Vortragspaper für den Hyperkult 17

Ich habe mich vor allem auch deswegen so mit diesem Paper gequält, weil ich nach längerer Zeit der Aufschieberitis damit einen gewissen Neuanfang oder eine Repositionierung meiner Diss gewagt habe. Genau genommen habe ich die bisherigen Thesen an dem Beispiel der relationalen Datenbank konkretisiert. Dazu musste ich mich zunächst ein paar Dingen versichern, das heißt viel lesen und viel nachdenken.

Was dabei rausgekommen ist, ist ein ziemlich weites Ausdemfenstergelehne. Vor allem wenn man sich die Konsequenzen vor Augen führt. Das Konzept impliziert eine Ablehnung der heute vor allem in Deutschland vorherrschenden Medienarchäologie in der Tradition Kittlers. 
Dennoch bin ich nicht zufrieden mit dem Text. Man merkt ihm an, unter welchen Schmerzen er geboren wurde. Er wird hier und da viel zu konkret (für ein eher ankündigendes Paper) und ist nicht wirklich elegant formuliert.
Das alles wird vielleicht den einen oder anderen Weblogbesucher hier verschrecken, aber ich wollte ja eh nie A-Blogger werden. 😉 
Von der Frage nach der Ordnung zur ordnenden Frage
Derrida befragt Foucault LEFT JOIN Freud

Eure »Ordnung« ist auf Sand gebaut.„1 
Zweiundvierzig“2 
Kann man die Erfindung der relationalen Datenbank als Aussage analysieren? Als eine Aussage im foucaultschen Sinne? 

D.h.: Besitzt diese Erfindung die Singularität des Ereignisses und die Persistenz, die Zurechenbarkeit und die diskursive Einbettung in die Ordnung einer diskursiven Formation?3 Ist sie gar ein Bruch, eine Bruchstelle oder Kante? Einer jener Diskontinuitäten in der Geschichte, pikanter Weise in der Geschichte der Ordnung selbst? Und würde man mit der Analyse des Diskurses, der Positivitäten der Aussagen, der diskursiven Verknüpfungen und der Bruchlinien z.B. des Streits zwischen Ted Codd und Charles W. Bachman4 in den 70er Jahren, würde man damit dem Bruch gerecht werden, den die relationale Datenbank heute ausgelöst hat und weiter auslöst?

Diese Frage hat es in sich. Sie lässt sich nicht frontal beantworten, denn sie ist gekoppelt an so viele Voraussetzungen, die nicht als gesichert gelten dürfen. Voraussetzungen, die der Frage bereits einen Sinn geben, man könnte sagen, eine Ordnung geben, die die Antwort nicht unberührt lassen kann. Im Folgenden werde ich diese Schwierigkeiten anreißen, die ich in meinem Vortrag diskutieren möchte:

Erste Unsicherheit: Ordnung. Was ist das, Ordnung? Was war es und was ist es heute? Die Frage nach der Ordnung muss zunächst gestellt werden und sie muss neu gestellt werden, vor allem in Anbetracht der Datenbank, die eine Ordnungstechnik ist. Eine Technik, die also selber den Begriff der Ordnung neu bestimmen wird. Es ist grundsätzlich nicht leicht die Frage nach der Ordnung zu beantworten. Es ist bereits schwer, sie zu stellen. Die Aussagen zu befragen, d.h. ihre Relationen und Verknüpfungen zu sammeln und ihr Feld abzustecken, hieße ihre gegebene Ordnung auszubreiten und zu untersuchen. Aber wie weit kommt man bei der Untersuchung dieser Positivität, wenn eben die Aussage der Datenbank die Positivität in ihrem Selbstverständnis in Frage stellt?

Denn meine These zu der relationalen Datenbank ist, dass sie die Ordnung in Frage stellt. Sie stellt sie in Frage, in einem dreifachen Sinn:

1. Sie stellt die gegebene Ordnung in Frage, die bisher in den Archiven, Bibliotheken und Sammlungen, den Katalogen und Karteikarten herrschte.
2. Sie stellt nicht nur die Ordnung, das heißt: nicht nur die gegebene Ordnung, sondern die Gegebenheit von Ordnung im allgemeinen in Frage.
3. Sie stellt all diese Ordnungen, Ordnungssysteme und Ordnungstechniken und damit auch alle möglichen Ordnungsanalysen in Frage, indem sie sie in die Frage stellt.

