Netzreporter – Depub.org

Und hier ist mein erster Audiokommentar bei dem Netzreporter von dradio.wissen. Ich hab über depub.org, die jetzt auch wieder unter dieser Domain erreichbar sind, gesprochen.

Das ist jetzt wohl eine regelmäßige Institution. Jeden Freitag wird irgend ein Webschnuffi gebeten, das netzpolitische Geschehen zu kommentieren. Bislang finde ich das gelungen. Vor mir waren Markus Beckedahl und Julia Seeliger dran und man darf gespannt sein, was noch so kommt.

Hier der Text:

Vor einigen Wochen startete der Dienst „Depubliziertes“ bekannt als depub.org. Er wurde von anonymen Netzaktivisten gegründet, um die Inhalte der Öffentlich Rechtlichen Internetangebote – wie zum Beispiel die Inhalte von Tagesschau.de – auf eigenen Servern zu sichern. Diese dürfen seit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nämlich nur noch begrenzte Zeit vorgehalten werden. Das Massenhafte Unzugänglichmachen dieser Inhalte, hat man „Depublizieren“ genannt.

Der zivile Ungehorsam der Aktivisten von depub.org ist mehr als eine weitere Internet-Protestaktion. Er ist ein sichtbares Zeichen für ein neues Bewusstsein von „Öffentlichkeit“ im Internet. Gingen die Diskussionen in der Netzpolitik meist um die Wahrung von privaten Interessen – z.B. Datenschutz und Urhberrechte – erwacht nach und nach ein Verständnis des Internests als öffentlicher Kulturraum.

Die neue Öffentlichkeit findet im Internet statt. Versendeten sich die Inhalte bei den klassischen Medien in’s Nirvana einer anonymen Konsumentenmasse, leben sie im Internet viele neue Leben. Sie werden diskutiert, verlinkt, weitergedacht und geremixed. Sie werden eingesponnen in ein dichtes Netz von Kommunikation. Die neuen Öffentlichkeiten arrangieren sich um die Inhalte herum, weben sie ein und verschmelzen mit ihnen.

Das Depublizieren geht deswegen weit über die Inhalte an sich hinaus. Es gleicht einer Amputation von Öffentlichkeit. All die Meldungen, Meinungen und Informationen müssen aus die um sie entstandenen Kontexten schmerzhaft herausgeschnitten werden. Es sind Kulturräume, die weit über das Besitzbare eines Urhebers hinaus gehen, die hier zerstört werden. Depub.org ist reine Notwehr.

Die neue Öffentlichkeit muss ihre Interessen formulieren. Einen unbegrenzten Zugang und das Recht zur Weiternutzung, Weiterbearbeitung und Wiederveröffentlichung – beispielsweise durch Creative Common Lizenzen ist die Messlatte, an der sich der Anspruch eines „Öffentlich Rechtlichen“ Angebots im Internetzeitalter messen lassen muss

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Aber ich komm da nicht los, von dem Unwohlsein beim Hören von Aufnahmen mit mir. Selbst bei einer professionell aufbereiteten Aufnahme nicht. Ich find das alles irgendwie staksig und unrund. Aber Unzufriedenheit ist ja immer die Triebfeder des Fortschritts. Ich verspreche, mich zu verbessern.

Der Andere und ich

@343max und ich und ich haben wieder mal geredet. Was jetzt nicht heißen soll, das Max der andere ist. Oder dass er es nicht ist.

Im dem Podcast komme ich jedenfalls ganz zum Schluss auf die Debatte um das radikale Recht des Anderen zu sprechen und auf die Replik, die ich auf die Replik von Felix Neumann geschrieben habe (die sich aber mit Saschas AntwortAntwortAntwort an Diplix weder messen will noch kann).

Jetzt ist sie aber fertig. Und ich maße mir an, hier einfach so mir nix dir nix die Möglichkeit, sogar vielleicht die Notwendigkeit des Übermenschen auszurufen. Allerdings finde ich das gar nicht soo anmaßend.

Eben ging ich nämlich durch die normale Öffentlichkeit um einen Netzreport-Kommentar für die digitale Öffentlichkeit über die digitale Öffentlichkeit (kommt Freitag auf dradio.wissen) aufzunehmen, finde aber in der normalen Öffentlichkeit nicht die normale Straße und werde von der digitalen Öffentlichkeit dafür verhöhnt:

Und das nachdem ich bereits auf dem Weg dahin gespottet (nicht ver-spottet) wurde:

Und ich finde das interessant. Denn es ist irgendwie alles so unberechenbar geworden.

