Postprivacy auf dem Weg in den nächsten Level

Am Samstag halte ich meinen Vortrag über die Veränderung der Welt, zumindest wie ich mir das vorstelle, auf der Openmind Conference in Kassel. Es ist eine Konferenz, die bewusst auf’s freie Rumspinnen ausgelegt wurde, also quasi für mich. Und das hab ich zum Beispiel auch schon letztes Jahr gemacht, wobei dann „Das Radikale Recht des Anderen“ herausgekommen ist – was mich damals theoretisch sehr viel weiter gebracht hat.

Diesmal will ich über das sprechen, was ich „Weltkontrollverlust“ nenne, also der radikale Wandelt der Welt durch den Kontrollverlust, den wir derzeit erleben. Und vor allem will ich mich an eine positive Utopie für das große Danach versuchen. Der Vortrag trägt den protzigen Titel: „Die gesellschaftliche Sigularität ist nah“ und kann durchaus als sowas wie eine Postprivacy-Vision verstanden werden. Am Samstag um 11:30 in Kassel.

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Den Diskurs dürfte die nächste Zeit wohl Christian Heller noch mal anfachen. Am 27. diesen Monats kommt endlich sein Buch: Post-Privacy: Prima leben ohne Privatsphäre raus. Man kann es bereits vorbestellen. Ob ihr es glaubt, oder nicht: ich habe noch keine einzige Zeile des Buches gelesen – aber bin wahnsinnig gespannt. Die Texte sind bereits durch einige berufene Hände gegangen und haben für Begeisterung gesorgt. Ich kann mir vorstellen, dass Christian einige Feuilletons aufscheuchen wird und die Debatte damit heftig an Fahrt gewinnt. Das wird spannend.

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Ich bin mal wieder Teil eine Kunstprojektes, auch zu Postprivacy. Transprivacy heißt es und es ist wohl so etwas wie eine Plakataktion vor allem in Düsseldorf, aber auch im Netz. Es gibt ein Blog dazu (wie bei allen Kunstprojekten heißt es bei denen natürlich „der Blog„, was mich aber nicht weiter stört). Und natürlich geht es wieder um den Wandel von Privatsphäre und Öffentlichkeit durch die digitale Welt.

Ich hab als Einstieg für das Blog einfach mal den Historiker gespielt und die Diskussion um Post-Privacy in Deutschland, wie sie sich mir darstellte, aufgeschrieben. Ich hoffe, dass sich damit ein guter Einstieg in das Thema ergibt. Das ganze wird in drei Teilen von statten gehen. Den ersten Teil kann man hier lesen: EINE KURZE GESCHICHTE DER POSTPRIVACY – TEIL I: POSTPRIVACY, KONTROLLVERLUST UND DAS „GERMAN PARADOX“.

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Apropos Einstieg. Für den Einstieg in mein mittlerweile doch recht komplex gewordenes Blog CTRL-Verlust hab ich auch den Erklärbären gemacht und ein Glossar angelegt. Es ist ja nun so, dass ich in den anderthalb Jahren, in denen ich an dem Projekt arbeite, teilweise eine ganz eigene Terminologie entwickelt habe, die sich nicht jedem sofort erschließt. Manch einer findet den Einstieg nicht und ich will ja nicht in jedem Text neu erzählen, was ich mit Kontrollverlust und Query oder Mentalem Exoskelett meine. Ganz fertig ist das natürlich noch nicht, es soll so wiki-like wachsen und gedeien und sich bei Zeiten sogar auch grundlegend ändern (dürfen). Mit manchen Erklärungsansätzen und Definitionen bin ich auch bisher alles andere als zufrieden.

Warum Richard Stallman dumm ist

Ich will gar nicht mit einstimmen in den Chor der Leute, die sich über die Pietätlosigkeit von Richard Stallman aufregen, der noch am Tag nach dem Tod von Steve Jobs verkündete: „Ich bin nicht froh, dass er tot ist. Aber ich bin froh, dass er weg ist.“ Ich finde diese Aussage nämlich nicht in erster Linie pietätlos – sondern dumm.

Ich will gar nicht bestreiten, dass Apple – vor allem seit iOS – für die Freie Software ein rotes Tuch ist. Dass Apple geschlossene Systeme baut, die quasi die Gegenthese für alles sind, wofür Richard Stallman steht.

