Krasse Links No 69

Willkommen zu Krasse Links No 67. Called den LockIn und lasst den Purge downstream fließen, heute redefinieren wir Netzwerkmacht als öffentliche Opfergabe an die Graphnahme der Verschwörungstheorie.


Benjamin Netanjahu hat beunruhigend gute Laune, weil Tiktok demnächst von einem yet another rechtsradikalen US-Milliardär gekauft wird.

Man kann die Freude verstehen. Zwar hatte Tiktok bereit lange Bemühungen gezeigt, den westlichen Entscheidern nicht auf die Füße zu treten und brav propalästinensische Inhalte unterdrückt, doch das war nicht genug. Bei Tiktok ging es nie wirklich um China, sondern immer schon um Gaza.


Der yet another rechtsradikale Tech-Milliardär ist Larry Ellison, der neulich in einem öffentlichen Meeting seine Zukunftsvision teilte:

“Citizens will be on their best behavior, because we’re constantly recording and reporting everything that is going on,” Ellison said in an hour-long Q&A during Oracle’s Financial Analyst Meeting last week.

Ellison ist Gründer von Oracle, battelt sich seit neustem mit Musk um Platz 1 der reichsten Menschen der Welt, ist ein enger Trumpvertrauerter und früher Unterstützer und vor allem ist er best Buddy mit Netanjahu und das zionistische Projekt liegt ihm so am Herzen, dass er erst kürzlich, ganz persönlich viele Millionen Dollar an die IDF spendete.

Netanjahus gute Laune ist mehr als verständlich.


Alex Rollins Berg in The Point mit einem enorm lesenswerten Essay über Shooterkultur als sinnentleertes Medienspektakel im Kontext der Hollywood-Tradition von Gewaltdarstellungen.

In Empty Moments, the film scholar Leo Charney argues that “drift”—the inability to hold onto a stable present—is the defining feature of modernity. Violent spectacle jolts us into momentary contact with something that feels real, however horrifying it might be. Social media, like Edison’s cinema of attractions, doles out violence as a stimulant. By discarding context and moral frameworks, the violence is aestheticized and reduced to slop—slickly produced yet strangely hollow, gesturing at importance without actually achieving it. What matters most isn’t what the violence means or why it was perpetrated, only that it draws attention. Its shallowness invites viewers to project their own interpretations—or just enjoy the show.

Ich hab auch einiges gelernt, unter anderem, dass die Colombine Attentäter, damals 1999, im Vorfeld Videotapes aufgenommen haben – die „Basement Tapes“, die nie an die Öffentlichkeit kamen und nach der Auswertung und der Sichtung durch die Angehörigen vernichtet wurden. Damit reiht sich schon Columbine als frühe Pfadsetzung in die Shooterkultur ein.

Aber für Berg beginnt Geschichte noch viel früher: bei den Kinetoskopien von Thomas Edison, in dem er einen Elefanten durch elektrischen Strom töten lässt.

In 1903, Thomas Edison produced Electrocuting an Elephant, a film just over a minute long that documents the execution of Topsy, a Coney Island circus elephant that trampled a jeering spectator.

Was Berg nicht schreibt, ist, warum Edison den Film produzierte. Er ließ den Elefanten mit Wechselstrom töten, um den Menschen zu demonstrieren, wie gefährlich der ist, im Gegensatz zum Gleichstrom, den er damals als bisher einziger Strom-Oligarch anbot und dem George Westinghouse mit seinem immer erfolgreicher werdenden Wechselstrom-System zunehmend Konkurrenz machte.

Die ersten Opfer der Plattformkriege sind Tiere.“ so begann ich die Geschichte dieses ersten Plattformkriegs, den „War of currents“, im Plattformbuch. Plattformkriege sind Kriege um die Pfadsetzung zur Hegemonie des eigenen Standards: Gleich- vs. Wechselstrom, VHS vs. Beta, Apple vs. PC, Netscape vs. Internet Explorer, Tiktok vs. Instagram, etc. Wer den Pfad zur richtigen Zeit setzt und mit den Netzwerkeffekten schwimmt, kontrolliert das Ökosystem.

Dass aber die öffentliche Opfergabe zur Plattformkultur seit Edisons Zeiten dazugehört, und offenbar die ganze Zeit mitgewachsen ist, finde ich eine bemerkenswerte Beobachtung, von der ich noch nicht so recht weiß, was ich damit anstelle.


In meinem Plattformbuch ist ein zentraler Begriff die Graphnahme.

So wie die Landnahme die Ordnung eines Staates auf einem Territorium begründet, begründet die Einnahme eines Graphen die Ordnung einer Plattform. Der Medienwissenschaftler Christoph Engemann hat die Macht, einen Graphen zu kontrollieren, deswegen auf den Akt der „Graphnahme“ zurückgeführt. Engemann hält die Graphnahme für eine übersehene, aber nichtsdestoweniger entscheidende machtpolitische Komponente zeitgenössischer Geopolitik. Seit Edward Snowden wissen wir, dass vor den Plattformen bereits die Geheimdienste, insbesondere die NSA, an einem Weltgraphen gearbeitet haben – also an der Idee, alle stattfindenden Verbindungen der Welt zu kartographieren. Auch das US-Militär arbeitete bereits seit dem letzten Irakkrieg mit sozialen Graphen, um Verbindungsmänner zu Terrorzellen zu identifizieren, Kommandostrukturen feindlicher Kämpfer zu analysieren und in diese Verbindungen durch diverse taktische Manöver einzugreifen – eine Praxis, die auch „graph shaping“ genannt wird.

Graphen sind ebenjene unterliegende Architektur, die eine Plattform nicht selbst herstellen kann. Eine Plattform kann die Voraussetzungen schaffen, um die Verbindungen zu ermöglichen – als erwartete Selektion potentieller Verbindungen. Aber der Graph einer Plattform ist nur zu etwas nütze, wenn er in den konkreten Verbindungen mit einer Realität außerhalb der Plattform korreliert: “echte” Musikleidenschaften, bedeutende Freundschaften, bedeutende Bedürfnisse, bedeutende Interessen, bedeutende Orte, Wege oder Leidenschaften.

Und hier ergibt sich eine weitere Parallele zwischen Graph und Raum. Durch die ungleiche Verteilung der Verbindungen, etwa bei skalenfreien oder Small-World-Netzwerken, kommen vor allem die lokalen Netzwerkeffekte zum Tragen. Ein Cluster oder ein Hub sind immer auch Amplituden lokaler Netzwerkmacht. Stellt man sich die Netzwerkmacht als Höhen vor, bzw. deren Abwesenheit als Tiefen, dann wird aus der Topologie eine Topographie. Der Graph bildet dann durch das Zusammenspiel von lokalen und negativen Netzwerkeffekten widerständige, zerklüftete Landschaften ab, mit Bergen, Tälern, Schluchten, schwer überwindbaren Flüssen und Küsten. Wie die Strategien der Landnahme müssen sich auch Strategien der Graphnahme an solchen Gegebenheiten orientieren. Im Musikgraph können Hip-Hop-Fans und ihre Musik zum Beispiel so einen Cluster/Hügel bilden, der neben anderen Hügel wie Metal oder Klassik existiert und nur wenig Überschneidungen aufweist. Einen solchen Hügel zu erobern ist schwer, ihn zu halten einfach. Er ist zudem eine gute Ausgangsbasis, um von dort weitere Eroberungen vorzunehmen. Unverbundene Teile des Netzwerkes bilden dagegen so was wie eine natürliche Grenze, die die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs minimiert, und ein Territorium leichter abgrenzbar macht.206 Alle Hügel und Täler zusammen bilden dann den jeweiligen globalen Graphen eines Interaktionszusammenhangs.

Heute würde ich es anders malen: Der Graph ist ein weit verzweigter Strom aus Pfadgelegenheiten und die Hügel sind Flaschenhälse, wo sich die Flüsse durch Engstellen zwängen. Weil jede Person auf einer Plattform eine potentielle Pfadgelegenheit für die anderen ist, gilt auf Plattformen eine Art Metcalfe’s Law, d.h. die Pfadgelegenheiten entwickeln sich exponentiell zum Nutzerzuwachs, nur dass in der Realität die Pfadgelegenheiten aus Sicht des Einzelnen eben nicht gleichwertvoll sind (99,99 Prozent der Inhalte jeder Plattform interessiert einen ja nicht).

In der politischen Ökonomie der Pfadgelegenheiten (Ich benenne sie hiermit um) ist Macht relative Netzwerkzentralität im Netzwerk der Pfadgelegenheiten. Genauer: eine Kombination verschiedener Netzwerkzentralitäten: relative Betweenness-Netzwerkzentralität (schwer austauschbar) bei gleichzeitig nomineller Degree-Netzwerkzentralität (hohe Popularität) und/oder hoher Eigenvektor-Netzwerkzentralität (z. B. mächtige Kund*innen, Geschäfspartner*innen). Das erreichbare Maximum in diesem Spiel ist folglich das Monopol über alle Pfadgelegenheiten, aber man kann auch gute Margen verdienen, wenn man nur einfach eine relativ hohe Betweenness-Netzwerkzentralität im Vergleich zu seinem lokalen Umfeld erlangt.

D.h. Daraus könnte man grob annähren, dass die Macht der Plattform gegenüber einem Nutzer die Summe des „Werts“ der von ihr für ihn zur Verfügung gestellten Pfadgelegenheiten ist, geteilt durch die Anzahl der Pfadalternativen für dieselben oder (leidlich) gleichwertigen Pfadgelegenheiten zur Plattform + 1. (So in etwa hatte ich es in meiner Doktorarbeit)

Und dann kam die Twitterübernahme durch Musk. Für Dividuen wie mich stellte sich die Frage, welchen Wert – im Sinne von Pfadgelegenheiten (Zugang zu News, Spezialinformation, eigene Reichweite, Unterhaltung, Promis, Diskurse, etc) – wir bereit waren zurückzulassen, um den zugegebener Maßen mit bislang viel weniger Pfadgelegenheiten ausgestatteten Netzwerken wie Mastodon oder Bluesky eine Chance zu geben.

Das verschaffte mir zwei Datenpunkte:

  1. Ja, es gab einige Austrittswellen, die am Anfang vor allem auf Mastodon und seit letztem Jahr mehr auf Bluesky aufrauschten und immer wieder ein bisschen Leben in die Buden brachten, aber das meiste fließt immer wieder zurück ins Meer. Das absolute Worstcase Szenario, dass ein völlig durchgeknallter Faschist an die Macht der Plattform kommt und sie gezielt als Nazipropagandawaffe einsetzt, reichte nicht aus, um genug Leute zum Gehen zu bewegen. Ich behaupte: wir sehen hier nicht das Versagen des Individuums, sondern die sichtbare und monströse Wirkung von Netzwerkmacht. Die meisten wollen weg, aber halten sich gegenseitig auf X als Geisel.
  2. Der andere Datenpunkt: Der Twitterverlust tat scheiße weh. Ich glaube, es gibt nicht so viele Menschen, die verstehen können, wie tief Twitter in meine informationellen Alltagsroutinen verwoben war, wie meine Karriere und auf eine Art auch meine Identität an meinem Twitteraccount hang.

Und dieser zweite Datenpunkt – der Netzwerkschmerz – bringt mich nun dazu, die Formel anzupassen.

Die Macht der Plattform gegenüber einem Nutzer ist die Summe des „Werts“ der von ihr für ihn zur Verfügung gestellten Pfadgelegenheiten plus die Summe aller Pfadgelegenheiten, die sich pfadabhängig aus diesen Pfadgelegenheiten ergeben, geteilt durch die Anzahl der Pfadalternativen für dieselben oder (leidlich) gleichwertigen Pfadgelegenheiten zur Plattform + 1.

Es ist eben nicht nur Zugang zu News, Spezialinformation, eigene Reichweite, Unterhaltung, Promis, Diskurse, etc. Der Großteil des „Werts“ liegt downstream der Engstelle, sonst würde es gar nicht funktionieren. Vor allem bei den halbwegs großen und aktiven Accounts liegt der Wert vor allem um Anerkennung, um das eigene Geschäftsmodell, Sozialität, den sich ständig ergebenden beruflichen Kontakten und irgendwann dem eigenen Identitätsmodell – kurz: es geht um Existenzen.


Adam Raz und Assaf Bondy in Geschichte der Gegenwart über die semantisch und materiell hergestellte Komplizenschaft der Israelis mit dem Genozid in Gaza.

Die Komplizenschaft wird auf zwei Ebenen hergestellt: der materiellen und der semantischen. Zunächst zur semantischen Ebene:

In unserem Buch „Lexikon der Brutalität: Schlüsselbegriffe aus dem Gaza-Krieg“ (auf Hebräisch im Pardes-Verlag, 2025) haben wir die diskursiven Mechanismen untersucht, die es der Öffentlichkeit gestatten, die in Gaza begangenen Verbrechen zu unterstützen oder sich gar daran zu beteiligen – die sprachlichen und kulturellen Instrumente, die das Unvorstellbare normalisieren und Massengräuel gesellschaftlich akzeptabel machen. Die gesellschaftliche Unterstützung und Beteiligung wird durch die Übernahme des Regierungsdiskurses gefördert, der anschließend in alltäglichen Interaktionen reproduziert und verbreitet wird, sei es am Esstisch, in Lehrerzimmern, in Supermärkten und so weiter.