Denn Kontrollverlust ist dann doch irgendwie noch was anderes als Post-Privacy. Es wird natürlich nicht so sein, dass überall eine Meute Paparazzi lauert. Aber man hat eben nicht mehr im Blick, wer lauert.

Der Andere als Konzept ist deswegen mehr als nur ein rhetorischer Pappkamerad, der als Agent meine Wünsche repräsentieren soll, um meinen Egoismus zu verschleiern, wie es differentia glaubt. (Er konstruiert da so einen Reverse-Kategorischen-Imperativ, dass, wenn ich der Andere des Anderen bin, alles, was ich für den Anderen fordere, ja auch für mich fordere. Was nicht völlig falsch ist, aber eben völlig irrelevant für das, was ich sagen will.)

Der Andere ist Platzhalter für die Unberechenbarkeit der neuen Öffentlichkeit. Die Nichtvorhersehbarkeit des einen, der eben heute im Zweifel reicht, um eine Information in eine beliebige Größe aufzublasen. Es ist eben nicht mehr der Paparazzi, der einigermaßen berechenbar vor Britneys Spears Haus (und nur vor ihrem) wartet, sondern der Mensch auf der Straße, der mich auf Latitude sieht, ein anderer, der mich zufällig fotografiert, einer der mich auf den Bildern auf Facebook taggt, einer der nur twittert, wo ich gerade bin und was ich tue und welche Straße ich nicht finde. Ja, all das kann der Andere sein, und ja, sogar ich kann der Andere sein, das stimmt.

Aber vor allem und in erster Linie – und das, was den Anderen als Denkfigur absolut notwendig macht – ist es der, den ich hier nicht aufzähle. Der, an den ich nicht denke, den ich nicht auf dem Schirm habe. Den ich vielleicht vergessen habe oder meistens noch nicht mal kenne – nicht kennen kann! Der vielleicht mit einer neuen Datentechnik ankommt, die mir unbekannt ist. Der an mich herantritt oder an meine Daten oder an jemanden mit meinen Daten, oder oder oder. Der vielleicht heute nicht da ist, den es vielleicht heute noch gar nicht gibt, der aber kommt. Der ganz sicher kommt. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen aber irgendwann.

Der Andere ist keine Theorie, er ist kein theoretisches Modell, der Andere ist vielmehr eine Denk- und Meditationsübung. Denn den Anderen zu denken ist unmöglich. Was man vielleicht nach langer Zeit schaffen kann, ist ein wenig das Ausmaß zu erahnen, wie anders der Andere ist oder sein kann. Und eben das, ist es, was wir alle dringend in Sachen Technologie praktizieren müssen.

Der Andere als Übung verhilft zu einer gewissen Demut vor der Zukunft. Eine Übung, die ein bisschen den Oberchecker, der man glaubt zu sein, hinterfragt. Der Feind des Gedankens des Anderen ist nämlich die nachträgliche Evidenz. Die nachträgliche Evidenz ist ein – vielleicht notwendiger – Bug im menschlichen Gehirn: die Eigenschaft im Nachhinein immer alles vollkommen logisch gefunden zu haben, wenn ein Ereignis eingetreten ist – obwohl man eben noch die Reste seines gerade heruntergefallenen Unterkiefers aufgesammelt hatte. (Vermutlich rekonstruiert das Gehirn diese Logik nachträglich zusammen, weil der Mensch ein Sinn produzierendes Wesen ist und gar nicht anders kann.)

Das zweite, was die Überlegung des Anderen fördert, ist Grenzen zu hinterfragen. Grenzen, die den Anderen versuchen zu definieren und gegen uns abzugrenzen. Ganz oft sind diese Grenzen unhinterfragte, oft anmaßende, meist ganz egoistische Grenzen. Das habe ich versucht in Bezug auf die Transparenz in meinem Text für die Taz ein wenig aufzudröseln.

Der Andere ist eben genau das, was man nicht definiert bekommt und er dekonstruiert auf diese Weise alle Abgrenzungen und Definitionen. Egal ob der Ausländer, der Staat, der Leser, die Öffentlichkeit – es wird automatisch furchtbar selbstgerecht, sobald man anfängt die Grenze zu ziehen.

Das ist auch schon die grundlegende Ethik in Levinas‘ Denken. Die Unleugbare Beziehung zum Anderen nicht als eine Grenze, ein Gesetz oder eine Defintion zu denken, die vom ich, von der Subjektivität aus zu ziehen ist, sondern den Spieß umzudrehen und sich selbst vom Anderen her zu denken.