Dumm ist die Aussage aber, weil sie nicht anerkennt, dass Apple die letzten Jahre die innovativsten Produkte herstellte und den Markt vor sich her trieb. Indem Apple der ganze Branche den Innovoationstakt diktierte, verbesserte es nicht nur seine eigenen Produkte, sondern die der gesamten Branche. Und ja, auch die der freien Software.

Freie Software wäre heute nicht annähernd so gut wie sie ist, ohne Steve Jobs. Dass Steve Jobs weg ist, ist in keiner Hinsicht besser für freie Software, sondern im Gegenteil. Es ist schlecht für sie. Eine Inspirationsquelle und ein Innovationsantreiber geht für sie, wie für die ganze Branche, verloren.

Ich für meinen Teil werde weiterhin nur das aus meiner Sicht beste Produkt kaufen und nicht weil ich etwas „unterstützen“ will. Und ich bilde mir ein, damit auch allen anderen zu helfen. Denn das, was die Zweit-, Dritt- und Viertbesten brauchen sind mitnichten dummbräsige Aktivisten mit unreflektierten Sprüchen, sondern einen Tritt in den Allerwertesten.

Frauen zu sexistisch für die Piratenpartei?

Gerade einen schlechten Rant über die Piratenpartei in die Timeline gespült bekommen und blieb schon beim ersten Absatz stecken:

Ich sah ein Gruppenfoto, das die Piraten-Fraktion aus Berlin zeigt. Undiplomatisch und sexistisch wie ich bin, spreche ich es aus: Das Bild war eine Ansammlung von zotteligen Typen. Schwammige Figuren, ungesunder Teint, hässlich, mein Gott, da ist ja nix dabei! Man roch die vermieften T-Shirts regelrecht. Kein Wunder, dass keine Mädchen bei denen mitmachen. Ich verstehe jetzt auch, warum die Piraten keinen Wahlkampf mit Fotos veranstalteten – das Auge wählt schließlich mit.

Die Autorin Mely Kiyak macht hier zunächst die Selbstzuschreibung eine Sexistin zu sein und zwar weil sie die Piraten, die als Abgeordnete in Berlin einziehen, als unattraktiv deklariert und ihre Ablehnung damit begründet. Ich finde, der Selbstvorwurf ist durchaus gerechtfertigt. Frauen beschweren sich zurecht, wenn man sie bei Themen nicht nach sachlichen Kriterien, sondern nach ihrem Aussehen bewertet. Man nennt das Sexismus. Warum sollte das also nicht auch andersrum gelten?

Als nächstes unterstellt sie aber auch den anderen Frauen, dass sie aus den selben Gründen nicht in die Piratenpartei eintreten: „Kein Wunder, dass keine Mädchen bei denen mitmachen.„.

Sicher, das ist polemisch, ironisch und sonst noch was und vielleicht meint die Autorin das ja gar nicht wirklich so. Aber wenn ich ehrlich bin, zumindest ähnlich abwertenden Äußerungen über die Äußerlichkeiten der Piraten habe ich schon von der ein oder anderen Frau gehört. (Jedoch nicht explizit, dass das ein Nichteintrittsgrund ist). Paradigmatisch ist da sicher auch der RTL-Beitrag über die Gamerszene, der ähnliche (sexistische?) Klischees aufgreift.

Zumindest ist es aber eine interessante These und wäre ein krasser Spin in der Piraten-Genderdebatte.

Sind die Piraten für manche viele Frauen uninteressant, weil sie die männlichen Mitglieder nach ihrer sexuellen Attraktivität beurteilen?

Discuss!

„Recht“ auf Anonymität

Meine Position zur Pseudonymitätsdebatte ist bekannt. Ich bin dafür, dass Google diese Möglichkeit schafft und bin auch einer der Erstunterzeichner der entsprechenden Petition.

Wo ich aber nicht mehr mitgehe, ist das von einigen geforderte „Recht auf Anonymität“, oder gar „digitales Menschenrecht„. Vor allem, weil ich sowieso nicht glaube, dass totale und durchsetzbare Anonymität in Zukunft umzusetzen ist.

Ein Recht auf Anonymität wäre etwa so, wie das „Recht auf Schwerelosigkeit“. Kann man machen und die Gravitation verklagen. Ist aber nicht sinnvoll.