Eine SQL-Abfrage (Structured Query Language) ist keine Frage unter anderen. Diese Frage ist eine völlig andere Antwort auf die Frage der Ordnung. Denn wenn wir es gewohnt waren eine Ordnung zu errichten, die eine Gültigkeit und eine Orientierung versprach und beanspruchte5, die diese aber zugleich in ihren Befragungsmöglichkeiten beschränkt, gibt die relationale Datenbank dieses Konzept zum großen Teil auf. Die Verknüpfungen der Daten und die Ordnung ihrer Ausgabe wird nicht mehr ausschließlich vom System vorgegeben, sondern sie wird erst in und durch die Abfrage generiert. An eine relationale Datenbank kann dadurch eine bis dato ungekannte Anzahl von möglichen Fragen gestellt werden. Die Ordnung ist in der relationalen Datenbank eben nicht in erster Linie eine gegebene Ordnung, sie ist vor allem eine unüberschaubare Anzahl von möglichen Ordnungen.

Zweite Unsicherheit: Das Ereignis. Was ist das Ereignis? Ist das Ereignis tatsächlich noch, jedenfalls ausschließlich, auf der Seite der Einschreibung zu suchen? Muss man nicht, jedenfalls jetzt, nachdem die Möglichkeit in und durch die relationale Datenbank angeschnitten wurde, das Ereignis der Ordnung ebenso in seiner Befragung suchen? Derrida war es, der Foucault als erster darauf hinwies. In „Cogito und die Geschichte des Wahnsinns“ wirft er Foucaults frühem Werk „Wahnsinn und Gesellschaft“ vor, seine eigene Methodik nicht nach der Bedingung seiner Möglichkeit befragt zu haben. Dass „es kein Zufall [ist], wenn ein solches Vorhaben heute hat entwickelt werden können, […]“, weil „eine bestimmte Befreiung des Wahnsinns begonnen hat„.6
Derrida, der hier natürlich auf die Psychoanalyse Freuds anspielt, die in dem Wahnsinn eine eigene Logik entdeckte und so von der schlichten Unvernunft schied, hat einen grundsätzlicheren Einwand gegen Foucaults Geschichtsverständnis. Er fragt die Frage nach der Ordnung anders. Man könnte sie folgender Maßen formulieren: „Welche impliziten Verknüpfungen sind in Foucaults Fragen am Werk, die ihm erlauben, diese seine Fragen an das Archiv der Trennung von Wahnsinn und Vernunft zu stellen?„.
Die Frage nach der Ordnung stellt sich als Frage nach der Stellung der Frage zu der Ordnung. Ist also die Frage nach der Ordnung, weil sie erst durch die Ordnung, durch eine neue Ordnung, eine Umordnung des Diskurses hat gestellt werden können? Heute, anders als vor 100 Jahren? Und morgen anders als heute?

Doch was ist das Ereignis, wenn dessen Befragung das Ereignis – zumindest auch – rekonfiguriert? Wenn sie es in eine andere Ordnung einschreibt, die nicht die seine ist, durch eine andere, vielleicht ganz andere Frage?

Die Frage nach der Ordnung von der Frage her zu stellen, scheint um so dringlicher, wenn man die bereits fast 30 Jahre alte Erfindung der relationalen Datenbank nur als Zwischenstation einer viel umfassenderen Umschichtung der Wissensordnung betrachtet. Das Internet hat gezeigt, dass die Entwicklung beim Befragen der Datenbank nicht aufhört, sondern dass durch die gleichzeitige Abfrage mehrerer Datenbanken, die Fragen selbst ins unendliche verschaltet werden können.7 Zudem kommen immer mehr mögliche Verknüpfungen hinzu, die aus bestehenden Daten mit einer geschickten Befragung ungeahnte Zusammenhänge offenbaren.8 Die ordnende Frage der Zukunft wird umfassender, ja monströser sein, als wir es uns heute vorstellen können. Diese Entwicklung, die nicht nur Foucault’s und unseren Begriff von Ordnung, sondern ganz real – im hier und jetzt – die strukturelle Ordnungsmacht der „Gatekeeper“ bereits dekonstruiert, entzieht sich selber eines direkten Zugriffs. Denn eine Analyse all dessen scheint unmöglich, weil ihre Strukturen sich in eine Zukunft vieler noch nicht gestellter Fragen verflüchtigen.

