Wie aus der Spähaffäre so langsam eine Googleaffäre wird

Es ist wahrscheinlich der größte und dreisteste Spin diesen Jahrhunderts, der da gerade vor unseren Augen stattfindet. Vergleichbar nur mit dem Spin, der zum Irakkrieg führte. Zumindest in Deutschland. Zumindest, wenn er glückt. Und danach sieht es aus.

Der Untersuchungsausschuß zur Spähaffaire lädt nun also die Chefs der großen Internetkonzerne vor. Eric Schmidt, Mark Zuckerberg, etc. Sie sollen jetzt helfen die Machenschaffen der NSA aufzuklären. Aha.

Zur Erinnerung: es ist eben jener Untersuchungsausschuß, der sich weigert, Edward Snowden nach Deutschland einzuladen und zu befragen. Also derjenige, von dem wir all die Informationen haben, die wir haben. Stattdessen also jetzt Zuckerberg und Co.

Wer sich aber darüber wundert hat nicht aufgepasst. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat in der FAZ diese Linie bereits vorgegeben. In einem großen, programmatischen Debattenbeitrag lobt er die FAZ für ihre publizistischen Bemühungen der letzten Zeit und macht klar, dass sie seine politische Digital-Agenda entscheidend mitgeprägt hat. Der Artikel ist online überschrieben mit „Konsequenzen aus der Googledebatte“ und hält was er verspricht: eine Ankündigung jetzt endlich was zu tun. Gegen Google.

Ebenso laut wie die Kampfrhetorik gegen Google schreit uns das an, was im Artikel keine Erwähnung findet: Die NSA. Der GCHQ. Oder Gott bewahre: der BND.

Dieser Spin der Debatte – weg von der Verantwortung der Geheimdienste, hin zur Dämonisierung der Internetkonzerne – war von der FAZ lange vorbereitet worden. Kein Artikel über den Spähskandal, der nicht von der Totalüberwachung durch „Geheimdienste und Internetunternehmen“ sprach. Kein Artikel über die Snowdenleaks, der ohne einen Seitenhieb auf Google oder Facebook auskam. Monatelang wurde versucht zu suggerieren, dass die Verantwortung des Spähskandals zumindest mit bei den Bösen Datenkapitalisten liege. Ja, dass im Grunde genau dort das eigentliche Problem liege: bei datensammelnden Unternehmen.

Zuletzt dann die endgültige Konzentration der Kampagne auf Google, in dessen Höhepunkt Spingerchef Matthias Döpfner einen wirklich erhellend ehrlichen Artikel beisteuern durfte, in dem er klar macht, worum es wirklich geht: Die unliebsame Abhängigkeit von Google und die eigenen wegschwimmenden Werbeerlös-Felle. Das ist nicht neu, das Wehklagen kennen wir aus dem Leistungsschutzrecht. Und das ist genau die Richtung, in die der Hase läuft.

Wir erinnern uns. Mit einem Trommelfeuer aus Unaufrichtigkeit und Eigenpropaganda war es den Presseverlagen gelungen, gegen die ausdrückliche Meinung aller Experten ihr Leistungsschutzrecht durchzusetzen. Doch das Ergebnis lässt zu wünschen übrig: Es bringt vor allem Rechtsunsicherheit für alle, die im Internet publizieren, aber den Verlagen bislang keinen Cent. Warum auch? Nur weil die Verlage ihre Snipplets jetzt theoretisch bepreisen dürfen, müssen Google und Facebook den Deal ja noch lange nicht eingehen. Zur Not werden die Presseangebote eben ausgelistet.

Und eben das soll sich ändern, wie Marcel Weiß analysiert. Im Koalitionsvertrag ist es schon angedeutet: Suchmaschinen sollen gesetzlich dazu gezwungen werden, jeden Deal eingehen zu müssen, den die Verlage für ihre Snipplets vorgeben.

Das Kettenrasseln mit der eh völlig unrealistische Forderung von der „Zerschlagung Googles“, ist nur die Maximalforderung, die zum Endergebnis Indexierungszwangs runtergehandelt werden soll.

Puh. Ganz schön krasser Bogen, so von Spähaffäre bis Listungszwang, wa? Und da machen die Politiker mit?