Sinnvoller wäre ein „Recht auf Fliegen“. Also ein Recht auf den Versuch die Schwerkraft zu überwinden. Oder die Identifizierbarkeit. Man sollte das Recht haben, seine Identität durch Pseudonymgebrauch, Kryptographie, Torserver und was es da alles gibt, zu verschleiern.

Nur, wenn es nicht klappt: das Fluggegrät abstürzt, die Verschlüsselung geknackt wird, der Kontrollverlust in Form von Deanonymisierungsverfahren zuschlägt oder eine Plattform mein Pseudonym nicht akzeptiert, muss ich damit leben.

Duales Denken, flaches Denken

Gestern war ich auf einer merkwürdigen Veranstaltung. Organisiert war sie vom SuMa e.V. was irgendwie ein Verein für oder gegen Suchmaschinen ist, so genau wurde mir das nicht klar.

Jedenfalls war da ein Pannel, auf dem viele Leute saßen, die ich kenne und schätze unter anderem Christoph Kappes, Linus Neumann und Christian Heller. Es sollte um Pseudonymität und Anonymität in Sozialen Netzwerken gehen, was nur zum Teil klappte. Zwar hat Christian Heller eine ausformulierte Meinung zur Pseudonymitätsdebatte aber die war Konstantin von Notz herzlich egal, weil er Christian – stellvertretend für die Spackeria – mal ordentlich die Meinung geigen wollte. Wegen Postprivacy und so. Neben dem üblichen Bla um die „menschliche Würde„, einem lustigen Tea-Party-Vergleich und dem obligatorischen Satz: „Wo kommen wir denn da hin!?!“ hat er aber auch etwas interessantes gesagt: er nannte Christian Heller einen „Realo“ unter den Spacken. Ich lachte hart.

Nun ist es nicht jedem gegeben einen tieferen Blick in die durchaus verwirrende Heterogenität der Spackeria geworfen zu haben – Christian ist in Wirklichkeit der radikalste und utopistischste Vertreter der Spackeria – aber alleine diese Kategorisierung ist aufschlussreich. Notz, der bei den Grünen ist, scheint unwillkürlich die Flügel seiner Partei auf alles draufzudenken, was ihm unterkommt. Und da Christian anscheinend durchaus Pseudonyme befürwortet, ist er ja vielleicht gar nicht so radikal wie die anderen. Oder?

So einfach ist das ja aber nicht. Dort Privatsphäre, da Öffentlichkeit, da Datenschutz, hier Spackeria, hier Identität, dort Anonymität, dort ist Fundi-Spacko, hier Realo-Spacko. Das Konzept der Dualität zieht sich durch den Begriffshorizont eines durchschnittlichen Politikers eben sehr konsequent. Aber eben nicht nur durch seinen.

Ich war jetzt das vergangene halbe Jahr in dem iG Collaboratoy – einem temporären Thinktank von Google – eingebunden. Es war die 4. Initiative, die sich mit „Privatheit und Öffentlichkeit“ beschäftigt. Es war toll, weil ich wirklich interessante Menschen kennen gelernt habe. Aber thematisch war es mehr so meh. Immer wieder verstiegen wir uns in Privatsphäre- und Datenschutzdiskussionen und selbst wenn wir uns bemühten, bekamen wir keine Debatte über Öffentlichkeit hin. Das größte Problem war dann auch die Grenze zwischen privat und öffentlich, Informationeller Selbstbestimmung und Fremdbestimmung, um Sphären, Rollen, Modelle und Deltas zu ziehen. Kurz: Am Ende bin ich zu der Einsicht gelangt, dass die ganze Begriffsdualität von Privatheit und Öffentlichkeit Mist ist und das Denken blockiert.

Das Internet tut so etwas. Oft. Es dekonstruiert die ganzen Begriffsoppositionen. Es zeigt, dass es alles viel komplexer ist, als das eine und sein Gegenüber. Es macht die Inkohärenzen in unseren Diskursen sichtbar.

Das selbe steckt auch hinter der öffentlichen Debatte über die Piraten. Die einen sagen, wenn die Piraten nicht links sind, dann sind sie rechts! Bov sagt, wenn die Piraten nicht links oder rechts sind, dann sind sie nur „Schweinesystemadministratoren“ (hihi). Wenn man das Programm der Piraten nicht in die gängigen Schemata einordnen kann, dann sind sie eben die neue FDP. Oder, oder, oder. Ich find es ja eigentlich nur noch lustig, wie unendlich hilflos die Dualdenkmenschen vor dem Phänomen Piraten stehen und von Strohhalm zu Strohhalm greifen.