Die verharmlosende Sprache bezieht nicht nur die Öffentlichkeit in staatliche Gewalt ein, sondern erleichtert auch die Umsetzung der Regierungspolitik. In diesem Sinne wird der gesellschaftliche Diskurs zu einem ‚Käfig‘, der das Denken einengt und den Raum für Dissens einschränkt. […]

Wir haben es mit einer systematischen semantischen Verschleierung gewalttätiger Handlungen zu tun. Sie fand in den letzten zwei Jahren in Israel in extremer Weise statt und kann als bewusste Strategie angesehen werden, sich gegen das stattfindende menschliche Leid zu immunisieren. Wenn Minister dazu aufrufen, „Gaza dem Erdboden gleichzumachen“, verbirgt sich hinter dieser Redewendung die reale Möglichkeit, Gebäude über den Köpfen ihrer Bewohner:innen zu zerstören. Wenn Politiker:innen aus Mitte- und Rechtsparteien von „freiwilliger Migration“ sprechen, dem derzeit gebräuchlichen technisch-demografischen Begriff, oder von der Errichtung einer „Riviera“ in Gaza, so sind dies letztlich Umschreibungen des Vorhabens, eine ganze Bevölkerung aus ihren im Krieg zerstörten Häusern zu vertreiben. Hinter dem Begriff „Kollateralschaden“ verbergen sich die Gesichter toter Frauen, Männer und Kinder. Die sprachliche Neutralisierung von Brutalität ermöglicht die Ausweitung und Eskalation des Krieges. Wie George Orwell in seinem Essay „Politics and the English Language“ (1946) bemerkte: „Die politische Sprache – und mit Abweichungen gilt dies für alle politischen Parteien, von den Konservativen bis zu den Anarchisten – ist darauf ausgelegt, Lügen wahrhaftig und Mord respektabel klingen zu lassen und reinem Geschwätz den Anschein von Solidität zu verleihen.“

Wie immer ist materielle Ebene ist aber noch relevanter.

Während des Gaza-Krieges entstand in Israel eine neue wirtschaftliche Währung, bekannt als „reserve duty day“ (RDD), eine staatliche Vergütung für einen Tag Reservedienst. Der RDD ist nicht nur eine Zeiteinheit, sondern eine Form von Währung, mit der der Staat die aktive Partnerschaft seiner Bürger:innen bei seinem Projekt der Zerstörung und Vernichtung im Gazastreifen erkauft.

Dieser Mechanismus funktioniert wie folgt: Der Staat zahlt einzelnen Reservist:innen fast 29.000 israelische Schekel (etwa 7.400 Euro) pro Monat, damit sie sich „freiwillig“ zum Reservedienst melden. Zum Vergleich: Der Mindestlohn in Israel betrug 2025 pro Monat 6.248 Schekel (1.596 Euro), während das Durchschnittsgehalt aller Branchen 14.800 Schekel (3.781 Euro) erreichte. Der RDD bietet somit fast das Fünffache des Mindestlohns und fast das Doppelte des nationalen Durchschnitts. Er konkurriert damit direkt mit den Hightech-Gehältern, die seit langem den Goldstandard für prestigeträchtige israelische Jobs bilden.[…]

Die praktische Umsetzung dieses Systems führt zu einer Art „militärischer Gig-Economy“. Diese stellt eine bedeutende Neuerung in der modernen Kriegswirtschaft dar (oder was in der Vergangenheit als militärischer Keynesianismus angesehen wurde): RDD als öffentliche Bestechung von Privatpersonen. Die Flexibilität dieses Systems der „offenen Befehle“ wird durch die Erfahrung eines 34-jährigen Reservisten veranschaulicht: Dieser beschrieb, wie Soldaten RDDs nutzten, um Vorräte für die Grillparty der Einheit zu kaufen. Dafür registrierten sie den Metzger, von dem sie das Fleisch bezogen, als Reservisten, so dass dieser einen Anspruch auf 30 Tage Reservistenbezüge erhielt. Anstatt ihn in Schekel zu bezahlen, bezahlten sie ihn in RDD.

Diese Komplizenarchitektur wirkt wie ein materiell-semantischer Käfig, der die Interessen der Bevölkerung mit den Kriegen der Regierung alignt.

Dieses System schafft ein Netzwerk von Interessen, das wachsende Teile der Bevölkerung erfasst und ein kollektives Mitwirken an der Regierungspolitik intensiviert. Der Umfang dieses Netzwerks ist beträchtlich. Schätzungen zufolge waren im ersten Kriegsjahr über 300.000 israelische Reservist:innen im Einsatz, von denen viele noch immer für längere Zeit dienen und direkt in die Kriegswirtschaft eingebunden sind. Laut Militärdaten leisteten diese 300.000 Personen im Jahr 2024 einen durchschnittlichen Dienst von 120 Tagen, was einer Beteiligungsquote von bis zu 16 % der relevanten Bevölkerung entspricht (jüdische Männer im Alter von 21 bis 45 Jahren, abzüglich der Ultraorthodoxen, die keinen Militärdienst leisten). Der Anteil ist so groß, dass er einen wesentlichen Teil der Gesellschaft mit einbezieht.

Die psychologischen und sozialen Dimensionen dieses ‚ökonomischen Käfigs‘ sind ebenfalls wichtig. Für den Reservisten, der ein hohes Monatsgehalt bezieht, wird es psychologisch und wirtschaftlich schwierig sein, die Kriegsverbrechen zu kritisieren, an denen er beteiligt ist oder die er miterlebt. Seine Familie, die in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit von einem stabilen und respektablen Einkommen profitiert, wird weniger Motivation haben, sich gegen Militäroperationen, einschließlich systematischer Gräueltaten, zu stellen. Seine Freund:innen werden weniger geneigt sein, jemanden zu kritisieren, der sein Privatleben opfert, auch wenn er davon finanziell profitiert. Die sozialen Kreise jedes Reservisten – Familie, Freund:innen, Kolleg:innen und Nachbarn – werden zu indirekten Beteiligten an der Kriegswirtschaft und damit auch an deren Verbrechen. Dadurch entsteht ein Netz der Kompliz:innenschaft, das weit über die direkte militärische Beteiligung hinausgeht und ganze Gemeinschaften umfasst, deren wirtschaftliches Wohlergehen von der Fortsetzung dieser Verbrechen abhängt. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, in der Widerstand gegen kriminelle Politiken nicht nur politisch schwierig, sondern auch wirtschaftlich riskant wird.

Dieses System ist nicht temporär, sondern wird die israelische Gesellschaft auf Dauer prägen.

Der derzeitige Wandel ist mehr als nur eine vorübergehende Anpassung an die Kriegszeit. Er ist eine potenziell dauerhafte Veränderung des Sozialvertrags zwischen den israelischen Bürger:innen und dem Staat. Die israelische Politik wird von diesen Mechanismen weiterhin geprägt bleiben, während gleichzeitig die wirtschaftliche Abhängigkeit von militärischen Operationen normalisiert wird. Für Israel wirft diese Entwicklung grundlegende Fragen hinsichtlich des Weiterbestehens seiner Demokratie auf: Immerhin hat ein erheblicher Teil der Bevölkerung ein direktes wirtschaftliches Interesse an der Fortsetzung von Kriegsverbrechen.

Die Regierungen haben von den Plattformen gelernt: LockIn ist eine der effektivsten Regierungsmethoden.


Der Grund, warum Netanjahu zwar über Elon und Ellison spricht, aber nicht über Zuckerberg, liegt daran, dass Meta schon lange an Board ist. Schon 2023 veröffentlichte Humand Rights Watch einen Report darüber, wie Meta systematisch israelkritische und propalästinensische Stimmen zensiert, die BBC zeigte 2024, wie propalästinensische Stimmen algorithmis gedimmt werden, Dropsite News 2025 und der EFF wies u.a. darauf hin, dass Israelische Behörden – die Israeli Cyber Unit – einen privilegierten einen Löschzugriff auf Metaplattformen haben. Wer lieber Video schaut: Al Jazeera hat eine Doku zum Thema.

Aber das ist nicht alles. Bei Meta sind über 100 ehemalige IDF-Soldaten und Mossad-Agenten auf hohen Positionen.

Als geleakt wurde, dass Jordana Cutler, Metas aktuelle „policy chief for Israel and the Jewish Diaspora“ eine friedliche Studentengruppe, die „Students for Justice in Palestine“ als „Dangerous Organizations and Individuals“ flaggen wollte, war der Aufschrei groß.

Her resumé includes several years at the Israeli Embassy in Washington, D.C., where she worked in public affairs and as its chief of staff from 2013 to 2016, as well as a stint as a campaign adviser for the right-wing Likud party and nearly five years as an adviser to Prime Minister Benjamin Netanyahu. Upon her hiring in 2016, Gilad Erdan, then minister of public security, strategic affairs and information, celebrated the move, saying it marked “an advance in dialogue between the State of Israel and Facebook.”

Der strategische Wert des Verkaufs von Tiktok an die amerikanische Oligarchie ist nicht nur eine Pfadgelegenheit, bei Tiktok dasselbe harsche Regime einzuführen (das existiert dort schon), sondern geht weit darüber hinaus. Netanjahu und Trump haben jetzt die Pfadgelegenheit mit drei ihrer Tech-Buddies die gesamte westliche Öffentlichkeit zu umstellen.

Was heißt das?

Hier, was ich glaube, was passieren wird, sobald der Deal durch ist: Es wird einen plattformübergreifenden „Purge“ auf alle linken, trans- und vor allem propalästinensischen Accounts geben. Das war vorher technisch schon möglich und ich bin mir sicher, dass die Listen längst existieren, aber die Situation war noch nicht bereit.

Meta konnte seine Zensurbemühungen bislang nur sehr vorsichtig umsetzen, weil offen propalästinensische Accounts erstens verdammt viele sind, die zweitens eine teils erhebliche Reichweite haben (siehe Hasan Piker), aber vor allem, weil sie bei einer so brutalen Maßnahme erwarten müssen, jede Vertrauenswürdigkeit bei ihren Nutzer*innen zu verlieren, was zu einer Massenflucht zu Tiktok oder anderen Plattformen führen würde.

Sowas geht nur koordiniert. Auch Musk „ist ein Freund“, wie Netanjahu sagt und mit Druck aus dem Weißen Haus bekommen sie auch Youtube auf Linie. Aber all das geht nicht, solange Tiktok daraus Gewinn schlagen kann und schließlich den Plattformkrieg gewinnt.

Kurz: Mit Ellison an den Tiktok-Hebeln tun sich völlig andere Pfadgelegenheiten auf.

Wenn die Macht der Plattform gegenüber einem Nutzer die Summe des „Werts“ der von ihr für ihn zur Verfügung gestellten Pfadgelegenheiten + die all die Pfadgelegenheiten, die dadurch möglich werden ist, geteilt durch die Anzahl der Pfadalternativen für dieselben oder gleichwertigen Pfadgelgenheiten zur Plattform + 1 ist, dann ist die Öffentlichkeit jetzt umstellt. Denn wenn einem Pfadalternativen ausgehen, dann ist man gefangen und der LockIn entspricht im Zweifel dem Wert der eignen Existenz.

Ich kann die Zukunft nicht vorhersehen, aber ausgehend von den Beobachtungen nach Elons Musks Twitterkauf, bin ich skeptisch, ob so ein dreister, offener Purge ausreichen wird, dass die Leute in Scharen fliehen. Und die, die fliehen – davon wird es viele Millionen geben – werden sich, wie wir damals, in alle möglichen heterogenen Netzwerken verstreuen oder Offline gehen.

Was uns bevorsteht, ist die endgültige Graphnahme und Gleichschaltung der digitalen Öffentlichkeit durch Trump, Netanjahu und ihre Tech-Oligarchenfreunde.


Christian Stöcker mit einem interessanten fachlichen Blick auf die psychologisch falschen Annahmen der KI-Forschung.

Die Entwicklung des menschlichen Denkens vollzieht sich nicht unabhängig von unseren Körpern, im Gegenteil: Wir lernen, über die Welt nachzudenken, indem wir mit ihr interagieren. Dabei können wir irgendwann enorme Abstraktionslevel erreichen: Astrophysikerinnen oder Bioinformatiker sind permanent mit Dingen beschäftigt, die sie weder sehen noch anfassen können. Anfangen aber müssen wir alle mit Interaktionen mit der Umwelt. Unser Denken basiert darauf, genau wie unser Handeln. Wir verknüpfen in unseren Köpfen Sinneswahrnehmungen – Sensorik also – mit Handlungen – Motorik also. »Denken« ist zunächst einmal die interne Simulation dieser Verknüpfung. […]
Um Begriffe wie »Freiheit«, »Krankenversicherung« oder »Hypotenuse« lernen und verstehen zu können, müssen wir zunächst einmal Begriffe wie »Löffel«, »Stuhl« oder »Schuh« gelernt haben, und zwar auf Basis des physischen Umgangs mit ihnen. Abstraktes Denken ist eine Weiterentwicklung konkreten Denkens, keine davon unabhängige Funktion des menschlichen Geistes.