Aber mit Vergnügen! Denen ist die ganze Spähaffäre und der zugehörige Untersuchungsausschuß dreierlei: Unangenehm, peinlich und gefährlich. Unangenehm: es ist eigentlich nichts passiert, was die Regierung nicht eigentlich gut heißen würde (wenn da nicht der öffentliche Druck da wäre), peinlich: es belastet die Beziehungen mit den USA und den tollen Partnerschaften vor allem auf Geheimdienstebene und gefährlich: die eigenen Machenschaften des BND und Co. könnten dabei ebenfalls ins Tageslicht kommen und an so manchem Stuhl rütteln. (Wozu sicher eh noch die ein oder andere Bombe in den Snowden-Dokumenten steckt.)

Die Politiker sind sehr dankbar für diesen Spin. Sie dürfen sich gegen das böse, böse Google profilieren, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Mitschuld an der Massenüberwachung überhaupt thematisiert wird und die Presseverlage bekommen ihre Gelddrucklizenz. Eine absolute Win-Win-Situation zwischen Politik und Presseverlagen.

NSA? GCHQ? BND? Nie gehört.

Sascha Lobo hat in seiner letzten Kolumne sehr richtig davor gewarnt, dass die wirren Verschwörunstheretiker der Montagsdemo-Loonies versuchen den Überwachungsskandal in ihr antiamerikanisches Narrativ zu zwängen. So sehr ich ihm dabei zustimme, fände ich es gut, wenn er seine Mitverantwortung in dem aktuellen, nicht viel weniger schlimmen und politisch viel erfolgreicheren Spin einmal kritisch hinterfragen würde. Er hat zwar in seinem re:publica Talk angekündigt, dass er sich von nun an raushalten will, wenn in den Medien über Google und Co. wieder Dünnsinn geschrieben wird. Aber andererseits ist Google gerade genau jener bunte Pudel, auf den sich auch die Politik stürzt, um den Tyrannosaurus Rex auf Speed umso lauter ignorieren zu können. Und seine beiden Artikel in der FAZ haben einen guten Teil zu diesem Spin beitragen.

Man muss an dieser Stelle vielleicht zugeben, dass der Spin sehr geschickt gewählt ist, denn er ist gerade in Deutschland sehr anschlussfähig. So anschlussfähig, dass selbst die halbe Netzgemeinde kaum bemerkt, wie ihr ihre eigenen Narrative in einer hegemonialen Reaktualisuerung aufgetischt werden, wie Kathrin Ganz treffend bemerkt.

Dass die FAZ seit Snowden ihre Kampagnen für SchlandNet, Internetregulierung und Leistungsschutzrecht derart offen vorantreiben kann und aus der Netzszene nicht nur kaum Widerspruch, sondern sogar teilweise Unterstützung kommt, ist das eigentlich traurige an dieser Angelegenheit. Es scheint, als seien uns alle Maßstäbe und jedes kritische Denken verloren gegangen. Snowden ist der elfte September der Netzgemeinde und wir sehen zu, wie uns Schirrmacher und Gabriel in den falschen Krieg schicken.

Am Ende wird die Überwachung bleiben, aber die konservativen Beharrungskräfte haben erfolgreich ihre Agenda durchgesetzt. Was bleibt, ist ein ausgeblichener Hahnenkamm.

Buchupdate II

Ich wollte schon viel, viel länger ein Update zum Buch schreiben, aber wie das so ist: erst kommt man ganz lange nicht dazu, dann wird das verzögert. Und dann ist man auf Reisen. Aber jetzt also:

Erstens: Das wichtigste zu erst: Ich habe letzte Woche einen Buchvertrag bei Orange Press unterschrieben (hier die Ankündigung). Das hat auch die Verzögerung verursacht. Nicht gerade leicht den ganzen Wust an Bedingungen, die ich aufgrund der Crouwdfunding-Versprechen ausgehandelt habe in einen richtigen Vertrag zu gießen. Aber am Ende ging aber alles gut. Alle meine Forderungen (und damit die Ansprüche der mich unterstützenden Community) sind jetzt unter Dach und Fach. (Es sei denn, ich hab was übersehen … was ich nicht hoffe.) Vielen Dank auch an meinen Agenten, Oliver Brauer, der in meinem Namen das alles verhandelt hat.