Das Internet – ich behaupte das immer wieder – erhöht die Komplexität der Welt radikal. Für die Leute, die gelernt haben mit dieser Komplexität zu leben, sind die dualen Denkmodelle viel zu unterkomplex. Sie treffen nicht den Kern und gehen an der Sache auf sehr grundlegende Weise vorbei. Immer wenn die Komplexität aus dem Internet auf die Welt des alten Denkens in klaren Dualismen trifft, gibt es extreme Verständigungsprobleme.

Es ist ein bisschen so, wie mit Leuten zu reden, denen eine Dimension fehlt. Als würde man von einem zweidimensionalen Strichmännchen beschimpft, was man denn da mit dem blöden Kreis mache. Dann versucht man ihm das Konzept „Ball“ zu erklären und es sagt: „Pah, solche Kreise hatten wir 68 auch schon!“ Und dann sagst man ihm, dass ein Ball schon noch etwas ganz anderes sei und dass man ihm das jetzt nicht so einfach erklären könne. Es solle doch mal rüber kommen in die Welt mit der dritten Dimension und den Ball ausprobieren. Und dann macht es das vielleicht und findet den Ball immer noch nicht so gut. Der Kreis sei ja fürchterlich dick und bestimmt gefährlich!

Partei

Ich habe mal durchgezählt. Ich kenne mindestens sieben Leute, die in der Politik sind, ohne in der Politik zu sein. Sie arbeiten in der Politik – als Angestellte. Zumeist bei Abgeordneten, oder bei Veröffentlichungsorganen einer Partei. Sie sitzen an neuralgischen Punkten der Macht und haben dort durchaus Einfluss. Sie sind „Entscheidungsvorbereiter“. Manche haben ein Parteibuch, machne nicht, aber keiner von ihnen macht aktive Parteiarbeit.

Obwohl sie aus vielen unterschiedlichen politischen Lagern kommen, gibt es viele Gemeinsamkeiten. Sie brennen für Politik, sie diskutieren gerne, sie sind kritisch – auch selbstkritsch mit der eigenen Partei, aber haben eben auch deutliche Präferenzen für diese. Sie wären ausnahmslos intelligent und gewitzt genug, um über die klassischen Wege politisch Karriere zu machen. Ämter, Mandate und sonstige Posten wären ihnen sicher. Ich glaube sogar, dass sie besser wären, als die, für die sie arbeiten. Sie scheinen aber diesen direkten Weg bewußt nicht gewählt zu haben.

Klar, einige Vorteile liegen auf der Hand. Es braucht keine „Ochsentour“, um politich was zu bewegen. Man hat sogleich ein Gehalt, braucht sich nicht erst langwierig ehrenamtlich durchzuschlagen. Man steht nicht so sehr im Rampenlicht, ist den Freund/Feind-Attacken im politischen Betrieb nicht ausgeliefert und hat dennoch Einfluss.

Aber ich denke, einer der wichtigsten Gründe steht hier. Wer in die Politik geht, muss seine eigene Meinung an der Garderobe abgeben. Nein, das ist kein Problem der Grünen, es ist ein Problem der Parteien generell. Es ist immer dann ein Problem, wenn man sich als Teil von etwas definiert, das nach außen hin homogen zu erscheinen hat. Und ja, ich denke, dass auch früher oder später die Piraten an diesen Punkt kommen werden. Auch sie werden noch mal jemandem höllisch ärger bereiten, wenn der etwas twittert, bloggt oder im Interview etwas sagt, dass … oh wait!

Das Konzept „Partei“ und das Konzept „eigene Meinung“ passen nur sehr bedingt zueinander.

Ich denke, die besten, die klügsten, die unbequemsten Denker stehen keiner Partei zur Verfügung. Niemand, dem seine eigene Meinung und kritisches und unabhängiges Denken etwas wert ist, wird auf Dauer eine politische Karriere anstreben. Nicht mal bei den Piraten. Und wenn ich den Blick durch die Reihen der gestandenen Politprofis schweifen lasse, dann ist das nicht erst seit gestern so.

Ich weiß nicht so recht, was das heißt. Vermutlich vieles.

1. Die Demokratie bleibt viele Stufen unter ihren Möglichkeiten.
2. Die Parteien sollten sich mal genau anschauen, wer da noch so in ihren Büros sitzt.
3. Parteien haben keine Zukunft.
4. mspro hat komische Freunde.