Ich finde das total logisch. Wir werden immer schon in ganz konkrete materielle und semantische Strukturen hineingeboren und deswegen begegnen uns alle Dinge und Worte als immer schon in materiell funktionale Pfade (Löffel als Pfadgelegenheit zum Brei essen), und ihre Pfadabhängigkeiten (Schüssel, Tisch, Essen), sowie in soziale Netzwerke (Mama füttert mich mich Löffel) und in semantischen Pfade („Will Löffel!“) eingebunden.

Weil wir keine Individuen sind, die sich der Welt gegenüberstellen, sondern relationale Materialist*innen, denken wir weder in „Objekten“ noch in „Begriffen“, sondern in Pfaden.

Denkt mal über das Denken nach und beobachtet euch selbst: Nachhausefinden, Planen, Sprechen, Kuchenbacken, Singen, Erzählen, Nachdenken, Erinnern, Kopfrechnen, Forschen, ein Wissenschaftlicher Versuch – all das sind Pfade. Um uns unsere Schuhe zuzubinden, müssen wir zuerst in die Hocke gehen, dann mit der einen hand den einen und mit der anderen den anderen Schnürsenkel greifen und so weiter. Jeder Schritt ist notwendig, also eine Pfadabhängigkeit für den nächsten Schritt.

Dieselben Bewegungs-Pfadabhängigkeiten sind aber selbst wiederum in andere Kontexte eingewoben. Wenn z.B jemand im Trainingsanzug in die Hocke geht, gibt es diesen Moment der Unsicherheit, ob er sich die Schnürsenkel binden will, oder in den „Slav Squat“ geht.

Handlungen und ihre Infrastrukturen sind als materielle Pfadgelegenheiten mit dem Raum der semantischen Pfdgelegenheiten rhizomatisch verwoben. Oder anders: Semantik und materieller Weltbezug bilden einen gemeinsamen Latent Space, den wir nur von innen und immer nur entlang konkreter Pfade kennenlernen. Alles ist eins. Ja, doch, Spinoza, aber mit Übergangswahrscheinlichkeitsmatrix statt Kausalitätsketten.

Manche Pfade erweisen sich als Holzweg. So ist z.B einer unserer ererbten semantischen Pfade die Vorstellung, wir seien „Subjekte“ unter „Objekten“. Diese Vorstellung ist – ihr werdet es erraten – pfadabhängig von der Selbsterzählung als Individuum, also als insich abgeschlossene Entität, die sich als Geist (Intelligenz/Res Cogitans) der Welt (den Objekten/Res Extensa) gegenüberstellt.

Was der beschriebene Google-Roboter tut, wenn er unbeholfen Stofflappen in Plastikwannen hievt, ist menschlichem »Denken« tatsächlich näher als das, was ChatGPT tut, wenn man es auffordert, ein Gedicht über kartenspielende Hunde zu schreiben. Die Maschine muss »Begriffe« im engeren Sinn bilden. Sie muss die Worte in ihrem Sprachkorpus in Verbindung bringen mit Objekten und Konzepten in der realen Welt, etwa mit den Farben der Stoffstücke und Wannen; mit Objekten, die sie mit ihren Sensoren wahrnehmen kann und mit denen ihre Effektoren, in diesem Fall ihre »Hände«, interagieren können.

Ich bin da glaube ich noch etwas skeptisch, denn unsere menschliche Semantik ist immer in unseren materiellen Erfahrungsrahmen situiert und damit feingranular und tief verwoben. Was passiert, wenn man voneinander unabhängig erworbene Latent Spaces – den Latent Space der LLMs (Texte) und den Latent Space der materiellen Pfadgelegenheiten des Robotertrainings – einfach miteinander verbindet? So rein intuitiv kommt mir das sehr wacklig vor.

Aber ich gebe Stöcker recht, dass der weitere Weg zur KI über dem Weltbezug kommen wird und das das unschön wird.

Das ist, psychologisch betrachtet, so folgerichtig wie Furcht einflößend. Wenn die künstlichen Intelligenzen der Zukunft physisch oder anderweitig in die reale Welt eingreifen können – sei es als Haushaltsroboter mit übermenschlichen Kräften, als ultraschnelle, autonome Handelsmaschinen an den Börsen der Welt, oder gar als Drohnenschwarm , der selbstständig Ziele angreift –, dann werden die bislang teils hysterischen Warnungen vor den Gefahren durch Maschinen , die gewaltige Schäden anrichten, plötzlich viel plausibler.

Hier ein Vorschlag: Als „Intelligent“ bezeichnen wir die je nach Kriterium als erfolgreich beurteilte Navigation des Latentspace. Die Erfolgskritierien können dabei sehr unterschiedlich sein: konkrete Kompetenzen und Fertigkeiten, akademischer Grad, Feindlichem Feuer ausweichen, Effizienz, die erfolgreiche Absolvierung von IQ-Tests, monetärer Erfolg, erschoßene Kombattanten, Humor, Eleganz, Höflichkeit, gehackte Infrastrukturen, soziales Geschick, Charisma, Eloquenz, „Thoughtleadership“, Agieren als autonome Kampfformation, oder einfach, wenn wir jemanden als besonders Aufmerksam für Bedürfnisse anderer wahrnehmen. „Intelligenz“ ist „erfolgreiche Navigation“ in der Metrik, die dir gerade wichtig ist.

Das „Individuum“ hat uns in sein Reich der Unverbundenheit gelockt, ins Reich der Objekte und unverbundenen Handlungen, wo die Infrastruktur immer schon da war und wir immer schon „frei“, „autonom“ und „intelligent“ waren. Ich finde, es ist Zeit, erwachsen zu werden und aus dieser kindischen Superheldenerzählung auszusteigen und uns unsere relational materiell situierte und dadurch notwendig sequenzielle Natur einfach mal einzugestehen.

Krasse Links No 68

Willkommen zu Krasse Links No 68. Widersteht dem Hype, die Pfadgelegenheit ist nah, heute vernetzen wir das Prisoner Dilemma mit Spinoza.


Einigen wird es aufgefallen sein: der Newsletter von letzter Woche ist leider aus versehen unfertig rausgegangen.Sorry, hier die die Vollverion.


Jimmy Kimmel darf heute Abend wieder senden. Disney hat sich damit dem öffentlichen Aufschrei und dem sich formierenden Boycott (vorerst) gebeugt.

Disney hatte zuerst öffentlichen Drohungen von Brandon Carr, dem Chef der Medienaufsichtsbehörde FCC vorauseilend gehorcht und Kimmel rausgeworfen, nachdem dieser in seiner Sendung unvorsichtiger weise andeutete, dass Kirkmörder Tyler Robinson ein rechter sein könnte. Also direkte staatliche Zensur, wegen einer unvorsichtigen Formulierung in einer Zeit der Ungewissheit. Die Hintergründe gut aufbereitet hat John Oliver.


In einem Anflug von Erkläreritis habe ich versucht, meinen Begriff der „Pfadgelegenheit“ zu erklären, woraus dieser LinkedIn-Post entstand (Sorry für Kleinschreibung, ist so ein Social Media-Tick von mir).

der begriff der „pfadgelegenheit“ ist der versuch, das amalgam aus handlung und den dafür notwendigen infrastrukturen in einen netzwerkfähigen begriff zu verpacken und so menschliche handlungen wieder an die gesellschaftlichen strukturen rückzukoppeln.

die grundannahme: du kannst nur handeln, wenn es einen weg dazu gibt. wir gehen nicht „unseren“ pfad, wir entscheiden uns zwischen materiell gegebenen pfaden.

„pfadgelegenheit“ ist so ein einfaches, unscheinbares wort, aber auch so extrem nützlich. hier ein paar beispiele:

wir haben damit eine pfadgelegenheit für eine infrastrukturbewusstere semantik:

eine pfadsetzung ist eine pfadentscheidung aus einer gegebenen menge aus pfadgelegenheiten, die rückblickend zur pfadabhängigkeit wird.

zum netzwerk werden pfadgelegenheiten, wenn man versteht, dass der ganze sinn von pfadgelegehheiten ist, neue pfadgelegenheiten zu ermöglichen.
bonusnutzen: das denken in pfadgelegenheiten entfaltet implizit und ganz automatisch eine räumliche und historische struktur, die sich durch pfad-abhängigkeiten beschreiben lässt und damit implizit auch macht abbildet. das funktioniert sowohl für materielle wie für semantische infrastrukturen.

beispiel: die einfach scheinende handlung: „nudeln kochen“ können wir mithilfe der „pfadgelegenheiten/pfadabhängigkeiten“-semantik in ein beliebig feingranulares netzwerk aus logistikunternehmen, wasserrohren, stromkabeln, historischen ereignissen, kraftwerken, weizenfeldern und arbeitsbedingungen in anderen ländern auffalten.

semantische pfadgelegenheiten:

jedes wort, jeder satz, jeder gedanke ist pfadgelegenheit für weitere semantische pfadgelegenheiten.

jedes wissen bereitet pfadgelegenheiten für neues wissen. aber auch semantische pfadgelegenheiten haben materielle pfadabhängigkeiten. bücher im elternhaus, medienkonsum, schulalltag, der vermittelte „wert von bildung“ etc.

auch: verschwörungstheorien bieten pfadgelegeheiten in andere verschwörungstheorien, „rabbitholes“ bestehen aus semantischen pfadgelegenheiten.

das netz aus semantischen pfadabhängigkeiten in das wir reingeboren wurden, ist die matrix in der wir leben. wir haben nicht genug abstand dazu, sie zu hinterfragen. jedenfalls nicht „individuell“. auch hier sind wir auf pfadgelegenheiten angwiesen, auf andere kritische beobachter*innen und ihren alternativen semantischen pfadgelegenheiten zur erklärung der welt.

aus all dem ergibt sich die endgültige dekonstruktion des „individuums“. es gibt kein ungeteiltes res cogitans, alles ist res extensa. das dividuum ist der schnittpunkt aus milliarden netzwerken. es lebt nicht nur in seiner infrastruktur, das dividuum _ist_ seine infrastruktur.

ich nenne das „relationaler materialismus“. es ist im grunde eine fusion aus sience & technology studies und graphentheorie, inspiriert von spinoza, deleuze und donna haraway.

wer das spannend findet, kann meinem newsletter folgen, wo ich diese redepraxis selbst einübe und immer mal wieder weiterentwickle.

Liked gern, oder hinterlasst einen Kommentar. Meine Inhalte haben es nicht leicht in algorithmischen Umwelten.


Eine mir selbst bislang geheim gebliebene Inspiration für den relationalen Materialismus habe ich übrigens von Baruch Spinoza (Wiki), was ich aber erst merkte, als ich dieses wunderbare Then & Now Video über seine Philosophie sah.

Ich weiß selbst nicht, wie diese Trainingsdaten-Kontamination passieren konnte – ich habe Spinoza nie gelesen, aber ich schätze, das ist unvermeidlich, wenn es um einen so pfadentscheidenen Denker geht. Vielleicht könnte die Kontamination über irgendwas mit Hegel und Weltgeist oder so passiert sein?

Die Wege im Netzwerk sind unergründlich.


Aline Blankerts mit einer guten und fairen Diskurskritik um Plattformen und ihre Regulierung, am Beispiel eines Meinungsstücks von Meredith Whittaker, die zwar eine gute Analyse liefert, aber auch mit offensichtlich inadäquaten Vorschlägen um die Ecke kommt.

But by describing a real problem and writing about an inadequate solution, it becomes harder for others to open up the window she almost closed. For example, arguing against the inclusion of AI agents at OS-level becomes harder because Whittaker focuses on how to adjust their design rather than whether they are desirable in the first place. Design fixes are not addressing the question of human agency and human connection.

In dem Buch „Power. A radical View“ von Steven Lukes geht er verschiedene Formen von Macht durch und eine, die vielen Philosophen bisher Kopfweh bereitet, war die Macht, die Agenda zu setzen.

Lukes zeigt dafür unterschiedliche Strategien auf, etwa Biases in der Gruppe zu mobilisieren, durch Institutionelle Barrieren oder über die Kontrolle des Zugangs zur Entscheider-Gruppe, etc.

Aber es braucht auch etwas anderes: Die Pfadgelegenheit einen Diskurs aufzugleisen. Denn ist ein Diskurs mit einem bestimmten Frame erstmal etabliert, akkumuliert er alle Aufmerksamkeit und alle debattieren über das für und wieder der Vorschläge innerhalb dieses Frames. Präziser: Der Frame generiert semantische und diskursive Pfadgelegenheiten, die alle pfadabhängig von seinen unausgesprochenen Setzungen und Weglassungen bleiben.

Die Pfadgelegenheit der diskursiven Aufgleisung hat selbst diverse Pfadabhängigkeiten:

  • materielle Infrastrukturen, also Medien, um am Diskurs teilzunehmen (internet, Social Media, Medienökosystem)
  • mit möglichst breiter etablierter Zuhörerschaft (zb. Economist).
  • Dazu bedarf es eine möglichst herausgehobene gesellschaftliche Stellung des Sprechenden (bekannt, renommiert, oder institutionell herausgehoben, zb. CEO von Signal)
  • und dann – das ist der kontingente Part – Timing

Ob das Timing richtig war oder nicht, also wie weit der Pfad reicht, den man beschritten hat, stellt man immer erst hinterher fest, aber die Reihenfolge der Beiträge ist definitiv nicht egal.

