Dradio-Wissen: Netzkommentar Facebook

Netzkommentar zur Facebook Gesichtserkennung (Download):

Facebook hat am Mittwoch sein lange angekündigstes Gesichtserkennungsfeature freigeschaltet. Wenn man also Fotos hochlädt, schlägt der Algorithmus automatisch Leute aus der eigenen Freundesliste vor, sofern er diejenigen zu erkennen glaubt. Viele nutzen das Feature bereits bei Apples Fotosoftware iPhoto oder Googles Bilderdienst Picasa.

Aber nun fühlen sich alle überrumpelt, weil Facebook die Funktion standardmäßig für alle Nutzer freigeschaltet hat. Auf ihren Facebook-Walls schimpfen sie auf Facebook, Politiker und Datenschützer schäumen und die Medien geben Anleitungen, wie man das Feature wieder abschaltet.

Doch das geht nicht. Der Algorithmus wird auch weiterhin über jedes hochgeladene Bild laufen und versuchen, Gesichter zu erkennen. Nur die automatische Vorschlagsfunktion für die Freunde kann man deaktivieren.

Automatisierte biometrische Gesichtserkennung steht schon mit einem Bein in der Wirklichkeit und hebt das andere gerade in unsere Richtung. Bald wird sie allgegenwärtig sein und um einiges besser funktionieren. Sie wird in Videoüberwachungssystemen, Handykameras und in den Crawlern von Suchmaschinen eingebaut werden und alle Fotos im Internet mit Identitäten verknüpfen. Sie wird uns jederzeit zur Verfügung stehen und das wird die Gesellschaft verändern.

Wenn ich heute über die Straße gehe, werde ich von meinen Bekannten erkannt und vom Bäcker nebenan. Morgen weiß jeder, der es wissen will, wer der Typ mit der Brötchentüte ist. Facebook wagt einen kleinen Schritt in diese Richtung. Statt uns von Datenschützern und profilierungssüchtigen Politikern verunsichern zu lassen, sollten wir die Chance nutzen, uns mit den neuen Möglichkeiten vertraut zu machen. Sie werden für die Zukunft noch sehr wichtig werden.

140Sekunden

Die Kommunikation war nicht leicht, mit den Leuten bei 140Sekunden. Hin und her ging es immer wieder bei Tweetauswahl, Termin und Locationfindung. Dann haben wir schließlich in der Bibliothek des Deutschen Historischen Museums gedreht. In der Tat ein ganz schnuckliger Ort, wobei ich nicht fand, dass er besonders gut zu mir passt. Ich war eher für das Technikmuseum, aber gut. (Und warum haben die eigentlich mein altes Blog abgefilmt?) Jedenfalls ist das Resultat ganz gut geworden, obwohl es 8 Uhr morgens war und ich während des Drehs das Gefühl hatte, dass ich noch gar nicht richtig wach bin.

(und dann dieser Drang, immer wenn eine Kamera aufnimmt wie ich Dinge auf dem Rechner tue, einfach mal youporn aufzurufen.)

Heute, den 8. Juni 2011 um 21:15 Uhr wird auf ZDF-Info im Rahmen des Elektischen Reporters dieser Clip gezeigt. Und ihr könnt ihn jetzt schon sehen:

Ein kurzer Gedanke zu Bitcoins

Eben fragte mich ein Freund, ob ich Bitcoins kenne und ob ich empfehlen würde, zu investieren. Ich dachte kurz nach und antwortete: Klar, warum nicht?

Also, ich find’s lustig. Wie sie sich alle aufregen und es mit der Angst bekommen. Und wie sie auf Twittter jetzt schon stöhnen, wegen des Hypes.

Ich glaube übrigens nicht, dass Bitcoins nun die uns alle befreiende Währung sein wird, die uns in ein neues Wirtschaftssystem führt und ich gebe Torsten im großen und ganzen recht. Jedoch nicht bei der Bewertung. Ich glaube, Bitcoins werden relevant.

Ich würde eine Sache nicht außer acht lassen: Bitcoins sind eine Self-fulfilling Prophecy. Und zwar eine sehr ausgefuchste.

Warum?

Weil der Mensch gierig ist. Bitcoins haben oder nicht haben ist die Frage, nicht, ob sie einen realen Wert repräsentieren, oder tatsächlich einmal das Zahlungsmittel der Zukunft sein werden. Die Frage ist eher die, die mein Freund mir stellte: soll ich investieren? Lohnt sich das? Und die Antwort ist auf absehbare Zeit schlicht und ergreifend: ja!

