in Wirklichkeit: Erfahrungen, Daten und gerade die intimen helfen anderen Menschen. (Und es geht nicht nur die Homosexuellen. Und es geht nicht nur Leben retten. Es geht im zweifel nur um das Sich-Nicht-Anders-Fühlen. Das fängt im klitzekleinen an.)

Wir können nie wissen, ob, wie sehr und wann und wo unsere Bekenntnisse etwas bewirken. Der Empfänger wird uns fast immer unbekannt bleiben. Aber das Internet erhöht die Chancen so dramatisch, dass unsere Daten für den Anderen einen Nutzen haben, dass diese Chance geradezu zum Appell wird. Keine Pflicht, aber Appell an diejenigen, die es sich leisten können, ihren Datengeiz aufgeben.

Archivgeil

Ich habe seit einiger Zeit tweetnest im Einsatz (hier).

Ein kleines aber feines PHP-Script, dass nichts anderes tut, als meine Tweets zu archivieren. Einmal in der Nacht holt es sich die neusten Tweets aus meinem Twitteraccount und schreibt sie in eine extra Datenbanktabelle. (Blöder weise importiert es nur etwa die letzten 3000 Tweets, was aber daran liegt, dass Twitter einen nicht an die früheren ran lässt, was ich für eine mittelgroße Schweinerei halte)

Twitter, als das convenient Kommunikationstool meiner Wahl wird täglich mit 20 bis 40 Nachrichten bestückt. Mit Links, Kommentaren und Unterhaltungen, Erlebnissen und Gedanken. Ein Großteil meines gesamten Bewusstseinsstroms, also. All das verschwand aber immer recht bald in den undurchsuchbaren Untiefen der Twitterserver und hat somit nur Echtzeitwert.

Durch tweetnest habe ich meine Twitterbekundungen bis zurück des März diesen Jahres archiviert und ich bin schon drei bis vier mal darauf zurückgekommen. Also auf mich. Auf auf Tweets von mir. Ich erinnerte Situationen, Gesprächpartner oder Stichworte, in deren Kontext sich ein gesuchter Link verbarg. Und jedes Mal wurde ich sofort fündig. Großartig!

Mit Twitter hat man eigentlich eine wunderbare Gehirnauslagerung. Ein Gedächtnis, das einerseits – wie jedes Gedächtnis – ausgestattet ist mit kontextuellen Enterhaken aber darüber hinaus noch volltextdurchsuchbar. Wie schade es ist, dass Twitter so unfassbar vergesslich ist, zeigt tweetnest also sehr eindrucksvoll.

Apropos vergesslich. Ich backuppe jetzt auch immer schön meine Blogs. Und zwar mit wpTimeMashine, dass mir die Datenbanktabelle meiner Blogs direkt in die Dropbox speichert. Diese wird mit allen anderen Daten meines Rechners – leider nicht regelmäßig genug – auf meine externe Festplatte gespeichert. Mit Timemashine von Apple.

Es gibt Leute, die meinen, Daten sollten ebenso dem Vergessen anheim gegeben werden, wie Erinnerungen. Ich glaube aber, solche Menschen haben nur eine tiefe Sehnsucht nach dem Tod.

Über den Neuen Menschen.

Er wird kommen.

Und die Konservativen werden ihn hassen und fürchten, weil er anders ist. Er wird das Abendland untergehen lassen.

Und die Weltverbesserer werden ihn verachten, weil er nicht die Probleme der Welt löst. Und überhaupt haben sie ihn sich ganz anders vorgestellt.

Und die anderen werden es einfach sein: neue Menschen. Und es wird so normal gewesen sein. Und so antiquiert. So lächerlich. Dann.

dradio.wissen Talk – Mensch vs. Technik

Meine erste kleine, aber feine Talkrunde. Eine, in der ich mich sehr wohl gefühlt habe. Mit dem unfassbar belesenen Philipp Albers und dem furchtbar eloquenten Volker Tripp, moderiert durch die nicht nur technik- kritische Journalistin Vera Linß, unterhielten wir uns über das Verhältnis Mensch und Technik.

Ausgehend von der Debatte um den von mir wenig geschätzten Jaron Lanier, haben wir es dennoch geschafft ein interessantes und hoffentlich informatives Gespräch zu führen.

Auch hier zeigte es sich, dass ich mal dringend mein Menschenbild ausformulieren muss, um die Prämissen meiner Thesen einmal klar zu machen. Denn natürlich steht und fällt vieles in Sachen Zukunftsbeurteilung, wenn man unterschiedliche Vorstellungen vom Menschen anlegt.

