Aha, liebe Parteien,

neulich las ich, Ihr führt jetzt also einen Online-Wahlkampf. Soso, interessant. Darf ich Euch da mal kurz was erklären? Ja? Danke.

Das geht doch gar nicht.

Weil: wir sind das Netz. Ich mein, Ihr könnt ja gerne Eure Websites als verlängerte Plakatwand mit „Botschaften“ zupflastern. Ihr könnt auch gern auf Twitter oder Facebook rumhampeln, um zu zeigen, wie „down“ Ihr mit uns seid. Aber, das nennt ihr dann schon einen Online-Wahlkampf? Nicht Euer Ernst, oder?

Ihr fragt mich… was? Was ein Online-Wahlkampf denn ist? Ihr wisst das gar nicht? Ich mein, dabei findet doch gerade einer direkt vor Euren Augen statt. Wir sind doch gerade dabei und machen einen. Gegen Euch!

Wir machen gerade einen Haufen kreativer Aktionen, dezentral, unkoordiert aber effektiv. Jeder ist aufgerufen, viele machen mit. Die Leute schreiben Blogeinträge, sie Twittern Links zu Informationen, sie schreiben an Abgeordnete, sie starten Petitionen und Umfragen, ja, sie rufen sogar Eltern und Bekannte an. Sie machen Häuserwahlkampf! Organisiert über das Internet. Ja, so wie bei Obama. Ja, ganz genau, so wie ihr das gerne für Euch hättet.

Nein. Online-Wahlkampf, das könnt ihr nicht. Das können nur wir, wenn uns ein Thema wichtig ist.

Wenn Ihr – ich sage mal so – den Hauch eine Chance für einen solchen Online-Wahlkampf haben wollt, dann solltet ihr eines erstmal begreifen: Jeder Online-Wahlkampf fängt damit an, dass man uns in Boot holt. Und macht Euch da keine Illusionen: Das geht nicht durch Twitterrumgeschleime und Facebookgruppengründen. Das geht nur durch Inhalte! Das ist ein klarer und knallharter Deal. Wer sich voll uns ganz auf unsere Seite schlägt, wer bereit ist, glaubwürdig für die digitale Freiheit zu kämpfen, wer Netzneutralität und Datenschutz auf die Agenda setzt, der hat jedenfalls die Chance uns für sich zu begeistern, der kann vielleicht mit unserer Unterstützung rechnen.

Wer aber die Vorratsdatenspeicherung durchsetzt und eine Zensurinfrastruktur im Internet aufzieht, für den werden wir nicht nur nichts tun. Den werden wir nicht nur nicht wählen. Nein, der wird unser Feind sein. (Nein, nicht „Gegner“, wie unter Euren fraktionierten Kuschelgruppen im Parlament, ich meine das so wie ich es sage: „Feind“!) Und zwar für unabsehbare Zeit. Gegen den wird sich die volle Wut entladen. Die Lawine wird gegen ihn rollen, der wird keinen Fuß in die Tür bekommen, im Netz, weil Tausende sofort draufsteigen werden. Der wird sich noch im Wahlkampf 2013 für sein Verhalten rechtfertigen müssen und Parteien werden einen Jahrzehntelangen Imageschaden davontragen.

Die Anti-Internetpartei von heute, ist die Anti-Gesellschaftspartei von morgen!
Glaubt ihr nicht? SPD und CDU probieren es gerade aus. Warten wir’s ab.

Favottercharts vom 31.05.09

Die aktuellen Favottercharts haben die eine oder andere Überraschung parat. So hat es vor allen @stijlroyal den Followerkönig @saschalobo von Platz 4 vertrieben. Außerdem hat @HappySchnitzel weiterhin eine atemberaubende Perfomance abgeliefert indem sie ihre Favs beinahe verdoppelt hat (!!!) und ist jetzt sehr verdienter Maßen unter den Top10. Aber auch im Mittelfeld haben sich wieder einige Plätze bewegt. Schön auch, dass es der großartige @hermsfarm endlich in die Charts geschafft hat.