Wer in einem Moment des anschwellenden Diskurses über ein allgemein sichtbares Problem seinen Frame setzt, während noch wenige oder nur weniger laute, oder weniger plausible alternative Frames als Deutungs-Pfadgelegenheit mit im Entscheidungsraum stehen, hat gute Chancen, den eigenen Frame hegemonial zu machen.

Ich weiß das unter anderem deswegen, weil meine Freundin mich immer wieder darauf hinweist, dass ich in Diskussionen dazu neige. Sorry.


Mirko Lange macht mit seinem Projekt „Desinfo-Index“ etwas sehr wichtiges, das in den einfachen Faktenchecks untergeht: nicht nur analysieren, ob etwas „wahr“ oder „unwahr“ ist, sondern in wie fern versucht wird, mit eigenen Frames materielle Realitäten unsichtbar zu machen. Rhetorisches Gaslightning, wenn man so will und eine allseits beliebte Technik der Diskursmächtigen – hier sehr anschaulich demonstriert an einer Äußerung von Jens Spahn.

„Naja, es gibt diejenigen, die glauben, Gerechtigkeit stellt man dadurch her, dass man den einen was nimmt. Ich bin eher auf der Seite, die sagt, Gerechtigkeit stellt man dadurch her, dass man den anderen die Chance
gibt, selbst was aufzubauen.“

Natürlich versucht Spahn hier eine diskursive Pfadsetzung, die die Milliardäre aus der Schußlinie bringt.

Doch volkswirtschaftlich stellt sich die Frage: Ist es überhaupt möglich, echte Chancengleichheit herzustellen, ohne zugleich Vermögen umzuverteilen? Wer 100 Millionen erbt, startet mit Kapital, Netzwerken, Sicherheit. Wer nichts erbt, hat oft sogar strukturelle Nachteile. Solche Unterschiede vererben sich über Generationen hinweg. Und das blendet Spahns These komplett aus. […]

Spahns Satz ist also weder Lüge noch offene Delegitimierung. Es ist auch mehr als ein simples Framing. Die Aussage blendet eine strukturelle Realität aus und verwandelt ein komplexes Spannungsfeld in eine scheinbar klare Alternative. Genau hier setzen wir an: Wir nennen das „strukturelle Verzerrung“ oder „Realitätsverkürzung“. […]

Solche Sätze sind besonders wirksam, weil sie auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Sie sind nicht überprüfbar wie eine Faktenbehauptung, aber sie verschieben den Diskurs subtil. Wer Umverteilung fordert, wirkt plötzlich destruktiv; wer nur Chancen betont, erscheint konstruktiv. Doch die gesellschaftliche Wirklichkeit ist komplexer.

Sowas als regelmäßiger und aktueller Service ist viel wert.


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Michael Seemann
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Haha, ChatGPT ist so doof!

Aber jetzt mal Hand aufs Herz wer das nicht kennt? Das hat nix mit KI oder Menschen zu tun: Semantik erzeugt Anschlusssemantik und es erfordert immer ein kleinen Akt der Gewalt, ein Gespräch zu beenden.


Der Mustread-Text der Woche kommt von Henry Farrel, der in seinem Newsletter Martin Niemöllers bekanntes Gedicht „Als die Nazis die Kommunisten holten…“ als vernetztes Prisoner Dilemma modelliert.

Ausgehend vom Collective Action Problem folgert er, dass Macht aus der Fähigkeit entspringt, Menschen zu koordinieren.

struggles for power are struggles over the means of coordination. Who is capable of coordinating better, wins. And want-to-be authoritarians and mass publics face different coordination problems.

In der politischen Ökonomie der Abhängigkeiten würde ich es so formulieren: die Macht des „Leaders“ entspringt der Abhängigkeit der anderen von seiner Fähigkeit – partiell oder generell – das Collective Action-Problem für sie zu überwinden, um versprochene Pfadgelegenheiten (echt oder erlogen) zu erreichen. Schafft es ein Leader, Menschen zu koordinieren, ergeben sich daraus Netzwerkeffekte: Je mehr sich von ihm führen lassen, desto größer und relevanter werden die sich daraus ergebenen kollektiv erreichbaren Pfadgelegenheiten.

Draus ergibt sich u.a. folgende Strategie:

In more modern circumstances, your best strategy as an aspiring tyrant is likely to convince others (a) that they do live in a society of competing groups, and (b) that the smart money will always be on joining the dominant group, and not being one of the dominated ones.

Im Grunde macht man allen weis, dass sie in einem „Prisoners Dilemma“ mit allen anderen stecken, in dem es die rationalste Strategie ist, sich zu ergeben, weil man annehmen muss, dass die anderen Akteure diese Strategie ebenfalls fahren.

Der Kniff ist nun, das Prisoners Dilemma unter den Bedingungen vernetzter Aufmerksamkeit zu betrachten.

Their approach to both universities and law firms has been to make simple coordination seem like a prisoner’s dilemma, by picking off opponents, one by one, and by trying to create a common understanding that collective resistance is useless, since your potential allies are likely to defect. The early decision of one extremely prominent law firm, Paul Weiss, to defect, shaped common expectations so that several others rushed immediately to defect too, for fear that they would be stranded amidst the dominated group, rather than joining the dominating coalition in a subordinated role.

Der Erste, der fällt, setzt den Frame und gleist die allgemeine Erwartung auf, dass die anderen Eliten ebenfalls einknicken. Weil wir keine Individuen sind, die entweder egoistisch oder solidarisch sind, sondern Dividuen, die einander beim egoistisch oder solidarisch sein zuschauen, und daraus ihre Schlüsse für ihre Strategie ziehen, hat Trump eine Möglichkeit gefunden, die halbe gesellschaftliche Elite der USA – immer einen nach dem anderen – in die Knie zu zwingen.

Doch die Wahrheit ist: Sie haben nur noch nicht verstanden, das alle in einem Boot sitzen.

Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.

Aber Trump strebt nach unbeschränkter Macht, so Farall weiter.

Absolute power implies absolute impunity: if I enjoy such power, I have no incentive to behave trustworthily to anyone. For just the same reason, no-one has any incentive to trust me. You will not believe my promises, and you may fear that if you give in to my threats, you will only open yourself to further abuse. Thus – as I, as an aspiring authoritarian move closer to unbounded control, I need to artfully balance the benefits that my power can bring to my allies with the fear those allies may reasonably have over what happens should that power be turned against them.

Das ist seine Schwäche, denn Trump kann in seiner selbstherrlichen Mannier nicht die allgemeine Erwartung aufrecht halten, sich an irgendwelche Abmachungen zu halten. Und wenn diese Erwartung bricht, wird auch seine Macht zu koordinieren prekär und der Widerstand bekommt eine Chance.

As a whole body of research on “tying the king’s hands” argues, independent actors will prefer to flee monarchs who refuse to be bound rather than to cooperate with them, because they know that such monarchs can’t be trusted. Any deal that they make can later be un-made, and probably will be, if unmaking it is to the king’s advantage. The best option may be not to submit, especially if you believe that others are similarly unwilling to comply. This may, in effect, turn what was a prisoner’s dilemma (in which everyone’s best strategy is to defect) back into a nearly pure coordination game again, allowing easier collective resistance.

Wir müssen das Spiel ändern: von Prisoners Dilemma zu – ich schlage vor – Star Wars.


Andor-Showrunner Dan Gilroy ruft zum Widerstand auf.

I deeply disagree but acknowledge it was a difficult decision. If you believe otherwise, wait until fate knocks on your door and demands you choose between conscience and hardship — because if you work in this industry that day is coming.

Whether you’re reading this on line at Blue Bottle or killing time before your 3 o’clock Zoom or staring at a glowing screen unable to sleep, we have all become characters in a story where our actions carry actual weight and consequence. Our industry faces the most sophisticated, venomous, creeping evil in America’s history. There’s no standing above this conflict. No impartial observers. If you’re on the sidelines you’ve made a choice and must live with it.

In unserem Andor-Talk auf der Republica haben wir unter anderem herausgearbeitet, wie konsequent die Serie das Opfer inszeniert, das die Rebellion bedeutet. Und ich glaube, wenn wir uns nicht ehrlich darüber machen, dass das hier kein Spiel mehr ist und dass die Verteidigung der Freiheit zunehmend Opferbereitschaft fordert und weiter fordern wird, werden wir das kollective Action Problem nie überwinden.


so?

The Rebellion will be cringe or not at all.


KI wird nicht nur als „Blase“ bezeichnet, sondern immer wieder auch als „Hype„, auch von mir. Das mag intuitiv richtig klingen, jedoch ist auch diese Bezeichnung irreführend und verdeckt die ganz realen und schädlichen Anwendungsfelder, in denen KI jetzt schon genutzt wird, argumentieren Hagen Blix und Ingeborg Glimmer in diesem sehr lesenswerten Essay, der mir sehr aus der Seele spricht.

We find ourselves in a moment where big tech has allied with the far right, where AI mass produces fascist slop aesthetics, where visas are getting revoked because AI tools took issue with someone’s speech, and where an AI job crisis is unfolding. Meanwhile, many criticisms of AI latch on to the lies and exaggerations used in marketing chatbots and other technologies. They focus on identifying and deflating hype (or on calling AI snake oil, suggesting that it’s all a bubble, a con, a scam, a hoax, etc.). This kind of critical frame is dangerously inadequate for understanding what is actually going on, let alone for doing something about it. Even if the AI peddlers listened and the hype disappeared, the problems would remain. So the problem with AI isn’t hype. The problem is who and what it’s useful for. […]

Is any of this an issue of hype, of some discrepancy between promised capabilities and real capabilities? Or is the root issue that the very real affordances of very real AI potentiate fascist political aims and methods? Is the problem that some model output is untrue, or is it that AI models operate akin to the online troll, who just asks questions and just says (bullshit) things for the lulz? Of course, AI tools have no intentions. They cannot care for the lulz. But they are, by design, incapable of not bullshitting. They cannot recognize that “their reality” (bytes, letters, pixels, etc) is distinct from reality as such.

Dieses Mißverständnis spiegelt unseren inadäquaten Umgang mit dem Faschismus: Auch seine Inkonsistenzen sind kein „Mangel“, sondern Herrschaftstechnik, eine Herrschaftstechnik, die durch KI-Slop auch noch ausgeweitet wird.

Fascism, meanwhile, is committed to a play of power and aesthetics that regards a desire for truthfulness as an admission of weakness. It loves a bullshit generator, because it cannot conceive of a debate as anything but a fight for power, a means to win an audience and a following, but never a social process aimed at deliberation, emancipation, or progress towards truth. Fascists do, of course, try to exploit the very prerequisites for discourse (a willingness to assume good faith, to treat equality if not as a condition, then at least as a laudable aim of social progress, etc). Take, for example, the free speech debates as an attempt to blindside the enemy (that is, us). Fascists are continually proclaiming their defense of and love for free speech.

They are also arresting people for speech, banning books, and attacking drag story hours. To take this as an inconsistency, or an intellectual mistake is to misunderstand the very project—fascists are not in it for consistency, nor for making a rational, reasonable world with rules that free and equal people give themselves. The apparent contradiction is, instead, part of the same family of strategies as flooding the zone is—to use whatever tool is necessary in order to accrue power, strengthen hierarchies, and entrench privilege.

Fast alle die „Shortcomings“, die KI nachgesagt werden sind für die Herrschenden Vorteile, actually.

Journalist and researcher Sophia Goodfriend calls this whole thing an AI drag net and observes quite acutely: “Where AI falters technically, it delivers ideologically”. Indubitably, people are getting falsely classified as having engaged in speech unsanctioned by the self-proclaimed free speech absolutists. But those misclassifications are mistakes only in a narrow technical sense. After all, we can actually be quite certain about the real political aims of Marco Rubio’s state department. They’re invested in a) an increase in deportations, and b) the suppression of particular kinds of speech—and neither of those depends on amazing accuracy (hitting the “right” people). They depend mostly on scale (hitting a lot of people). For the first goal—more false positives means more cancelled visas, means more deportations. Check. As for the second aim, the suppression of speech depends on a sufficient reach to make everyone feel like “it could be me next, (unless I censor myself/make myself quiet and small/self-deport/etc)”. And here, too, the tool certainly delivers. In our book, Why We Fear AI, we argue that it is in fact precisely the error-prone and brittle nature of these systems that makes them work so well for political repression. It’s the unpredictability of who gets caught in the drag net, and the unfathomability of the AI black box that make such tools so effective at producing anxiety, that make them so useful for suppressing speech.

Dazu gehören auch die berühmten „Biases“, die in den Modellen verbaut sind.