Hier habe ich eine meiner grundlegenden Prämissen zugespitzt („Mensch – Technik = Fleischklumpen“), die ich bereits in einem Text schon mal dargelegt habe: Der Mensch ist per se ein technikverschaltetes Wesen. Es gibt keinen Menschenbegriff, den man gegen eine Technik stellen oder verrechnen könnte. Der Mensch beginnt mit der Benutzung von Technik (Technik sowohl etymologisch konkret („techné“), als auch weit gefasst, also auch Sprache und Notationssysteme verwendend).

Die Kulturpessimisten zu allen Tagen machten immer den Fehler, den Menschen und seine jeweilige Entwicklungsstufe als statische Benchmark der Menschlichkeit schlechthin zu verwechseln. Und natürlich findet sich dann in jeder neuen technologischen Weiterentwicklung eine grundlegende Veränderung des derzeitigen Menschen und damit das Ende des Menschen, wie man ihn kannte. Es ist völlig falsch, die Veränderung zu verneinen. Ein Mensch des Mittelalters hat nur wenig gemeinsam mit dem Menschen von heute.

Andererseits reden Technikutopisten gern vom Trans- oder Posthumanismus in der völligen Verkennung der Tatsache, dass wir schon seit immer den Menschen überwinden. Jede Entwicklung in der Technik überwindet den Menschen und stellt ihn völlig neu auf. Jeder Mensch, ein Übermensch.

Das passiert gerade auch mit dem Internet. Und so will ich gar nicht den Laniers, Schirrmachern und Alphonsienen so wehement widersprechen, sondern ihnen nur beruhigend auf die Schulter klopfen, dass mit dem Untergang ihres Humanismus, der nächste längst vor der Tür steht. Der mag sich derzeit noch noch post- trans- oder gar apokalyptisch anfühlen, wird aber bald ebenso eine Normalität darstellen, wie auf einem Stuhl zu sitzen. Im Himmel.

Vortragspaper 27c3

Schade. Der 27c3 wollte meinen Vortrag nicht haben. Ich wollte im Grunde eine erweiterte und veränderte Version meines OM10 Vortrags halten. Dann muss das Paper eben als Blogcontent herhalten:

Von der Polis zum Anderen
Die Genese der neuen Öffentlichkeit

Der Grundsatz „öffentliche Daten nützen, private Daten schützen“ stößt an die Grenzen seiner Tragfähigkeit. Er stößt, um genau zu sein, an eben die Grenze, auf der diese Unterscheidung beruht. Und das nicht nur, weil Daten sich nicht so sehr dafür zu interessieren scheinen, auf welcher der beiden Seiten wir sie zuordnen. Auch uns fehlen immer öfter die Kriterien, um zu beurteilen, was „Öffentlichkeit“ im Internet überhaupt bedeutet. Ein Umstand, den man anhand der Sprachlosigkeit des CCC während der Street-View-Debatte gut beobachten konnte.

Der netzpolitische Diskurs ist in eine Unwegsamkeit geraten. Er kann zwar weiterhin Datenschutz für die Bürger und Transparenz für die Politik fordern, aber nicht zugleich die Potentiale der Abschaffung eben dieser Grenze ausloten. Das merkte man nicht zu letzt an der Diskussion um Liquid Feedback in der Piratenpartei.

Jeder Facebook-Nutzer weiß mittlerweile, wie komplex die Grenze zwischen Öffentlichkeit und Privatheit im konkreten Fall ist, dass tatsächlich viele Öffentlichkeiten vielen Privatheiten gegenüberstehen können. Die Öffentlichkeit der Arbeitskollegen, den Privatheiten des Kegelklubs und denen der Familie und andersherum. Eine homogene Privatheit, die einer monolithischen Öffentlichkeit gegenübersteht, gibt es nicht mehr.

Der Öffentlichkeitsbegriff ist in vielfacher Hinsicht in der Krise und das ausgerechnet jetzt, wo wir ihn so dringend brauchen. Egal ob im Kampf um Netzneutralität oder bei der Selbstverteidigung des Netzes gegen die Verwertungsrechtelobby: überall braucht es einen glaubhaften Verweis auf das „öffentliche Interesse“, das der Politik gegenüber stark gemacht werden muss.

Wir haben es verpasst, einen neuen, kohärenten Öffentlichkeitsbegriff zu entwickeln, der in die Zeit des Digitalen passt und der die Formulierung einer positiven Vision für die Zukunft ermöglicht.