Es gab im Vorfeld eine Sondierungsphase mit einigen Verlagen, die Interesse bekundeten. Am Ende lagen 3 Angebote vor und ich habe mich für Orange Press entschieden. Einerseits komme ich mit der Verlegerin Undine Löhfelm super zurecht (sie hat ein tiefes Verständnis für die Dringlichkeit der Materie), andererseits mag ich das publizistische Umfeld und denke ich passe da gut rein. Das Angebot war auch gut, in Anbetracht all der Forderungen, die ich unterzubringen hatte (die freie Lizenz, keine E-Bookrechte, Kooperation mit iRights Media, die vielen Crowdfunder-Exemplare, englische Vorabveröffentlichung der Auskopplung bei networked notebooks, etc.).

Dafür konnte ich dann nicht den großen Vorschuss einkassieren, den ich bei Startnext zum Klicken angeboten habe (ich bekomme nun 1000 statt 5000 Euro), dafür hab ich für den Buchmarkt ganz gute Prozente (10% und ab 2000 Stück 15%) bekommen. Das Ebook wird iRights Media produzieren und vertreiben und stellt mit Valie Djordjevic auch ein sehr kompetentes Lektorat.

Ich bin jedenfalls zufrieden mit der aktuellen Situation, auch wenn sie recht komplex ist.

Zweitens: Technisches: Schlechte Nachrichten: Der Plan, das Buch in Git, mit Markdown und im Editor zu schreiben, wurde von der Realität leider zerschlagen. Vor allem in der Zusammenarbeit hat sich das als zu großes Hindernis erwiesen. Nicht nur, dass wir daran scheiterten, Git auf einem veralteten Mac OSX zu installieren, auch die Lernbarriere ist sehr hoch, wenn man aus der Office-Welt kommt. Zudem fehlen wirklich sinnvolle Dinge wie Kommentare im Text, die nach Nutzer gekennzeichnet sind, etc. Gut, wir hätten so Sperenzchen machen können, wie „jede Änderung ein kommentierter Commit“, aber das ist das auch sehr fummelig und kaum zumutbar.

Wir suchten also nach handhabbareren Lösungen und probierten drei, vier kollaborative Tools gemeinsam aus. Am Ende landeten wir dann aber doch bei Google Docs, denn es ist das einzige Tool, dass alle von uns definierten Must-Haves integriert: 1. Kollaborativ 2. Offline Editieren möglich. 3. Versionskontrolle. (Geht seit neustem via Plugins.)

Tja, so ist das: ich schreibe jetzt in Google Docs weiter. Hatte mir das auch anders vorgestellt, aber wird schon klappen.

Drittens: Organisatorisches: Da hab ich letztens was zu in einem Interview zu erzählt. Ich zitiere::

Die Umsetzung sieht so aus, dass ich mir von dem Crowdsourcinggeld jeden Monat 1000 Euro auf mein normales Konto überweise und davon lebe. Ich habe mich mit einem Schreibtisch in ein Büro in Neukölln eingemietet. Hier sitze ich so gut wie jeden Tag (auch am Wochenende) und arbeite an dem Buch. Ich hatte zwar noch einigen Investitionsstau, der aufgelöst werden musste (und ein paar Posten habe ich noch) aber im Großen und Ganzen verwende ich das Geld ausschließlich für Lebenshaltungskosten. Die konkreten Zusatzkosten für die Produktion des Buches, die Freiexemplare, die Kosten für die Releaseparty, die Produktion des Hörbuchs und der englischen Vorabveröffentlichung, sowie ein bisschen was für die Steuer muss ich allerdings zurückbehalten. Ich kann noch nicht genau sagen, wie groß diese Summe sein wird, deswegen versuche ich vorsichtig zu sein mit dem Geldausgeben.

Viertens: Fortschritt: Ich bin aus vielen Gründen die letzten Wochen nicht zum Schreiben gekommen. Erst war ich eine Woche Krank, dann war re:publica und letzte Woche hatte ich einen Vortrag und Blockseminar an der Uni Köln (Jaja, ich bin jetzt Dozent!). Ich hoffe, dass ich trotz allem wie geplant bis Ende Juli fertig werde.