  1. frank93 1515
  2. mspro 1430
  3. trottelbot 1243
  4. stijlroyal 974
  5. saschalobo 934
  6. HappySchnitzel 919
  7. 343max 817
  8. sixtus 774
  9. kathrinpassig 693
  10. kcpr 620
  11. Sillium 619
  12. booldog 575
  13. klauseck 557
  14. kosmar 554
  15. fragmente 519
  16. PickiHH 478
  17. vergraemer 475
  18. plomlompom 446
  19. tristessedeluxe 423
  20. moeffju 419
  21. blogwart 417
  22. mathiasrichel 416
  23. kumullus 414
  24. denQuer 402
  25. ghostdog19 397
  26. Nico 388
  27. furukama 388
  28. bjoerngrau 367
  29. Zufall 362
  30. hermsfarm 342
  31. zebramaedchen 331
  32. wondergirl 330
  33. DonDahlmann 329
  34. gebenedeite 327
  35. stburnster 304
  36. spreeblick 301
  37. netzpolitik 300
  38. textundblog 296
  39. Ibo 291
  40. sebaso 290
  41. holadiho 271
  42. svensonsan 245
  43. hoch21 233
  44. ankegroener 233
  45. isabo_ 231
  46. bosch 230
  47. riot36 221
  48. tknuewer 220
  49. AF_Blog 220
  50. cemb 217

Berlin und das Glück

In Berlin habe ich das Gefühl, das zu finden, was ich nicht suche. Nicht suchen kann, weil ich nicht weiß, was es ist.“ Gar nicht lange ist es her, als es mich mit dieser Überlegung nach Berlin verschlug. Die magische Anziehungskraft ist mir nicht neu. Jahre lang trug ich daran, doch lies der Schritt eben sehr lange auf sich warten. Und ich gebe gerne zu, dass ich zwischenzeitlich in Hamburg durchaus eine Alternative erblickte. Berlin ist die größte Stadt Deutschlands, Hamburg die zweitgrößte. Das muss doch reichen.

Aber all die Augenwischerei half nichts. Berlin ist nun mal Berlin und es ist egal, wie groß es ist. Berlin ist vor allem anders. Das spürte ich. Und ich muss sagen, die Stadt hat mich vom ersten Tag an mit Haut und Haaren gefressen. Nicht mal ganz am Ende habe ich mich in Hamburg so wohl gefühlt, wie in Berlin von Anfang an.

Und das hat beides miteinander zu tun. Mein pathetisches Bekenntnis dort oben und mein Wohlsein hier. Denn natürlich ist es so, dass ich nicht der einzige bin, der aus der selben Sehnsucht hier ist. Nein, im Gegenteil. Die glauben hier alle daran. All die Zugezogenen (also quasi alle) glauben hier endlich, irgendwann genau das zu finden, wonach sie nicht wissen, was das ist, aber ihr Glück sein wird. Es eint uns alle. Und zwar nicht eben nur die Studenten, die Mittzwanziger, und die Dreißiger wie ich. Ich hab schon Mittvierziger und Anfang Fünfziger getroffen, die den selben Traum hegen. Seit 30 Jahren! 30 Jahre auf der Suche! Sowas gibt’s nur in Berlin.

Mittlerweile glaube ich daran nicht mehr. Ich glaube, es ist viel einfacher, viel banaler. In Berlin gibt es ganz genau so viel und so wenig zu „finden“, wie an allen anderen Orten auch. Das was man gerne „finden“ möchte ist nämlich in Wirklichkeit der Platz. Der Platz in der Gesellschaft. Der Ort an dem man sich einrichtet. Die Idee vom gefunden Glück. Es ist also ganz profan: Job, Wohnung, Partner, Familie.

Das große Vorurteil besteht aber darin, dass man diese Dinge nicht „findet“. Diese Dinge laufen einem nicht über den Weg. Man entdeckt sie nicht in einer Nische hinter der Treppe. Goldglänzend wie die Sehnsucht selbst. Nicht in Berlin und auch sonst nirgends. Im Gegenteil. Diese Dinge kommen zu Stande, indem man Kompromisse eingeht. Und das Absurde ist, dass man an allen Orten der Welt irgendwann in diese Kompromisse gedrängt wird. Ganz automatisch. Da gibt es den finanziellen Druck und sozialen Druck. Und eh man sich versieht, findet man sich wieder, mit kleinen Haus, einem okayen Job und nem netten, möglichst verlässlichen Partner. Und Kinder, klar.