In meinem Vortrag möchte ich zeigen, dass es dafür aber nicht reicht, ein paar Kriterien zu verschieben, um die schwammig gewordene Grenze mit spitzem Stift neu zu ziehen. Viel mehr wird es nötig sein, die Grenze an sich in Frage zu stellen und den Anderen, anstatt ihn erneut auszusperren, in das Zentrum der Überlegung zu rücken. Öffentlichkeit im Internet muss vom Anderen ausgehend gedacht werden.

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Jetzt bleibt nur die Frage: wie komme ich auf den Kongress? Karten sollen ja jetzt ausverkauft sein.

Mein persönlicher Kontrollverlust (UPDATE)

Wer hatte davon noch nicht gehört? Firesheep. Ein BrowserplugIn für Firefox, das aus unverschlüsselten Netzwerken SessionIds fischt und mit den zugehörigen URLs Http-Requests eingeloggter Nutzer nachbaut. In einer Seitenleiste hat man dann schön die Twitter- und Facebook-Accounts aufgelistet, die so im Netz herumschwirren. Ein Klick und man befindet sich in der Innenansicht und kann schalten und walten, wie der Besitzer. (Ja, ich weiß, die Sicherheitslücke ist eigentlich uralt, Firesheep hat sie nur komfortabel geinterfacet. Aber damit auch allgegenwärtig gemacht.)

Heute klappte ich mal nach langer Zeit wieder meinen Laptop im Oberholz auf, die ein unverschlüsseltes W-Lan betreiben – erinnerte mich an die Existenz von Firesheep und schloss vorsichtshalber das Facebook-Tab. Erster Shock: zu spät. Im Firesheep erschien nach einem Firesheep-Scan mein Facebookprofil. Hatte das jemand schon auf einem anderen Rechner geöffnet? (Facebook war bei mir immerhin wenige Minuten offen)

Egal. Facebook ausgeloggt. Danach war die Session in Firesheep ungültig.

Exkurs: Eine Session ist eine Identifizierung eines Nutzers, die Serverseitig verwaltet wird. Durch URL-Bestandteile, POST-Parameter oder eben immer häufiger Cookies (bei Twitter und Facebook zb.) wird der Browser des Nutzers vom Server erkannt und ein bereits erfolgter LogIn wird zugeordnet. So braucht man sich nicht immer neu anmelden.

Nach dem expliziten LogOut bei Facebook wurde also die in Firesheep angezeigte Session auf dem Facebookserver für ungültig erklärt und man konnte sie nicht mehr benutzen. So weit, so unspektakulär.

Einige Minuten später erschien auf einmal mein Twitterprofil in Firesheep. Ich habe keine Ahnung, wie es da hinkam, denn ich hatte Twitter eigentlich nicht im Browser offen, ich benutze beinahe ausschließlich Clients. Ich bin aber ständig per Browser eingeloggt, auch wenn die Session nicht aktiv ist, wenn ich die Seite nicht offen habe.

Allerdings gibt es noch die Tweetbuttons von Twitter auf vielen externen Websites, die mich ebenfalls anhand der TwitterSession identifizieren. Auf diese Weise kann es sein, dass die eigene SessionId im Netz herumfliegt, ohne, dass man dafür Twitter aufrufen muss.

Jedenfalls dachte ich mir: kein Problem! Ich logge mich auch einfach bei Twitter aus. Zack. Aber was musste ich da feststellen? Trotz des Ausgeloggtseins funktionierte die von Firesheep angezeigte Session immer noch! Mehrere Ausloggversuche scheiterten, jedesmal kam ich per firesheep zurück auf meine Timeline, als hätte ich mich nie ausgeloggt.

Ich hab das Problem gleich auf Twitter gepostet, worauf hin ich erstmal einen ganzen Haufen überflüssiger „Lösch doch deine Cookies„-Antworten zurück bekam. Aber nach einigem hin und her auch die Lösung.

Man muss auf Twitter einfach sein Passwort ändern (keine Angst, geht eh nur per https, also SSL-verschlüsselt) und dann werden alle Sessions ungültig. Puh!

Zwischendrin hat das Oberholz dankenswerter Weise wieder auf Verschlüsselung umgestellt (mit WPA-II hat wohl jeder seine eigene Verschlüsselung).

Es ist nichts passiert, aber es war eine ziemlich creepy Erfahrung, seine Session öffentlich zu sehen, ohne daran etwas ändern zu können.