@romelu

Die letzten Worte, die ich mit Robin Meyer-Lucht wechselte, sind auf Video aufgezeichnet. Nach der Diskussion in der Böllstiftung vorletzte Woche hatte ich keine Gelegenheit mehr, mich zu verabschieden. Wie das häufig so ist, auf solchen Veranstaltungen, war er plötzlich fort.

Als es damals startete, habe ich zunächst nicht viel von Carta gehalten. Den Namen Robin Meyer-Lucht habe ich das erste mal im Zusammenhang mit dem „Internet Manifest“ gelesen. „So ein Wasmitmedienmensch“ dachte ich mir. Ich bin ein Mensch mit Vorurteilen.

Carta entwickelte sich schnell zum zentralen Anlaufpunkt für wichtige Texte über das Internet und landete schließlich in meinem Feedreader. Robin lernte ich wenig später persönlich kennen und ebenso wie auf seiner Plattform, war es ein Genuss mit ihm zu diskutieren. Ich kann mich den meisten Nachrufen anschließen, die seinen wachen Geist, sein bewegliches Denken, seine vollkommen undogmatische Art loben. Robins Denken war weiter, offener und vorurteilsfreier, als meines wohl jemals sein wird.

Aber ich will etwas anderes erzählen. Als sich bei mir der Bruch mit der FAZ ereignete – ich war gerade noch in New York – schrieb er mir und bot mir Carta als neue Wirkungsstätte an. Ich lehnte zwar ab, weil ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen konnte, noch einmal auf einer fremden Plattform zu veröffentlichen. Aber das Angebot alleine – ich kannte Robin zu diesem Zeitpunkt ja kaum und war erstaunt über das Vertrauen, das er mir entgegenbrachte – baute mich enorm wieder auf.

Carta war dann doch die erste Plattform nach diesen unschönen Ereignissen, auf denen ich extern einen Text veröffentlichte. Das war eine wichtige Chance für mich. Es gab mir Selbstbewusstsein zurück und stärkte mir den Rücken.

Nach meiner Rückkehr aus New York intensivierte sich der Austausch. Wir trafen uns unregelmäßig, aber jedes mal war es ein inspirierendes Erlebnis. Dankbar bin ich auch für seine Hilfe, die er mir immer sofort gewährte, wenn ich darum fragte. Auch Aufträge – zum Beispsiel den Text für den RollingStone – bekam ich durch seine Vermittlung.

Robin war ein wichtiger Denker des Medienwandels und ein zentraler Intellektueller unserer Zeit. Vor allem aber, war er ein guter und hilfsbereiter Mensch.

Gestern

Wie ich gestern abend nicht müde wurde zu behaupten: das war der Durchbruch der Piratenpartei in Deutschland. Wir werden keine Balkendiagramme mehr sehen, wo der Piratenbalken fehlt. Ich nenn das also jetzt einfach mal „historisch„, was gestern passierte. Ich gratuliere und bin irgendwie stolz dagewesen zu sein:

Teilen

Bei Google Plus heißt das „sharing“ ab sofort „teilen„. Und es ist mir nicht das erste mal aufgefallen, dass das eine krumme Übersetzung ist.

Da wäre zunächst einmal die „kommunikative“ Bedeutung. Was im Englischen in diesem Sinne „to share“ heißt, würde man im Deutschen eher „Mitteilen“ nennen, obwohl „Eine Geschichte mit jemandem teilen“ zur Not ja noch ginge.

Schlimmer noch ist, dass im Deutschen „teilen“ neben dem „Mitteilen“ immer auch ein „to divide“ unterschwellig mitschwingt. Klar, wir haben das ja auch so gelernt. Wenn ich eine Pizza teile, heißt das eben auch, sie zu zerteilen und ich habe weniger zu Essen. Aber im digitalen Raum, im reinen Mitteilungssinne, stimmt das ja gar nicht.

Es gibt im Deutschen kein „teilen„, das nicht auch gleichzeitig ein „Zerteilen“ ist. Und ich frage mich, wie diese sprachliche Eigenschaft sich auf das allgemeine Bewusstsein auswirkt. Ist das eifersüchtige Wachen über die „eigenen Daten„, das in Deutschland stärker ausgeprägt ist, als anderswo, auch ein Ausdruck dieses Verständnisses von „teilen„?