Der vorherbestimmte Gang der Bitcoins ist, dass ihr Wert steigen wird. Es ist eine Währung, die nichts anderes tut, als zu deflationieren. Es gibt schließlich keinen Grund für Bitcoins, sich jemals auf irgendeinen Preis einzupendeln. Es ist ja fest definiert, wie viele Bitcoins es jemals geben wird, also wird der Preis für Bitcoins für immer steigen, wie der Wert eines Rembrandt-Gemäldes.

Das heißt, es ist zu jederzeit wirtschaftlich rational in Bitcoins einzusteigen und es wird immer wirtschaftlich irrational sein, aus Bitcoins auszusteigen (sie also tatsächlich für Zahlungen zu verwenden). Damit sind Bitcoins der perfekte Geldstaubsauger. Sie werden eine ganze Menge Kapital aufsaugen und für eine unabsehbare Zeit binden. Wie viel, ist nicht abzusehen.

Wenn nichts dazwischen kommt, (ein Hack oder eine tatsächlich zielführende, polizeiliche Maßnahme der Regierungen) können Bitcoins also tatsächlich eine Gefahr für Regierungen und sogar für die Weltwirtschaft werden. Bei 1 Milliarde Dollar größe wird der Bitcoinmarkt eine Gefahr, denn dieses Geld fehlt wo anders. Und ich für meinen Teil sehe keinen Grund, warum bei einer Milliarde Schluss sein sollte.

Der Geldstaubsauger hat also das Potential eine sehr signifikante Menge an Kapital zu binden, eine Menge, die der Weltwirtschaft ernsthaft schaden kann. Es wird dann nur noch darauf ankommen auf welche Preissteigerungsrate sich die Bitcoins einpendeln werden. Denn alle anderen Investmentangebote müssen mit dieser Rate konkurrieren. Am Ende könnte die gesamte Weltwirtschaft zusammenbrechen.

Fazit: Bitcoins sind für nichts eine Lösung. Aber sie könnten ein brillianter Hack des derzeitigen Wirtschaftssystems sein.

Meins!

Als ich in Ägypten war, machte eine Meldung die Runde, dass eine wahnsinng riesige Fliegerbombe in Berlin gefunden wurde. Und zwar direkt vor meiner Haustür (ca. 5 Meter). Die gesamte Gegend wurde evakuiert, es wurden Plünderungen befürchtet und natürlich die Explosion, die nicht nur mein Haus komplett pulverisiert hätte.

Dementsprechend trötete es mir in die Kanäle voll. „Hey, mspro, schon gehört?“ Und ob ich denn keine Angst habe, um mein „Hab und Gut„.

Im Geiste machte ich Inventur:

1. Laptop … liegt im Hotelzimmer.
2. iPhone … in meiner Tasche.
3. … … … who fucking cares?

Ich war gerade direkt bei den Pyramiden, also twitterte ich:

Es wäre mir tatsächlich egal gewesen. Ich besitze nichts. Nichts wichtiges. Nichts wichtiges, was ich nicht auch jederzeit ohne Rückschmerzen 24 Stunden am Tag mit mir herumtragen kann und es dementsprechend auch tue. Gut, ich hab einen Arsch voll Bücher, von denen ich sicher einige neu kaufen würde. Vermutlich diesmal als eBook.

Mir geht es so, wie es hier in diesem treffenden Artikel beschrieben ist. Ich bin ein Tech-Nomade, ein digitaler Minimalist in Sachen Besitz. Ich reduziere. Alles Gegenständliche ist mir zu viel.

Ganz ehrlich? Ich würde gerne nur möblierte Zimmer bewohnen. Alles soll schon da sein, ich will morgen mit meiner Umhängetasche umziehen können. Meine Devices selbst schrumpfen nach jedem Neukauf und das fühlt sich richtig und gut an. Und alles andere hat gefälligst auch zu verschwinden. Dinge binden sich so unangenehm an’s Bein. Eigentum fühlt sich nicht danach an, dass es mir Freiheit vermittelt. Im Gegenteil.

Aber ging es bei Eigentum nicht auch vor allem darum? Um Freiheit? War Vermögen, Eigentum, Besitz nicht Mittel zum Zweck, sich frei zu entwickeln? War das nicht – zumindest auch – der tiefere Grund, überhaupt danach zu streben?