Mir scheint es deshalb so, als sei der Streit zwischen Foucault und Derrida, der sich beinahe nur und ausschließlich um diese Fragestellungen gruppiert, als sei dieser Streit für das Verstehen der Datenbank und ihrer Bedeutung besser geeignet, als eine Diskursnanalyse des Streits zwischen Codd und Bachman. Vom Cogitoaufsatz Derridas9 bis zur posthumen Aufarbeitung des Streits in „Gerecht sein gegenüber Freud“10 wird die Frage der Ordnung verhandelt, die Frage nach der Legitimität der Errichtung und der Untersuchung der Ordnung. Dabei wird Frage nach der Stellung des Ereignisses eine geheime Schlüsselrolle einnehmen11, die in zwei unterschiedlichen Theorien des Archivs12 ihren Ausdruck finden. Die Sichtweise auf das Ereignis wird die Möglichkeiten der Analyse der Vergangenheit ebenso bestimmen, wie die Frage der Zukunft. Die Frage der Zukunft als der zukünftige Frage an das Archiv. Der noch nie da gewesenen Frage, mit deren Kommen man aber unbedingt rechnen muss.

1 Rosa Luxemburg, Die Ordnung herrscht in Berlin, in Werke, Bd. 4, S. 538.
2 Adams, Douglas: Per Anhalter durch die Galaxis, S.179.
3 Vgl. Foucault, Michel: Archäologie des Wissens, S. 128 ff.
4 Dessen Ausgangspunkt Codds Artikel: „A Relational Model of Data for Large Shared Data Banks“ ist, der 1970 im „Communications“ erschien. Der Streit ist dokumentiert in Gugerli, David: Die Welt als Datenbank. Zur Relation von Softwareentwicklung, Abfragetechnik und Deutungsautonomie. In: David Gugerli, Michael Hagner, Michael Hampe, Barbara Orland, Philipp Sarasin, Jakob Tanner (Hg.): Nach Feierabend 2007: Daten.Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte.
5 Derrida nennt dies „Topo-Nomonlogie“ vgl.: Derrida, Jacques: Dem Archiv verschrieben, S. 12 ff.
6 Cogito und die Geschichte des Wahnsinns, in Ders.: Schrift und Differenz, S. 63.
7 Man sehe z.B. die auf den ersten Blick so unscheinbar daherkommende Technologie der RSS-Feeds an, die es möglich jedem macht, seine ganz individuelle Frage nach Neuigkeiten zu stellen, an millionen von Datenbanken – mit einem Klick.
8 Microsoft schickt sich derzeit an, mit PhotoSync die Bildanalyse und damit deren mögliche Verknüpfbarkeit zu revolutionieren. http://labs.live.com/photosynth/ (28.03.2008).
9 Cogito und die Geschichte des Wahnsinns, in Ders.: Schrift und Differenz.
10 Derrida, Jacques: Gerecht sein gegenüber Freund, in Ders.: Vergessen wir nicht – die Psychoanalyse!
11 Vgl. Bunz, Mercedes: Wann findet das Ereignis statt? Geschichte und der Streit zwischen Michel Foucault und Jacques Derrida. S. 1 ff, http://www.mercedes-bunz.de/wp-content/uploads/2006/06/bunz_ereignis.pdf (28.03.08).
12 Foucault, Michel: Archäologie des Wissens sowie Derrida, Jacques: Dem Archi verschrieben.

re:publica 08

Tja, jetzt ist es vorbei und die Nachlese sollte auch mal gemacht werden. Aber was soll man schreiben, wenn man Redundanz so hasst wie ich? Vielleicht einfach Danke. Und ein paar persönliche Besonderheiten.