Was ich persönlich für Lehren aus dem Erlebnis ziehen werde, weiß ich noch nicht. Ich weiß auch nicht, was das für die offene W-Lankultur bedeutet, die ich eigentlich unterstütze. Aber eines steht fest:

Dass die Session nach dem Ausloggen bei Twitter nicht ungültig wird, ist eine Riesenschweinerei! Ich bin wirklich nicht der Sicherheitsfanatiker aber sowas geht gar nicht! Das ist eine Sicherheitslücke schlimmen Ausmaßes. (Vielleicht hab ich ja was übersehen, konnte das Verhalten aber reproduzieren. Kann das vielleicht jemand noch mal verifizieren?)

Allgemein würde ich sogar sagen, dass das Ende von Http für Nutzerprofile gekommen ist. Firesheep hat deutlich gemacht, dass man eigentlich nicht mehr irgendwo ohne SSL (also https) eingeloggt rumsurfen möchte. Insbesondere im Zusammenhang mit der Kolonialisierung des Netzes mit den Like- und Tweet-Buttons muss man da dringend umdenken.

Für weiteren Spott und Häme („HÖHÖ, Kontrollverlust und so, HÖHÖ!“) können gerne die Kommentare verwendet werden.

UPDATE: Die beschriebene Sicherheitslücke war wohl auch schon bekannt. Habe ich mir beinahe gedacht, kannte sie aber nicht (Danke @xbg). Jedenfalls bekommt sie mit Firesheep eine ganz neue Dimension und erhöht den Druck auf Twitter, diese zu schließen. Hoffentlich.

Netzreporter – Depub.org

Und hier ist mein erster Audiokommentar bei dem Netzreporter von dradio.wissen. Ich hab über depub.org, die jetzt auch wieder unter dieser Domain erreichbar sind, gesprochen.

Das ist jetzt wohl eine regelmäßige Institution. Jeden Freitag wird irgend ein Webschnuffi gebeten, das netzpolitische Geschehen zu kommentieren. Bislang finde ich das gelungen. Vor mir waren Markus Beckedahl und Julia Seeliger dran und man darf gespannt sein, was noch so kommt.

Hier der Text:

Vor einigen Wochen startete der Dienst „Depubliziertes“ bekannt als depub.org. Er wurde von anonymen Netzaktivisten gegründet, um die Inhalte der Öffentlich Rechtlichen Internetangebote – wie zum Beispiel die Inhalte von Tagesschau.de – auf eigenen Servern zu sichern. Diese dürfen seit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nämlich nur noch begrenzte Zeit vorgehalten werden. Das Massenhafte Unzugänglichmachen dieser Inhalte, hat man „Depublizieren“ genannt.

Der zivile Ungehorsam der Aktivisten von depub.org ist mehr als eine weitere Internet-Protestaktion. Er ist ein sichtbares Zeichen für ein neues Bewusstsein von „Öffentlichkeit“ im Internet. Gingen die Diskussionen in der Netzpolitik meist um die Wahrung von privaten Interessen – z.B. Datenschutz und Urhberrechte – erwacht nach und nach ein Verständnis des Internests als öffentlicher Kulturraum.

Die neue Öffentlichkeit findet im Internet statt. Versendeten sich die Inhalte bei den klassischen Medien in’s Nirvana einer anonymen Konsumentenmasse, leben sie im Internet viele neue Leben. Sie werden diskutiert, verlinkt, weitergedacht und geremixed. Sie werden eingesponnen in ein dichtes Netz von Kommunikation. Die neuen Öffentlichkeiten arrangieren sich um die Inhalte herum, weben sie ein und verschmelzen mit ihnen.

Das Depublizieren geht deswegen weit über die Inhalte an sich hinaus. Es gleicht einer Amputation von Öffentlichkeit. All die Meldungen, Meinungen und Informationen müssen aus die um sie entstandenen Kontexten schmerzhaft herausgeschnitten werden. Es sind Kulturräume, die weit über das Besitzbare eines Urhebers hinaus gehen, die hier zerstört werden. Depub.org ist reine Notwehr.

Die neue Öffentlichkeit muss ihre Interessen formulieren. Einen unbegrenzten Zugang und das Recht zur Weiternutzung, Weiterbearbeitung und Wiederveröffentlichung – beispielsweise durch Creative Common Lizenzen ist die Messlatte, an der sich der Anspruch eines „Öffentlich Rechtlichen“ Angebots im Internetzeitalter messen lassen muss

.

