so ging’s. Er hat’s getan. Danke an alle, die geholfen haben.
Warum wir die SPD einfach vergessen sollten
Zunächst einmal eine Berichtigung. Ziemlich weit hab ich mich aus dem Fenster herausgelehnt, bei meinem letzten Blogeintrag. Eine Inszenierung solle stattfinden, für uns, wo doch schon alles ein abgekartetes Spiel sei.
Es gab eine Inszenierung, ja. Es gab ein abgekartetes Spiel, ja. Aber nicht für uns, sondern gegen uns.
Jaja, wer hat uns verraten…? Die Änderungen am Gesetzentwurf, die der Parteivorstand beschlossen hatte „Löschen vor Sperren“, waren kein Kompromiss mit dem Antrag, den Böhning eingebracht hatte, „Löschen statt Sperren“, obwohl das so kommuniziert wurde. Über diesen wurden uns hinter vorgehaltener Hand die wildesten Sachen erzählt: der sei ja so scharf, die CDU könne auf ihn unmöglich eingehen. Man wollte uns auf diese Weise vertrösten, dass das Gesetz eben nicht mehr durch ginge in dieser Legislaturperiode.
Nein, der Beschluss des Parteivorstandes war ein bereits in Hinterzimmern ausgeklügelter Kompromiss mit der CDU!
Ja, richtig. Die SPD hat uns an die CDU verkauft und uns voll auflaufen lassen. Dass man uns nicht gleich alles recht machen würde, hatte ich erwartet. Aber dass man uns derart mit Anlauf in die Fresse tritt, hat mich dann schon sehr erstaunt. Ich dachte, sie nähmen uns wenigstens ein bisschen ernst.
Nein. Ernst nehmen die etwas ganz anderes. Als Böhning seinen Antrag in Originalform dennoch abgab, hatte das keine Bewandnis mehr, so sagte man ihm, weil der Beschlusses des Parteivorstandes diesen ja überflüssig machte. Als es dann darum ging, die einzelnen Anträge abzustimmen, wurde hastig gefragt, ob denn noch wer reden wolle und noch bevor sich wirklich was regen konnte, ganz schnell der Deckel zu gemacht. Keine Diskussion, keine Möglichkeit der Rede, keine Abstimmung. Nur noch Singen.
Angstschweiß lag in der Luft. Die wollen das Thema nicht auf der Agenda haben. Zwei Tage vor dem Parteitag und einen nachdem Böhning seinen Antrag ankündigte, war er von Bild zum „Verlierer des Tages“ gekührt worden. Das ist für Böhning nicht schön aber verkraftbar als Direktkandidat in einem vor allem jungen und gebildeten Wahlkreis. Aber in der Partei kam etwas anderes an. Ein Schuß vor den Bug.
Man muss dazu sagen, dass die Bildzeitung bisher erstaunlich still gehalten hat. Und das bei einem Thema, wo ihr Standpunkt klar ist und das ihrem Kampagnenstil doch sehr entgegen kommt. Ich weiß nicht, was das ist. Vermutlich will sie nicht öffentlich gegen die Zivilgesellschaft schießen. Sie war sicher auch nicht unbeeindruckt von dem, was wir auf die Beine gestellt haben. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, als traute sie nicht, gegen uns zu schießen, habe aber jeden Tag damit gerechnet.
Aber gegen die SPD zu schießen, das ist etwas ganz anderes. Jetzt kann man, wenn man pervers veranlagt ist, seine Phantasie mit den Wörtern: „Bild“, „Kampagne“, „SPD“ und „Kinderpornographie“ spielen lassen, und hat ein ungefähres Bild dessen, wovor den Genossen graust. Das gegen Böhning, war nur ein kleiner Stupser.
Wir haben gegen die Bildzeitung verloren.
Bildzeitung vs. Internet = 1:0
Naja, nicht ganz. Die populistische Petition zur Halbierung des Besteuerung auf Benzin, die von der Bildzeitung angestoßen und mit Kampagne begleitet wurde, ist mit ihren 128.193 Unterzeichnern seit gestern Nacht nicht mehr die erfolgreichste Petition aller Zeiten, sondern es ist die Netzsperrenpetition mit derzeit über 130.000 Zeichnern.
Bildzeitung vs. Internet = 1:1? Nein. Ich will jetzt nicht sagen, dass das Netz in diesem Thema der Bildzeitung in Kampagnenkraft ebenbürtig ist. Nein, das haben die Genossen sicher richtig eingeschätzt. Aber nicht mehr lange.
Der Hebel ist da, und wir haben ihn bereits in den Arsch der SPD gerammt. Noch ist er zu kurz, als dass er ihr wirklich schweren Schaden verursachen kann. Aber er wächst so schnell, scheller als alles sonst, dass er bereits morgen sehr weh tun wird. Und er wächst auch dann noch weiter, wenn er die Bildzeitung in seiner Macht längst hinter sich gelassen hat. Aber ob es dann noch eine SPD gibt, wage ich nicht zu prognostizieren.