Als ich letztes Jahr zur re:publica fuhr kannte ich so ziemlich gar keinen. Außer Tristessedeluxe. Es war trotzdem super. Ich habe dort einige Leute kennengelernt, mit denen ich dann per Blog weiterhin Kontakt hatte und die ich dieses Jahr wiedergesehen habe, was mich sehr gefreut hat.
Dieses Jahr kannte ich bereits eine ganze Menge mehr Leute, was einerseits daran lag, dass ich auf anderen Konferenzen, wie der 9to5 und dem Wordcamp war, aber vor allem, weil ich Twitter nutze. Das ist unglaublich, was das für ein Sozilsalistionstool ist. Mehr als es Bloggen je war. Man hat einfach weniger Scheu vor Menschen, deren Tagesrhythmus man kennt, wenn man weiß, wie sie in bestimmten Situationen reagieren, was für Probleme sie im Alltag haben, etc. Und so war es, dass sich viele meiner Twitterbekanntschaften sehr schnell und sehr häufig in reale Bekanntschaften verwandelten. Und wenn ich nur mal so in Berlin bin.

Mit anderen Worten: Als ich dieses Jahr zur Re:publica fuhr hatte ich eine riesige imaginäre Liste von Leuten, die ich wiedersehen oder endlich mal kennenlernen wollte. Und genau diese Erwartung wurde noch übertroffen. War das ein Spass. Ich habe sehr sehr wenig Pannels besucht, was ich zwar schade fand, was aber durch die vielen Gespräche mehr als wieder gut gemacht wurde. Leider waren die Gespräche allzuoft zu kurz und oberflächlich, aber so ist das nun mal auf solchen Konferenzen. Am liebsten hätte ich den einen oder anderen direkt in die nächste Kneipe geschleppt, um mal in Ruhe quatschen zu können. Manche habe ich leider nicht sehen können, was sehr schade ist. Bei manchen, auf die ich mich gefreut hatte hat es nur für ein Hallo und Tschüss gereicht. Aber im großen und ganzen habe ich mich prächtig amüsiert und war erstaunt, dass einige im RL noch netter sind als auf Twitter.

Die andere Sache war, dass ich fast durchgehend völlig fertig war. Ich kam bereits sehr abgekämpft dort an und habe es mir dennoch nicht nehmen lassen auf jeder, wirklich jeder Hochzeit zu tanzen. Meist bis zum Schluss. (Vor allem Sascha Lobos Followerparty war mehr als krass) Dementsprechend lief ich immer wie ein durch Koffein noch notdürftig am Umkippen gehinderter Zombie über den Asphalt. Wahrscheinlich denken sich jetzt die Menschen: „mspro? ganz nett, aber die Augenringe…

Was schade ist: ich hab viel zu wenig Bilder gemacht. Andererseits ein gutes Zeichen, weil es zeigt, dass ich anderweitig beschäftigt war.

Jetzt könnte ich inhaltlich natürlich noch was sagen. Da gab es einiges tolles, z.B. den Livepodcast mit Peter Glaser, den ich sehr schätze und den Vortrag von Christian Heller über Technikutopien. Da gab es auch weniger gutes, wie die Keynote, die aber schon von Willyam auseinander genommen wurde. Aber wie gesagt. Darum ging es mir nicht.

INTERNETNERDS

sollte man besser doch nicht in die Realität materialisieren. Widerlich! Das schneiden die bei Watchberliner also immer raus.

Zu sehen: diplix, Kosmar, Pottblog.

Aber ansonsten ist es relativ super hier. Alle möglichen Leute, die man schon mal gelesen hat. Zu jedem fällt einem eine Geschichte, ein Pseudoskandal oder ein guter oder besonders schlechter Artikel ein. Naja, bei fast allen. Außer z.B. bei den ganzen Web2.0 Entrepreneure, die sich hier überall am Ranschleimennetzwerken sind.

[dieser Velegenheitspost wurde durch die andauernden Fragen iniziiert, warum ich denn so viel twittern und so wenig bloggen würde. Außerdem wusste ja nicht jeder, das mein Handy auch Videos aufnehmen kann. Aber jetzt.]

[jetzt mach dich mal locker. Brauchst dich doch nicht für einen Blogpost rechtfertigen]

[Andererseits: ist schon ganz schön armer Kontent. Du hattest mal ganz andere Ziele… ]

[Jaja, Bla!]

Was ist eigentlich die re:publica?

