Konzertneutralität

Gestern war ich bei Dendemann auf dem Konzert. Ich geh selten und eher ungern auf Konzerte. Ich schaff es eigentlich nie so richtig, in diese euphorische Stimmung einzutauchen. Meist langweile ich mich nach ca. 30 Minuten und hab irgendwie Bock mich hinzusetzen.

Das war gestern gottseidank nicht so. Dendemann hat dem Laden eingeheizt und so viel Stimmung und Euphorie erzeugt … dass ich mich nicht die ganze Zeit gelangweilt habe. Was mir aber mal wieder auffällt: Wie wenig ich damit klar komme, bevormundet zu werden. Ich glaube, ich habe ein massives Problem mit Autoritäten. Dabei ging es nicht mal um mich. (Was ich übrigens auch sehr deutlich wieder bei der Visumsprozedur gemerkt habe.)

Der Ordner auf dem Konzert ging zunächst zu einem Mädchen, dass mit seiner Handycam kurze Aufnahmen von der Show machte und untersagte ihr das. Die Tatsache, dass das Verboten ist, ist ja wahnsinnig genug. Aber diese Fingerhaumenthalität kotzt mich zusätzlich an.

Als nächstes ging er zu einem anderen Mädchen, dass sich auf den Schultern ihres Freundes saß und feierte. Die musste natürlich runter. Muss ja alles seine Ordnung haben. Auf dem Rückweg hat er dann noch jemanden zur Ordnung gerufen, der nur eine Zigarette geraucht hat. Es ist Rauchverbot hier.

Gestern hat jemand bei mir im FAZ-Blog – in etwas altlinker Attitüde – meine Idee der Plattformneutralität auf den schon länger schwelenden Konflikt um den öffentlichen Raum bezogen. Ja, in der Tat, es ist das selbe Problem. Durch die Privatisierung des öffentlichen Raums (z.b. Shoppingmalls statt Fußgängerzonen) werden lauter kleine autoritäre Fingerhauregime geschaffen, die mit ihren willkürlich gebrauchten Hausrecht, die Freiheit des einzelnen insgesamt einschränken.

Es ist vor allem das Gefühl des Ausgeliefertseins. Der Ohnmacht. Du hast nur wenig Rechte auf privatem Boden. Egal ob auf Facebook, der Shoppingmall oder in der Konzerthalle. Geduldet werden nur die angepassten. Was angepasst heißt, bestimmt der Eigentümer. Pass Dich an, sonst darfst du an Gesellschaft, Kultur und Konsum nicht teilnehmen.

Plattformneutralität als politischer Ansatz ist weit mehr, als nur Netzpolitik.

Und zum Abschluss noch ein Konzert, bei dem ich wirklich gerne dabei gewesen wäre:

6 Gedanken zu „Konzertneutralität

  1. Ordner, Türsteher, Bodyguards, Kaufhausdetektive, Wachleute – ganze Privatarmeen von „Sicherheitspersonal“ belästigen mich auf Schritt und Tritt. Ich hätte mal gern einen fundierten Vortrag darüber, was diese spezielle Spezies eigentlich darf und was nicht – ich bin nicht bereit, mir diese Gängelung gefallen zu lassen. Udo Vetter, übernehmen Sie!

  2. Ich stimm dir ja grundsätzlich zu, aber ist es schlimm, wenn ich gerade beim Rauchverbot anderer Meinung bin? Ich mein, Raucher in meiner Umgebung beeinträchtigen ja irgendwie auch wieder meine persönliche Freiheit.

  3. Vorneweg: Ich war auch auf der Bühne bei Deichkind. 😀
    Und wegen der Konzertmüdigkeit: Dann gehe eben nur dort hin, wo du auch abgehen kannst.

    Im Nachhinein stimme ich dir zu. Deswegen gehe ich auch gern auf kleine Festivals, die achten nämlich auf die Mentalität der ‚Ordnungskräfte‘ und nicht nur auf den billigsten Preis.
    Rauchen finde ich persönlich auch eher sehr unangenehm. Schischa-Rauch kratzt nicht so im Hals und der stinkt auch nicht so, aber Zigaretten und Co. sind mir schon lästig. Da finde ich es gut, dass es eine Autorität gibt, die das durchsetzt. Schon mal jemand (betrunkenen) gefragt, ob er bitte so freundlich sei das Rauchen zu unterlassen?
    Und auch bei dem Mädchen auf der Schulter: Die Leute dahinter werden sich auch nicht gefreut haben, dass sie nichts mehr sehen. Auch wenn ich aus Sicht des Mädchens mich natürlich über die Fingerhaumentalität (ohne h!) geärgert hätte.
    Das mit dem Kameras verstehe ich sowieso nicht.
    1. Erreichst du damit keine Qualität und bezahlt hast du ja auch schon irgendwie.
    2. Wie wahrscheinlich ist es, dass damit jemand Profit macht? Wenn jemand damit Profit macht, dann hat er einen Presseausweis und steht noch vor der ersten Reihe.
    Mich stört diese Kommerzialisierung von Konzerten und Festivals, deswegen suche ich mir Alternativen wo wir wieder zum vorneweg kommen: Kleinere Festivals wie La Pampa oder Immergut (wobei das auch 10000 Leute hat, aber eben nicht diesen Kommerz-Charakter wie ich ihn bemängele). Es gibt ja auch mindestens ein großes Festival mit 60000 Besuchern, antikommerziell. Die Fusion lädt allerdings nicht umsonst zum „Ferienkommunismus“ ein.

  4. Nun, da hast Du leider die falschen Dinge kritisiert, aber den Nagel auf den Kopf getroffen. Diese Privatisierung der Allmende sehe ich als etwas Postgermanisches oder gar Poströmisches an. Mir hatte jemand erzählt, dass das Seerecht und das „common law“ von überm Kanal sich langsam durch die Welt und in unser Leben frisst. Das kann sein, jedoch sind es auch handfeste Entscheidungen des alltäglichen Lebens, wenn viele Leute plötzlich nicht mehr im Wald und Feld oder auf der Allmende der Stadt sondern in Freizeitzentren ihre Freizeit verbringen wollen. Zentren der Organisation waren schon immer Zentren der Macht. Wer Dezentralisierung fordert, fordert automatisch auch die Allmende zurück, die überall gilt und überall gleich durchgesetzt wird. Schön, dass sich das Thema langsam ausbreitet.

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