Denn zwischenzeitlich werden wir die SPD in einem Sturm aus Scheiße schicken. Sie hat sich nämlich selber zum Feind des Internets gekürt. Was sie hier angestellt hat, wird nicht so schnell vergessen werden. Sie wird für eine wachsende Zahl von Menschen das Symbol für Rückschritt und Opportunismus sein. Mit der SPD wird das Netz nicht mehr so schnell verhandeln. Das wird nicht zuletzt dann unangenehm werden, wenn die Gesellschaft und das Netz eins sind. Und auf diesem Weg sind wir, darüber sollte Klarheit herrschen.
Die SPD hat ihre Zukunft verkauft, damit sie ihre jämmerliche Gegenwart ins morgen retten kann. Weit wird sie damit nicht kommen. Aber, wie gesagt: vergessen wir die SPD
Kommen wir zur mittelfristigen Perspektive. Mathias Richel beschwor mich immer, die SPD sei zwar nicht perfekt, aber mit Schwarz-Gelb, da würde über sowas ja nicht mal diskutiert werden. Da wär dann alles Protestieren vergebens.
Nun bin ich sicher kein Freund von Schwarz-Gelb und werde den Teufel tun, die zu wählen oder zu unterstützen. Aber ich habe dennoch einmal darüber nachgedacht und muss ihm in diesem Punkt deutlich widersprechen.
1. Steckt das Schwarz in der großen Koalition genauso drin, wie in Schwarz-Gelb.
2. Ist die FDP zwar sicher keine liberale Partei mehr (bürgerrechtlich gesehen) aber ist einer gewissen Tradition in dieser Hinsicht verpflichtet, die nicht unwesentlich dazu beiträgt, ihre demokratische Legitimität zu sichern. (Nur „Steuern runter“ ist zwar nachvollziehbare Klientelpolitik, aber noch keine Partei) In etwa also so, wie die SPD wenigsten den rhetorischen Eindruck machen muss, sozial zu sein, muss die FDP immer peinlich genau auf ihren liberalen Anstrich achten. Das heißt, der Hebel den wir hier hätten, wäre mindestens genau so groß wie bei der SPD, aber das Zu-Hebelnde wäre umso kleiner.
3. Diese Kleinheit bringt außerdem mit sich, dass die FDP weniger erpressbar in Sachen Bildzeitung wäre. Eine Volkspartei kann nicht gegen Bild, eine spezielle Partei wie die FDP schon eher.
Also egal was da kommen mag: Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün-Gelb, alles wird besser sein als die Große Koalition. Jedenfalls für netzpolitischen Dinge. (Sozialpolitisch würde ich das nicht sagen, aber auch da glaube ich kaum, dass man die SPD wirklich so deutlich unterbieten kann, wie sie es uns weismachen will.)
Wir können die SPD also getrost vergessen und in Ruhe sterben lassen. Tschüß, du loser!
Da sind wir also. Und ich hab Theaterkarten.
Da sind wir also. Sozusagen angekommen in der großen Politik. Morgen Übermorgen ist der außerordentliche Parteitag der SPD. Und dort wird ein nettes Theaterstück aufgeführt werden. Und zwar für uns. Ich habe eine persönliche Einladung dafür bekommen. Danke noch mal, Herr Wasserhövel, für die Einladung. Ich weiß sehr genau, warum ich da sein soll.
In den Medien lässt man derweil verlauten, die „Basis“ würde gegen das Gesetz rebellieren. Das ist quatsch. Ich sag mal so, wie ich – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vermute, wie es abgelaufen ist: Die Parteispitze hat das alles längst mit Böhning abgekakelt. Dieser Rebell, der! Ich habe schon Tage vorher derlei raunen hören, nichts konkretes, aber etwas grundsolide vorbereitetes. Böhning und Dörmann und vielleicht ein paar andere waren also sicher aktiv und haben die Parteispitze bearbeitet. Böhning hat einen guten Draht zum Münte, wie man ja weiß (hab ich doch den Münte mit dem Wowi verwechselt). Die Parteispitze hat sich aber mitnichten gegen die Zensur gestellt. Sie hat sich von einem okayen strategischen Plan überzeugen lassen:
Böhning kandidiert ja nicht zufällig im internetaffinsten Wahlkreis Deutschlands für die SPD. Hier in Friedrichshain/Kreuzberg, wo sogar die Piratenpartei 3,4 % bei der Europawahl geholt hat, sind wir, also die Zensurgegner eine strategisch wichtige Wählergruppe, nicht zu letzt weil wir so schön multiplizieren können. Die Internetleute, so das Kalkül, könnten also Böhning über den alten und wenig technikafinen Platzhirschen Ströbele hieven.
Hinter den Kulissen wurden die Delegierten natürlich bereits eingenordet. Der Antrag wird also angenommen werden und Böning soll dann unser Held sein. Der Retter des Internets! (Und ein zusätzlicher – vor allem zweitstimmenunabhängiger – Sitz der SPD im Bundestag ab September, so hofft man.)