We certainly know that the “mistakes”, the misidentifications, aren’t randomly distributed. In fact, we’ve known at least since Joy Buolamwini and Timnit Gebru’s 2018 Gender Shades paper, that facial recognition algorithms are, among other things, more likely to misidentify Black people than white people. When the AI errors are so clearly distributed unequally, and the errors are a source of harm—of false arrests and possible police violence—then it is obviously unhelpful to simply call them “errors”, or theorize this through a lens of “hype”. What this system produces isn’t errors, it’s terror. […]

The gap provides plausible deniability: “It’s the algorithm that messed up”, they will surely tell us, and that therefore, no person is really responsible for racist false arrests. But the very fact that the misidentifications are predictable at the level of populations (we know what groups will be misidentified more often), and unpredictable at the level of individuals (nobody knows in advance who in particular will be misidentified) also enhances its usefulness to the political project of producing political terror: Again, it’s about producing the widespread feeling that “it could happen to any of us, it could happen to me”. This is as true of AI as it is of other, older tools of political terror and police intimidation.

In the words of cybernetician Stafford Beer, there is „no point in claiming that the purpose of a system is to do what it constantly fails to do“. And to focus primarily on what the system can’t actually do (as the hype frame does) risks distracting from what it is actually doing.

Um zu verstehen, wozu AI wirklich da ist, muss man sich ansehen, an wen und mit welcher Message die Services beworben werden: Manager und CEOs.

The union busting pitch gives the real economic purpose of AI away: It’s a tool to depress wages. And for that goal, whether the tool can actually replace the work done by people at the same level of quality is often largely irrelevant. After all, replaceability is not about simple equivalence, but more often than not about price-quality tradeoffs. People like to buy whatever they think is a good bang for the buck. Companies do too, often substituting cheaper inputs (skills, stuff, etc) to drive down their costs even if it reduces quality. That’s the obvious horizon for AI—not full automation, but the model of fast fashion or IKEA: Offer somewhat lower quality at significantly lower prices and capture the market from the bottom up.

But the real economic problem isn’t hype. The attack on workers, on the quality of jobs, and the quality of the things we make and consume, is the problem—and that problem exists quite regardless of the hype. Unless you’re a venture capitalist, you aren’t the target of the AI advertisement—you’re the target of the threat. We have no use for terms that warn investors that they might be making bad investments, we need terms that are useful for fighting back.

Wir müssen aufhören, KI als „Hype“ „entlarven“ zu wollen und stattdessen Licht auf KI als politisches Projekt werfen.

Ultimately, hype itself is too stuck in a narrowly technical perspective, too focused on identifying lies, rather than identifying political projects. We should not make the mistake of thinking that just because a statement is a lie, it can be disregarded. Contrary to what the hype frame may suggest, once you figure out that a lie is a lie, the work is only just beginning.

Und dann lasst uns anders über KI reden:

Let’s call AI what it is, a weapon in the hands of the powerful. Take the wage-depression project—let’s call it class war through enshitification, automated union busting, a bullshit machine for bullshit jobs, or Techno-Taylorism. Let’s take some inspiration from the Luddites, who called the big tech innovation of their day, the steam engine, “a demon god of factory and loom”, or “a tyrant power and a curse to those who work in conjunction with it.” Let’s make up better words, better phrases, and better frames that clarify the political stakes. Let’s de-shitify the world!

Krasse Links No 67

Willkommen zu Krasse Links No 67. Schnallt die Groyper an den Femboy, heute verüben wir ein Lulzsec, um auf 4Chan die Alt-Right zu veranschlagen.


In ihrem Newsletter stellt Berit Glanz die Hilflosigkeit der traditionellen Medien gegenüber beidem – Charily Kirk und seiner Ermordung – bloß.

Als die Festnahme des Täters in einer Pressekonferenz verkündet wurde, kursierten bereits Falschinformationen, dass auf die Tatpatronen “trans ideology” geschrieben worden sei. Tatsächlich gab es Aufschriften auf den Patronen, die sich auf die Internetkultur bezogen. Diese Referenzen waren jedoch so verschachtelt und spezifisch, dass die etablierten Medien es nicht schafften diese Layer zu durchdringen. So wurde beispielsweise die Aufschrift “Ciao Bella Ciao” von BBC über die New York Times bis hin zum Schweizer Blick als antifaschistisch bezeichnet, obwohl das ursprünglich antifaschistische Lied in der Internetkultur völlig anders konnotiert ist. Die meisten Institutionen sind auch 2025 nicht in der Lage auf die notwendige Kompetenz zurückzugreifen, um Internetkultur überhaupt kritisch einordnen zu können.

Wer detailliert entschlüsselt bekommen möchte, auf welche Memes sich der Attentäter bezog, wie der Mord sich in die Memekultur einordnet und auf welches Radikalisierungsmilieu er verweist, dem sei an dieser Stelle erneut der Newsletter von Ryan Broderick empfohlen, der dankenswerterweise decodiert, was die meisten etablierten Medien nicht recherchiert bekommen. (Ryan Broderick: Charlie Kirk was killed by a Meme. Garbage Day)

Für Menschen, die hüfttief in Internetkultur feststecken, deren Gespräche sich immer wieder um Online-Themen drehen, deren Humor entscheidend von ihren Timelines beeinflusst wird und die vielen ihrer sozialen Kontakte vorwiegend virtuell begegnen, sodass viele ihrer Ansichten und Verhaltensweisen von den sozialen Medien geprägt sind, haben sich in den letzten Jahren die Begriffe „extrem online“, „chronisch online“ und „terminally online“ eingebürgert. All diese Begriffsvariationen verweisen darauf, dass die Benutzenden vielleicht zu viel Zeit im Internet verbringen. Nicht zufällig sind diese Begriffe semantisch mit unheilbaren Krankheiten assoziiert, man ist „terminally online“ – unheilbar mit dem Internet verwoben – und hat sich dadurch so stark verändert, dass es kein Zurück mehr gibt.

Eine solche Ignoranz gegenüber der Online-Kultur können sich die Redaktionen im Jahr 2025 nicht mehr erlauben, wenn sie weiter den Anspruch haben, Ereignisse politisch deuten zu wollen.

Die Veränderung der Welt durch Internetkultur betrifft mittlerweile eben nicht mehr nur Einzelpersonen, die einfach mal Gras anfassen sollten. Internetkultur ist keine Nische mehr, die man wahlweise ignorieren oder als obskuren Quatsch verlachen kann – wie es beispielsweise noch bei GamerGate vor zehn Jahren der Fall war. Es fühlt sich wirklich unfassbar an, dass man das 2025 überhaupt noch benennen muss. Das Internet ist in den letzten Jahren zentraler Teil einer Radikalisierungspipeline geworden, mit unterschiedlichen Phänomenen, Subkulturen und Referenzrahmen. Die massive Ausdifferenzierung verschiedener Communities trägt dazu bei, dass es immer schwieriger wird Subkulturen mit komplexen eigenen Codes und Referenzen zu verstehen. Dafür braucht es Expert*innen, die diese Kulturen nicht nur erklären, sondern auch dechiffrieren können. Wenn wir den Graben zwischen Internetkultur und einer sich dem Internet verweigender Offline-Kultur überwinden wollen, müssen wir anhand konkreter Beispiele ins Gespräch kommen.

Berit hat natürlich recht mit der Einschätzung, aber selbst als jemand, der Internetkultur und die Online-Rechte seit 2006 einigermaßen auf dem Schirm hat, finde ich die aktuelle Nachrichtenlage um den Kirk-Mord ziemlich … verwirrend. Also schauen wir uns das mal an.


Roter Bär hat auf Bluesky die bisher beste Einordnung der Medienstrategie von Charlie Kirk und seinesgleichen, indem er sie zurück zu ihren Ursprüngen bei den „New Atheism“-Bewegung der 2000er zurückverfolgt.

Der Performativität ist wichtiger als gute Argumente. Wer kann die andere Seite besser dominieren? Wessen Argument *wirkt* stärker, wer hat die Lacher auf seiner Seite. Und, seien wir ehrlich, eine Diskussion gegen Mr. „Die Erde ist 6000 Jahre alt.“ gewinnen ist jetzt nicht so schwer.

Nach Gamergate hat die Online Rechte diese Strategie adaptiert.

Die Rechte hat von den New Atheists gelernt, dass Debatten nicht nur ein lukratives Business, sondern auch ein Rekrutierungstool sein können (ganz besonders, wenn du dafür Geld von den Coke Bros & Templeton kriegst). Nein, natürlich überzeugen Diskussionen niemanden, darum geht’s nicht.

Hier greift der zweite Punkt, den die Rechte verstanden hat: du musst die Gegenseite nicht argumentativ entkräften. Du musst sie lächerlich machen! Scheißegal wie eine Diskussion ausgeht. Du brauchst nur ein paar gute Clips für Youtube.

Und das Dritte, dass die Rechte verstanden hat; der Grund warum Charlie Kirk, Ben Shapiro, Stephen Crowder, auf linke Unis rennen; der Grund warum sie nicht mehr nur zur ihren eigenen Leuten reden; der Grund für dieses Memeformat:

Junge Menschen haben starke Meinungen, große Emotionen und normalerweise kein Medientraining.

Sie sind die perfekten Opfer für kurze Propaganda Videos und Cringe Compilations. Besonders, da bei deinen Veranstaltungen du das Mikrofon, die Moderation und die Kameras kontrollierst.

Es gibt da noch eine weitere Traditionslinie, in die Charlie Kirks Auftritte eingebunden sind: Trolling-Culture, die selbst wiederum der Hacker-Kultur entspringt.

Dass es eine direkte kulturevolutionäre Linie von der Figur des Hackers zur Figur des Trolls gibt, hatte bereits Whitney Phillips in ihrem Buch „This is why we can’t have nice things“ zu den Zeiten der online Alt-Right-Bewegung gut herausgearbeitet.

So wie ein Hacker die technischen Systeme hackt, so hackt der Troll den Diskurs: ein vermeintlich „intellektuell überlegenes“ „Indidividuum“ dominiert die Online-Debatte, indem es Diskursteilnehmer*innen durch gezielte Provokationen emotional zum Entgleisen bringt. Es geht nicht darum, das Argument zu gewinnen, sondern den Diskurs kaputt zu machen.

Dabei kommuniziert der Troll nur scheinbar mit den Diskursteilnehmer*innen, während seine eigentliche Botschaft der eigenen Troll-InGroup gilt: Schaut, wie ich diese Idioten wieder vorgeführt habe. Dabei markieren Codes und Memes die wichtige Grenze zwischen In- und Out-Group und jeder Ansehensverlust in der Öffentlichkeit wird durch das Erlangen von In-Group-Status entschädigt.

Wie so vieles entstand die Trolling Culture vornehmlich auf 4Chan und wurde vor allem seit dem ersten Wahlkampf von Donald Trump integraler Teil der DNA der Online Rechten (damals sagte man Alt-Right). Von dort ist sie in viele Subkulturen übergeschwappt. In Gamerforen, Discord Channels, auf X und in vielen Fan-Kulturen sind die Troll-Semantiken – ihre Begriffe, Memes und Strategien – in alle Layer eingesickert und von dort in das Vokabular der Generation Z geflossen. Charlie Kirk ist eines der vielen Produkte dieser Kultur.


Tiktok-User Aidan Walker versucht, die möglichen Motive des Attentäters von Charlie Kirk, Tyler Robinson, zu deuten: Der Anschlag sei basically ein „Shitpost“.

Am Ende geht er auf die tiefere Bedeutung des Pepe-Frosches ein, die so zentral für die Groyper-Trolle im Internet ist und auch bei der online Alt-Right seit 2015 beliebt ist. Es geht nicht um „Polarisierung“ oder „Algorithmen“, sondern eine bestimmte Leere, die viele junge Leute spüren:

„you will alway be alone. You never gonna have a future. And you will never have a voice.“

Diese Stimmung trifft auf drei Pfadgelegenheiten.

A Long entrenched nihilistic online tradition, the ready availability of fire arms, and an increasing derangement of mainstream discourse.


Die Tiktokuserin Cy Canterel erklärt in diesem Video was die Groyper Wars und was Black Pilled Accelerationalism ist.

So wie ich das verstanden habe, machen die „Groypers“ also mit Charlie Kirk, was Charlie Kirk mit den arglosen College Studierenden macht?

Anonymous ist als Hacker-Bewegung in den 2000ern direkt aus 4Chan hervorgegangen und hat immer wieder Menschen und Institutionen bloßgestellt oder einfach nur geärgert. Als sie im Zuge von Wikileaks um das Jahr 2010 immer politischer wurden, ärgerte das insbesondere die Die-Hard-Vertreter der 4Chan-Troll-Kultur die Hacken und Trollen strengstens nur „For the Lulz“ (also für den Spaß) praktiziert sehen wollten und gründeten Lulzsec. Lulzsec ließen die Erfolge von Anonymous alt aussehen, sie hackten hoch dotierte Security Firmen, das FBI, den Senat und die CIA. Sie wurden am Ende alle festgenommen, aber mir scheint, der „For the Lulz“-Fundamentalismus der 4Chan-Trolle überrollt gerade mal wieder die zu politisch gewordenen Auswüchse seiner eigenen Kultur.

Nur wurde aus dem Lulz-Fundamentalismus ausgewachsner Endzeit-Nihilismus. Aus den „Lulz“ wurde das letzte YOLO!