Und dann gibt es Berlin. Wo all die Freaks rumlaufen, alle auf der Suche. Nein. Die sind nicht auf der Suche. Das bilden sie sich nur ein. Sie sind in Wirklichkeit auf der Flucht. Auf der Flucht vor den Kompromissen und dem Leben wie auf Schienen. Auf der Flucht vor Fremdbestimmung und Festlegung, vor Verantwortung und den eigenen Grenzen. Aber um das zu verdrängen, glauben sie krampfhaft daran, dass sie das „Glück“ hier „finden“ werden. Das Leben als ewiger Aufschub von Glück (aber in Wirklichkeit: Kompromiss).

Der Witz ist jetzt, dass Berlin eine self fulfilling prophecy ist. Natürlich ist es tatsächlich die ideale Stadt, um nach dem zu suchen, von dem man noch nicht weiß, was es ist. Aber nicht, weil man es hier findet. Sondern weil es hier okay ist. Weil das hier jeder so macht und es als allgemein akzeptierter Lebensstil gilt. Weil es deswegen kaum einen sozialen Druck gibt, der Dir vorschreiben will: such Dir einen Job, heirate eine Frau, bekomme Kinder! Geh Kompromisse ein!

Ob man damit weniger oder mehr zufrieden ist, als mit dem üblichen Kompromiss, muss jeder selber entscheiden. Aber Glück findet man hier nicht. Dafür Freiheit, mehr als irgendwo sonst. Wie gesagt: ich fühl mich hier sauwohl.

Politik. Jetzt neu: mit uns!

Mit der Politik ist das ja so eine Sache. Wer mich länger kennt und liest, weiß, dass ich durchaus ein politisch denkender Mensch bin. Und dennoch wäre der Gedanke, mich in Parteien, oder auch nur irgendwelchen Organisationen zu engagieren für mich so dermaßen undenkbar, dass ich mich eher noch geschlechtsumwandeln lassen würde. Einfach so.

Natürlich gibt es auch bei mir das Bedürfnis zu gestalten und in den politischen Prozess eingreifen zu wollen (oftmals gerne mit der Faust, wenn das irgendwie ginge), welches sich aber wie bei den meisten dann in eine resignierte Ohnmacht verwandelt. Natürlich ist das eine schlimme Die-da-oben-Haltung, aber was soll man machen, wenn man sich in der Politik eben nicht nur nicht repräsentiert fühlt, sondern gegen die Repräsentation an sich ist? Und wenn man die Nachrichten seines Spam-Mailordners erstmal für eine glaubwürdigere Quelle als Politikerversprechen hält?

Aber ich will nicht schon wieder rummeckern. Ich will viel mehr von der Gemengenlage meiner Politikerwartung berichten, mit der ich in den Mittwoch, den 27. Mai startete. Da nämlich war die Anhörung zum Gesetz der Kinderpornographie-Sperren, und ich war zugegen. Es war eine Frage-Antwort-Session, in der Experten, die allesamt aussahen, als hätten sie schon etliche Bücher über dieses Internet gelesen, auf die Fragen der Politiker aller Fraktionen antworten sollten. Sehr schön und mit allerlei zusätzlichen Infos hat das Tristessedeluxe beschrieben.

Im Grunde aber war nichts weiter überraschendes dabei. Die Opposition war dagegen, das war vorher klar. Die Linke überraschte etwas, indem sie direkt Netzquellen für ihre kritischen Fragen referenzierte. Zum Beispiel Netzpolitik.org. Die Union war natürlich offenbar für die Sperren aber dann doch ungewöhnlich vorsichtig in ihren Formulierungen. Das lies tief blicken, wie auch das Dekoltee der Frau vom Wirtschaftsminister Guttemberg, die im Vorbeigehen kurzzeitig meine und JerikoOnes Aufmerksamkeit… ach.

Die SPD jedenfalls wand sich. Sie stellte teils kritische Fragen, fasste aber andererseits die Meinungen der Experten in merkwürdigen Statements zusammen. Unter anderem, dass wohl keiner prinzipielle Bedenken gegen die Netzsperren habe, was aus der Anhörung nun wirklich nicht hervorging. Jedenfalls wurden aber auch hier Bedenken geäußert und man merkte deutlich – wie bereits in der Berichterstattung davor – dass die SPD zu wackeln beginnt.