Sascha Lobo ruft bereits auf dem @BoehningB zu follown. Als Zeichen der Unterstützung seines Antrages. Böhning wird von uns vorgeschickt, so soll es wirken. Der SPD gegenüber. Und die SPD unterstützt Böhning, so soll es dann wirken, wenn es geklappt hat. Uns gegenüber.
Ich hab das bisher nicht getan, ihn zu follown, mein ich. Denn ich habe meine Bauchschmerzen damit. Ich habe Bauchschmerzen damit, mich in den Wahlkampf der SPD einspannen zu lassen. Es gibt noch tausend und mehr Gründe für mich die aktuelle SPD nicht nur nicht zu wählen, sondern auch nicht zu unterstützen. Nein. Ich möchte nicht Teil ihres Wahlkampfes sein.
Aber das ist ein Dilemma. Die SPD ist nun mal derzeit unsere letzte Rettung in der Sache. Nur sie kann das Gesetz aufhalten. Und die Chancen stehen gerade nicht schlecht, dass sie es auch tut. Wer möchte das schon versauen, indem er Böhning jetzt in den Rücken fällt? Dazu kommt: ich habe nichts gegen Böhning. Ich habe ihn erst letztens kennen gelernt. Er ist ein netter Kerl und dumm ist er auch nicht. Er ist im Bemühen gegen Zensursula durchaus glaubwürdig, denn das war immer schon seine Linie.
Deswegen werde ich mich wohl auch überwinden. Ich werde trotz des ganzen Getöses und dieser komischen Oper, die man Politik nennt, meinen Stolz hinter mich lassen und @BoeningB follown. Gleich. Nachher. Dann werde ich werde übermorgen auf den SPD-Parteitag fahren und ich werde mich aufrecht freuen, wenn der Antrag dort angenommen wird. Aber ich tue das nicht blind, sondern mit kritischen, leicht angewiderten Augen. Nein, ich fühle mich nicht verarscht. Politik ist nun mal so. Sie funktioniert nun mal so. Für unsere Anliegen gilt da keine Ausnahme. Und wir müssen das jetzt mitspielen, wenn wir das Zensurgesetz verhindern wollen. Aber ein Blick hinter den Vorhang verrät sehr deutlich, warum die Politik noch die besten aller Menschen versaut. Aber das werden wir wohl erst nächste Legislaturperiode ändern können.
Ja, jetzt sind wir wohl angekommen, in der Politik. Ich weiß gar nicht ob ich so genau wissen wollte, wie sie von innen aussieht.
Das Grundgesetz als Netneutralityschutz
Während sich da draußen der Juni bis auf die Knochen blamiert, sitze ich mit Sebaso im Salon Schmück und wir diskutieren das weitere Vorgehen in der Netzsperrensache. Einig sind wir uns, dass es eine grundsätzlichere Herangehensweise benötigt. Selbst, wenn wir jetzt hier bei dieser Sache noch gewinnen sollten, gibt es einige sehr große und sehr mächtige und sehr reiche Interessensgruppen, die immer wieder versuchen werden – mit welchem Wahlkampfthema auch immer – Netzzensurinfrastruktur zu installieren.
Dazu kommt, dass ja nicht nur die Rechteindustrie nach der Kontrolle des Netzes giert. Auch die Accessprovider suchen Mittel und Wege das treiben im Netz zu kontrollieren. Effektives Blocken von VoIP-Diensten, Verlangsamung von Bit-Torrenttransfers und das Privilegieren von bestimmten Durchleitungen (um dafür extra abzukassieren) stehen ganz oben auf der Wunschliste. Kurz: das übergeordnete Thema heißt Net Neutrality.
Was also tun, um all dem endgültig einen Riegel vorzuschieben. Das einzige, was uns retten kann, ist – mal wieder – das Bundesverfassungsgericht. Aber das könnte uns sehr nachhaltig retten.
Es gibt doch den schönen Verfassungsartikel 10, und der ist, trotz seines einschränkenden Absatzes 2 durchaus unser Freund:
1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Die Grundlage jeder Filterung ist das Verletzen eben dieses Fernmeldegeheimnisses. Nun kann zwar eine gesetzliche Regelung erfolgen, was die Frau von der Leyen ja anstrebt, aber dass sie hier vielleicht diesen Verfassunsgartikel berühren könnte, ist ihr durchaus bewusst. In der zu dem Gesetz online gestellten FAQ schreibt das Ministerium:
Ist die Weiterleitung auf eine STOPP-Seite ein Eingriff in Artikel 10 Grundgesetz?
Nein. Auch die Weiterleitung einer Anfrage auf eine beim Zugangsanbieter geführte Stopp-Seite stellt keinen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis dar. Bei der Weiterleitung auf eine beim Zugangsanbieter geführte STOPP-Seite kommt es zwar zum Aufbau einer Verbindung. Das Fernmeldegeheimnis schützt die Verbindung an sich, nicht aber eine Verbindung zu einem bestimmten Ziel. Wird die STOPP-Seite vom Zugangsanbieter betrieben, erhält auch niemand, der sonst keine Kenntnis von den Daten des Nutzers hätte, Kenntnis derselben.