Klar, musste man noch vor nicht allzu langer Zeit Wohlhabend sein, um überhaupt zu reisen. Und um sich Bildung zuzulegen. Und um „Weltgewand“ zu sein, internationalen Umgang zu pflegen und an bestimmte Informationen zu kommen. Kunstbeflissenheit ist in einer Welt, in der das eine Bild eben nur in dem einen Museeum 1000 Km weit entfernt hängt, eben eine teure Sache.

Aber all das ist heute erschwinglich. Es ist nicht umsonst, der Zugang zu dem kostet noch Geld, aber man muss eben kein Vermögen mehr aufbringen, daran teil zu haben. Und die Kosten sinken beständig.

Mit anderen Worten: Identitätsressourcen (soziale Kontakte, Informationen), die früher nur unter Einsatz hoher Geldmittel zu erlangen waren, sind heute mithilfe relativ geringer Mittel, vor allem aber durch digitale Technologie, erreichbar. Ich bin mir sicher, das verändert unseren Bezug zum Besitz ganz gewaltig.

Freiheit, im Sinne von erhöhter identitärer Optionsvielfalt bietet nicht mehr das Eigentum, sondern der Zugang zu Kontakten und Information. Mein Laptop und mein iPhone sind für mich nur deswegen so wichtig, weil sie die Tore zum Internet repräsentieren. (Selbst diese Hardware ist ja im Grunde schon sehr leicht austauschbar, nur eben leider teuer.)

Und dann musste ich an den Artikel von Rolf Schwartmann „Meins bleibt meins“ denken, in dem er in etwa die Meinung vertrat, dass, wenn wir es zulassen, dass das Urheberrecht geschschwächt/ausgehöhlt oder abgeschafft wird, das Eigentum ansich in Frage steht.

Und ich dachte mir: Ooch, warum eigentlich nicht?

Young Media Summit – Ägypten

Blick auf den Nil

Blick auf den Nil

Ich bin wieder da, aus Kairo, vom Young Media Summit 2011. Die Tastatur klebt noch etwas von Orangensaft, den ich über mein Macbook Air gekippt habe. Mein Magen rumpelt noch vor sich hin. Ich fiel ja quasi fiebrig und mit schlimmen Bauchschmerzen aus dem Flugzeug. Und zwar ausgerechnet in Schönefeld! So langsam sammle ich mich wieder und kann beginnen das Erlebte zu reflektieren. Das geht ja nicht so schnell bei mir.

Es war ein unglaublicher Trip. Es war eine großartige, intensive Zeit. Und auch, wenn ich jetzt noch nicht weiß, was diese Reise bei mir angestoßen hat, kann ich sagen, dass ich einiges anders sehe.

Ich bin natürlich mit dem Anspruch dahin gefahren, Dinge zu erfahren. Zu lernen. Aber auch das ist – jedenfalls in seiner naiven Vorstellung – schon vermessen gewesen. Ich war noch nie zuvor in einem arabischen Land. Mit anderen Worten: ich musste einen Großteil meiner Zeit und Ressourcen darauf verwenden mit der andauernden kognitiven Überforderung zurecht zu kommen. Und während die meisten anderen, auch die Deutschen, sich schnell zurechtfanden, weil sie bereits viel Vorwissen mitbrachten, Erfahrungen und teilweise sogar Sprachkenntnisse, war ich immer froh, wenn ich mich bei ihnen ranhängen, mich leiten lassen konnte. Ich habe mich deswegen trotz meiner stolpterhaften Fremdkörperhaftigkeit nie wirklich unwohl gefühlt, wofür ich sehr dankbar bin.

Al-Azhar Park

Al-Azhar Park

Das lag vor allem an den anderen. Die Teilnehmer waren durch die Bank weg großartige Menschen (Hier die Liste der Teilnehmer). Ich glaube, das hat die gesamte Gruppe so empfunden. Es gab kein Wort des Streits oder sonstiger schlechter Stimmung unter den Mitgliedern. Durchweg alle waren offene, in jeder Hinsicht am anderen interessierte Menschen und begeneten sich mit großem Repsekt und Verständnis, auch wenn die Meinungen hier und da deutlich auseinander gingen.