Insgesamt kann man sehr zufrieden sein. Die Experten waren immerhin fit genug, so ziemlich alle Grundrechtsbedenken und technischen Mängel, sowie alle anderen Argumente mehr oder weniger geschliffen auf den Tisch zu legen. Der CDU und der SPD wird es in Zukunft unmöglich sein, die Argumente der Gegner einfach abzutun.

Und man muss ja zugestehen, dass die bloße Einberufung dieser Anhörung schon ein Triumph ist. Ohne die Onlinepetition und all die anderen Protestbekundungen und Aktionen, hätte es diese Anhörung nicht gegeben. Ich jedenfalls war zufrieden, obwohl ich danach in das eine oder andere enttäuschte Gesicht sah. Man muss sich aber doch die Ausgangslage anschauen. Da gab es recht geschlossene CDU und SPD Fraktionen für das Gesetz und drei Oppositionsparteien, die mit ihren Köpfen hin und her nickten und irgend was mit „Ja, aber…“ stammelten. Nun haben wir die gesamte Opposition wie von Geisterhand im Sack und die SPD fängt das wackeln an. Man hätte unmöglich mehr erwarten können.

Und diese strategische Ausgangslage ist natürlich bestens. Vor allem, als ich nach der Sitzung erfuhr, dass die SPD direkt im Anschluss einige der prominenteren Zaungäste der Anhörung (Franziska Heine, Johnny Haeusler, etc.) für ein informelles Gespräch in die Friedrich Ebert Stiftung geladen hatte. Da ich also eh in der Nähe war, ging ich da uneingeladener Weise einfach mal mit.

Uns erwartete der eben noch in der Anhörung für die SPD sprechende MdB Dörmann, der auch der zuständige Berichterstatter für die Fraktion zu dem Thema ist. Dazu Kajo Wasserhövel, der SPD-Oberwahlkämfer und ein paar mir unbekannte Nasen. Weil uns sogleich aufgetragen wurde, keine Informationen nach draußen zu tragen, kann ich hier keine Statements zitieren. Aber ich denke, es geht in Ordnung im allgemeinen zu berichten.

Ich empfand die anwesenden Politiker als durchaus aufgeschlossen. Sehr geduldig wurde allen Anwesenden Raum für ihre Kritik gegeben und so wurden die Argumente schonungsloser und ungefilterter als bei der Anhörung ausgetauscht.

Unsere „Fraktion“ der Sperrgegner wartete mit der ganzen Bandbreite auf. Schmeichelndes auf-die-Politik-Zugehen, vom netten Zensurgegner von neben an, Johnny. Unnachgiebig hart aber sachlich argumentierende CCC-Leute. Ein eloquent und geschickt agierender Heisejournalist. Dazu der eine oder andere emotionale Wutausbruch bei wenigen. Ich empfand aber auch das als produktiv, weil ich meine, dass die SPDler doch auch ein Anrecht darauf haben, ein Gefühl dafür vermittelt zu bekommen, wie emotional und heftig die Reaktionen im Netz tatsächlich sind. Tim Pritlove fasste das gut zusammen, indem er die SPD warnte, er habe die Netzgemeinde noch nie derart wütend erlebt und dass sie die 100.000 Netzmenschen nicht zum Feind haben wolle. Nicht im Wahlkampf. Vor allem nicht im Onlinewahlkampf.

Natürlich wurde man sich nicht einig. Das war auch in keinem Fall zu erwarten. Aber es wurde offen Diskutiert. Es fand ein erster Dialog auf Augenhöhe statt. Auch wurden seitens der SPD konkrete Anregungen aufgenommen. Es wurden anscheinend auch einige Argumente zum ersten Mal gehört. Die Befürchtungen, die wir alle haben, wurden hoffentlich schonungslos klar.

Ich wusste am Ende zwar nicht was, aber irgendetwas hatten wir da bewegt.

Und jetzt kann man bestaunen, was. Die Änderungswünsche der SPD-Fraktion am vorliegenden Gesetz sind zwar keine komplette Rücknahme und sie genügen auch meinen Wünschen nicht, aber sie sind immerhin so tiefgreifend, dass das Gesetz in Gänze neu geschrieben werden muss. Das wiederum macht es sehr unwahrscheinlich, dass Frau von der Leyen das Gesetz noch vor der Wahl durch die Instanzen bekommt. Was es wiederum unwahrscheinlich macht, dass sie es überhaupt versuchen wird. Und nach der Wahl? Ach, warum soll man da ein geplantes Wahlkampfthema noch mal durchboxen wollen?