Ob das so ist, wäre freilich noch zu klären. Ich bin der Meinung, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die Frage nach dem Ziel eines Verbindungsaufbaus zum Fernmeldegeheimnis gehört. Aber selbst wenn nicht, wäre also zumindest eine Inhaltsfilterung, d.h. sowas wie die Deep Packet Inspection auf jeden Fall grundgesetzwidrig. Sogar – das lässt sich aus der FAQ durchaus herauslesen – aus Sicht des Bundesfamilienministeriums.
Wenn dem so wäre, wären alle effektiven Sperrmechanismen grundgesetzwidrig. Technische Anlagen jeglicher Art, die sich den Inhalt von Datenpaketen verdachtsunabhängig anschauen, wären in Deutschland per se verboten. Und selbst wenn man die Domainsperre nicht dem Fernmeldegeheimnis zuordnen möchte, es wäre ihre einzige Möglichkeit der Sperrung von Inhalten. Es wäre also eine Internetsperre, die niemanden interessieren müsste, denn eigene DNSservereinträge würden schlicht zur Standardkonfiguration und damit arg theoretisch.
Die beste und effektivste Art der Internetzensur ein für alle Mal den Gar aus zu machen und gleichzeitig die uneingeschränkte Netneutrality zu sichern, wäre also eine klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wir sollten also zusehen, diese Entscheidung so schnell wie möglich herbeizuführen.
PS: ein zweites Ding, was ich gerne vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt haben möchte: ist es überhaupt verfassungskonform, dass Entscheidungen des Verfassungsgerichts immer anderthalb Jahre auf sich warten lassen? Und dass die die Regierung bis dahin immer fröhlich unsere Grundrechte mit Füßen treten darf? Oder ist der Staat gehalten das Verfassungsgericht seiner Auslastung entsprechend auszustatten?
„wir“
kommen wir gleich zum „wir„. Ich hatte – zu recht – einige Kloppe bekommen, weil ich diesen Begriff verwendet hab. Natürlich ist dieser Begriff Mist und natürlich weiß ich das, wo ich doch immer der erste bin, der jedes „wir“ negiert und bekämpft. Ich hab mich da unten in den Kommentaren etwas damit heraus gewunden, dass es eben nicht um ein uns gemeinschaftendes „wir“ gehe, sondern darum, eine Front aufzumachen nach außen. Ein „Wir“-Interface sozusagen, mit dem ich stellvertretend den Politikern auf den Schoß kotze.
Und hier möchte ich eine kurze Überlegung anlegen, über dieses „Wir“-Interface. Johnny brachte in kleiner Runde nach der Bundestags-Anhörung ein solches „Wir“-Interface zur Sprache. Ob es denn nicht sinnvoll sei, in irgendeiner Form eine organisierte Form zu schaffen, mit der die Politiker sprechen könnten, welche unsere Interessen vertritt. Natürlich keine Partei, vielleicht nicht mal ein Verein. Jedenfalls aber nicht so monothematisch wie die Arbeitskreise, die sich gegründet haben um Zensur und Vorrat, sondern mit breiterem Spektrum an Themen. So breit es eben geht.
Ich widersprach natürlich sofort auf das heftigste. Warum schreiben wir denn ins Netz? Warum setzen wir die Dinge auf die Agenda, die uns wichtig sind? Und warum tun wir genau das immer nur und ausschließlich so, wie wir es wollen?
Weil es geht. Weil das Netz uns das machen lässt. Und weil „wir“ – weil eigentlich niemand – noch irgendjemanden braucht, der ihn vertritt. Weil wir unsere Stimme nicht mehr abgeben müssten, sondern sie dazu nutzen, für uns selbst zu sprechen und für niemanden anders.
Ich bin eigentlich immer der erste, der diese Auffassung vertritt, und doch, klar, ich hab es auch getan. Ich habe ein „Wir“ benutzt und habe in einer unangebrachten Vertretung gesprochen. Da kann man mal sehen wie tief doch noch das alte Denken aktiv ist.
Andererseits: Ich fühlte beim Schreiben ja durchaus aus eine gewisse Notwendigkeit für eine solche Geste. Ich wollte nicht nur für mich sprechen. Ich wollte an dieser Stelle ja durchaus die Emotionen und Anschauungen vieler von uns bündeln und mit dieser konzentrierten Kraft noch doller auf den Tisch hauen, als ich es alleine könnte. Ich wollte, das merkt man ja auch an der Adressierung, den Politikern ein Gesicht vorsetzen.
Nichts anderes will Johnny ja auch. Er will ein Gesicht, einen Ansprechpartner, eine Telefonnummer, eine E-Mail. Nicht für uns. Für die. Denn natürlich stehen die Politiker wie Ochs vorm Berg. „Internet? Wer ist denn da der Ansprechpartner?“ Und das sah man ja auch schön, wie viele Leute geladen waren, auf dem Treffen mit der SPD. Klar, waren da unter anderem einige der wichtigsten Figuren des Protestes gegen die Sperren zugegen. Aber da musste sicher einige Recherchearbeit für geleistet werden. Und dann saßen lange nicht alle wichtigen Leute da. All die Leute, die sich engagiert haben, im Netz, mit kleineren und größeren Aktionen, Artikeln und Verlinkungen. Und die, die da saßen waren sich ja nicht mal wirklich einig über alles. Und überhaupt hatten sie ja keinerlei Entscheidnungsbefugnis. Die SPD hätte Deals noch und nöcher auf den Tisch legen können. Wer hätte sie eingehen können? In wessen Namen? Wie soll denn ein Politiker mit sowas Politik machen? Mit wem soll er verhandeln? Wen soll er fragen, was „wir“ denn wollen? Wer könnte es ihm überhaupt sagen?
