max und mspro präsentieren: wir müssen reden II

Nachdem der erste Podcast so gut ankam, hatten wir uns gedacht: Ha! Das machen wir jetzt regelmäßig in kurzen Abständen immer wieder! Sofort!

[…]

Heute, mit den Augen eines alten Mannes, sehe ich diese Ankündigung dieser längst vergessenen Ära durch die Milde der gereiften Weisheit gegenüber dem jugendlichen Übermut von damals.

Aber dennoch: Wir haben es finaly geschafft. Ein zweiter Teil, in dem wir launisch von Thema zu Thema hüpfen und unsere Halbinformiertheit zu Meinungssurrogaten aufblasen, kann man hier herunterladen und oder direkt anhören. Und einen Namen haben wir uns auch ausgedacht!

wir müssen reden II

Des weiteren ist dies hier ein Platzhalter, denn es bohrten viele Twitterer Fragen in unsere Bäuche, eines angemessenen Podcastfeeds betreffend. Mit Recht! Und so bastelt Max ja bereits kräftig daran und sobald er fertig ist, werd ich auch den hier verlinken.

Offener Brief an Martin Steinkamp

An:
Martin Steinkamp,
Websuche Search Technology GmbH & Co KG
Martinistraße 3
DE-49080 Osnabrück

Betreff: Ihre Anfrage zur „rechtlichen Klärung wegen mspr0.co.de“

Lieber Martin Steinkamp,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 08.12.2009. Ich bin sehr angetan, dass Sie sich um meine Markenrechte sorgen und mir deswegen anbieten, bei Ihnen die Adresse mspr0.co.de vorsorglich schon mal für nur 99€ Pro Jahr zu sichern. So wie es ja schon lange „.co.uk“ gäbe, so gibt es nun eben auch „co.de“, wie sie mir kundtun und da ich ja eine der „wichtigsten Seiten im deutschen Markt“ betreibe, müsse ich ja schließlich auch und so. Sonst, so drohen schreiben Sie:

„Wenn Sie auf dieses Schreiben überhaupt nicht antworten, ist es möglich, dass die Domain mspr0.co.de in der Landrushphase durch einen Dritten registriert wird.“

Oh! Mein! Gott!

Kurz habe ich gedacht, ihr Schreiben sei eine perfide Vertriebsstrategie, die einem versuchten Betrug verdammt ähnlich sieht. Es wird der Eindruck erweckt, als ginge es um eine Markenrechtsentscheidung in meiner Sache. Es wird unterschwellig suggeriert, co.de sei eine öffentliche Vergabestelle (so wie das in dem von Ihnen genannten Beispiel der co.uk-Vergabe eben durch den offiziellen Toplevel-Domain-Betreiber Nominet gehandhabt wird und wo es im Gegensatz zu „.de“ ja gar nicht möglich ist, eine Secondlevel-Domain zu betreiben), die im Zuge künftiger Geschäftsprozesse lediglich Rechtssicherheit herstellen wolle. Obwohl Sie doch eine private Firma betreiben, die nur das Glück hatte bei den am 23. Oktober diesen Jahres vergebenen Kurzdomains die „.co“-Adresse abgreifen zu dürfen, mit der sie nun privat ganz normale und einfache Subdomains, die Sie nichts kosten, für teures Geld verkloppen wollen.

Aber nein. Ich da habe ich mich geirrt. Ich glaube, ihre Interessen sind altruistischer Natur, ihr Ziel, meine Marke zu schützen, natürlich aufrichtig. Im Gegenteil, ich schäme mich. Ich schäme mich, weil ich es Ihnen genau so wenig wie all den anderen Millionen Markenrechtsinhabern noch nicht erlaubt habe, Ihren Namen bei mspr0.de als Subdomain zu führen. Deswegen biete ich Ihnen einen Tausch an.

Ich nehme die Adresse mspr0.co.de gerne an, zahle auch meine 99€ pro Jahr, wenn Sie ihrerseits die Domain co.mspr0.de für nur 999 € pro Jahr Feindschaftspreis bei mir erwerben. Ist das nicht fair?