Ich bin jetzt jedenfalls zuversichtlich. Mehr als vorher.

Stoppschilddenken

Ich weiß! Komischerweise habe ich relativ wenig geschrieben in den letzten Wochen. Und das ausgerechnet in diesen Zeiten! Schlimm.

Zunächst einmal muss ich sagen, dass es mich tief berührt hat, was passiert ist. 50.000 Leute in vier Tagen? Es ist, als habe sich das Internet persönlich vom Sofa erhoben – die vielen Chipssplitter fallen vom Pulli wie die Eisstücke einer startenden Mondrakete, dazu spielt „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss – und mit voller Wucht die Faust auf den Couchtisch gehauen. Diversen Berichten zufolge steckt der Schock noch tief bei den Politikern.

Natürlich freut mich das. Vermutlich ist diese Zeit historisch. Der Boden ist fruchtbar für mehr. Viel mehr! Die Welt wird nie wieder die selbe … Lassen wir das.

Etwas anderes, was mir seit dem Politcamp nicht mehr aus dem Kopf geht. Eine Sache, die vielleicht den ein oder anderen Freiheitskämpfer unter Euch erschrecken dürfte.

Aber fangen wir nicht bei Euch an. Nein. Fangen wir lieber bei denen an. Den anderen. Die, die Ennomane gerne mit ausgefeilten Lobbykampagnen für das Internet und unsere Belange sensibilisieren will. Die, deren Meinung grade hin und hergezerrt wird. Die aber im Endeffekt unreflektiert dort ihr Kreuzchen machen, wo irgendwas „gegen Kinderpornos“ und so. Denen mögliche Kollateralschäden in Sachen Netzfreiheit – vielleicht ja wirklich unbekannt – aber wahrscheinlich tatsächlich vollkommen egal sind. Die also im Grunde ja tatsächlich auf so eine altmodisch, demokratisch, repräsentative Art durch die Politiker im Bundestag abgebildet werden.

Es scheint fast so, als gäbe es eine gewisse Akzeptanz für Zensurgedankenspiele in unserer Gesellschaft. Es gibt ein tiefsitzendes, gesamtgesellschaftliches Einverständnis, dass einfach nicht sein darf, was nicht sein darf. Und dass, wenn es schon ist, bitte doch hinter möglichst großen Stoppschildern versteckt gehört.

Und nun zu Euch, meine lieben Brüder und Schwestern im Kampfe gegen die Netzzensur. Ihr wart ja teils zugegen, als das Politcamp seinem Höhepunkt zustrebte. Als nämlich die Elefantenrunde des Onlinecampanig aller Parteien auf dem Podium seine Gemeinplätze über die Wichtigkeit des Internets ausdünstete. Heimlicher Stargast der Runde: Kajo Wasserhövel.

Als er auf das Thema „Facebook“ kommt, erhebt sich seine Stimme und seine Haltung wird pathetisch: Die SPD sei ja nicht mehr bei Facebook präsent. Aus Protest, weil dort auch Nazis für sich werben. Sie hätten stattdessen eine Kampagne dort gestartet: Nazis raus aus Facebook!

Und dann das erstaunliche: der ganze Saal klatscht.

Natürlich bin ich gegen Nazis. So natürlich, wie ich gegen Kinderpornografie bin. Aber es ist ein und die selbe spießbürgerliche Piefigkeit den Ausschluss von Nazis aus Facebook zu fordern, wie Stoppschilder vor Kinderpornowebsites zu setzen. Das eine wie das andere löst kein Problem. Es verweigert sich lediglich seine Repräsentanz in der Öffentlichkeit anzuerkennen. Es will sich und den anderen die Augen so fest wie möglich verschließen, in der Hoffnung, das Böse möge dann weichen. Und: es setzt seine Ängste vor dem Verdammenswerten vor der freien Entfaltung von Meinung und Information.