Neulich auf Mogulus wurde ich gefragt: was ist das eigentlich, die re:publica? Tja, das ist eine gute Frage und erst jetzt habe ich mich genauer mit deren Beantwortung beschäftigen können. Hier meine unglaublichen Recherchen:

Es ist ja so, dass wir hier, an diesem Ort, an keinem Ort sind. Wir sind jenseits der Welt, in einer Geisterwelt, in der nur immaterielle, intelligible Identitäten herumschwirren, mit blau leuchtenden Schweifen. Wir halten über diese Sphäre Kontakt mit der Welt der Lebenden und mit vielen anderen Geistern.

Nun hat sich in Berlin bekanntlich eine Priesterkaste gebildet, die den Zugang zu dieser Geisterwelt aufrecht erhält und vermarktet. In ihren täglichen Beschwörungen schaffen sie ein medial präsentables Äußeres der Geistersphäre und strukturieren diese damit wiederum, auch wenn sich einige Geister heftig dagegen wehren.

Nun kamen die Priester letztes Jahr auf die Idee, einen okkulten Ritus ins Leben zu rufen. Es sollte eine Geisterbeschwörung werden, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Sie wollten tatsächlich einen großen Teil der Geisterwelt in einer fulminanten und lange vorbereiten Super-Mega-Beschwörung direkt in die reale Welt hineinmaterialisieren. Es hatte bis dahin zwar schon einige Versuche in diese Richtung gegeben, aber kamen diese so gut wie nie über eine zweistellige Anzahl von Geistern hinaus. 700 Geister sollten es aber werden. Sie in ihren echten Körpern wieder auferstehen lassen! Was ein Projekt.
Viele Tage und Nächte tanzten die Priester also nackt um ein großes Feuer und sprachen allerlei Zauberformeln gen Himmel – alles mit den gesponserten Zauberstäben von IBM. Dann, auf einmal, zisch, zurr, zack, kamen herbei geflogen die vielen Geister. Sie schwebten rhythmisch in der Luft, zum Beat der Priestergesänge und sammelten sich über dem Feuer. Mit ihren blauen Schweifen kreisten sie immer näher aneinander, immer um das Lagerfeuer herum. Dann steigerte sich der Beat, die Rhythmen wurden kürzer, die Beschwörungsformeln schneller und die Priester immer lauter, lauter, lauter bis sie schrien. Und auf einmal vereinigte sich der schwebende Geisterklumpen. In einer gigantischen blauen Wolke schien er alle Energien aufzusaugen, und in einem gleißenden Blitz und einem ohrenbetäubenden Knall geschah dann das Unglaubliche.

Als sich die Nebelschwaden verzogen, standen dort in der Kalkscheune 700 echte Menschen. Verwirrt schauten sie sich um. Sie wussten nicht, wie ihnen geschieht. Sie sahen an sich herunter und bemerkten Arme, Beine, manche sogar Brüste. Natürlich kannten sie das, sie waren ja schließlich auch einmal Menschen gewesen, damals, bevor sie in die Geisterwelt hineingezogen wurden. Aber wie unendlich lange war es her, dass sie ihre physischen Körper bewegen konnten. Zwar waren sie nach wie vor darauf angewiesen, sich ihre Energien aus der Geisterwelt zu beziehen, aber sie hatten sich aus diesem Grunde alle extra ihre mobilen Geisterwelttore von Apple mitgebracht. Und auch die Priester hatten vorgesorgt und ließen auf dem gesamten Gelände Geisterelexiere (sie nannten das W-Lan) versprühen, um die Tore offen zu halten.

Und so kam es, dass die Geisterwesen drei wundervolle Tage miteinander in der realen Welt verbringen konnten. Sie redeten und sie tranken, sie kosteten das körperliche Dasein vollkommen (wir vermuten das, jedenfalls teilweise) aus, allerdings immer in dem schmerzhaften Wissen, dass es wieder vorbei sein würde, dass der Zauber nicht ewig hält. Sondern eben nur diese 3 kurzen magischen Tage.

Trunken von ihrem Erfolg, aber, versprachen die Priester sogleich den Spuk von nun an jedes Jahr zu wiederholen. Und so glitten die Geister hin, zurück die Geisterwelt, wissend, dass sie von nun an Wiedergänger sein werden. Geister mit der Lizenz zum Spuken. Dass sie nächstes Jahr wiederkehren werden und dass der Spuk kein Ende finden wird, solange die Sponsoren mitmachen.

