
via: Spreeblick
Zunächst einmal eine Berichtigung. Ziemlich weit hab ich mich aus dem Fenster herausgelehnt, bei meinem letzten Blogeintrag. Eine Inszenierung solle stattfinden, für uns, wo doch schon alles ein abgekartetes Spiel sei.
Es gab eine Inszenierung, ja. Es gab ein abgekartetes Spiel, ja. Aber nicht für uns, sondern gegen uns.
Jaja, wer hat uns verraten…? Die Änderungen am Gesetzentwurf, die der Parteivorstand beschlossen hatte „Löschen vor Sperren“, waren kein Kompromiss mit dem Antrag, den Böhning eingebracht hatte, „Löschen statt Sperren“, obwohl das so kommuniziert wurde. Über diesen wurden uns hinter vorgehaltener Hand die wildesten Sachen erzählt: der sei ja so scharf, die CDU könne auf ihn unmöglich eingehen. Man wollte uns auf diese Weise vertrösten, dass das Gesetz eben nicht mehr durch ginge in dieser Legislaturperiode.
Nein, der Beschluss des Parteivorstandes war ein bereits in Hinterzimmern ausgeklügelter Kompromiss mit der CDU!
Ja, richtig. Die SPD hat uns an die CDU verkauft und uns voll auflaufen lassen. Dass man uns nicht gleich alles recht machen würde, hatte ich erwartet. Aber dass man uns derart mit Anlauf in die Fresse tritt, hat mich dann schon sehr erstaunt. Ich dachte, sie nähmen uns wenigstens ein bisschen ernst.
Nein. Ernst nehmen die etwas ganz anderes. Als Böhning seinen Antrag in Originalform dennoch abgab, hatte das keine Bewandnis mehr, so sagte man ihm, weil der Beschlusses des Parteivorstandes diesen ja überflüssig machte. Als es dann darum ging, die einzelnen Anträge abzustimmen, wurde hastig gefragt, ob denn noch wer reden wolle und noch bevor sich wirklich was regen konnte, ganz schnell der Deckel zu gemacht. Keine Diskussion, keine Möglichkeit der Rede, keine Abstimmung. Nur noch Singen.
Angstschweiß lag in der Luft. Die wollen das Thema nicht auf der Agenda haben. Zwei Tage vor dem Parteitag und einen nachdem Böhning seinen Antrag ankündigte, war er von Bild zum „Verlierer des Tages“ gekührt worden. Das ist für Böhning nicht schön aber verkraftbar als Direktkandidat in einem vor allem jungen und gebildeten Wahlkreis. Aber in der Partei kam etwas anderes an. Ein Schuß vor den Bug.
Man muss dazu sagen, dass die Bildzeitung bisher erstaunlich still gehalten hat. Und das bei einem Thema, wo ihr Standpunkt klar ist und das ihrem Kampagnenstil doch sehr entgegen kommt. Ich weiß nicht, was das ist. Vermutlich will sie nicht öffentlich gegen die Zivilgesellschaft schießen. Sie war sicher auch nicht unbeeindruckt von dem, was wir auf die Beine gestellt haben. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, als traute sie nicht, gegen uns zu schießen, habe aber jeden Tag damit gerechnet.
Aber gegen die SPD zu schießen, das ist etwas ganz anderes. Jetzt kann man, wenn man pervers veranlagt ist, seine Phantasie mit den Wörtern: „Bild“, „Kampagne“, „SPD“ und „Kinderpornographie“ spielen lassen, und hat ein ungefähres Bild dessen, wovor den Genossen graust. Das gegen Böhning, war nur ein kleiner Stupser.
Wir haben gegen die Bildzeitung verloren.
Bildzeitung vs. Internet = 1:0
Naja, nicht ganz. Die populistische Petition zur Halbierung des Besteuerung auf Benzin, die von der Bildzeitung angestoßen und mit Kampagne begleitet wurde, ist mit ihren 128.193 Unterzeichnern seit gestern Nacht nicht mehr die erfolgreichste Petition aller Zeiten, sondern es ist die Netzsperrenpetition mit derzeit über 130.000 Zeichnern.