Der klatschende Saal ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und der ein oder andere, der sich derzeit wegen #Zensursula auf die Brust schlägt, sollte sich fragen, was seine Grenze ist. Wo er seine Stoppschilder installiert haben möchte. Nur mal so.

Ihh, Politiker! – Nachbetrachtung der #pc09

Während ich hier im ICE nach Hamburg sitze und mich langweile (die scheiß Bahnstrecke ist immer noch nicht fertig und die Fahrt ist immer noch um die 3 Stunden lang, dafür gibt es Kaffee und ein Butter… ach egal), dachte ich bei mir, ich könne ja mal das Politcamp resümieren. Denn wer weiß, ob ich nach der Next09 nicht wieder viel zu zugeschissen bin, mit anderen Eindrücken, Gesprächen etc.

Und natürlich ist es mir ein Bedürfnis, über das Politcamp zu reden, denn es hat mich tatsächlich selten eine Veranstaltung so im Griff gehabt. Nie habe derart konsequent Pannels besucht und Sessions gehalten. Dass ich durchgängig in Sessionräumen sitze, zuhöre, rede und diskutiere, kommt eigentlich nie vor. Ganz besonders nicht, bei so einem Wetter. Dazu die vielen und langen inspirierenden Gespräche, die Streits nach den Pannels bei Bier in der Abendsonne und natürlich die Begegnung mit der dritten Art: dem Politiker. Das alles hat mich doch sehr verspult und es dauert wohl noch etwas, bis ich das alles irgendwie eingeordnet habe.

Deswegen hier erstmal nur ein paar lose Gedanken:

Das Politcamp war das notwendigste und dringendste aller möglichen Barcamps. Die Zeit hat förmlich danach geschrien. *Anerkenndes Nicken in Richtung der Organisatoren*

Leider haben das nicht all zu viele Politiker auch so gesehen. Zeitweise empfand ich doch ein wenig Entsetzen, dass die Politik sich insgesamt doch so wenig interessierte. Klar, es waren einige Politiker da. Man konnte das lebende Objekt durchaus bestaunen (Man hat sie tatsächlich auch alle als Politiker erkannt. Nicht nur in Abgrenzung zu den Nerds. Nein, es scheint einen internen Politikerklamotten- und Frisurencode zu geben), aber ich hätte erwartet, dass die Parteien angesichts des aktuell agandabefindlichen Themenpottpuries (Datenschutz, Netzsperren, Onlinewahlkampf) doch ihre erste, zweite und dritte Garde schicken. Oder wenigstens eine davon. Dem war nicht so. Wer einen MdBler entdeckte, durfte ihn behalten.

Das ist schade. Ganz besonders dann, wenn man auf einem Podium zu Netzsperren sitzt und niemand zum beschimpfen da ist. Nicht, dass die Organisatoren nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt hätten, Leute zu bekommen, nein, es hagelte aber nur Absagen. Ein ganz schwaches Bild, was meine Vorurteile gegenüber der politischen Kaste nicht gerade abbauen half.

Viel besser halfen da die Politiker vor Ort. Man muss wahrscheinlich sagen, dass niemand dort repräsentativ war, denn allein die Tatsache, dass die Leute kamen, heißt ja, dass sie aufgeschlossener sind als ihre Kollegen. Und so kann man feststellen, dass zumindest diese anwesende Garde sich zumindest bemühte, den Diskurs zu beginnen. Und die Gespräche waren manchmal durchaus ermutigend. Ich habe sogar mit einem CDUler gesprochen und er hat nicht nur kompletten Müll erzählt!

Im Mittelpunkt stand für mich natürlich die Session, die ich mit Bjoern Grau zusamen hielt – Das Netz und die Partei. Warum es Parteien nicht in die Neue Welt schaffen werden. (Eigentlich war es eine Doppelsession, bei dem der erster Faden von Sina und Moritz gehalten wurde, und den wir dann aufnahmen, weiterspannen und radikalisierten) Natürlich haben wir bewusst provoziert. Natürlich haben wir komplett in utopischen Gefilden geschippert. Und natürlich haben wir den Widerspruch gesucht (ich bin ja durchaus als Polittroll angereist). Aber mit derart heftigem Gegenwind hatten wir nicht gerechnet. Die Teilnehmer, vor allem die in Parteien engagierten, reagierten derart emotional, dass wir uns zeitweise fragten, ob wir den Eindruck machten, dass wir imstande wären, bis Mittwoch alle Parteien abzuschaffen. Aber das ist okay. Die Diskussionen waren heftig, aber gut. Sie zeigten die Bruchlinen sehr genau, die zwischen Netzbewohnern und den traditionellen Parteipolitikern verlaufen – zwar etwas überzeichnet – aber dafür deutlich. Alleine dafür hat es sich gelohnt.