Den wohl intensivsten Austausch erlebte ich am 2. Tag, als wir in kleinen Gruppen aufgeteilt durch Kairo streiften und gemeinsam Themen erarbeiteten. Unsere Gruppe interviewte einige Jugendliche im Al-Azhar Park über die Veränderungen seit der Revolution. Ich bloggte im YMS-Blog darüber, die anderen auch. Jedenfalls entspann sich im Laufe der Interviews und anhand der Aussagen der Jugendlichen über die Situation in Ägypten auch eine Lebhafte Diskussion zwischen meinen Mitrechercheuren Hussein und Razan, die beide aus Syrien kommen. Das allgemeine aufkeimende Mißtrauen der ethischen und religiösen Gruppen in Ägypten gab ihnen zu denken, weil Syrien in dieser Hinsicht noch um ein vielfaches heterogener aufgestellt ist. Die Gespräche über die Entwicklung in Ägypten ließen sie sorgenvoll zurück, was wohl auf ihr Land zukommen werde, wenn/falls das Regime dort stürzt.

Da wurde mir schlagartig die völlige Andersheit ihrer Perspektive auf unser Tun hier bewusst. Für mich war es ein Moment der Teilnahme, des Ganz-nah-dran-seins, den Mitfühlenkönnens, der Sorge, des Kontextes, des Verstehens der Schwierigkeiten und ein Erahnen der Komplexität der Lage, in dem sich ihr Land und damit auch ihre Zukunft befindet. Und ich sah diese Menschen, ihre scheinbare Leichtigkeit und Unbeschwertheit, ihren lockeren Humor und ihre vollkommene Abwesenheit von irgendeiner Bitterheit oder Aggression mit anderen, viel respektvolleren Augen.

Teehaus

Teehaus

Das ist vielleicht das Erstaunlichste. Diese Menschen sind Blogger. In dem banalsten Sinne, den man dem Wort geben kann. Sie sind Menschen, die kommunikativ und offen durch die Welt laufen, gerne einen Witz reißen und sich für Popkultur interessieren und über all das gerne im Internet erzählen. Dass in ihren Ländern Revolutionen gegen Diktatoren passieren, dass ihr Leben und das ihrer Familie bedroht ist, merkt man ihnen nicht sofort an. Natürlich sind sie politisch! Sehr sogar. Aber dabei sind sie lange nicht so verbissen, aggressiv und rechthaberisch, wie ich es bei vielen politischen Aktivsten aus Deutschland kenne.

Wie gesagt, ich kann all diese Erfahrungen noch nicht wirklich einordnen. Ich kann die Dimensionen noch nicht erahnen, wie das mein Bild der Region, ihrer Menschen und ihrer Probleme verändert haben wird. Sobald ich da mehr habe, werde ich es natürlich nachreichen.

Na, Dings, ihr wisst schon

Na, Dings, ihr wisst schon

Bis dahin bleibt mir nur Matthias Spielkamp und den anderen Organisatoren und der Deutschen Welle Akademie danken, dass sie mir die Chance auf diese Erfahrung gegeben haben. Ich konnte leider lange nicht so viel beisteuern, wie ich mitgenommen habe, aber ich schätze, das geht den meisten deutschen Teilnehmern ähnlich.

Hallo

Es ist lange her, ich weiß. Es kam alles zusammen. Wer meinen Twitterstream verfolgt, hat mitbekommen, wie es umtrieb durch die Welt der Konferenzen. Frühling halt.

Und dann das Problem mit den Texten. Es ist nämlich gar nicht so, dass ich keine Ideen gehabt hätte. Ich hatte zu viele! Ich habe insgesamt 7 Texte über unterschiedliche Themen im Lauf. Kaum habe ich einen angefangen, fällt mir der nächste ein.

Das wird sich ändern, versprochen! Es wird jetzt wieder losgehen, die 7 Texte gelangen nach und nach zur Reife. Ab nächster Woche hau ich sie raus. Alles mit dabei: Projekte, Texte, steile Thesen, der ganze Scheiß!

Aber zunächst etwas anderes. Ich bin nun also nächste Woche in Kairo mit dem Young Media Summit der Deutschen Welle. Ein Wahnsinn. Ich werde mit Bloggern sprechen, die direkt an den Protesten beteiligt waren. Ich werde versuchen, rauszufinden, wie groß die Rolle des Internets wirklich war. Und wie groß sie jetzt ist, beim Nationbuildingprozess.

