Politik 2.0 – der Staat ist nicht die Lösung

Der CCC hat sein Konzept zur Neugestaltung des Urheberrechts endlich mal rausgehauen. Wir haben ja schon länger darauf gewartet. Und es ist: naja.

Im Grunde (ja, Frank Rieger, ich habe den ganzen Text gelesen) ist es doch nur Flattr, auf ne Art. Flattr als irgendwie staatliches, zumindest öffentlich-rechtliches Modell. Eigentlich ja keine schlechte Idee, aber ich glaube, wir brauchen uns keinen Illusionen hinzugeben, dass sowas auch kommt. Und das ist auch nicht schlimm, denn wenn man es durchdenkt, ist es einfach nicht die Lösung.

Ganz abgesehen von den Details komm ich bei solchen Vorschlägen nämlich immer wieder an den Punkt, an dem ich denke: Nationale Lösungen sind doch gar nicht mehr zeitgemäß. Sie sind nicht nachhaltig, nicht langfristig, wahrscheinlich nicht mal mittelfristig, denn die Welt befindet sich in einer rasanten informationellen Globalisierung.

Wir reden ja schon lange über „Politik 2.0“ und solche Späße und gemeint ist dann, dass Politiker twittern oder Online-Petitionen ernster nehmen sollen. Ich bin der Meinung, dass das, was „Politik 2.0“ gewesen sein wird, noch erst erfunden werden muss. „Erfunden“ im Sinne einer Re-Invention von Politik.

Als erstes muss man sich vom Nationalstaat als institutionellen Rahmen verabschieden, denn was der da so tut, ist bestenfalls so Mickey Mouse. Und wenn er doch etwas tut, dann so langsam, dass das Problem längst auf anderen Wege gelöst ist oder sich alle Parameter wieder verschoben haben. (Langfristig werden alle Institutionen – auch die politischen – sowieso ja ganz andere Probleme bekommen.)

Internationale Institutionen wie die UN sind noch langsamer und darüber hinaus auch noch völlig zahnlos. (Wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich das gut oder schlecht finde, dass es kein Internationales Gewaltmonopol gibt)

Wenn man aber von Staat und internationalen Institutionen absieht, bleiben nur noch Unternehmen. Nur noch? Es bleiben Startups und Konzerne, die die Geschicke der Welt wahrscheinlich heute schon weitreichender bestimmen, als die Politik. Wenn Apple ein neues Produkt rausbringt oder Google einen neuen Dienst startet, dann hat das mehr Impact auf Urheberrechte, Verwerter und Geschäftsmodelle weltweit, als alle politischen Bemühungen der Staaten zusammengenommen.

Wenn ich also, wie heute geschehen, MobileMacs höre, in dem es wie so oft um den Kampf der Plattformen im Mobilfunkmarkt geht: Apple vs. Android vs. HP vs. Motorola, vs. Microsoft, etc, dann sind das keine Nerdigkeiten und auch keine Wirtschaftsnachrichten sondern das, was heute in zunehmenden Maße Politik ist. Oder eher das, was die Politik gerade ablöst. Dort werden die Weichen für die Zukunft gestellt, dort wird entscheidend mitbestimmt, wie der Markt der Informationen weltweit aussehen wird. MobileMacs ist ein Politikpodcast!

An dieser Stelle eine kurze Durchsage an die „Linken“ unter uns: Ein Internet, das von demokratisch legitimierten Kräften gestaltet wird, glaubt es mir, das wollt ihr nicht!

Nicht in nur deswegen, weil es scheiße aussähe, kompliziert wäre und streng müffeln würde, sondern weil wir dann keinen Streit über die Einführung von Netzsperren hätten. Wir hätten nur den täglichen Kampf der Parteien untereinander, was denn jetzt noch alles zusätzlich mit auf die Sperrliste gesetzt werden muss. Denkt da also bitte einfach mal ein paar Sekunden über die Alternativen nach, wenn ihr mal wieder das Netz von den Konzernen befreien wollt.