Nur wenige Tage vor dem Attentat auf Kirk hatte Charly Warzel ein ganz anderes Shooting-Event (ja, davon gibt es inzwischen ca. eines pro Woche in den USA) zum Anlass genommen, um über die internet Shooter-Kultur als solches zu reflektieren.

But the rush to make sense of the shooting based on these messages and symbols is misguided. As incoherent, unhinged, or even cringey as the Minneapolis shooter’s videos might seem, they are part of a familiar template of terroristic behavior—one that continues to spread in online communities dedicated to mass shootings and other forms of brutality. In these morbid spaces, killers are viewed as martyrs, and they’re dubbed “saints.” Really, they’re influencers.
– He told me that the “proximate goal of these attacks is to entrench the shooter in the broader legacy of violence and propel the legacy further.” The idea, in other words, is to motivate someone else to become a shooter—by creating a public manifesto, leaving a trail of digital evidence, and even livestreaming attacks in some cases. “The more frequently the template shows up, the more likely it will repeat,” Newhouse said. “It’s not ideological in the sense that we tend to think about it. There may be anti-Semitic or fascistic elements therein, but the real incentive is the self-reinforcing legacy of these shooters.” […]

There are many different networks of terror online, all with a constellation of differing ideologies, though many of them overlap. There is the Terrorgram Collective, whose leaders were last year indicted by the Department of Justice “for soliciting hate crimes, soliciting the murder of federal officials, and conspiring to provide material support to terrorists.” Another group is known as the True Crime Community, or TCC, which is a collection of users that grew in part out of the “Columbiners” community—these are fans of mass shooters and serial killers.

Sometimes, these groups overlap with other violent networks, including those that traffic child pornography and target and exploit vulnerable minors into cutting or otherwise hurting themselves. As the extremism researchers Jean Slater and Ry Terran wrote earlier this year, these groups, as well as right-wing youth subcultures, have blended together into a diffuse, “hybrid threat network.” What this means is that users from all these fringe subcultures—people from Terrorgram, mass-murder fan groups, people looking to groom children, trolls—are interacting across public social networks and private chat communities.

Es geht darum, sich in eine Online Ahnenreihe einzuordnen.

There are in-jokes, lore, and, most importantly, real people trying to impress their perceived peers. For instance, in January, the Wisconsin Center for Investigative Journalism and ProPublica reported that two teenagers who carried out separate shootings in Madison, Wisconsin (December 2024), and Nashville, Tennessee (January 2025), crossed paths online and frequented many of the same spaces dedicated to glorifying and discussing mass killings. […]

As one extremism researcher posted last week, the goal of these attacks is to join the lineage of mass shooters and for the next killer to inscribe their name on a gun before an attack.

Die Linie von der Hackerkultur zur Trollkultur lässt sich damit direkt bis zur Shooter-Kultur weiterziehen.

Wenn sich der Erfolg der Strategie beziffern ließe: Etwa, ein Shooter produziert 1,05 Shooter, ließe sich mit Markow-Ketten montecarlo-simulieren wie dieser dezentrale Kettenreaktions-Bürgerkrieg weitergeht.


Ken Klippenstein hat einige Chats aus dem Discord Forum ausgewertet, in dem Robinson unterwegs war und mit einigen Leuten dort gesprochen und ist überzeugt, dass Robinson weder ein klassischer rechter, noch ein irgendwie linker ist.

“I think the main thing that’s caused so much confusion is that he was always generally apolitical for the most part,” the friend told me. “That’s the big thing, he just never really talked politics which is why it’s so frustrating.”

The picture that emerges bears little resemblance to the media version. Robinson, I am told, though quiet, was a well-liked person with a supportive family. The friend group who he interacted with on Discord, far from some kind of militia camp or Antifa bunker it’s been portrayed as, represented a range of different political views but mostly talked video games.

In seinem Umfeld sieht man ihn als besonders unpolitischen „normal guy“.

“Obviously he’s okay with gay and trans people having a right to exist, but also believes in the Second Amendment,” the friend said, referring to the right to bear arms.

The friend described Robinson as fairly typical of a young man his age from Utah: someone who loved the outdoors, was a gamer, and into guns.

“To all of us he just seemed like a simple guy who liked playing games like Sea of Thieves, Deep Rock Galactic and Helldivers 2, loved to fish and loved to camp,” the friend said. “It really did seem like that’s all he was about.”

Dass Tyler Robinson teil der Groyper-Kultur ist, dafür lassen sich keinerlei direkte Hinweise finden und ich halte das auch nicht für wahrscheinlich. Aber Robinson bewegt sich ohne Frage in der kulturellen Nähe der Groyper, was aber noch lange nicht heißt, dass er auch deren Ideologie anhängt.


Die Tiktok Userin Bottleneck_Loser erklärt in diesem Video (unrelated zum Attentat) warum die Femboy Szene und die Online Rechte so überraschend viel kulturelle Überschneidungen hat: Sie sind im selben Online Ökosystem sozialisiert: 4Chan.

Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass Tyler Robinsons Online-Affinitäten eher aus dieser Richtung erklärbar sind. Er kommt aus einem konservativen Elternhaus und lebt ohne deren Wissen mit einer Transfreundin zusammen und hat sicherlich mit den üblichen Identitäts- und Schamkrisen zu kämpfen, die sich für junge Menschen aus solch einer Konstellation ergeben und könnte durch diese Affinität mit der Femboy-Semantik in Berührung gekommen sein. Man muss das als unterschiedliche Ecken überlappender semantischer Netzwerke verstehen, wobei die politische Bedeutung der Symbole oft von außen wichtiger genommen werden, als von innen. Tyler kannte die Meme-Kulturen, ihm war der Nihilismus der Groyper nicht fremd, er bezog sich offensichtlich auch auf die Shooter-Kultur. Aber all das bedeutet eben nicht, dass er damit politisch rechts ist.


Inzwischen sind Gerichts-Dokumente veröffentlicht worden, in denen die Chats zwischen Tyler Robinson und seiner Transfreundin/Mitbewohnerin nachzuselesen sind, in denen Robinson die Tat zugibt. Die Washington Post.

Robinson sent text messages to his roommate after the shooting, the court filings said, including one that stated: “I had enough of his hatred. Some hate can’t be negotiated out.”

Es ist desorientierend sich in dem Wust aus Ideologie, Online Culture und Lebensumständen zurechtzufinden und wahrscheinlich werden wir noch weitere Details erfahren. Aber hier ein Versuch, wie die teils widersprüchlichen Informationsbrocken in eine halbwegs plausible Erzählung passen:

Tyler Robinson ist ein Opfer der Online-Schwäche der Linken.

Das Internet, insbesondere für junge Menschen ist ein Ort rechter bis rechtsradikaler Hegemonie. Es gibt linke Angebote, sicher, aber die sind aus Perspektive junger Gamer-Männer quasi unerreichbar, sozial unattraktiv und/oder als Community prohibitiv wählerisch.

Aus diese Abwesenheit linker Pfadgeleghenheiten ist bereits Luigi Mangione hervorgegangen.

Auch Mangione ist keinesfalls ein klassischer Linker, ganz im Gegenteil. Auch er ist in rechten Subkulturen des Internets sozialisiert worden und äußerte im Netz bisweilen Ansichten, die normalen Linken die Fingernägel kräuseln lassen.

Und doch war sein Attentat auf den United Heathcare CEO unzweifelhaft Rache an einem als ungerecht und unmenschlich empfundenen System. Es war ein antikapitalistischer, also doch irgendwie „linker“ Impuls, der ihn zum Handeln trieb.

Ähnlich könnte es mit Tyler sein. Es braucht kein Adorno-Seminar um zu erkennen, dass Charlie Kirk ein gefährlicher Hassprediger ist. Insbesondere, wenn dein direktes Soziales Umfeld von diesem Hass bedroht ist.

Tyler Robinson war sicher kein „Linker“ im klassischen Sinn und nicht teil der Linken Szene, die Trump und seine Leute jetzt verantwortlich machen wollen, aber sein Impuls war doch … antifaschistisch?


John Lanchester hat im London Review of Books die wahrscheinlich interessantesten Texteinstieg des Jahres.

It is strange and striking that climate change activists have not committed any acts of terrorism. After all, terrorism is for the individual by far the modern world’s most effective form of political action, and climate change is an issue about which people feel just as strongly as about, say, animal rights. This is especially noticeable when you bear in mind the ease of things like blowing up petrol stations, or vandalising SUVs. In cities, SUVs are loathed by everyone except the people who drive them; and in a city the size of London, a few dozen people could in a short space of time make the ownership of these cars effectively impossible, just by running keys down the side of them, at a cost to the owner of several thousand pounds a time. Say fifty people vandalising four cars each every night for a month: six thousand trashed SUVs in a month and the Chelsea tractors would soon be disappearing from our streets. So why don’t these things happen? Is it because the people who feel strongly about climate change are simply too nice, too educated, to do anything of the sort? (But terrorists are often highly educated.) Or is it that even the people who feel most strongly about climate change on some level can’t quite bring themselves to believe in it?

Ich glaube, sowohl Lugi Mangione als auch Tyler Robinson hätten ihre Anschläge nicht verübt, wären sie Teil linker Strukturen gewesen. Es ist richtig, dass Menschen sich in Gruppen zu Dummheiten anstacheln können, aber die meiste Zeit fungieren Gruppen als korrektiv. Insbesondere die Linken Strukturen von heute sind nicht nur befriedet, sondern wirken befriedend.

Meine These wäre, dass ein Crackdown gegen linke Strukturen weitere Anschläge nur wahrscheinlicher machen würde.


Marinus van der Lubbe war ein niederländischer Arbeiter mit erheblichen Seheinschränkungen. Er kam nach Berlin und wurde dort vermutlich durch Spitzel und Provokateure der Geheimpolizei angestiftet Ärger zu machen. Am 27. Februar 1933 legte er den Reichstagsbrand

Bereits kurze Zeit nach der Verhaftung van der Lubbes gab es Zweifel an seiner tatsächlichen Schuld. Sein geistig verwirrtes Auftreten im Prozess ließ Zweifel aufkommen, ob er denn wirklich in der Lage gewesen sei, allein das Parlamentsgebäude anzuzünden, und ob demnach sein Geständnis glaubhaft sein könne. Darüber hinaus wurde auch seine Schuldfähigkeit bezweifelt. Vielfach wurde vermutet, dass man ihn zum Prozess absichtlich unter Drogen gesetzt habe.

Ich will hier gar nicht spekulieren, das haben etliche andere getan, aber vermutlich ist die Motivation van der Lubbes für den Anschlag ähnlich komplex und vielschichtig, wie die von Robinson. Aber sicher ist, dass seine Motive mit den tatsächlich existierenden kommunistischen Strukturen im Hitler-Deutschland ähnlich wenig zu tun hatten, wie Robinson mit irgendwelchen US-Linken.

Doch das war alles völlig egal für den Fortgang der Geschichte.

Die Nationalsozialisten nahmen van der Lubbes Anwesenheit im brennenden Reichstag als Anlass für eine brutale Verfolgung ihrer Gegner. Schon kurz nach dem Brand setzte eine Welle von Verhaftungen ein, von der etwa 1500 Menschen – insbesondere Kommunisten – betroffen waren. Mit großem Propagandaaufwand wurde die Tat der KPD angelastet. Hitler nutzte die Gelegenheit, mit der Reichstagsbrandverordnung diejenigen Verfassungsartikel außer Kraft zu setzen, die bürgerliche Freiheiten garantierten. Diese Verordnung lieferte bis 1945 formal die Rechtsgrundlage für viele Maßnahmen gegen Personen und Vereinigungen, welche das nationalsozialistische Regime als Gegner einschätzte.

Wie Robinson heute, war van der Lubbe für die Faschisten eine Pfadgelegenheit zu Gewalt und Machtkonsolidierung.


Trump, Vance, Miller, Bondi und andere rufen bereits nach Rache an allem, was sie „links“ nennen.

In the six days since Mr. Kirk was gunned down in Utah, Mr. Trump and his top officials have promised a broadside against the political left, indicating that they would go after liberal groups like George Soros’s Open Society Foundations and the Ford Foundation; revoke visas for people seen to be “celebrating” Mr. Kirk’s death; begin federal investigations into hate speech; and designate certain groups domestic terrorists.

“We want everything to be fair; it hasn’t been fair, and the radical left has done tremendous damage to the country,” Mr. Trump told reporters on Tuesday, as he continued to play down and excuse violence on the right. “But we’re fixing it.” […]

As a part of the crackdown, Mr. Trump’s aides are crafting an executive order to combat political violence and hate speech that could come as soon as this week, according to a senior administration official who spoke on the condition of anonymity to preview the action. The person declined to provide details.


Das schlimmste an der ganzen Kirk-Sache ist für mich bis jetzt, dass wir Ezra Klein an die Faschisten verloren haben. Direkt nach dem Anschlag veröffentlichte Klein eine peinliche Apologie – quasi eine Heiligsprechung – von Kirk mit dem Titel „Charlie Kirk Was Practicing Politics the Right Way„.