Aber ich komm da nicht los, von dem Unwohlsein beim Hören von Aufnahmen mit mir. Selbst bei einer professionell aufbereiteten Aufnahme nicht. Ich find das alles irgendwie staksig und unrund. Aber Unzufriedenheit ist ja immer die Triebfeder des Fortschritts. Ich verspreche, mich zu verbessern.

Der Andere und ich

@343max und ich und ich haben wieder mal geredet. Was jetzt nicht heißen soll, das Max der andere ist. Oder dass er es nicht ist.

Im dem Podcast komme ich jedenfalls ganz zum Schluss auf die Debatte um das radikale Recht des Anderen zu sprechen und auf die Replik, die ich auf die Replik von Felix Neumann geschrieben habe (die sich aber mit Saschas AntwortAntwortAntwort an Diplix weder messen will noch kann).

Jetzt ist sie aber fertig. Und ich maße mir an, hier einfach so mir nix dir nix die Möglichkeit, sogar vielleicht die Notwendigkeit des Übermenschen auszurufen. Allerdings finde ich das gar nicht soo anmaßend.

Eben ging ich nämlich durch die normale Öffentlichkeit um einen Netzreport-Kommentar für die digitale Öffentlichkeit über die digitale Öffentlichkeit (kommt Freitag auf dradio.wissen) aufzunehmen, finde aber in der normalen Öffentlichkeit nicht die normale Straße und werde von der digitalen Öffentlichkeit dafür verhöhnt:

Und das nachdem ich bereits auf dem Weg dahin gespottet (nicht ver-spottet) wurde:

Und ich finde das interessant. Denn es ist irgendwie alles so unberechenbar geworden.

Denn Kontrollverlust ist dann doch irgendwie noch was anderes als Post-Privacy. Es wird natürlich nicht so sein, dass überall eine Meute Paparazzi lauert. Aber man hat eben nicht mehr im Blick, wer lauert.

Der Andere als Konzept ist deswegen mehr als nur ein rhetorischer Pappkamerad, der als Agent meine Wünsche repräsentieren soll, um meinen Egoismus zu verschleiern, wie es differentia glaubt. (Er konstruiert da so einen Reverse-Kategorischen-Imperativ, dass, wenn ich der Andere des Anderen bin, alles, was ich für den Anderen fordere, ja auch für mich fordere. Was nicht völlig falsch ist, aber eben völlig irrelevant für das, was ich sagen will.)

Der Andere ist Platzhalter für die Unberechenbarkeit der neuen Öffentlichkeit. Die Nichtvorhersehbarkeit des einen, der eben heute im Zweifel reicht, um eine Information in eine beliebige Größe aufzublasen. Es ist eben nicht mehr der Paparazzi, der einigermaßen berechenbar vor Britneys Spears Haus (und nur vor ihrem) wartet, sondern der Mensch auf der Straße, der mich auf Latitude sieht, ein anderer, der mich zufällig fotografiert, einer der mich auf den Bildern auf Facebook taggt, einer der nur twittert, wo ich gerade bin und was ich tue und welche Straße ich nicht finde. Ja, all das kann der Andere sein, und ja, sogar ich kann der Andere sein, das stimmt.

Aber vor allem und in erster Linie – und das, was den Anderen als Denkfigur absolut notwendig macht – ist es der, den ich hier nicht aufzähle. Der, an den ich nicht denke, den ich nicht auf dem Schirm habe. Den ich vielleicht vergessen habe oder meistens noch nicht mal kenne – nicht kennen kann! Der vielleicht mit einer neuen Datentechnik ankommt, die mir unbekannt ist. Der an mich herantritt oder an meine Daten oder an jemanden mit meinen Daten, oder oder oder. Der vielleicht heute nicht da ist, den es vielleicht heute noch gar nicht gibt, der aber kommt. Der ganz sicher kommt. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen aber irgendwann.

Der Andere ist keine Theorie, er ist kein theoretisches Modell, der Andere ist vielmehr eine Denk- und Meditationsübung. Denn den Anderen zu denken ist unmöglich. Was man vielleicht nach langer Zeit schaffen kann, ist ein wenig das Ausmaß zu erahnen, wie anders der Andere ist oder sein kann. Und eben das, ist es, was wir alle dringend in Sachen Technologie praktizieren müssen.