Wenn wir uns auch hier so selten einig sind, bei diesem Thema der Internetzensur, so heißt das nicht viel über unsere sonstigen Übereinstimmungen. Ja, ich geh so weit, dass nicht einmal unter eingefleischten Netzbewohnern Übereinstimmung bei der Zensursache herrscht. Und bei anderen Themen, auch netzpolitischen, bin ich noch viel skeptischer. Urheberrechet zum Beispiel. Da ist so ziemlich alles vertreten. Auch für Vorratsdatenspeicherung ließen sich unter den Netzbewohnern sicher einige Befürworter finden. Ganz zu schweigen von den ganz normalen Themen: Familie, Wirtschaft, Gesundheit, Bildung etc.
Das Netz ist ein Geflecht aus Diskursen. Und alle denkbaren Diskurse finden hier auch statt. Hier wird nicht gestritten, um sich in einem Konsens zu einigen, sondern um sich gegenseitig mit Ideen zu befruchten, Informationen zu konzentrieren und herauszusenden. Das Internet pulst und atmet diese unterschiedlichen Sichtweisen, Meinungen und Weltbilder. Man kann sie nicht verengen, auf eine wie auch immer geartete Vertretung. Denn das Netz ist nicht einfach das Netz. Es eröffnet nicht den homogenen Raum einer selbstbezüglichen Bloggergemeinde, auch wenn oberflächlich betrachtet dieser Eindruck entstehen kann. Gesellschaft passiert, wo Kommunikationen stattfinden. So definierte es Luhmann sehr treffend. Und das heißt auch, dass schlussendlich hier die Gesellschaft an sich stattfindet. Nicht ausschließlich hier, das gebe ich zu. Noch.
Und als Teil dieses Netzes fühle ich mich eben nicht in erster Linie als Teil der Netzmenschen. Sondern – auch hier – als Teil der gesamten Gesellschaft, des gesamten Diskurses, das heißt all der Kommmunikationen, die die Gesellschaft sind. Deswegen wird eine Netzlobby nicht nur mir nicht gerecht. Oder Dir. Sie wird dem Netz nicht gerecht.
Und wie und was das Netz als Meinungsbildungsstruktur für die politische Landschaft für eine Rolle spielen wird. Wie es eingebunden werden wird, das wird sich früher oder später herausstellen. Wenn die Gesellschaft hier angekommen ist, wird sie sich hier auch organisieren. Wie, darüber können wir nur spekulieren. Und das ist ja durchaus erwünscht. Vor allem hier, im Netz.
Aha, liebe Parteien,
neulich las ich, Ihr führt jetzt also einen Online-Wahlkampf. Soso, interessant. Darf ich Euch da mal kurz was erklären? Ja? Danke.
Das geht doch gar nicht.
Weil: wir sind das Netz. Ich mein, Ihr könnt ja gerne Eure Websites als verlängerte Plakatwand mit „Botschaften“ zupflastern. Ihr könnt auch gern auf Twitter oder Facebook rumhampeln, um zu zeigen, wie „down“ Ihr mit uns seid. Aber, das nennt ihr dann schon einen Online-Wahlkampf? Nicht Euer Ernst, oder?
Ihr fragt mich… was? Was ein Online-Wahlkampf denn ist? Ihr wisst das gar nicht? Ich mein, dabei findet doch gerade einer direkt vor Euren Augen statt. Wir sind doch gerade dabei und machen einen. Gegen Euch!
Wir machen gerade einen Haufen kreativer Aktionen, dezentral, unkoordiert aber effektiv. Jeder ist aufgerufen, viele machen mit. Die Leute schreiben Blogeinträge, sie Twittern Links zu Informationen, sie schreiben an Abgeordnete, sie starten Petitionen und Umfragen, ja, sie rufen sogar Eltern und Bekannte an. Sie machen Häuserwahlkampf! Organisiert über das Internet. Ja, so wie bei Obama. Ja, ganz genau, so wie ihr das gerne für Euch hättet.
Nein. Online-Wahlkampf, das könnt ihr nicht. Das können nur wir, wenn uns ein Thema wichtig ist.