Man kann beispielsweise versuchen, sich hineinzuversetzen in die Troja und mit ihren Augen und ihrem Wissen und aus ihrer Realität und ihrem Diskurs heraus versuchen vorherzusehen, wie Schliemann sie ausgräbt.

Lustiger noch, sich mit Schliemann vorzustellen, wie er die Ausstellung über sich selbst empfunden hätte. Der Postmoderne Diskurs – der, der sich für den Blick des Beobachters/Archäologen zu interessieren begann, war ihm so unfassbar fremd, dass er sich mit dem Handrücken gegen die Stirn geschlagen hätte.

Er hielt sich nun mal für den Protagonisten einer wissenden Jetztzeit, der die vergangene Zeit mit den untrüglichen Werkzeugen in das universelle und unwidersprochene Prinzip „Geschichte“ einordnete. Mit anderen Worten: er hatte sich selbst als zukünftig historisches Objekt überhaupt nicht auf dem Schirm. Dass die Menschen sich einmal dafür interessieren würden, wie er gefundenen Schmuck ausgestellt hat, dass sie den Spaten ausstellen würden, mit dem er grub, dass sie wissen wollen, was er über Geschichte dachte und welche Briefe er schrieb, um seine Grabungen zu finanzieren: unvorstellbar!

Aber – und hier gerät man sofort höllisch in Gefahr – fängt man implizit an zu lächeln, ob der Naivität dieses Schliemann, der nun Grabungsobjekt und nicht mehr Subjekt ist und man lächelt vielleicht über den sich damals als „modern“ bezeichnenden Diskurs. Und hier tut man wieder genau das Falsche, das Anmaßende: man zieht eine Grenze, indem man auf „die“ zeigt. Eine Grenze, die Schliemann – von uns aus betrachtet – zum Anderen macht. Aber nicht zum Anderen im Levinasschen Sinne, sondern zum Anderen, des Nicht-Ich – vom ich aus definiert und abgegrenzt.

Eine furchtbar selbstgerechte Perspektive, deren Arroganz vollkommen ungerechtfertigt ist. Denn hier muss man, statt diese Grenze zu ziehen, sich selbst an die Stelle setzen und sich laut und deutlich einreden, dass man selber Schliemann ist. Dass man selber so ochsig vorm Berg gestanden haben wird. Kein Stück besser! Und zwar für einen Zukünftigen Anderen.

Wenn man diesen vollkommen schwierigen Gedanken in etwa annähernd gedacht hat oder versucht hat zu denken, dann hat man zumindest den Nutzen der Denkfigur des Anderen verstanden.

Und das alles nur, weil ich Bahn fahren musste, weil mein Fahrrad in der Werkstatt ist.

Zwei Dinge, die eigentlich gar nicht zusammenpassen

Einerseits war ich in Frankfurt und habe zusammen mit @bosch und @baranek eine unserer gefürchteten Twitterlesungen abgehalten. War ganz lustig. Ich war schließlich das erste mal auf einer Buchmesse, weil, ich hatte ja auch das erste mal einen Grund. Hier der Bericht von bosch.

* * *

Andererseits war ich vor einigen Tagen bei @timpritlove in der Metaebene aber diesmal ausnahmsweise nicht mit @343max, sondern mit ihm selbst und @plomlompom um einen echten CRE aufzunehmen. Es ging um Privatsphäre, irgendwie. Es ist ein wenig chaotisch, wie wir da durch die Diskurse hüpfen. „Diskurse“ ist übrigens das von mir zweithäufigst genannte Wort, kurz nach „ähh“. (Ich brauch echt mal ein Sprachtraining…)

Nachlese #OM10

Toll war es. So stelle ich mir eine Konferenz vor. Klein, (nicht mehr als 150 Leute) kompakt und hochkarätig. Nicht hochkarätig in sachen Bekanntheit, sondern in sachen intellektueller Schärfe. Die Piraten sind dort als Dreamteam aufgelaufen und haben bei mir viele Punkte wieder gut gemacht, die die teils sehr trolligen Auswüchse, die man im Internet beobachten kann, bereits verspielt hatten.

Ich kann jetzt gar nicht groß auf die Vorträge eingehen, die, sofern ich sie sehen konnte, durchweg alle gut waren. Ich will lieber auf das offene und tatsächlich openmindete Klima eingehen. Utopia Overdose, freies herum spinnen und diskutieren, das aber auf einem hohen Niveau. In keiner Partei ist sowas derart frei möglich, allein dafür muss man dankbar sein, dass es die Piraten gibt.