Was mir nur etwas auf die Nerven geht, ist diese Einstellung einiger Politiker und einiger Politologen, dass der politisch interessierte Mensch, der mit dem vorhandenen Schnittstellen der Partizipation nicht zurecht kommt und Änderungen anmahnt, immer wieder abgebügelt wird: Das sei nun mal so. Das sei schließlich schon immer so gewesen. „Und bevor du Dich nicht reingearbeitet hast, in die Schwierigkeiten, Komplexitäten und inneren Widersprüche innerparteilicher Entscheidungsfindungsprozesse, dann hast du gefälligst auch nicht rumzumeckern„. Wenn die Jugend von heute sich gelangweilt vom politischen Geschäft abwendet und alle Parteien über Nachwuchsprobleme jammern, sollte man doch wenigstens ein Problembewusstsein dafür entwickeln. Stattdessen wird beim Wahlvolk allen ernstes angemahnt, man habe die komplexen Entscheidungsstrukturen nicht nur nicht zu akzeptieren und anzunehmen, wenn man sich politisch engagieren möchte, sondern sich als Wähler gefälligst reinzubüffeln, bevor man Kritik daran übt. Frei nach Brecht fordert da angesichts der mangelnden Partizipation ein politisches System nach einem anderen Volk. Und kommt sich dabei auch noch besonders demokratisch vor. Da möchte man den Parteipolitikern manchmal zurufen: „Ach, geht sterben!“ Denn das werden sie auf jeden Fall tun, mit dieser Haltung, früher oder später. Abwarten kann also durchaus ein Teil der Lösung sein.

Bis dahin muss aber natürlich noch einiges getan werden. Mein Ansatz war erstmal pauschal und undifferenziert zu fordern, dass wir lauter werden müssen. Wir müssen über mehr Kanäle als nur unsere Blogs kommunizieren, dass wir bereits ein anderes Leben führen als die meisten und dass auch unsere Form des Lebens, eine zu schützende ist.

Was ich meine, ist der Umstand, dass wir doch größtenteils 60 % unserer Wachzeit in dieser Wolke verbringen, welche die meisten nur für SpOn und Pornos nutzen. Und dass wir diese Tatsache auch nicht verschämt auf Nachfrage einräumen, sondern dass wir uns selbstbewusst als Netzbürger, Netcitizens, Netzbewohner whatever outen sollten. Ja, Outen! Da sollten wir von der Schwulenbewegung lernen. Und vielleicht wird man irgendwann nicht mehr versuchen, uns mit Therapieversuchen gegen „Internetsucht“ in die „normale Gesellschaft“ einzugliedern, sondern wird uns ernst nehmen und unsere Lebensweise akzeptieren. Ich bin ja auch dafür, hier und da etwas deutlicher zu formulieren, was mich die Offliner – die meinen, unseren Lebensraum regulieren zu müssen – mal können. Aber ich gebe zu, dass ist nicht der produktivste Weg.

Viel besser macht das Ennomane, der Good Cop quasi, der dann reingelassen wird, wenn ich den Parteipolitikern den Angstschweiß in’s blauweißgestreifte Oberhemd getrieben hab.

Noch viel konkreter und etwas für genau jetzt (!!!) ist aber diese Online Petition die ganz schnell und unter allen Umständen gezeichnet werden muss.

Favottercharts vom 01.05.09

Sorry, ich hatte keine Lust (vor allem keine Zeit), die Differenzen zum Vormonat noch auszurechnen. Ich kann mir auch vorstellen, dass es vielleicht Leute bereits rein geschafft haben, die ich noch gar nicht auf dem Schirm habe. Ich hoffe ihr schreit dann in den Kommentaren.