Wenn Ihr – ich sage mal so – den Hauch eine Chance für einen solchen Online-Wahlkampf haben wollt, dann solltet ihr eines erstmal begreifen: Jeder Online-Wahlkampf fängt damit an, dass man uns in Boot holt. Und macht Euch da keine Illusionen: Das geht nicht durch Twitterrumgeschleime und Facebookgruppengründen. Das geht nur durch Inhalte! Das ist ein klarer und knallharter Deal. Wer sich voll uns ganz auf unsere Seite schlägt, wer bereit ist, glaubwürdig für die digitale Freiheit zu kämpfen, wer Netzneutralität und Datenschutz auf die Agenda setzt, der hat jedenfalls die Chance uns für sich zu begeistern, der kann vielleicht mit unserer Unterstützung rechnen.
Wer aber die Vorratsdatenspeicherung durchsetzt und eine Zensurinfrastruktur im Internet aufzieht, für den werden wir nicht nur nichts tun. Den werden wir nicht nur nicht wählen. Nein, der wird unser Feind sein. (Nein, nicht „Gegner“, wie unter Euren fraktionierten Kuschelgruppen im Parlament, ich meine das so wie ich es sage: „Feind“!) Und zwar für unabsehbare Zeit. Gegen den wird sich die volle Wut entladen. Die Lawine wird gegen ihn rollen, der wird keinen Fuß in die Tür bekommen, im Netz, weil Tausende sofort draufsteigen werden. Der wird sich noch im Wahlkampf 2013 für sein Verhalten rechtfertigen müssen und Parteien werden einen Jahrzehntelangen Imageschaden davontragen.
Die Anti-Internetpartei von heute, ist die Anti-Gesellschaftspartei von morgen!
Glaubt ihr nicht? SPD und CDU probieren es gerade aus. Warten wir’s ab.
ich sollte mal wieder was twittern
Favottercharts vom 31.05.09
Die aktuellen Favottercharts haben die eine oder andere Überraschung parat. So hat es vor allen @stijlroyal den Followerkönig @saschalobo von Platz 4 vertrieben. Außerdem hat @HappySchnitzel weiterhin eine atemberaubende Perfomance abgeliefert indem sie ihre Favs beinahe verdoppelt hat (!!!) und ist jetzt sehr verdienter Maßen unter den Top10. Aber auch im Mittelfeld haben sich wieder einige Plätze bewegt. Schön auch, dass es der großartige @hermsfarm endlich in die Charts geschafft hat.
- frank93 1515
- mspro 1430
- trottelbot 1243
- stijlroyal 974
- saschalobo 934
- HappySchnitzel 919
- 343max 817
- sixtus 774
- kathrinpassig 693
- kcpr 620
- Sillium 619
- booldog 575
- klauseck 557
- kosmar 554
- fragmente 519
- PickiHH 478
- vergraemer 475
- plomlompom 446
- tristessedeluxe 423
- moeffju 419
- blogwart 417
- mathiasrichel 416
- kumullus 414
- denQuer 402
- ghostdog19 397
- Nico 388
- furukama 388
- bjoerngrau 367
- Zufall 362
- hermsfarm 342
- zebramaedchen 331
- wondergirl 330
- DonDahlmann 329
- gebenedeite 327
- stburnster 304
- spreeblick 301
- netzpolitik 300
- textundblog 296
- Ibo 291
- sebaso 290
- holadiho 271
- svensonsan 245
- hoch21 233
- ankegroener 233
- isabo_ 231
- bosch 230
- riot36 221
- tknuewer 220
- AF_Blog 220
- cemb 217
Berlin und das Glück
„In Berlin habe ich das Gefühl, das zu finden, was ich nicht suche. Nicht suchen kann, weil ich nicht weiß, was es ist.“ Gar nicht lange ist es her, als es mich mit dieser Überlegung nach Berlin verschlug. Die magische Anziehungskraft ist mir nicht neu. Jahre lang trug ich daran, doch lies der Schritt eben sehr lange auf sich warten. Und ich gebe gerne zu, dass ich zwischenzeitlich in Hamburg durchaus eine Alternative erblickte. Berlin ist die größte Stadt Deutschlands, Hamburg die zweitgrößte. Das muss doch reichen.
Aber all die Augenwischerei half nichts. Berlin ist nun mal Berlin und es ist egal, wie groß es ist. Berlin ist vor allem anders. Das spürte ich. Und ich muss sagen, die Stadt hat mich vom ersten Tag an mit Haut und Haaren gefressen. Nicht mal ganz am Ende habe ich mich in Hamburg so wohl gefühlt, wie in Berlin von Anfang an.
Und das hat beides miteinander zu tun. Mein pathetisches Bekenntnis dort oben und mein Wohlsein hier. Denn natürlich ist es so, dass ich nicht der einzige bin, der aus der selben Sehnsucht hier ist. Nein, im Gegenteil. Die glauben hier alle daran. All die Zugezogenen (also quasi alle) glauben hier endlich, irgendwann genau das zu finden, wonach sie nicht wissen, was das ist, aber ihr Glück sein wird. Es eint uns alle. Und zwar nicht eben nur die Studenten, die Mittzwanziger, und die Dreißiger wie ich. Ich hab schon Mittvierziger und Anfang Fünfziger getroffen, die den selben Traum hegen. Seit 30 Jahren! 30 Jahre auf der Suche! Sowas gibt’s nur in Berlin.