Vielleicht komme ich in Kairo etwas zum Bloggen. Ich glaube aber kaum. Aber es werden sicher einige Texte bei rauskommen, die dann nach und nach veröffentlicht werden. Also macht euch auf einiges gefasst.

Politik 2.0 – der Staat ist nicht die Lösung

Der CCC hat sein Konzept zur Neugestaltung des Urheberrechts endlich mal rausgehauen. Wir haben ja schon länger darauf gewartet. Und es ist: naja.

Im Grunde (ja, Frank Rieger, ich habe den ganzen Text gelesen) ist es doch nur Flattr, auf ne Art. Flattr als irgendwie staatliches, zumindest öffentlich-rechtliches Modell. Eigentlich ja keine schlechte Idee, aber ich glaube, wir brauchen uns keinen Illusionen hinzugeben, dass sowas auch kommt. Und das ist auch nicht schlimm, denn wenn man es durchdenkt, ist es einfach nicht die Lösung.

Ganz abgesehen von den Details komm ich bei solchen Vorschlägen nämlich immer wieder an den Punkt, an dem ich denke: Nationale Lösungen sind doch gar nicht mehr zeitgemäß. Sie sind nicht nachhaltig, nicht langfristig, wahrscheinlich nicht mal mittelfristig, denn die Welt befindet sich in einer rasanten informationellen Globalisierung.

Wir reden ja schon lange über „Politik 2.0“ und solche Späße und gemeint ist dann, dass Politiker twittern oder Online-Petitionen ernster nehmen sollen. Ich bin der Meinung, dass das, was „Politik 2.0“ gewesen sein wird, noch erst erfunden werden muss. „Erfunden“ im Sinne einer Re-Invention von Politik.

Als erstes muss man sich vom Nationalstaat als institutionellen Rahmen verabschieden, denn was der da so tut, ist bestenfalls so Mickey Mouse. Und wenn er doch etwas tut, dann so langsam, dass das Problem längst auf anderen Wege gelöst ist oder sich alle Parameter wieder verschoben haben. (Langfristig werden alle Institutionen – auch die politischen – sowieso ja ganz andere Probleme bekommen.)

Internationale Institutionen wie die UN sind noch langsamer und darüber hinaus auch noch völlig zahnlos. (Wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich das gut oder schlecht finde, dass es kein Internationales Gewaltmonopol gibt)

Wenn man aber von Staat und internationalen Institutionen absieht, bleiben nur noch Unternehmen. Nur noch? Es bleiben Startups und Konzerne, die die Geschicke der Welt wahrscheinlich heute schon weitreichender bestimmen, als die Politik. Wenn Apple ein neues Produkt rausbringt oder Google einen neuen Dienst startet, dann hat das mehr Impact auf Urheberrechte, Verwerter und Geschäftsmodelle weltweit, als alle politischen Bemühungen der Staaten zusammengenommen.

Wenn ich also, wie heute geschehen, MobileMacs höre, in dem es wie so oft um den Kampf der Plattformen im Mobilfunkmarkt geht: Apple vs. Android vs. HP vs. Motorola, vs. Microsoft, etc, dann sind das keine Nerdigkeiten und auch keine Wirtschaftsnachrichten sondern das, was heute in zunehmenden Maße Politik ist. Oder eher das, was die Politik gerade ablöst. Dort werden die Weichen für die Zukunft gestellt, dort wird entscheidend mitbestimmt, wie der Markt der Informationen weltweit aussehen wird. MobileMacs ist ein Politikpodcast!

An dieser Stelle eine kurze Durchsage an die „Linken“ unter uns: Ein Internet, das von demokratisch legitimierten Kräften gestaltet wird, glaubt es mir, das wollt ihr nicht!

Nicht in nur deswegen, weil es scheiße aussähe, kompliziert wäre und streng müffeln würde, sondern weil wir dann keinen Streit über die Einführung von Netzsperren hätten. Wir hätten nur den täglichen Kampf der Parteien untereinander, was denn jetzt noch alles zusätzlich mit auf die Sperrliste gesetzt werden muss. Denkt da also bitte einfach mal ein paar Sekunden über die Alternativen nach, wenn ihr mal wieder das Netz von den Konzernen befreien wollt.