Ich habe jetzt etwa ein drittel des Buches. Zwei Kapitel komplett, ein drittes zur Hälfte. Das ich diesen Stand „ein Drittel“ nenne, liegt zum einen daran, dass ich gemeinsam mit Verlegerin und Lektorin die Kapitelstruktur stark überarbeitet habe. Es ist jetzt alles etwas straffer und stringenter und ich glaube dennoch, dass ich mein ganzes Themenspektrum unter bekomme. (Es ist dann doch mehr, als ich dachte.) Zum anderen werden die ersten Kapitel um einiges länger, als ich geplant hatte (Ich bin schon bei über 100.000 Zeichen!!).

Hier die aktualisierte Kapitelstruktur:

Teil I: Kontrollverlust

Die drei Treiber des Kontrollverlusts

  • Was ist der Kontrollverlust?
  • Es gibt kein analoges Leben im Digitalen
  • Streisand und ihre Schwestern
  • Die Krankenakte des Tutenchammun

Das Ende der Ordnung

  • Aufschreibesystem U
  • Digital und Signal Rauschen
  • Die Emanzipation der Query
  • Queryology

Die Krise der Institutionen

  • Disruptionen
  • Kontrollrevolution
  • Weltkontrollverlust

Aufstieg der Plattformen

  • Query und Plattform
  • Die Ökonomie und Ökologie der Plattform
  • Eigentum, Sex, Cloud
  • Regulierung und Schließung

Teil II. Das Neue Spiel

10 Regeln im neuen Spiel

  • Man kann das Spiel nicht gegen den Kontrollverlust spielen.
  • Macht hat, wer die Plattform kontrolliert
  • Wissen ist, die richtige Frage zu stellen.

Was tun als …?

  • Politik?
  • Staat?
  • Gesundheitssystem
  • Wirtschaft?
  • politischer Aktivist?
  • Privatmensch?

Nach dem Kontrollverlust

  • Geht der Kontrollverlust vorbei?
  • Digitaler Feudalismus
  • Ein Tag im Jahr 2025
  • Gesellschaftliche Singularität

Man sieht, es ist um einiges straffer und fokussierter geworden, besondern im zweiten Teil. Ich denke trotzdem nicht, dass ich inhaltliche Abstriche machen muss. Alle geplanten Inhalte haben voraussichtlich ihren Platz gefunden. Das meiste davon wird sich im Kapitel über die 10 Regeln im neuen Spiel konzentrieren. (Welche Regeln das sind, wird noch nicht verraten.) Es kann aber auch sein, dass sich da noch einiges ändert.

Fazit: Es ist also alles recht knapp aber noch im grünen Bereich. Bis auf die Tatsache, dass ich vermutlich keinen Sommer haben werde. Juni und Juli werden die entscheidenden Monate und ich werde mich tief eingraben müssen. Und das bei dem geilen Wetter. Urgs.

Irakkrieg – der Film

Endlich ist es soweit, die Ereignisse rund um den letzten Irak-Krieg werden verfilmt. Beachtlich ist vor allem das Staraufgebot in den Hauptrollen.

Wir haben da Frank Schirrmacher in der Rolle des George W. Bush. Er ist seit vielen Jahren verfeindet mit dem Schurken aller Schurkenstaaten Saddam Hussein (gespielt von Eric Schmidt). George W. Bush setzt alles daran, Hussein als menschenschlachtendes Monster darzustellen und einen Krieg gegen ihn zu provozieren.

Unterstützt wird er dabei von Dick Cheney (gespielt von Mathias Döpfner). Zusammen schmieden sie Pläne, wie sie den verhassten Diktator endlich loswerden und ganz nebenbei an das viele Öl (gespielt von Werbeeinnahmen) in seinem Land (Google) rankommen. Bisherige Versuche (Leistungsschutzrecht) waren nur so mittelerfolgreich. Am liebsten würden sie einfach einmarschieren. Aber ihnen fehlt der Grund.

Dann die „glückliche“ (ähh) Fügung. Die Al Qaida (gespielt von der NSA und dem GCHQ) crasht mit zwei Flugzeugen in das World Trade Center (das Internet in seiner Paraderolle). Die Welt ist geschockt. Und getroffen.

Es braucht ein wenig Zeit, bis Bush und Cheney ihre Chance begreifen. Doch dann geht es los. Wochenlange Kampagne in der FAZ … äh, in den amerikanischen Massenmedien, die die Anschläge mit waffenrasselnden Worten verurteilt und dabei immer wieder versucht, eine Mitverantwortung von Hussein herbei zu konstruieren, ja, sogar ihn als den eigentlichen Urheber der Anschläge zu darzustellen.