Mittlerweile glaube ich daran nicht mehr. Ich glaube, es ist viel einfacher, viel banaler. In Berlin gibt es ganz genau so viel und so wenig zu „finden“, wie an allen anderen Orten auch. Das was man gerne „finden“ möchte ist nämlich in Wirklichkeit der Platz. Der Platz in der Gesellschaft. Der Ort an dem man sich einrichtet. Die Idee vom gefunden Glück. Es ist also ganz profan: Job, Wohnung, Partner, Familie.
Das große Vorurteil besteht aber darin, dass man diese Dinge nicht „findet“. Diese Dinge laufen einem nicht über den Weg. Man entdeckt sie nicht in einer Nische hinter der Treppe. Goldglänzend wie die Sehnsucht selbst. Nicht in Berlin und auch sonst nirgends. Im Gegenteil. Diese Dinge kommen zu Stande, indem man Kompromisse eingeht. Und das Absurde ist, dass man an allen Orten der Welt irgendwann in diese Kompromisse gedrängt wird. Ganz automatisch. Da gibt es den finanziellen Druck und sozialen Druck. Und eh man sich versieht, findet man sich wieder, mit kleinen Haus, einem okayen Job und nem netten, möglichst verlässlichen Partner. Und Kinder, klar.
Und dann gibt es Berlin. Wo all die Freaks rumlaufen, alle auf der Suche. Nein. Die sind nicht auf der Suche. Das bilden sie sich nur ein. Sie sind in Wirklichkeit auf der Flucht. Auf der Flucht vor den Kompromissen und dem Leben wie auf Schienen. Auf der Flucht vor Fremdbestimmung und Festlegung, vor Verantwortung und den eigenen Grenzen. Aber um das zu verdrängen, glauben sie krampfhaft daran, dass sie das „Glück“ hier „finden“ werden. Das Leben als ewiger Aufschub von Glück (aber in Wirklichkeit: Kompromiss).
Der Witz ist jetzt, dass Berlin eine self fulfilling prophecy ist. Natürlich ist es tatsächlich die ideale Stadt, um nach dem zu suchen, von dem man noch nicht weiß, was es ist. Aber nicht, weil man es hier findet. Sondern weil es hier okay ist. Weil das hier jeder so macht und es als allgemein akzeptierter Lebensstil gilt. Weil es deswegen kaum einen sozialen Druck gibt, der Dir vorschreiben will: such Dir einen Job, heirate eine Frau, bekomme Kinder! Geh Kompromisse ein!
Ob man damit weniger oder mehr zufrieden ist, als mit dem üblichen Kompromiss, muss jeder selber entscheiden. Aber Glück findet man hier nicht. Dafür Freiheit, mehr als irgendwo sonst. Wie gesagt: ich fühl mich hier sauwohl.
Politik. Jetzt neu: mit uns!
Mit der Politik ist das ja so eine Sache. Wer mich länger kennt und liest, weiß, dass ich durchaus ein politisch denkender Mensch bin. Und dennoch wäre der Gedanke, mich in Parteien, oder auch nur irgendwelchen Organisationen zu engagieren für mich so dermaßen undenkbar, dass ich mich eher noch geschlechtsumwandeln lassen würde. Einfach so.
Natürlich gibt es auch bei mir das Bedürfnis zu gestalten und in den politischen Prozess eingreifen zu wollen (oftmals gerne mit der Faust, wenn das irgendwie ginge), welches sich aber wie bei den meisten dann in eine resignierte Ohnmacht verwandelt. Natürlich ist das eine schlimme Die-da-oben-Haltung, aber was soll man machen, wenn man sich in der Politik eben nicht nur nicht repräsentiert fühlt, sondern gegen die Repräsentation an sich ist? Und wenn man die Nachrichten seines Spam-Mailordners erstmal für eine glaubwürdigere Quelle als Politikerversprechen hält?
Aber ich will nicht schon wieder rummeckern. Ich will viel mehr von der Gemengenlage meiner Politikerwartung berichten, mit der ich in den Mittwoch, den 27. Mai startete. Da nämlich war die Anhörung zum Gesetz der Kinderpornographie-Sperren, und ich war zugegen. Es war eine Frage-Antwort-Session, in der Experten, die allesamt aussahen, als hätten sie schon etliche Bücher über dieses Internet gelesen, auf die Fragen der Politiker aller Fraktionen antworten sollten. Sehr schön und mit allerlei zusätzlichen Infos hat das Tristessedeluxe beschrieben.
Im Grunde aber war nichts weiter überraschendes dabei. Die Opposition war dagegen, das war vorher klar. Die Linke überraschte etwas, indem sie direkt Netzquellen für ihre kritischen Fragen referenzierte. Zum Beispiel Netzpolitik.org. Die Union war natürlich offenbar für die Sperren aber dann doch ungewöhnlich vorsichtig in ihren Formulierungen. Das lies tief blicken, wie auch das Dekoltee der Frau vom Wirtschaftsminister Guttemberg, die im Vorbeigehen kurzzeitig meine und JerikoOnes Aufmerksamkeit… ach.