Und nun ist es wieder so weit. Das Feuer ist entfacht und von Ferne hört man bereits die immer lauter werdenden Beschwörungsgesänge der Priester.

Liebe regelmäßige Blogbesucher,

die ihr hier ab und an aufschlagt, um zu gucken, ob es was neues gibt. Ich muss Euch wieder enttäuschen. Nein, gibt es nicht. Ich zwinge mich gerade in andere Schreibgefilde. Nein, nicht (nur) Twitter, sondern ein Vortragspaper, dass mich derzeit beinahe den Verstand kostet.

Ich freue mich aber, dass Ihr die Hoffnung noch nicht aufgegeben habt, das macht mir Mut. Aber eines will ich Euch anraten. Anstatt hier jedesmal nur auf der Oberfläche nach neuem zu schauen, geht doch einfach mal tiefer, hinein in das Archiv, denn ich wette, keiner von Euch ließt mich schon seit immer. Und da ich eigentlich eher selten tagesaktuell schreibe, haben auch viele andere Artikel ihre Aktualität nicht eingebüßt.

An dieser Stelle könnte ich natürlich einzelne Artikel empfehlen. Tu ich aber nicht. Keine Zeit, Ihr wisst schon…

ich sollte man wieder was bloggen

[verdammt. das wollte ich eigentlich bei twitter reinschreiben]

Cem über Twitter

Ganz wunderbar erklärt Cem das Phänomen Twitter in drei Teilen.

Die Kommune (wobei ich da nicht ganz einverstanden bin)
Das blöde ist: Wahrscheinlich werden das wieder nur die kapieren, die eh twittern. Ich hab mich ja daran gewöhnt. Twitter ist so dermaßen banal, unwichtig und irrelevant wie ein Lächeln. Versuch mal jemandem, der noch nie ein Lächeln gesehen hat, zu erklären was daran so toll ist.

4 Links zur SPD

  1. SPIEGEL-TV-Beitrag zum fröhlichen Energielobbyismus ehemaliger und amtierender SPDler.
  2. Julia Seeliger über die „Verschwörungstheorie“ betreffend der Ypsilantischlachterin „Metzger“ ihre Kontakte zu Eon.
  3. Der Spiegelfechter über den angeblichen Heros „Metzger“ und ihre Netzwerker.
  4. Der Stern über Mehdorns Marionettentheater, formely known as „Bundesregierung“. [via]

Es ist traurig, was aus der alten Tante SPD geworden ist. Sie hatte immer meine Sympathie. Bisher. Aber dieser korrupte Saustall ist mittlerweile fast noch unwählbarer geworden als die Union.

Wann kommen endlich Truppen nach Deutschland, die hier die Demokratie wiedereinführen? Oder müssen wir das selber machen? Ach nee. Der Rasen. Ich vergaß.

Mohamed und die Urne

Es ist schon ein paar Jahre her. Ich war noch Student und wohnte im Studentenwohnheim. Vor dem Wohnheim hatte jemand einen Aschenbecher drapiert. Er war aus bemalter Keramik und hatte einen Deckel. Mit seinen geschwungenen Formen sah aus wie eine Urne. Jemand schrieb den passenden Spruch dazu mit Edding auf diesen Deckel: „Die Asche meiner Mutter„. Das war der Titel einer Romanverfilmung die vor kurzem im Kino lief. Ich fand die Idee ganz lustig. Jetzt aber auch nicht der Brüller. Studentenhumor halt.

Eines Tages begab es sich, dass ich mit einer Gruppe von Freunden auf dem Weg zu meiner WG war und als wir am Eingang ankamen, schrie eine Freundin beim Anblick des Aschenbechers auf. Sie hatte vor etwa zwei Wochen ihre Mutter an den Krebs verloren.