</durchsage>

Insofern ist der Ansatz des CCC paradigmatisch. Das umbedingte Festhalten am Staat als Lösung für den Konflikt um das Urheberrecht markiert auch den Unterschied zu Flattr. Flattr hat die Idee einfach umgesetzt und – wenn alles bestens läuft und ich habe nicht aufgehört zu hoffen – wird es die Welt nachhaltiger verändern, als das Xte Modell und die Xte politische Forderung, die man an den Xten Nationalstaat heranträgt.

Wenn man (zumindest in bestimmten Bereichen) politisch sein will, dann sollte man Software schreiben. Man sollte ein Startup gründen oder ein OpenSourceProjekt. Damit kann man wirklich etwas verändern: effektiv, schnell und international. Und eigentlich war der CCC immer die Adresse, die genau das am besten wußte.

Aber auch darüber hinaus: mittelfristig kommt man politisch nicht an den Unternehmen und Konzernen vorbei. Man muss sie in die Rechnung einbeziehen, sie adressieren, in die Pflicht nehmen. Irgendwie. Man muss die Konzerne politisieren. Ja, das ist schwer, ja, das ist ein Problem. Aber es ist derzeit der einzige Weg und ich halte das nicht für unlösbar. (Ich gehe sogar so weit und unterstelle einigen Unternehmen, eine mehr oder weniger konsistent durchgehaltene aber nichtsdestotrotz vorhandene Ethik und teilweise sogar eine Agenda.)

Der Weg effektiven politischen Handelns wird über die Unternehmen gehen. Konzerne werden nicht mehr nur Lobbyisten schicken, sondern selber welche empfangen. Die Alternative wäre, zu warten bis @JensBest den Kapitalismus abgeschafft hat. Ich glaube aber, da würde ich dann trotz allem noch eher auf den Staat setzen.

Dienstagstermine

Dienstags ist das neue „da bin ich wo“-Tags. Jedenfalls die nächste Zeit. Termine, Termine, Termine! Dann wolln wir mal.

Dienstag, der 26.4. – 20:00 Uhr also quasi gleich, sitze ich zusammen mit @bosch auf dem Geburtstagslivepodcast von Küchenradio. Einer der ältesten, renomiertesten und überhaupt besten Podcasts in deutscher Sprache. Wir werden da wohl so rumhängen, quatschen, trinken und ein paar Tweets zum besten geben. Das wird sicher spaßig.

Soupanova
Stargarder Str. 24
10437 Berlin (Prenzlauer Berg)

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Dienstag, der 03.5. – 17:45 Uhr also die Woche drauf, machen Max und ich den Wir.Muessenreden Podcast ebenfalls live auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland. Wir haben auch diesmal wieder einen Gast, nämlich Robin Meyer-Lucht, Carta-Gründer und Intimkenner der Medienszene.

In der Mediacity, Leipzig.

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Gleich am nächsten Tag, ausnahmsweise Mittwoch, auch dort, werde ich um 11:30 noch auf einem Podium sitzen „Politische Partizipation im Netz – Mechanismen und Phänomene„. Ich versuch da mal meine Maximalposition zu vertreten. Vielleicht wird’s spannend.

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Dienstag, der 10.5. – 17.30 Uhr also in zwei Wochen, sitze ich – wieder in Leipzig – auf einem Podium, diesmal zum Datenschutz. Zur Verstärkung ist noch Plomlompom mit an Board. Wir werden unter anderem gegen den gefürchtetsten Gegner von Google Streetview antreten, Prof. Dr. Johannes Caspar, dem Datenschützer aus Hamburg.

Congress Center Leipzig

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Ab dem 23.05 bis zum 27.05 werde ich zusammen mit anderen Bloggern aus Deutschland im Rahmen der „Young Media Summit“ nach – ihr glaubt es nicht – Kairo (!!!) fahren. Organisiert wird das von der Deutschen Welle. Ich bin total gespannt, was uns da erwarten wird. Ein Land, direkt nach der Revolution. Eine Revolution bei der das Web auch noch einen indirekten, wenn auch sichtbaren Anteil hatte. Ich habe so viele Fragen. Vor allem, wie das „Nation Building“ nach so einer Erfahrung von statten geht. Welche Rolle wird das Web im neuen Ägypten spielen? (wobei man sich ja nicht zu früh freuen darf, noch sind nicht alle Steine aus dem Weg geräumt, bzw. türmen sich neu auf…) Egal, ich bin furchtbar gespannt.

