Die Koalition ist am Ende. Nicht, dass es ihr jemals wirklich besser ging als heute, aber seit gestern ist ihr Ende amtlich abgesegnet.
Wer den Tod festgestellt hat? Die Medien, In vorderster Front SPIEGEL, FAZ und BILD.
Dabei waren sie es, die sich seit ca. 10 Jahren geschlossene Merkelfans gerierten und bis zu Letzt bei jedem ihrer Stolperer ein Machtkalkül haben sehen wollen. Verließ jemand brüskiert ihre Reihen, dann hatte Merkel ihn natürlich „abserviert“. Zögert sie wichtige Finanzhilfen hinaus und lässt die EU fast in’s Chaos stürzen, dann handelt sie „überlegt“ und „besonnen“. Verweigert sie sich – entgegen jedem Expertenrat und jeder Staatspraxis – zunächst jedem Konjunkturpaket, wird sie für ihre Politik von „Maß und Mitte“ gelobt. Ändert sie dann ihre Meinung, ist das natürlich „alternativlos“. Als ihre größter Erfolg wurden die G8 Konferenz in Heiligendamm gezählt, bei der sie – ähhm – nichts erzieht halt. Fragt man nach 5 Jahren, was sie politisch auf den Weg gebracht hat, bleibt beinahe nichts übrig. Eine Gesundheitsreform, die derzeit bereits wieder auf dem Prüfstand steht. Was noch? Merkel ist bei genauerer Betrachtung immer wieder und überall und auf ganzer Linie gescheitert. Die Medien konnten das aber jedes mal irgendwie in einen vermeintlichen Sieg umdeuten.
Ausgerechnet an der Bundespräsidentenfrage ist sie dann endgültig gescheitert. Erst wirft Köhler verärgert hin, dann wird die von ihr favorisierte von der Leyen – aus welchen Gründen auch immer – als Kandidatin zurück gepfiffen. Dann drängelt sich auch noch Wulff nach vorne durch und beansprucht dreist den Posten, als ginge es um eine Gehaltserhöhung. Merkel steht wie immer still herum während ihr alles um die Ohren fliegt und schweigt. Sie weiß, sie kann sich auf ihre freiwilligen Spindoktoren in den Redaktionen verlassen. Und tatsächlich, selbst zu dieser mit planlosesten und stümperhaftesten Stunde Merkels wird ihr von einigen Medien noch eben jenes „Machtkalkül“ unterstellt. „Weggelobt“ habe sie den Wulff ja. Geschickt, nicht? – Herrje!
Dann aber die Wende: Rot-Grün – diesem eigentlich ziemlich zerschossenen Grüppchen politischem Nichts – gelingt ein echter Coup. Sie schaffen es, einen Kandidaten in das Rennen zu schicken, der irgendwie fast sowas wie glaubwürdig und vor allem Parteiübergreifend satisfaktionsfähig ist: Joachim Gauck.
Und irgendwie scheint da einigen Journalisten ihr „Merkel-hat-alles
-im-griff“-Kartenhaus auf einen Schlag zusammengefallen zu sein. „Hmm,“ hat sich mancher wohl gedacht: „man hätte anscheinend ja auch einen guten Vorschlag machen können…“.
Ich kann es mir auch eigentlich gar nicht anders erklären, als dass am Freitag zwischen den Chefradaktionen ein emsiges Telefonieren losgegangen ist: „Die Merkel ist am Ende.“ Ein bisschen so, wie die Spekulanten gegen die Blase in Griechenland wetten konnten – nein, mussten – so schossen sich die Redaktionen nun auf Merkel ein. Die Merkelblase wird platzen, sie ist schon angeschlagen, da muss man nur noch ein bisschen…
Und dann ging es los:
Der aktuelle SPIEGEL-Titel: „Joachim Gauck – Der bessere Präsident“
FAZ: Joachim Gauck – ein bürgerlicher Held.
Und Sogar Bild am Sonntag titelte: Yes, we Gauck
Welt am Sonntag: Gauck fliegen liberale Herzen zu.
Die Trias von Springer, SPIEGEL und FAZ hat sich schon häufiger als extrem kampagnenfähig erwiesen. Egal ob Angst vorm demographischen Wandel, Front gegen die Rechtschreibreform oder Nacktbilder von Günter Verheugen, die Zusammenarbeit klappte stets recht gut. Wenn die drei in trauter Einigkeit zuschlagen, dann hat das etwas zu bedeuten. Die haben Blut geleckt.
Mit anderen Worten: Merkel wird gerade fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Das heißt nichts anderes, als dass diese Koalition am Ende ist und dass sie vermutlich keinen Monat mehr existieren wird. Eine Pro-Gauckkampagne würde Merkel und Schwarz-Gelb politisch nicht überleben. Die Kampagne der Blätter für Gauck ist also ein politisches Ereignis von aller höchster Brisanz. Und was findet man davon in den Medien? Nichts. (Außer natürlich in den Blogs)
Denn die Medien sehen sich selbst nicht als Akteure des politischen Betriebs. Medien sind sich selbst gegenüber blind. Alles andere wäre ja auch nicht „objektiv“. Dabei sind die Kampagnieros politische Spekulanten. Gewinnen tut, wer die Agenda setzt. Wer sich als letzter bewegt, hat verloren.
Merkel wurde von den Medien aufgeblasen, in der Hoffnung sie würde den Raum irgendwann einmal mit politischer Substanz füllen. Jetzt spekulieren die selben Leute gegen diese Blase. Und während dieser Vorgang bei Schröder viele Monate andauerte, war’s bei Merkel ein kurzer Prozess. *Puff*
PS: Darüber hinaus macht auch noch das Netz für Gauck mobil: Felix Schwenzel bläst in die Fanfare, Nico Lumma hat ein extra Blog aufgesetzt und Thomas Pfeifer eine Twitteraktion in’s Netz gestellt.
Keine Frage: auch ich halte Gauck für den geeigneteren Kandidaten und der Merkel-Administration würde ich keine Träne nachweinen. Aber etwas sträubt sich in mir, mich dieser unheiligen Kampagniero-Phalanx anzuschließen.