Denn bedenken Sie: derzeit sind Ihre Markenrechte hier in meinem Namensraum nicht durchgesetzt. Im Gegenteil, es wird eklatant dagegen verstoßen! Aber schauen Sie selbst.

Tiefstachtungsvoll,

mspro

NACHTRAG: Oh, ich sehe gerade: das Schreiben hat anscheinend schon die Runde gemacht. Hier, hier, hier und hier. via journalist & optimist

Leistung! Da korreliert nix!

Es ist ja nicht so, als sei ich immer und überall gleich gut zu verstehen. Manchmal braucht es auch für mich einige Anläufe. Und so schreibe ich Blogeinträge noch und nöcher, die nie das Licht des Internets erblicken. Sie schimmeln meist als idee.txt auf meinem Desktop, aber nur kurz. Denn ich weiß sehr genau, dass ich sie nie zu ende schreiben werde. Entweder es flutscht heraus, oder nicht. Und entweder es flutscht am Stück oder nicht. Allzu oft eben nicht.

Und so harren einige Ideen ihres Geblogges aber keine Sorge, sie kehren wieder und wieder, ohne mein Zutun, denn sie lassen mich nicht los. Auf diese Geister ist Verlass, auf Ihre Wiederkehr, weil sie keine Ruhe finden, sich immer wieder manifestieren. Aber nie fest genug. Bis jetzt. Vielleicht. Vielleicht ist es mir ja dieses Mal vergönnt, darüber schreiben zu können.

Es geht nämlich um ein Thema gewichtigen Ausmaßes. Und eines einer gewissen Komplexität und dann gab es da diese Situation auf Twitter. Wir diskutierten und zwar über die Pläne der Politik um die GEZ-Gebühr, ungeliebtestes aller Kinder der Medienlandschaft. Ich plädierte für die nutzungsunabhängige Haushaltspauschale, weswegen mich natürlich alle hassten und @kosmar warf die Möglichkeit eines PayPerView in die Timeline, so als Diskussionsgrundlage. Folgende Antwort hat er aber sicher nicht erwartet:
tweet

HA! Da guckt ihr doof, wa?

Aber was meine ich nun damit? Irgendwie kam mir das ziemlich schlau vor, sowas zu fordern. Und klar liebe ich es, zu verwirren. Aber – Überraschung – nein, das ist nicht nur die Pose eines radikalen Sophisten oder sophistisch Radikalen. Ich hab mir tatsächlich etwas dabei gedacht. Auf so ne Art.

Es doch nämlich so, dass das Mißverhältnis von Leistung und Geld klar und offen jedem zu Tage liegt und dass die tollen Songs nie in die Charts kommen und dass es selten die Fleißigen sind, die viel Geld haben, dass es selten das Sinnvolle ist, was ökonomischen Erfolg hat, ja, dass man mit Scheiße Geld verdienen und sein Lebtag Großartiges schaffen kann, Tag für Tag, ohne je auch nur einen Cent dafür zu sehen – und: dass die FDP die „Leistungsträger“ entlasten will. (Und was die FDP will ist ja meist per se falsch.)

All diese Indikatoren sind bekannt, all diese Erscheinungen sind weltweit und gesamtgesellschaftlich tausendfach beklagt und beschimpft worden und dennoch! Dennoch, trotz allem, fangen wir immer wieder damit an, Geld an Leistung knüpfen zu wollen. Und zwar immer dann, wenn wir auf der Seite der Zahlenden stehen. Da wollen wir sekundengenaue Abrechnung, da legen wir die Qualität auf die Goldwaage, da leiten wir allenthalben Ansprüche davon ab, dass wir 70 Euro 50 statt 70 Euro gezahlt haben. Da muss über jeden Cent Rechenschaft abgelegt werden und wehe wir haben eine Leistung nicht genutzt, für die wir gezahlt haben. (Ein Freund von mir stellte sich selbst zur „Langen Nacht der Museen“ die stressige und nur durch logistische Meisterleistung überhaupt zu vollbringende Aufgabe, alle (wirklich alle!!!) beteiligten Museen besichtigen zu wollen. Einfach um die größte „Leistung“ für sein Geld zu bekommen. „Leistung“ ist oft auch ein Ersatz für Freude.)