Andersrum: kann ein positives Verständnis der Tatsache, dass eine „gesharte“ Information mehr und besser ist, als eine eingeschlossene, überhaupt entstehen, wenn man immer gleich das Zerteilen, Aufteilen – also letztendlich das Wegnehmen automatisch mitdenkt?

Ich frage für ein digitales Entwicklungsland.

wired_de

Zunächst dachte ich, dass ich mich dazu nicht äußern brauche. Ich hab die Wired gekauft und gelesen. Und dann habe ich überall mit dem Kopf genickt, wenn ich die Kritiken dazu las. Der Grundtenor von fast allen Rezensionen war – wenn ich das mal zusammenfassen darf: nett, aber harmlos.

Dem konnte ich mich zunächst anschließen, bis ich mir das Heft gestern Abend ein zweites Mal zur Hand nahm. Ich ging die Artikel durch und fragte mich, was genau sie mir gegeben haben. Information, Aufregung, Erkenntnis, Widerspruch, irgendwas? Aber da war fast überall: nichts. Und ich dachte mir: Nee, die Wired ist nicht nur harmlos, sie ist langweilig.

Die amerikanische Wired ist vor allem deswegen ein wichtiges Medium, weil von dort die steilen Thesen ausgehen, die die großen Diskurse auslösen. Aber da ist nichts dergleichen in der deutschen Wired. Nicht mal der Versuch dazu. Es ist ein einziges Schwimmen im Common Sense. Dabei hat man doch mit Günther Dueck jemanden an Board gehabt, der zu einer steilen These fähig gewesen wäre.

Dann hätte ich mir definitiv zumindest einen Erklärbärartikel über irgendeine Cutting Edge Technologie gewünscht. Ein Artikel der tief in die Materie einsteigt und aus dem man leicht kognitiv überfordert wieder aufblickt und das Gefühl hat, die Zukunft gesehen zu haben. Sowas gehört einfach zu einer Wired. Aber inhaltliche Tiefe sucht man vergebens.

Stattdessen?

Krasse Zuspitzung auf Personen. Da baut eine Frau an einem Verschlüsselungsverfahren durch Laser! LASER!!!EINSELF Aber wie das geht, davon erfahren wir nichts. Überall werden in erster Linie Personen porträtiert. Das was sie machen, interessiert anscheinend kaum. Wie eine Gala für Geeks.

Und die Themen: Autos, Sex und Fußball. Und Deutschland. Klar, mit einer Technologieperspektive aber die, wie gesagt, nicht sehr tief ausgeführt. Man hat die ganze Zeit das Gefühl, dass sich jedes Technologiethema durch einen Mainstreamthemabezug rechtfertigen muss.

Wenn man die Punkte zusammenrechnet: die Mutlosigkeit der Agenda, die Fokussierung auf Personenberichterstattung, die Gefälligkeit der Themenauswahl und die geringe Tiefe der Artikel fällt es schwer, sich nicht eine Marketingabteilung vorzustellen, die statt einer Redaktion das Heft macht. Die Leitfrage der Heftmacher scheint gewesen zu sein: Wie können wir den durchschnittlichen GQ-Leser an Technologiethemen heranführen? Das Bundle war nicht nur die Plastiktüte, die man einfach abreißen konnte. Das Bundle bleibt auch inhaltlich.

Die erste deutsche Wired ist kein Nerd-Magazin (Und nein, auch kein Geek-Magazin, was immer das sein soll.). Es ist ein Magazin, dass sich aggressiv an Nicht-Nerds richtet. Und weil es das selber merkt, hat es mit dem albernen „Nerd/Geek“-Gefuchtel und einer offensiven Anschleimattacke versucht das wett zu machen. Man soll die Welt also den Geeks geben? Condé Nast will ihnen ja nicht mal das ihnen gewidmete Magazin geben!

Die Zielgruppenansprache der Wired ähnelt etwa dem, was die SPD unter Netzpolitik versteht: allseits hofieren aber inhaltlich das Gegenteil machen, was aus der Szene gefordert wird.

Ich würde mir wünschen, dass man – falls man das nächste Heft macht – den Mut aufbringt, ein echtes Nerd-Magazin zu machen. Und bitte kein Geek-Magazin! Jedenfalls nicht, wenn die aktuelle Ausgabe ein Geek-Magazin ist.