Ich habe auch einen Vortrag gehalten, den ich hier verschriftlicht habe und der den intellektuellen Grundstein des Neuanfangs einer Theorie des Kontrollverlusts bilden soll. Es ist der Versuch eines kompletten Neudenkens von Öffentlichkeit, wie ich es in diversen Blogposts bereits angekündigt habe. Die Implikationen dieses Neubeginns lassen sich derweil nur erahnen. Ich habe bereits viele Ansatzpunkte, an der ich einige Dinge reformulieren müsste und viele neue Thesen anschließen kann.

Der monolithische Öffentlichkeitsbegriff ist Geschichte. Die neue Öffentlichkeit ist der Andere. Wir können uns also diese Öffentlichkeit – wie sie im Internet existiert – gar nicht vorstellen. Und wenn wir es versuchen, liegen wir falsch – per se und per definitionem. So falsch, wie die Wikipedianer, wenn sie festlegen wollen, welche Information “relevant” ist und alles andere löschen. So falsch wie diejenigen, die den Rundfunkstaatsvertrag machen und meinen, bestimmen zu können, wie lange Inhalte vorgehalten werden sollten. So falsch wie der, der seine Hausfassade verpixelt, weil er glaubt, dass er dem Anderen den Zugriff auf diese Daten verwehren darf, weil er zu wissen glaubt, was dieser damit vorhat. In all diesen Fällen wird sich nicht eben an einer allgemeinen Öffentlichkeit vergangen, die in der Tat Dinge in die allgemeine Relevanz erhebt, oder nicht. Nein, hier wird für den Anderen entschieden und zwar ohne Kenntnis seines Interesses, seiner Filter und seiner Kompetenz.

Weiterlesen.

Was mir bei den S21 Gegnern auf die Eier geht

Dass es um einen Bahnhof geht. Ja, darum geht es! In erster Linie und nach wie vor. (Der ganze Kram: Politik, die nicht auf’s Volk hört, Großprojekt, das sau teuer ist, Bahn die irgendwie böse ist, Korruption blablabla mag zwar teilweise auch richtig sein, ist aber eben ganz normale politische Realität und zwar überall, wo es um Städtebauprojekte geht.) Ich kann auch nachvollziehen und habe volles Verständnis, dass das einigen auf den Senkel geht, aber dass das über zwei böse Kolumnen im Stuttgarter Anzeiger hinausgeht, ist bereits unangemessen. Kommt mal klar!

Polizeigewalt ist immer schlimm ja. Und ich habe Mitleid und Solidarität mit jedem Opfer von Polizeigewalt. Aber in Stuttgart ist die Gewalt nicht schlimmer als der ganz normale Wahnsinn in Berlin und in Hamburg, wie er jedes Jahr mehrfach stattfindet. Aber plötzlich wird von der Abschaffung der Demokratie gefaselt, als gäb es kein Halten mehr. „Bahnhof des Himmlischen Friedens“ und „Wir sind das Volk“-Parolen. Geht’s noch?

Das, was mir am übelsten aufstößt: Der ständige Verweis, dass es sich hier ja um „anständige Bürger“ handeln würde und eben nicht um „linke Chaoten“ und der damit implizit gegebene Verweis, dass es ja völlig ok sei, wenn der Staat Leute aus der linken Szene zusammen schlägt, aber doch nicht die braven Bürger! Geht’s vielleicht noch etwas reaktionärer? Beanspruchen die Bürgerlichen jetzt für sich etwa Sonderrechte und Sonderbehandlungen?

Ich hab den Eindruck, dass da in Stuttgart ein ganz übles Gebräu an grün angestrichenen, ansich konservativen Fortschrittsverweigerern einen auf Revoluzzer macht und wegen eines irrationalen Befindlichkeitsgewuschels die Gesellschaft in Geiselhaft nimmt. Ein Mob der auf einmal wie am Spieß aufschreit, wenn er das erste mal mit echter Staatsgewalt konfrontiert wird, als hätte er davon noch nie gehört- (oder eben gedacht hat, dass sie nur für die bösen anderen gilt)

Und in wenigen Wochen werden die alle wieder CDU wählen! Wollen wir mal wetten?

Es ist mir egal, wie arrogant das klingt, aber es ist und bleibt eine Revolution weil jemand den Rasen betreten hat. Lenin hatte ja gar keine Ahnung.