RP11 – Der Aufbruch

Endlich auch meine Reflexion über die re:publica. Das hat lange gedauert und schon im Vorfeld kam von mir ja hier nicht viel neues, was man durchaus als Stressindikator begreifen kann, wenn man es denn möchte.

Natürlich fand ich es auch dieses Jahr einfach geil. Es ist natürlich einfach geil, wenn man teil dieses Klassentreffens ist. Wenn man auf allen re:publicen war, jedes Jahr einen Shitload an neuen Leuten kennengelernt hat und man all die Leute einfach auf einen Schlag wiedertrifft. Das sagt natürlich noch gar nichts über die Qualität der Veranstaltung aus aber viel darüber, dass ich natürlich einen geblendeten Blick dafür habe. Ich konnte ja quasi gar nicht enttäuscht werden.

Natürlich gibt es aber auch kritisches zu sagen, Räumlichkeiten, W-lan, der ein oder andere schlechte Vortrag, etc. Aber das wurde schon zu genüge diskutiert.

Weil ich auch wegen meiner eigenen Dinge (dazu gleich) viel um die Ohren hatte, habe ich mir selber leider nur sehr vereinzelt Sachen angucken können. Highlights – da stimme ich sicher mit den meisten überein – waren die Vorträge von Gunter Dueck und von Sascha Lobo.

Einige fanden sogar unsere Twitterlesung super. Ich fand die auch nicht schlecht. Aber wie letztes Jahr: Friedrichstadtpalast ist für humorvolle Unterhaltungsshows eine schwer zu knackende Nuss. Uns ist das einigermaßen gelungen, die Lesung war gut besucht und es gab viele Lacher (die man dort auf der Bühne schlecht hören kann) und mehr kann man schwerlich erwarten. Hier der Bericht.

Mein Vortrag, der unglücklicher Weise gleich am nächsten Morgen um 10:00 Uhr war trotz der Uhrzeit gut besucht, dass leider viele nicht mehr reingekommen sind. Sorry dafür. Aber die Infos sind gottseidank alle im Netz vorhanden. Hier mein Artikel bei Carta, wo es um die technischen Grundlagen des Kontrollverlusts im Digitalen geht und hier die Ergänzug, die über den Carta-Artikel hinausgeht und den Kontrollverlust auf eine neue, abstraktere Ebene hievt und mit dem Postdemokratiediskurs verknüpft.

Überrascht hat mich, dass am Tag zuvor Gunter Duecks Vortrag in eine sehr ähnliche Richtung ging, wie mein Vortrag. Teilweise andere Schwerpunkte, teilweise andere Begrifflichkeiten, aber auch bei ihm ging es darum, dass das Internet einen ganzen Haufen an Organisationsaufwand, der durch Institutionen geleistet wird, überflüssig macht. Unsere beiden Vorträge waren also Vorträge über das Legitimationsporblem von Institutionen in Zeiten des Internets. Leider konnte ich nicht ganz so reüssieren, aber ich übe ja noch.

Verpasst habe ich übrigens die Veranstaltung zur Gründung der „Digitalen Gesellschaft“. Ich kann die emotionalen Diskussionen um diese Gründung nur teilweise nachvollziehen. (wir haben darüber im aktuellen WMR diskutiert) Ich glaube, das ganze Ding wird etwas wichtiger genommen, als es ist. „Digitale Gesellschaft“ klingt zwar durchaus bold, aber wenn man sich vergegenwärtigt, wozu sie da ist, weiß man auch, warum das so sein muss. Man will ja schließlich ernst genommen werden, da draußen.

Dass die „Digitale Gesellschaft“ dann doch nicht wirklich diesen Alleinvertretungsanspruch für „die Netzszene“ hat, die der Name suggeriert, sollte aber ebenso klar sein. Wie sollte das denn auch gehen? Also versteht das Ding doch einfach als ein zusätzliches Interface mit dem man besser und effektiver mit den (ja immer noch bestehenden und immer noch mächtigen) Institutionen kommunizieren kann. Es ist ein zusätzliches Schnittstellen-Angebot zu all dem anderen grassrootsartigen und nach wie vor wichtigen Bündnissen um die Netzpolitik.

Es ist also eigentlich das, wonach Sascha Lobo in seinem Eröffnungs-Rant förmlich geschrien hat: eine tolerante, effektive Offensive, die die Netzpolitik nach außen, in die Gesellschaft vermittelt. Und sicher auch ein Garant, dass er nicht mehr als einziger angerufen wird (was er auch eh schon jetzt nicht wird).