Sie weinte und fluchte, war kurz davor den Aschenbecher wegzutreten. Noch als wir in meiner Küche waren schluchtste sie und konnte sich nicht beruhigen.
Natürlich hatte der Aschenbecher nichts mit ihr zu tun. Natürlich konnte das keiner ahnen und auch ich habe an diese Koinzidenz nicht gedacht, als wir zu mir gingen. Da war einfach jemand, der in einer völlig anderen Situation steckte, als ich, als wir, als die anderen. Aber natürlich verstand ich ihre Aufregung sofort, wenn ich sie auch nicht teilte. Natürlich konnte ich einigermaßen nachvollziehen, warum sie hier ausflippte. Warum es einfach weh tat, so einen Scherz abzubekommen. Nicht weil ich weiß, wie es ist, wenn man seine Mutter verliert, sondern, weil ich weiß, dass sie gerade in einer anderen emotionalen Situation ist als ich, eine die ich nicht einschätzen kann, die ich aber respektiere und für die ich verständnis aufzubringen versuche.

Was mir nie, niemals, in den Sinn käme, ist, in diesem Wissen um ihre Verletzbarkeit, extra und gezielt Scherze über tote Mütter zu machen. Die Wunde auszunuten, und draufzuhauen, weil ich weiß wie es weh tut. Und mich danach lauthals darüber aufregen, wie sie völlig fertig in der Ecke liegt und weint und schreit.

Das haltet ihr für selbstverständlich? Henryk M. Broder und andere nicht.

Sie nehmen sich Menschen, die ein anderes, emotionaleres Verhältnis zu einem Gegenstand haben und machen sich – und zwar genau aus diesem Grund – darüber lustig. Nur weil sie wissen, dass sie damit Gefühle verletzen. Weil hier die tote Mutter begraben liegt, graben sie um so tiefer, dem Schmerz entgegen. Es geht dabei natürlich nicht um Humor, es geht um das Verletzen. Und zwar ausdrücklich.

Satire darf alles“ sagte Tucholsky. Natürlich hat er damit recht. Ganz einfach weil wir – wir Europäer – uns diese Lehre Jahrhunderte lang selber schmerzhaft beibringen mussten. Weil wir lernen mussten, eine emotionale Distanz aufzubauen, zu den Dingen, die verballhort wurden. Und auch das klappt, bis heute, nicht immer gleich gut. Was aber weltgeschichtlich eher eine Sonderbarkeit ist. Vergessen wir nicht: Wir sind in diesem Spiel die Anderen.

Aber sogar die besagte Freundin fing sich wieder und sah von sich aus ein, dass ihre Reaktion irrational war. Dass die „Urne“ nichts mit ihr zu tun hat und dass es zwar ein makaberer aber legitimer Scherz war. Ein Scherz, der außer ihr niemandem weh tut und der vor allem auch nicht dafür gedacht war, irgendjemandem weh zu tun. Vor allem nicht ihr.

Ich wünschte die Moslems könnten das eines Tages ebenso einsehen. Was aber mit Sicherheit nie geschehen wird. Denn es ist schlicht nicht wahr.

Die Systemfrage

SPON in lesenswert:

Aktienoptionen als Ursache der Massenentlassungen? Kalkulieren Vorstände tatsächlich so brutal, dass sie Beschäftigte rausschmeißen, um so den Aktienkurs und damit den Wert ihrer eigenen Optionen zu steigern, sich persönlich zu bereichern? Und wäre das System repariert, wenn es Optionen für Vorstände nicht mehr gäbe oder Spekulationsfristen verlängert würden?

Diese ökonomische Argumentation erstaunt dann doch, vor allem aus dem Mund eines „wirtschaftspolitischen Sprechers“. Denn sie personalisiert und stigmatisiert, wo viel dringender die Systemfrage gestellt werden sollte: Wie lange kann eine Gesellschaft die Macht der Börse – also die pure Orientierung am Shareholder Value (der Aktienrendite) und die Zwänge der Globalisierung ertragen, bis sie auseinanderbricht? Oder, anders formuliert: Zerstört der Super-Kapitalismus die Demokratie?


Quelle Wikipedia
Kapitalismus als Selbstzweck bringt uns nicht weiter. Wenn der Kapitalismus aufhört, den Menschen zu nutzen, dann sollte man die Systemfrage stellen. Am besten schon in der Politik. Und zwar jenseits irgendwelcher populistischer Neiddebatten. Denn wenn das Volk erstmal damit anfängt, kann das sehr unschön enden.