Doch Bush und Cheney treffen international auf Skepsis, haben sie doch keinerlei Beweise für ihre Behauptungen. Sie laden zwar Exiliraker als Zeugen vor (hauptsächlich gespielt von Evgeny Morozov), die alle in ihrem Sinne aussagen (getötete Kinder aus Brutkästen, etc.), aber die Skepsis bleibt: Keine Beweise. Mist! Zwar haben sie die amerikanische Bevölkerung in der Hand, die tief getroffen dadurch, dass sie in ihrem Homeland (Internet) angegriffen wurde, noch völlig traumatisiert ist. In ihrem Schmerz („tiefe Kränkung!“) hat sie jeden Sinn für Rationalität und kritischem Denken – ja sogar ihre Ideale verloren (etwas overactet von Sascha Lobo).

Doch nun haben sie einen neuen Verbündeten gefunden, der ebenfalls Hussein nicht so leiden kann, vor allem aber vom Glanz des Bush und Cheney abhängig ist: Tony Blair (gespielt von Sigmar Gabriel), der Premierminister des vereinigten Königreichs (SPD). Er hat sich nun also bereit erklärt, zusammen mit den beiden Buddys in den Krieg zu ziehen.

Das Propagandasperrfeuer zielt natürlich auf den UN-Sicherheitsrat (gespielt von der EU-Wettbewerbskommission). Es ist sehr fraglich, ob sie der Behauptung über die versteckten Massenvernichtungswaffen folgen wird: (Google nutze seine marktbeherrschende Stellung aus). Die Suche läuft auf Hochtouren. Und ziemlich sicher ist ebenfalls, dass der Krieg nicht im Sinne der Kriegstreiber ausgehen wird, sondern die Welt nur schlechter machen wird. Und vor allem dümmer.

Einzige Kritik: Schirrmacher und Döpfner wirken doch etwas mickrig in ihrer Rolle als Supermacht. Man nimmt ihnen irgendwie nicht ab, dass sie auch ohne UN-Mandat in den Irak einmarschieren könnten. Aber da das ganze als Komödie angelegt ist, kann man das auch als ironischen Seitenhieb verstehen.

re:publica 2014 – Deutschland sucht das Supernarrativ

Hach, was war das wieder schön. Endlich habe ich x und y wiedergetroffen und mal z kennengerlernt. Das klärende Gespräch mit m war wichtig und dann dieser heiße Flirt mit p! Wow!

Aber ihr interessiert euch sicher mehr für die Inhalte. Die waren nämlich ebenfalls toll. Ein großes Lob an das Contentteam! Und hier meine Auswahl der besten Talks:

HALT! Nein! Zuerst schamlose Eigenwerbung. Mein re:publica-Talk über dezentrale Social Networks:

Ich habe mich extra aus dem ganzen Überwachungsdiskurs rausgehalten und mal etwas mehr Hands-On gemacht. Dennoch war Überwachung natürlich das Thema der re:publica.


Ich habe übrigens parallel zu Sascha Lobo gesprochen (es war trotzdem auch voll bei mir). Den Talk habt ihr sicher alle gesehen. Wenn nicht, würde ich damit zu beginnen, weil viele den Talk referenzieren:

Sascha ruft uns auf, Geld zu spenden, uns weiter aufzuregen und Politiker zu beschimpfen, bis … naja, irgendwas passiert. Außerdem sollen wir alle Diskurse dem Kampf gegen die Internetüberwachung unterordnen. Nicht so meine Meinung, aber das wisst ihr ja.


Erst nachgesehen habe ich den Talk von Friedemann Karig, ebenfalls zu Überwachung. Im Gegensatz zu Sascha sucht er nicht nach neuen Schimpfworten, sondern nach neuen Narrativen:

Friedemann ist sehr unterhaltsam (eine echte Entdeckung) und ich finde, er hat viele gute Punkte. Ich kann nicht allen zustimmen, aber er bricht mit vielen ausgelutschten Narrativen der Antiüberwachung und schafft es, die sinnvollen und guten Argumente stark darzustellen. (Auch wenn ich nicht glaube, dass der Impotenzvergleich wirklich jemanden aufrüttelt.)