Ich mein, haben wir sie noch alle?

Denn wenn wir – auf der anderen Seite – nicht müde werden das – in jeder Hinsicht sinnvolle – „Bedingungslose Grundeinkommen“ zu fordern, dann kommen wir nicht umhin, diesen allgemein gesellschaftlich in den Grundstein unserer Kultur eingelassenen und versiegelten Zusammenhang von Leistung und Geld in seiner Grundsätzlichkeit anzugehen. Und zwar radikal und allumfassend!

Wenn wir davon weg wollen – und es gibt viele gute Gründe dafür – dann sollten wir aufhören daran zu glauben. An die Leistung ansich, meine ich. Natürlich gibt es die Leistung in der Physik, wo sie eine berechenbare Größe darstellt. Aber die Qualität einer Arbeit, die Schnelligkeit, die Notwendigkeit, die Gebrauchbarkeit und die Freude, die sie auszulösen im Stande ist, all das lässt sich nun mal nicht in dieser Kategorie „Leistung“ fassen. Was soll das sein? Wie kann man sie messen und wie entlohnen? Und man sollte dabei auch berücksichtigen, dass Geld eben nicht das einzige Gratifikationssystem ist, vielleicht nicht einmal das wichtigste.

Jetzt brauchen wir uns gar nicht unterhalten, darüber, was ich für lau tue, für mich, für euch, oft mit Herzblut. Dass das nicht nur mir so geht, dass das normal ist, dass man das schwerlich messen kann und dass es seit langem und für lange Zeit schwierig finanzierbar ist und sein wird. Nein, all das wisst ihr genau so gut wie ich. Wir wissen das. Aber der Lack bröckelt auch überall anders, wo man hinschaut. Überall: Leistung und Geld – da korreliert nix!

Wir sollten also anfangen den Zusammenhang zwischen Geld und Leistung nicht nur dort zu bezweifeln, wo wir unmittelbar davon profitieren würden, sondern überall wo sie uns eingebläut wird. Diese Ideologie, wie ich sie nennen würde, eine Ideologie – btw – die zwar meist in Kombination und in Begleitung eines sich „Liberalismus“ schimpfenden Ideensumpf einher kommt, aber ohne sich auch nur ein bisschen daraus herleiten zu lassen. Vielmehr – und dadurch ist diese Ideologie mit dem Liberalismus vielleicht doch verschwistert – entspringt sie dem Protestantismus, wie Max Weber richtig feststellte und ist für den Kapitalismus noch wegbereitender als die Idee des „Markts“. Sie hält uns alle in Trab, alle, die kein Auskommen haben, ohne sich in diese fesseln einspannen zu lassen. Ich würde mich sogar (jedenfalls probehalber) so weit hinein versteigen, dass ich sie für alles verantwortlich machen würde, was am Kapitalismus schlecht ist. Und doch reproduzieren auch wir immer und überall genau jene Ideologie, unter der wir leiden. Nichts anderes kann Nietzsche gemeint haben, wenn er uns Menschen eine „Sklavenmoral“ unterstellte. Eine „Moral“ der Tugend der „ehrlichen Arbeit“, mit der wir den Herrschaftsanspruch eben all jener sichern, die selber nicht arbeiten, sondern von unserer Arbeit leben.

Ohne das jetzt hier durch deklinieren zu wollen, ahnt man an dieser Stelle, dass sich wieder eine überraschende Wende einflechten ließe: Verstünde man den Liberalismus – auch den Marktliberalismus – jenseits, vielleicht sogar entgegen dieser Leistungsideologie, so ließe sich vielleicht doch so etwas wie ein Projekt des „linken Neoliberalismus“ denken? Einem Neoliberalismus, der entgegen seiner sonstigen Lesart den Menschen wirklich befreien will. Und zwar sowohl von seinen existentiellen Sorgen, als auch von dem Zwang, Arbeit zu verrichten, die er gar tun möchte.

Da sollte man demnächst mal drüber schreiben…