</durchsage>

Insofern ist der Ansatz des CCC paradigmatisch. Das umbedingte Festhalten am Staat als Lösung für den Konflikt um das Urheberrecht markiert auch den Unterschied zu Flattr. Flattr hat die Idee einfach umgesetzt und – wenn alles bestens läuft und ich habe nicht aufgehört zu hoffen – wird es die Welt nachhaltiger verändern, als das Xte Modell und die Xte politische Forderung, die man an den Xten Nationalstaat heranträgt.

Wenn man (zumindest in bestimmten Bereichen) politisch sein will, dann sollte man Software schreiben. Man sollte ein Startup gründen oder ein OpenSourceProjekt. Damit kann man wirklich etwas verändern: effektiv, schnell und international. Und eigentlich war der CCC immer die Adresse, die genau das am besten wußte.

Aber auch darüber hinaus: mittelfristig kommt man politisch nicht an den Unternehmen und Konzernen vorbei. Man muss sie in die Rechnung einbeziehen, sie adressieren, in die Pflicht nehmen. Irgendwie. Man muss die Konzerne politisieren. Ja, das ist schwer, ja, das ist ein Problem. Aber es ist derzeit der einzige Weg und ich halte das nicht für unlösbar. (Ich gehe sogar so weit und unterstelle einigen Unternehmen, eine mehr oder weniger konsistent durchgehaltene aber nichtsdestotrotz vorhandene Ethik und teilweise sogar eine Agenda.)

Der Weg effektiven politischen Handelns wird über die Unternehmen gehen. Konzerne werden nicht mehr nur Lobbyisten schicken, sondern selber welche empfangen. Die Alternative wäre, zu warten bis @JensBest den Kapitalismus abgeschafft hat. Ich glaube aber, da würde ich dann trotz allem noch eher auf den Staat setzen.

8 Gedanken zu „Politik 2.0 – der Staat ist nicht die Lösung

  1. Es gibt noch was anderes als Staat und Unternehmen: Die Commons.

    Unternehmen sind keine Akteure, die beliebig so oder so handeln können, die müssen Profit machen, sonst gehen sie unter. Der Staat ist kein Akteur, der beliebig so oder so handeln kann, der muss Unternehmen und ihre Angestellten besteuern können, sonst geht er unter. Beides macht auf lange Sicht das Internet als Commons kaputt.

    Es wird wirklich Zeit, dass die netzpolitisch Aktiven von dieser bescheuerten vorgestrigen Staat/Markt-Dualität runter kommen. Und das ist hier und heute relevant und nicht erst nach der Revolution.

    Was das konkret fürs Urheberrecht heisst, weiss ich auch nicht (was in der Natur der Sache liegt). Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass Modelle wie das vom CCC für eine Übergangszeit nützlich sind, weil sie die Commons stärken gegen Staat /und/ Markt (der Staat hat da je ne eher kleine Rolle anders als Du sagst). Nicht in allen Details natürlich und schon gar nicht mit dem gruseligen Namen.

  2. Naja…
    Hier wird eine Revolution beschrieben, die nicht stattfindet. Die Politik hat das Internet mit erschaffen und gestaltet es auch heute noch wirksam mit. Ohne Staat wird es auch gar nicht gehen. Freie wildgewordene Unternehmen sind das letzte, das wir gebrauchen können…

  3. Wie lustig, dass Du Dich gleich zu Beginn des Artikels mit der implizierten Annahme schmückst, Frank Rieger läse Dein Blog.

  4. Möglichst viele Schlagwörter zusammenhanglos zusammengeschmissen. Paar gute Links gesetzt.
    Da weiss einer, wie Google funktioniert.

  5. Landwirtschaftliche Monokulturen sind anfällig, ökonomische auch (Finanzkrise! Sowjet-Lenkungszentralismus! etc!). Strukturell kann und sollte es regionale, nationale, kontinentale Content-Ökonomien schon weiter geben, parallel zum global unternehmerischen Ansatz.

    Da gehören dann auch zB ö/r-Gebührenstrukturen oder Verwertungsgesellschaften mit dazu. Einen Alleinvertretungsanspruch gibt es dafür natürlich nicht. Aber auch nicht für den globalen informationsunternehmerischen Ansatz.

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