Ebenfalls neue Narrative suchen Jillian York und Jacob Applebaum. Allerdings für Internetsicherheit. Ihre Referenz ist Saversex.

So wie man eben extra Aufwand für sicheren Geschlechtsverkehr auf sich nimmt, sollte man das doch auch bei Verschlüsselung tun. Dass sie allerdings die Überwachungssituation mit der Aids-Epidemie gleichsetzen finde ich etwas unpassend. Wenn nicht geschmacklos.


Ebenso unpassend ist der Vergleich mit der rassistischen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung im Amerika der 60er Jahre, den Felix Schwenzel bemüht. Auch er greift nach neuen Narrativen und wie Friedemann schafft er es dabei sehr gut, alte und unpassende zu dekonstruieren.

Der Talk ist bis auf den Bürgerrechtsbewegungsvergleich wirklich sehenswert und in vielen Punkten ein echter Kontrapunkt zu Saschas Rede an die Nation. Wirklich gute Narrative findet er aber auch nicht.

(Ich glaube ja nicht, dass das Problem ist, dass uns die Narrative fehlen. Ich glaube eher, dass unser Überwachungsbegriff kaputt ist und wir den erstmal differenzieren müssen.)


Nach all der verzweifelten Narrativgreiferei schafft es Teresa Bücker uns ein Stück weit wieder auf den Boden zu ziehen.

Sie spricht auch von Internetfreiheit, auch ihr geht es um das Wohl von AktivistInnen. Im Netz werden nämlich Menschen wirklich zugrunde gerichtet, täglich und auf grausame Weise. Aber nicht von der NSA, sondern von organisierten Masku- und Nazi-Horden. Hinzu kommt der schwierige Umgang der Mitglieder von sozialen Bewegungen untereinander.

(Ähnliche Stoßrichtung und richtig gut zur Einordnung der Diskurse der „Netzgemeinde“ hat Yasmina Banaszczuk gesprochen. Leider gibt es kein Video, weil sie im kleinen Saal war. Aber hier gibt es einen Audiomitschnitt.)


Apropos AktivistInnen. Wirklich unterhaltsam war natürlich die Keynote der Yesmen.

Nachdem man sich darüber kaputt gelacht hat, wie sie es schafften, eine Homeland-Security-Konferenz zum schamanischen Tanz zu bringen, erfährt man in der Fragerunde vieles aus dem Nähkästchen des Medienaktivismus. Auch sie scheinen größere Probleme zu haben, als die Überwachung. „Tor, och joa, kann man machen“ und „PGP haben wir wieder abgeschafft“. Habe sehr gelacht.


In die Rhetorik/Pathos-Tröte pustet Viktor Meyer-Schönberger bei seinem Vortrag über Big Data.

Er kennt sich in der tat aus und identifiziert die wichtigsten Neurungen der Technologie (ich habe auch sein Buch gelesen). Im Zweiten Teil warnt er vor den Gefahren von Big Data und auch hier bin ich gewillt ihm größten Teils zuzustimmen. Allerdings bleibt er bei den Lösungen eher unkonkret. Sein schon vor vielen Jahren – ich finde dummes und gefährliches – Recht auf Vergessen wird wiederbelebt. Außerdem ruft er nach mehr Datenschutz. In einer solchen Pauschalität halte ich das für ungenügend, aber das könnt ihr Euch ja denken.


Eva Horn hat einen Vortrag gehalten, der gewissermaßen relevant to my interests ist. Entlieben in Zeiten des Internets ist schwer, keine Frage:

Ein Vortrag, bei dem sich viele wiedergefunden haben und der Anlass gibt, sich kritisch mit seinem eigenen Umgang mit solchen Themen im Netz auseinander zu setzen. Eine gute Gelegenheit auch die Reibungspunkte von Post-Privacy mit der real existierenden Gesellschaft zu beobachten.


Holm Friebe kennt man noch von „Wir nennen es Arbeit“. Sein neues Buch hat den lustigen Titel: Die Steinstratgie.

Einfach mal locker bleiben. Einfach mal nichts tun. Nicht immer in Aktionismus verfallen, sondern in Ruhe nachdenken und wenn Handeln, dann überlegt und richtig. Ich finde, das sollte das Fazit der re:publica dieses Jahr sein. Und deswegen lass ich das jetzt mal als Schlusspunkt, obwohl ich viele großartige Vorträge hier auslasse.