Die SPD jedenfalls wand sich. Sie stellte teils kritische Fragen, fasste aber andererseits die Meinungen der Experten in merkwürdigen Statements zusammen. Unter anderem, dass wohl keiner prinzipielle Bedenken gegen die Netzsperren habe, was aus der Anhörung nun wirklich nicht hervorging. Jedenfalls wurden aber auch hier Bedenken geäußert und man merkte deutlich – wie bereits in der Berichterstattung davor – dass die SPD zu wackeln beginnt.
Insgesamt kann man sehr zufrieden sein. Die Experten waren immerhin fit genug, so ziemlich alle Grundrechtsbedenken und technischen Mängel, sowie alle anderen Argumente mehr oder weniger geschliffen auf den Tisch zu legen. Der CDU und der SPD wird es in Zukunft unmöglich sein, die Argumente der Gegner einfach abzutun.
Und man muss ja zugestehen, dass die bloße Einberufung dieser Anhörung schon ein Triumph ist. Ohne die Onlinepetition und all die anderen Protestbekundungen und Aktionen, hätte es diese Anhörung nicht gegeben. Ich jedenfalls war zufrieden, obwohl ich danach in das eine oder andere enttäuschte Gesicht sah. Man muss sich aber doch die Ausgangslage anschauen. Da gab es recht geschlossene CDU und SPD Fraktionen für das Gesetz und drei Oppositionsparteien, die mit ihren Köpfen hin und her nickten und irgend was mit „Ja, aber…“ stammelten. Nun haben wir die gesamte Opposition wie von Geisterhand im Sack und die SPD fängt das wackeln an. Man hätte unmöglich mehr erwarten können.
Und diese strategische Ausgangslage ist natürlich bestens. Vor allem, als ich nach der Sitzung erfuhr, dass die SPD direkt im Anschluss einige der prominenteren Zaungäste der Anhörung (Franziska Heine, Johnny Haeusler, etc.) für ein informelles Gespräch in die Friedrich Ebert Stiftung geladen hatte. Da ich also eh in der Nähe war, ging ich da uneingeladener Weise einfach mal mit.
Uns erwartete der eben noch in der Anhörung für die SPD sprechende MdB Dörmann, der auch der zuständige Berichterstatter für die Fraktion zu dem Thema ist. Dazu Kajo Wasserhövel, der SPD-Oberwahlkämfer und ein paar mir unbekannte Nasen. Weil uns sogleich aufgetragen wurde, keine Informationen nach draußen zu tragen, kann ich hier keine Statements zitieren. Aber ich denke, es geht in Ordnung im allgemeinen zu berichten.
Ich empfand die anwesenden Politiker als durchaus aufgeschlossen. Sehr geduldig wurde allen Anwesenden Raum für ihre Kritik gegeben und so wurden die Argumente schonungsloser und ungefilterter als bei der Anhörung ausgetauscht.
Unsere „Fraktion“ der Sperrgegner wartete mit der ganzen Bandbreite auf. Schmeichelndes auf-die-Politik-Zugehen, vom netten Zensurgegner von neben an, Johnny. Unnachgiebig hart aber sachlich argumentierende CCC-Leute. Ein eloquent und geschickt agierender Heisejournalist. Dazu der eine oder andere emotionale Wutausbruch bei wenigen. Ich empfand aber auch das als produktiv, weil ich meine, dass die SPDler doch auch ein Anrecht darauf haben, ein Gefühl dafür vermittelt zu bekommen, wie emotional und heftig die Reaktionen im Netz tatsächlich sind. Tim Pritlove fasste das gut zusammen, indem er die SPD warnte, er habe die Netzgemeinde noch nie derart wütend erlebt und dass sie die 100.000 Netzmenschen nicht zum Feind haben wolle. Nicht im Wahlkampf. Vor allem nicht im Onlinewahlkampf.
Natürlich wurde man sich nicht einig. Das war auch in keinem Fall zu erwarten. Aber es wurde offen Diskutiert. Es fand ein erster Dialog auf Augenhöhe statt. Auch wurden seitens der SPD konkrete Anregungen aufgenommen. Es wurden anscheinend auch einige Argumente zum ersten Mal gehört. Die Befürchtungen, die wir alle haben, wurden hoffentlich schonungslos klar.
Ich wusste am Ende zwar nicht was, aber irgendetwas hatten wir da bewegt.
Und jetzt kann man bestaunen, was. Die Änderungswünsche der SPD-Fraktion am vorliegenden Gesetz sind zwar keine komplette Rücknahme und sie genügen auch meinen Wünschen nicht, aber sie sind immerhin so tiefgreifend, dass das Gesetz in Gänze neu geschrieben werden muss. Das wiederum macht es sehr unwahrscheinlich, dass Frau von der Leyen das Gesetz noch vor der Wahl durch die Instanzen bekommt. Was es wiederum unwahrscheinlich macht, dass sie es überhaupt versuchen wird. Und nach der Wahl? Ach, warum soll man da ein geplantes Wahlkampfthema noch mal durchboxen wollen?
Ich bin jetzt jedenfalls zuversichtlich. Mehr als vorher.