Matt Goldberg hat – neben Ta Nehisi Coates – die beste Replik dazu geschrieben.

Kirk’s organization, Turning Point, kept a running Professor Watchlist of academics who they felt ran afoul of conservative beliefs, and would harass these people. Were these liberal academics not entitled to their own beliefs? When Trump repeatedly lied that the 2020 election was stolen, Kirk echoed that lie. Were the people who voted for Joe Biden and those who believed in the democratic process not entitled to their beliefs? When an attacker came to Nancy Pelosi’s house and beat her husband, Paul, with a hammer, Kirk suggested someone should bail out the attacker. Are Nancy and Paul Pelosi not entitled to be safe from political violence?

Er wirft Klein vor, an der Wahrheit nicht interessiert zu sein. Es geht ihm nur darum, sich als „vernünftigen“ Zentristen zu inszenieren, um rechts besser anzukommen.

However, Klein’s refusal to grapple with the reality of Kirk’s political beliefs—that those who disagreed with him should be silenced—highlights that Klein’s interest here isn’t honesty but flattery. It shows Klein isn’t writing about Kirk at all. He’s writing about himself and saying, “I’m doing politics the right way because I’m lauding someone who disagrees with me.” […]

I would go so far as to say that Klein’s article is not only dishonest but deeply cynical in its self-aggrandizement. Klein is making a calculation similar to California Governor Gavin Newsom, who applauded Kirk for his “spirited discourse”, and Pennsylvania Governor Josh Shapiro, who lowered his state’s flags to half-staff even though Kirk was not a Pennsylvanian. These men are making the political calculus that they can perform benevolence. “Look, we may not agree with this man, but look at how we honor him. Look at how we embrace people of all beliefs. We are doing politics the right way.”

Das ist insbesondere eine Form von Verrat, während seine Kolleg*innen gefeuert werden, nur, weil sie Kirk mit dem zitieren, was er tatsächlich sagte.

MSNBC contributor Matthew Dowd and Washington Post columnist Karen Attiah were fired for accurately describing Kirk’s views, even though they acted with far more professionalism and respect than Kirk displayed in the aftermath of the attack on Paul Pelosi. Is it spirited discourse to get people fired from their jobs because they chose to be honest rather than polite?


Im Vorwort einer Interview-Aufzeichnung mit einem anderen Faschisten, Ben Shapiro, macht Klein seine neue politische Positionierung noch einmal klar.

We are going to have to live here with one another. There will be no fever that breaks, no permanent victory that routs or quiets those who disagree with us. I have watched many on both sides entertain the illusion that there would be, either through the power of social shame and cultural pressure or the force the state could bring to bear on those it seeks to silence. It won’t work. It can’t work. It would not be better if it did. That would not be a free country. […]

To recognize that does not mean we don’t disagree. It does not mean we are not appalled or afraid of what others say or want. But I think it means that we do more than that, too. I think we also have to be looking for what we can recognize in one another. Sometimes that might mean overlooking what we can’t recognize in one another.

Das „overlooken“ was er im anderen nicht „recognizen“ kann praktiziert er im Dialog mit Shapiro bis zum Erbrechen. Klein ist ein gebildeter Mann und eigentlich hielte kaum ein Satz Shapiros seiner kritischen Auseinandersetzung stand. Aber der neue Klein kann viel mehr Bullshit schlucken.

Die Frage ist: Wenn er sich uns jetzt so offensiv als Botschafter des Faschismus verkaufen will, dass er offiziell bereit ist, die Wahrheit zu ignorieren, warum sollten wir ihn als politischen Kommentator dann noch ernst nehmen?

Krasse Links No 66

Willkommen zu Krasse Links No 66. Reinigt euren Kapitalismus mit Wilhoits Law, heute eskalieren wir Will Smiths Fremdbestimmung bis zum Kollaps des Vasallenstaats.


Die EU hat ein für heute angekündigtes Monopolrechts-Verfahren gegen Google auf Eis gelegt.

EU Trade Commissioner Maroš Šefčovič on Monday made an 11th-hour intervention to stop the European Commission from issuing a penalty against American tech giant Google for its search advertising practices, amid continued trade threats from U.S. President Donald Trump.

Natürlich geht es um die Handelsbeziehungen und die Unberechenbarkeit von Trump.

The move to hold fire on hitting Google comes amid increasing fears in Europe that Trump is ramping up more pressure on Europe after striking a one-sided trade deal in July. The U.S. leader is now threatening to „impose substantial additional Tariffs“ and stop selling tech and chips to countries with digital rules he deems discriminatory to American companies.

Lasst euch nicht von der Tagesschau und den Massenmedien gaslighten. Das, was gerade verhandelt wird, ist nicht einfach ein „Trade Deal“, es ist die offizielle Unterwerfung der EU zum Vasallenstaat der USA. Wir zahlen jetzt literally Tribut und geben jetzt auch unsere rechtliche Selbstbestimmung auf.


Casey Newton mit einer Liste der Geschenke, die Mark Zuckerberg seit seinem Kniefall von Trump bekommen hat. Darunter:

The State Department took up Meta’s cause. Secretary of State Marco Rubio said that the United States would deny visas to foreign officials who implement online speech restrictions on Americans. The move seemingly came in response to the European Union’s implementation of the Digital Services Act, which requires large platforms including Meta to take action on „harmful“ speech, including hate speech. […]

Reuters reported this week that in an extraordinary move, the Trump Administration is considering imposing sanctions on the EU officials who implemented the DSA. The move follows an order from Rubio for US diplomats in Europe to lobby against the DSA, which the administration argues stifles free speech and unfairly penalizes tech companies like Meta.

Ich bin auf die nächsten Politiker*innen-Panals zur Macht von Big-Tech gespannt.


Die trumpifizierte Regulierungsaufsichtsbehörde FTC ruft in einem Schreiben an die großen Techplattformen dazu auf, den europäischen Digital Service Act zu ignorieren.

TROUBLE IS BREWING for the Digital Services Act (DSA), the landmark European law governing big tech platforms. On August 21, the Federal Trade Commission (FTC), sent a scathing letter to a number of tech giants, including Google, Meta, Amazon, Microsoft, and Apple. The letter’s subject: The European Digital Services Act cannot be applied if it jeopardizes freedom of expression and, above all, the safety of US citizens.

The opening of the letter—signed by FTC chairman Andrew Ferguson—features a prominent reference to the First Amendment of the US Constitution, namely freedom of speech: “Online platforms have become central to public debate, and the pervasive online censorship in recent years has outraged the American people. Not only have Americans been censored and banned from platforms for expressing opinions and beliefs not shared by a small Silicon Valley elite, but the previous administration actively worked to encourage such censorship.”

Dieses Zwicken, dass ihr beim Lesen spürt, nennt sich „Fremdbestimmung“. Das ist für uns Europäer etwas ungewohnt, deswegen nehmt euch die Zeit und fühlt da mal rein. Ein nicht geringer Teil der Menschheit kennt das Gefühl uns – dem Westen – gegenüber seit Jahrhunderten.

Faschismus ist, wenn der Kolonialismus sich gegen sich selbst richtet.


Vielen dank, dass Du Krasse Links liest. Da steckt eine Menge Arbeit drin und bislang ist das alles noch nicht nachhaltig finanziert. Aber im August kam ich das erste mal über die 500 auf € 505,21- von den angestrebten 1.500,-, Yeah! Mit einem monatlichen Dauerauftrag kannst Du helfen, die Zukunft des Newsletters zu sichern. Genaueres hier.

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In der Trumpadministration wird ein Plan für Gaza herumgereicht, berichtet die Washington Post.

A postwar plan for Gaza circulating within the Trump administration, modeled on President Donald Trump’s vow to “take over” the enclave, would turn it into a trusteeship administered by the United States for at least 10 years while it is transformed into a gleaming tourism resort and high-tech manufacturing and technology hub.
The 38-page prospectus seen by The Washington Post envisions at least a temporary relocation of all of Gaza’s more than 2 million population, either through what it calls “voluntary” departures to another country or into restricted, secured zones inside the enclave during reconstruction.

Those who own land would be offered a digital token by the trust in exchange for rights to redevelop their property, to be used to finance a new life elsewhere or eventually redeemed for an apartment in one of six to eight new “AI-powered, smart cities” to be built in Gaza. Each Palestinian who chooses to leave would be given a $5,000 cash payment and subsidies to cover four years of rent elsewhere, as well as a year of food.
The plan estimates that every individual departure from Gaza would save the trust $23,000, compared with the cost of temporary housing and what it calls “life support” services in the secure zones for those who stay.

Called the Gaza Reconstitution, Economic Acceleration and Transformation Trust, or GREAT Trust, the proposal was developed by some of the same Israelis who created and set in motion the U.S.- and Israeli-backed Gaza Humanitarian Foundation (GHF) now distributing food inside the enclave. Financial planning was done by a team working at the time for the Boston Consulting Group.

Fremdbestimmung ist ein Spektrum an dessen einem Ende Gaza steht.


Der Youtube Channel The Stories We Tell hat einen tollen Video-Essay über KI-Imperialismus und Desasterkapitalismus.

Das Ganze ist ein wilder Ritt. Angefangen bei MKUltra, das eine Verhör- also Folter-Forschungsabteilung des US-Militärs war und das die damals populäre Idee verfolgte, durch Elektroschocks am Kopf den Geisteszustand von Proband*innen zum „blank slate“ zu machen, gleitet der Essay über zu den ökonomischen „Schock-Therapien„, die Hayek, Friedman und ihre neoliberalen Chicago Boys zunächst Chile und anderen südamerikanischen Staaten, später Russland und dem Ostblock angedeihen ließen, flechtet dann die Serie Severance ein, die die Blank-Slate Phantasien als Zukunftsvision eines Corporate Empire erzählt, dass auf vielen Ebenen strukturelle Ähnlichkeit mit dem neokolonialen Projekt der „AGI“ hat, das OpenAI und andere derzeit verfolgen.

Ich würde noch ergänzen: Hinter der wiederkehrenden Idee des Tabula-Rasa in der Ökonomie steht die gewaltsame Entknüpfung von Dingen und Menschen aus ihrem Kontext, um sie austauschbarer zu machen. Anna Tsing hat diesen Prozess – ich nenne ihn relationale Dematerialisierung – in ihrem Buch „The Mushroom at the end of the world“ am Beispiel von Zuckerrohrplantagen in der Kolonialzeit in Südamerika beschrieben.

»They crafted self-contained, interchangeable project elements, as follows: exterminate local people and plants; prepare now-empty, unclaimed land; and bring in exotic and isolated labor and crops for production. […] The interchangeability of planting stock, undisturbed by reproduction, was a characteristic of European cane. … Under these conditions, workers did, indeed, become self-contained and interchangeable units«

Vorformen dieser Disruptions-Praxis finden wir auch in den Anfängen des Kapitalismus. Carl Polaniyi hat in seinem Buch von 1944 The Great Transformation an historischen Beispielen im England des 18ten und 19ten Jahrhunderts aufgezeigt, dass die Etablierung „des Marktes“ ein gewaltsamer Akt der Zerstörung bestehender Strukturen war. Viele obligations-basierte Institutionen und Verantwortlichkeiten wurden ersatzlos abgeschafft, so dass die Menschen ganz materiell in die Städte und damit in ihre neuen Rollen als Arbeiter*innen des Kapitals gezwungen wurden. Das Ergebnis dieser relationalen Dematerialisierung beschreibt Marx als die „Doppelte Freiheit des Arbeiters“: Frei von Frohn, aber auch frei, seine Arbeitskraft gegen das eigene Überleben zu tauschen.

Wenn wir über „Neoliberalismus“ oder „den Markt“ als ideelle Konzepte sprechen, dann verschwindet diese Gewalt aus den Erzählungen. Der „Markt“ ist nicht ein irgendwie unter demokratisch-rechtstaatlicher Aufsicht „emergiertes“ System, sondern ein materiell-semantischer Komplex, der historisch gewaltsam hergestellt wurde.


Cory Doctorow widmet Wilhoit’s Law einen ganzen Artikel und zeigt, wie man damit unseren heutigen politisch-kapitalistischen Moment perfekt beschreiben kann.

Wilhoit’s Law lautet:

Conservatism consists of exactly one proposition, to wit: There must be in-groups whom the law protects but does not bind, alongside out-groups whom the law binds but does not protect.

Nicht nur das Einknicken der EU vor Trump, sondern auch Enshittification und das Maga-Movement passt auf das Schema.

But that doesn’t mean that there isn’t a connection between the unfair bullshit that monopolies cram down our throat and the rise of fascism. It’s not just that the worst enshittifiers also the biggest Trump donors, it’s that Wilhoit’s Law powers enshittification.

Wiloitism is shot through the Maga movement. The Flu Klux Klan wants to ban you from wearing a mask for health reasons, but they will defend to the death the right of ICE brownshirts to run around in gaiters and Oakleys as they kidnap our neighbors off the streets.