Der Andere als Übung verhilft zu einer gewissen Demut vor der Zukunft. Eine Übung, die ein bisschen den Oberchecker, der man glaubt zu sein, hinterfragt. Der Feind des Gedankens des Anderen ist nämlich die nachträgliche Evidenz. Die nachträgliche Evidenz ist ein – vielleicht notwendiger – Bug im menschlichen Gehirn: die Eigenschaft im Nachhinein immer alles vollkommen logisch gefunden zu haben, wenn ein Ereignis eingetreten ist – obwohl man eben noch die Reste seines gerade heruntergefallenen Unterkiefers aufgesammelt hatte. (Vermutlich rekonstruiert das Gehirn diese Logik nachträglich zusammen, weil der Mensch ein Sinn produzierendes Wesen ist und gar nicht anders kann.)

Das zweite, was die Überlegung des Anderen fördert, ist Grenzen zu hinterfragen. Grenzen, die den Anderen versuchen zu definieren und gegen uns abzugrenzen. Ganz oft sind diese Grenzen unhinterfragte, oft anmaßende, meist ganz egoistische Grenzen. Das habe ich versucht in Bezug auf die Transparenz in meinem Text für die Taz ein wenig aufzudröseln.

Der Andere ist eben genau das, was man nicht definiert bekommt und er dekonstruiert auf diese Weise alle Abgrenzungen und Definitionen. Egal ob der Ausländer, der Staat, der Leser, die Öffentlichkeit – es wird automatisch furchtbar selbstgerecht, sobald man anfängt die Grenze zu ziehen.

Das ist auch schon die grundlegende Ethik in Levinas‘ Denken. Die Unleugbare Beziehung zum Anderen nicht als eine Grenze, ein Gesetz oder eine Defintion zu denken, die vom ich, von der Subjektivität aus zu ziehen ist, sondern den Spieß umzudrehen und sich selbst vom Anderen her zu denken.

Man kann beispielsweise versuchen, sich hineinzuversetzen in die Troja und mit ihren Augen und ihrem Wissen und aus ihrer Realität und ihrem Diskurs heraus versuchen vorherzusehen, wie Schliemann sie ausgräbt.

Lustiger noch, sich mit Schliemann vorzustellen, wie er die Ausstellung über sich selbst empfunden hätte. Der Postmoderne Diskurs – der, der sich für den Blick des Beobachters/Archäologen zu interessieren begann, war ihm so unfassbar fremd, dass er sich mit dem Handrücken gegen die Stirn geschlagen hätte.

Er hielt sich nun mal für den Protagonisten einer wissenden Jetztzeit, der die vergangene Zeit mit den untrüglichen Werkzeugen in das universelle und unwidersprochene Prinzip „Geschichte“ einordnete. Mit anderen Worten: er hatte sich selbst als zukünftig historisches Objekt überhaupt nicht auf dem Schirm. Dass die Menschen sich einmal dafür interessieren würden, wie er gefundenen Schmuck ausgestellt hat, dass sie den Spaten ausstellen würden, mit dem er grub, dass sie wissen wollen, was er über Geschichte dachte und welche Briefe er schrieb, um seine Grabungen zu finanzieren: unvorstellbar!

Aber – und hier gerät man sofort höllisch in Gefahr – fängt man implizit an zu lächeln, ob der Naivität dieses Schliemann, der nun Grabungsobjekt und nicht mehr Subjekt ist und man lächelt vielleicht über den sich damals als „modern“ bezeichnenden Diskurs. Und hier tut man wieder genau das Falsche, das Anmaßende: man zieht eine Grenze, indem man auf „die“ zeigt. Eine Grenze, die Schliemann – von uns aus betrachtet – zum Anderen macht. Aber nicht zum Anderen im Levinasschen Sinne, sondern zum Anderen, des Nicht-Ich – vom ich aus definiert und abgegrenzt.

Eine furchtbar selbstgerechte Perspektive, deren Arroganz vollkommen ungerechtfertigt ist. Denn hier muss man, statt diese Grenze zu ziehen, sich selbst an die Stelle setzen und sich laut und deutlich einreden, dass man selber Schliemann ist. Dass man selber so ochsig vorm Berg gestanden haben wird. Kein Stück besser! Und zwar für einen Zukünftigen Anderen.

Wenn man diesen vollkommen schwierigen Gedanken in etwa annähernd gedacht hat oder versucht hat zu denken, dann hat man zumindest den Nutzen der Denkfigur des Anderen verstanden.

Und das alles nur, weil ich Bahn fahren musste, weil mein Fahrrad in der Werkstatt ist.