Die Situation ist doch folgende: Wir haben Jahrelang geschrieen, dass das Internet wichtig ist, dass man uns zuhören soll, dass man da nicht wie ein Volldepp irgendwelche politischen Meßlatten anbringen darf, sondern, dass man versuchen muss, das Netz zu verstehen.

Und jetzt ist es so weit! Man hört uns zu! Alle haben es kapiert. Wirklich: ALLE! Jeder weiß seit Wikileaks, seit Tunesien und Ägypten, seit der Zeitungskrise und und und, dass das Internet scheißfucking wichtig ist. Und sie haben auch kapiert, dass das Internet seine eigenen Regeln hat, dass man nicht einfach den Rundfunksgedöns rechtlich ausweiten kann, wenn man es mit dem Netz zu tun hat. Die Massenmedien richten Kolumnen ein, der CCC schreibt für die FAZ und der Innenminister und die Faminlienministerin streiten sich darum, wer mit den prominentesten Netzakteuren reden darf. Wie angekommener kann man sein?

Und Sascha hat vollkommen recht, wenn er feststellt, dass wir uns – wärend alle fragenden Augen der Gesellschaft auf uns gerichtet sind – schlicht zu doof anstellen, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Statt dass wir versuchen an allen Ecken und Enden unsere Kompetenz dafür einzusetzen, unsere Erfahrungen zu vermitteln, ergehen wir uns in Streitereien darüber, ob denn nun die „Digitale Gesellschaft“ die Volksfront von Judäa oder doch die Judäische Volksfront ist. Wir führen uns wie auf ein Kindergarten, statt die einmalige Chance zu nutzen, diese Gesellschaft entscheident mitzuprägen.

Aber das ist aber unsere fucking Aufgabe! Das ist das, worauf Dueck dann auch hinauswollte, als er sagte: „Werdet politisch!“ und das sei seine einzige Bitte an uns. Das heißt eben nicht, dass wir in die Parteien rennen sollen oder eine neue Piratenpartei gründen sollen, sondern dass wir unsere Kompetenzen aus dem Netz dazu nutzen sollen, mit diesen veränderten Situationen, die wir durch das Netz bekommen, umzugehen. Kurz vorher hatte er ja skizziert, warum unser ganzes Gesellschaftssystem grundlegend umgekrempelt werden muss. Wir sind diejenigen, die es umkrempeln müssen. Wer denn auch sonst?

Ja, und da ist sie wieder, die Elite. Natürich ist das ein Elitendiskurs und natürlich hat da die Netzszene kein Bock drauf. „Eliten sind scheiße!“ Natürlich shitstormen wir lieber jeden nieder, der uns zu laut spricht. „Keep it down! Keep it calm!“ – wir wollen keine Elite sein.

Sorry, zu spät. Es ist unsere Aufgabe, diese Verantwortung anzunehmen. Die anderen da draußen kennen auf jedes gesellschaftliche Problem nur die „Institution“ als Lösung. Wir sind es, die im Internet andere Erfahrungen gemacht haben. Wir wissen, wie sich Menschen komplexer organisieren können. Wir haben erfahren, wie das geht. Wir müssen – so Dueck – jetzt umkehren, rausgehen und den anderen in der Höhle davon erzählen.

Aber ehrlich, ich mache mir keine Sorgen. Natürlich wird es immer Schreihälse geben, die eifersüchtig alles versuchen niederzuschreien, was ihnen nicht passt. Aber man sieht ja auch, was aus denen wird. Sie verenden in irgend einer Nische, wo ihnen eh keiner mehr zuhört, als ihrer eigenen Kommentarmeute. Und die anderen, die Markus Beckedahls und andere, die lieber machen und nach vorn gehen, werden sich nicht abschrecken lassen.

Und deswegen war für mich diese re:publica ein deutliches Zeichen des Aufbruchs. Es wird Zeit, diese Sache mal ernsthafter voranzutreiben, die schmerzhaften Fragen zu stellen und mehr Gestaltungsspielraum einzufordern und dabei den Kindergarten links liegen zu lassen. Wer nicht mitmachen will, soll es eben lassen. Ich würde da jedenfalls keine Rücksicht drauf nehmen.