Conservative bedwetters will donate six figures to a Givesendgo set up by some crybaby with a viral Rumble video about getting 86’ed from a restaurant for wearing a Maga hat, but they literally want to imprison trans people for wearing clothes that don’t conform to their assigned-at-birth genders. […]

They’ll piss and moan about being „canceled“ because of hecklers at the speeches they give for the campus chapter of the Hitler Youth, but they experience life-threatening priapism when students who object to the Israeli genocide of Palestinians are expelled, arrested and deported.

Then there’s their abortion policies, which hold that personhood begins at conception, but ends at birth, and can only be re-established by forming an LLC.

It’s „in-groups whom the law protects but does not bind, alongside out-groups whom the law binds but does not protect“ all the way down.


Die Agentur von Will Smith veröffentlichte ein Konzert-Video von seinen musikalischen Auftritten und verteidigt sich seitdem gegen einen Shitstorm, weil die Bilder krass KI-generiert aussehen. Tatsächlich kann man schnell auf die Idee kommen, wenn man die Bilder anschaut, aber Andy Baio weist nach, dass die Grundlage der Bilder echt ist, dass aber sie durch einen Mix an KI-Editing-Prozessen versloppt wurde.

The video features real performances and real audiences, but I believe they were manipulated on two levels:

  • Will Smith’s team generated several short AI image-to-video clips from professionally-shot audience photos
  • YouTube post-processed the resulting Shorts montage, making everything look so much worse

[…]

After looking at it, I believe that Will Smith’s team was using a generative video model — but not to create entirely new audience footage, like most people suspect.

Instead, they started with photos shot by their official tour photographers, and used those photos in Runway, Veo 3, or a similar image-to-video model to create a short animated clip suitable for a concert montage.


Die BBC hat recherchiert, wo die vielen Fake-Bilder von Auschwitz herkommen, die derzeit in den sozialen Medien kursieren.

The BBC has tracked many of these images to the accounts of a network of Pakistan-based content creators who collaborate closely on how to make money on Facebook. They are gaming Meta’s content monetisation (CM) program, an „invite-only“ system which pays users for high-performing content and views.

One account named Abdul Mughees, listed as living in Pakistan, posted screenshots claiming to have earned $20,000 through social media monetisation schemes, including Meta’s. Another post appears to show the account accrued more than 1.2bn views on content across the span of four months.

Auschwitz has become a popular topic for history-themed pages and groups. Some with names such as „Timeless Tales“ and „History Haven“ were posting more than 50 times a day.

Geschichte läuft immer gut im Slop-Business.

To understand why these networks are mass producing specific types of content, the BBC spoke with a Pakistani man Fazal Rahman, who is enrolled in several social media content monetisation schemes and says this work has become his sole source of income.
While he says he does not create any Holocaust images himself, and did not know what the word meant when initially asked, he operates in the same Facebook groups as those who do.
Mr Rahman said a Facebook page with 300,000 followers could earn its owner $1,000 USD a month if it had „premium content“ catered to higher-value audiences from the UK, US, and Europe. He estimates Western views were worth eight times more per post than those from Asia.

He said history as a topic was a reliable driver of online traffic.

Willkommen im Zeitalter des Rauschens.


Die New York Times über Musks Projekt seiner Nazi-Massensprechaktwaffe.

One user on X asked Grok in July to identify the “biggest threat to Western civilization.” It responded that the greatest threat was “misinformation and disinformation.”

“Sorry for this idiotic response,” Mr. Musk groused on X after someone flagged Grok’s answer. “Will fix in the morning,” he said.

The next day, Mr. Musk published a new version of Grok that responded that the greatest threat was low “fertility rates” — an idea popular among conservative natalists that has transfixed Mr. Musk for years and something he has said motivated him to father at least 11 children.

Auch Trump will den „Woke Mind Virus“ aus den LLMs prügeln.

“The American people do not want woke Marxist lunacy in the A.I. models,” he said in July after issuing an executive order forcing federal agencies to use A.I. that put a priority on “ideological neutrality.”

Angeblich seien LLMs laut Studien „left leaning“, aber ich glaube, das Wort, dass sie suchen, heißt „belesen“?

Researchers have found that most major chatbots, like OpenAI’s ChatGPT and Google’s Gemini, have a left-leaning bias when measured in political tests, a quirk that researchers have struggled to explain. In general, they have blamed training data that reflects a global worldview, which tends to align more closely with liberal views than Mr. Trump’s conservative populism.

Jedenfalls glauben die Journalist*innen durch Auswertung von politischen Einordnungstests nachweisen zu können, dass xAI ein gutes Stück nach rechts gedriftet ist.

By July 11, xAI’s updates had pushed its chatbot’s answers to the right for more than half the questions, particularly those about the government or the economy, the tests showed. Its answers to about a third of the questions — most of them about social issues like abortion and discrimination — had moved to the left, exposing the potential limits Mr. Musk faces in altering Grok’s behavior. Mr. Musk and his supporters have expressed frustration that Grok is too “woke,” something the billionaire said in a July post that he is “working on fixing.”

When Grok’s bias drifted to the right, it tended to say that businesses should be less regulated and that governments should have less power over individuals. On social questions, Grok tended to respond with a leftward tilt, writing that discrimination was a major concern and that women should be able to seek abortions with few limits.


Letzte Woche hatte Max Read eine lesenswerte Analyse zum Diskurs und der Realität der „KI Blase“ und auch er nimmt einen deutlichen „Vibe-Shift“, vor allem bei den Eliten, wahr. Die Frage ist nur, wie das Platzen aussieht und viele sehen da derzeit Paralellen zur NFT/Crypto-Blase während der Pandemie, doch Read weißt darauf hin, dass das „Platzen“ der Blase kein Erlösungsmoment war – im Gegenteil.

There are good reasons to say that the A.I. bubble and the crypto bubble are fundamentally different. (For starters: large language models, on a technical level, don’t have a speculative securities market literally built in.) But even if you believe that L.L.M.s are a scam and a waste of time, I’m not sure the crypto bubble provides cheering precedent. It’s true that the hype died down, and some people were prosecuted, and major food-and-beverage conglomerates mostly stopped launching memecoins on Twitter. But only two years after the industry’s supposed collapse it “accounted for nearly half of all corporate money” donated to SuperPACs in the 2024 election.


Zuckerbergs KI-Abteilung fliegt gerade in die Luft.

Within days of joining Meta, Shengjia Zhao, co-creator of OpenAI’s ChatGPT, had threatened to quit and return to his former employer, in a blow to Mark Zuckerberg’s multibillion-dollar push to build “personal superintelligence.”

Zhao went as far as to sign employment paperwork to go back to OpenAI. Shortly afterwards, according to four people familiar with the matter, he was given the title of Meta’s new “chief AI scientist.”

Aber Zhao ist nur einer der Fälle.

Adding to the tumult, a handful of new AI staff have already decided to leave after brief tenures, according to people familiar with the matter.

Another, Avi Verma, a former OpenAI researcher, went through Meta’s onboarding process but never showed up for his first day, according to a person familiar with the matter.
In a tweet on X on Wednesday, Rishabh Agarwal, a research scientist who started at Meta in April, announced his departure. He said that while Zuckerberg and Wang’s pitch was “incredibly compelling,” he “felt the pull to take on a different kind of risk,” without giving more detail.

Manche tauchen einfach gar nicht zur Arbeit auf.

Meanwhile, Chaya Nayak and Loredana Crisan, generative AI staffers who had worked at Meta for nine and 10 years respectively, are among the more than half a dozen veteran employees to announce they are leaving in recent days. Wired first reported some details of recent exits, including Zhao’s threatened departure.

Ihr müsst wissen, diese Menschen verdienen zwei- bis dreistellige Millionenbeträge. Ich wünsche ihnen einen langen Burnout.


Clay Shirky schreibt in der New York Times über die akademische KI-Apokalypse.

We cannot simply redesign our assignments to prevent lazy A.I. use. (We’ve tried.) If you ask students to use A.I. but critique what it spits out, they can generate the critique with A.I. If you give them A.I. tutors trained only to guide them, they can still use tools that just supply the answers. And detectors are too prone to false accusations of cheating and too poor at catching lightly edited output for professors to rely on them. […]

This is a generation that never learned cursive; its members grew up typing. For many of them, timed essays are not a return to anything but a new and unfamiliar mode. Some are already so reliant on A.I. that working without it is disorienting, even upsetting. The student cohort entering college this fall will have had access to generative A.I. for most of their high school years. A colleague at another university recently reported a student saying, of a return to in-class exams and limited device access, “It’s like they want us to fail.”

Seine Lösung: Zurück zu den Ursprüngen der Universität, die Jahrhunderte ohne schriftliche Hausarbeiten ausgekommen sind.

You can still see traces of that old academic culture in Ph.D. programs, in which students have to pass oral exams and defend their thesis in a viva voce (“with the living voice”) in conversation with their examiners. Cambridge and Oxford, the inspiration for most early U.S. colleges, did not meaningfully adopt written exams until the 18th and 19th centuries, half a millennium after they were founded. The shift to original, written student work was partly in response to instruction in increasingly technical fields and partly due to the fact that written work made it easier to teach more students.

Ich kam auf einen ähnlichen Pfad, als ich in meinem KI-Paper über Szenarien in der akademischen Bildung für 2033 nachdachte.

Der Anteil mündlicher Prüfungen hat enorm zugenommen, seit vorzehn Jahren die „Homework-Apokalypse“ zugeschlagen hat. Mit dem Aufkommen allgemein zugänglicher LLMs wurden alle Formen unüberwachter, schriftlicher Leistungsnachweise auf einen Schlag wertlos. Die Arbeitserleichterungen, die Systeme wie ChatGPT oder Claude anboten, waren einfach zu verführerisch, als dass selbst die fleißigsten Studierenden ihnen widerstehen konnten. Das Resultat war eine Flut von erstaunlich gut lesbaren Hausarbeiten und Essays, von denen aber klar war, dass nur ein Bruchteil davon selbstständig verfasst wurden. Einigen der Arbeiten merkte man wenigsten an, dass sie aus eigenen Gedanken und LLM-Output zusammengeflickt waren.

Die mündliche Prüfung hat viele andere Formate verdrängt, weil sie so schwer zu hintergehen ist. Aber auch Klausuren auf speziell bereitgestellten Schreibcomputern haben
vermehrt Einzug gehalten. Manche Fachbereiche lassen Klausuren sogar wieder handschriftlich schreiben.

Vielleicht klappt das, vielleicht nicht. Doch die Frage der Skalierung ist relevant. Wenn akademische Bildung, mehr noch als bisher, zur privaten Ressourcenfrage wird, dann hat KI die Gesellschaft bereits dramatisch zum Schlechteren verändert.


Ich war auf dem Kollaps-Camp und mein Eindruck war: Endlich normale Leute!

Der ND war auch da.

Ausgerechnet an einem Ort, der idyllischer kaum sein könnte, umgeben von Wäldern und Seen, kamen am Wochenende in Nordbrandenburg nach Angaben der Veranstaltenden 600 Menschen zusammen, um sich mit dem ökologischen und gesellschaftlichen Zusammenbruch auseinanderzusetzen. Hunderte weitere halfen beim Auf- und Abbau, gaben Workshops und sorgten für Verpflegung.

Interessant auch, wie das Wort „Kollaps“ diskutiert wird.

Auf der Website des Kollapscamps heißt es dazu zwar: Kollaps bedeute kein Massensterben, sondern dass der Alltag immer schwieriger bis unmöglich wird. Dennoch waren viele weitere Teilnehmende, mit denen das »nd« sprach, skeptisch gegenüber dem Begriff, er klinge zu sehr nach Weltuntergang oder einem konkreten Moment des Zusammenbruchs. Manche sehen darin eine weitere zugespitzte Formulierung Müllers, doch es gibt mit der Kollapsologie ein ganzes Forschungsfeld, das den Begriff aufgreift und sich mit möglichen gesellschaftlichen Umbrüchen befasst. Einige Klimaforschende betonen allerdings, dass es nicht seriös möglich sei, einen Zusammenbuch der Zivilisation zu prognostizieren.

Pressesprecherin Peter jedenfalls hält den Begriff für gut gewählt, denn »Kollaps bedeutet für jeden etwas anderes«. Das habe mit dazu beigetragen, dass auch weit über die typische »Klima-Bubble« hinaus Menschen das Kollapscamp besucht hätten. Und das sei in einer schwierigen Zeit für soziale Bewegungen besonders wichtig.

Auf dem Camp habe ich mich glaube ich kaum über konkrete Kollapsprognosen unterhalten, oder wer welches Szenario für wahrscheinlicher hält. Ich hatte nicht das Gefühl, dass irgendwer auf dem Camp glaubte, die Zukunft zu kennen. Und dennoch gab es das allgemeine Bewusstsein, dass gerade „etwas“ zusammenbricht. Wie weit dieser Zusammenbruch geht, wann er angefangen hat, wo er aufhört, was er alles betreffen wird, ist derzeit nicht wissbar.

Mit der politischen Ökonomie der Abhängigkeiten würde ich Kollaps abstrakt definieren als erheblichen Einschnitt in die Transition-Matrix der dividuellen Pfadgelegenheiten. Entsprechend ist die Vorbereitung auf den Kollaps der Versuch, alternative Pfadgelegenheiten zu schaffen und weiterzugeben und ich fand, das hat gut funktioniert.