Bildzeitung vs. Internet = 1:1? Nein. Ich will jetzt nicht sagen, dass das Netz in diesem Thema der Bildzeitung in Kampagnenkraft ebenbürtig ist. Nein, das haben die Genossen sicher richtig eingeschätzt. Aber nicht mehr lange.
Der Hebel ist da, und wir haben ihn bereits in den Arsch der SPD gerammt. Noch ist er zu kurz, als dass er ihr wirklich schweren Schaden verursachen kann. Aber er wächst so schnell, scheller als alles sonst, dass er bereits morgen sehr weh tun wird. Und er wächst auch dann noch weiter, wenn er die Bildzeitung in seiner Macht längst hinter sich gelassen hat. Aber ob es dann noch eine SPD gibt, wage ich nicht zu prognostizieren.
Denn zwischenzeitlich werden wir die SPD in einem Sturm aus Scheiße schicken. Sie hat sich nämlich selber zum Feind des Internets gekürt. Was sie hier angestellt hat, wird nicht so schnell vergessen werden. Sie wird für eine wachsende Zahl von Menschen das Symbol für Rückschritt und Opportunismus sein. Mit der SPD wird das Netz nicht mehr so schnell verhandeln. Das wird nicht zuletzt dann unangenehm werden, wenn die Gesellschaft und das Netz eins sind. Und auf diesem Weg sind wir, darüber sollte Klarheit herrschen.
Die SPD hat ihre Zukunft verkauft, damit sie ihre jämmerliche Gegenwart ins morgen retten kann. Weit wird sie damit nicht kommen. Aber, wie gesagt: vergessen wir die SPD
Kommen wir zur mittelfristigen Perspektive. Mathias Richel beschwor mich immer, die SPD sei zwar nicht perfekt, aber mit Schwarz-Gelb, da würde über sowas ja nicht mal diskutiert werden. Da wär dann alles Protestieren vergebens.
Nun bin ich sicher kein Freund von Schwarz-Gelb und werde den Teufel tun, die zu wählen oder zu unterstützen. Aber ich habe dennoch einmal darüber nachgedacht und muss ihm in diesem Punkt deutlich widersprechen.
1. Steckt das Schwarz in der großen Koalition genauso drin, wie in Schwarz-Gelb.
2. Ist die FDP zwar sicher keine liberale Partei mehr (bürgerrechtlich gesehen) aber ist einer gewissen Tradition in dieser Hinsicht verpflichtet, die nicht unwesentlich dazu beiträgt, ihre demokratische Legitimität zu sichern. (Nur „Steuern runter“ ist zwar nachvollziehbare Klientelpolitik, aber noch keine Partei) In etwa also so, wie die SPD wenigsten den rhetorischen Eindruck machen muss, sozial zu sein, muss die FDP immer peinlich genau auf ihren liberalen Anstrich achten. Das heißt, der Hebel den wir hier hätten, wäre mindestens genau so groß wie bei der SPD, aber das Zu-Hebelnde wäre umso kleiner.
3. Diese Kleinheit bringt außerdem mit sich, dass die FDP weniger erpressbar in Sachen Bildzeitung wäre. Eine Volkspartei kann nicht gegen Bild, eine spezielle Partei wie die FDP schon eher.
Also egal was da kommen mag: Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün-Gelb, alles wird besser sein als die Große Koalition. Jedenfalls für netzpolitischen Dinge. (Sozialpolitisch würde ich das nicht sagen, aber auch da glaube ich kaum, dass man die SPD wirklich so deutlich unterbieten kann, wie sie es uns weismachen will.)
Wir können die SPD also getrost vergessen und in Ruhe sterben lassen. Tschüß, du loser!