  1. frank93 1300
  2. mspro 1228
  3. trottelbot 1133
  4. saschalobo 816
  5. stijlroyal 767
  6. sixtus 721
  7. 343max 668
  8. kathrinpassig 607
  9. booldog 505
  10. Sillium 501
  11. HappySchnitzel 492
  12. kosmar 476
  13. klauseck 456
  14. kcpr 404
  15. PickiHH 397
  16. fragmente 381
  17. plomlompom 371
  18. blogwart 359
  19. mathiasrichel 356
  20. kumullus 356
  21. moeffju 354
  22. tristessedeluxe 350
  23. denQuer 343
  24. Nico 324
  25. Zufall 313
  26. bjoerngrau 309
  27. ghostdog19 297
  28. jkleske 295
  29. stburnster 272
  30. furukama 267
  31. DonDahlmann 261
  32. Ibo 258
  33. vergraemer 254
  34. spreeblick 253
  35. zebramaedchen 241
  36. gebenedeite 239
  37. sebaso 235
  38. isabo_ 231
  39. holadiho 206
  40. hoch21 205
  41. netzpolitik 203
  42. ankegroener 197
  43. riot36 195
  44. textundblog 189
  45. bosch 188
  46. paulinepauline 186
  47. tknuewer 179
  48. hightatras 177
  49. cemb 177
  50. svensonsan 172

Partei my Ass

Eine Sache, auf der ich immer mal wieder rumkaue, ist unsere Demokratie. Ich bin nämlich der Demokratie ihr größter Fan. Und deswegen kann ich nicht aufhören, an ihren konkreten Manifestationen herumzukritisieren.

Ich wage die These: Einen waschechten und begeisterten Demokraten muss es heute ins Internet ziehen! Denn in diesem Internet wird er eine gelebte Demokratie vorfinden, die in der Realwelt Ihresgleichen sucht. Und sie wird anders sein. Radikaler und dennoch umsichtiger. Eine Demokratie die jedem seinen Platz und seine Freiheit lässt. In der kein Zuwachs von Freiheit des einen, die Freiheit des anderen beschneidet. Im Gegenteil!

Und wenn die Frage fällt, wie wir Demokratie organisieren sollen, dann hat das Internet derzeit die besten Antworten. Björn Grau hat auf Spreeblick die Frage nach der Möglichkeit einer solchen Organisation gestellt (wir machen dazu auch einen Workshop auf dem Politcamp 09). Wie können wir Netzbewohner (Max windet ein, dass z.B. die Beschneidung des Netzes für einige von uns eher einer Amputation unseres Gesellschaftskorpus gleicht, denn einer reinen Einschränkung eines beliebigen Mediums unter anderen – also sofern wir bereits angefangen haben, unsere Identitäten in dieser sich manifestierenden Wolke aufzulösen, was ja vor allem durch Twitter auf eine gewisse Weise mit uns allen schleichend passiert…) – jedenfalls: wie können wir Netzbewohner unsere Anliegen und Interessen in den fucking Rest der Welt tragen?

Da stellt sich sogleich ein großes Problem. Wir – die Netzbewohner – waren nie ein Wir. Wir wollten nie ein Wir sein – ich gehe so weit zu behaupten: wir sind hier im Netz, eben um kein Wir sein zu müssen – und deswegen werden wir uns auch niemals eine Organisationsform geben. Eine, die uns mit anderen zusamen einschließt, unter einer Käseglocke, wo es dann sowieso unangenehm riechen wird, wo es ein Statut oder eine Satzung, ein Innen und ein Außen geben wird, das klar definiert sein würde. Eine Form, die uns zwünge, uns neben X zu setzen, obwohl doch X so ein Blödmann ist! Und wenn wir etwas beschließen, dann müssen wir uns einigen. Einigen! Das muss man sich mal vorstellen! Wir müssen alle Dinge durch dieses Nadelör des Konsenses zwängen, bis sich keiner von uns mehr mit den Ergebnissen identifizieren kann. Schlimm.

Nein! Das werden wir niemals tun. Und deswegen stellt sich die Frage nach einer Demokratie der Cloud. Und nach Lösungsansätzen, wie sich auch noch in Zukunft Menschen jenseits der JU-Hirnbasis für Politik begeistern werden. Dann, wenn die Welt eine Cloud ist, in der äußerste Individualität und absolutes Aufgehen in der Gesamtverschaltung aller Hirne kein Widerspruch, sondern ein sich Bedingendes ist!

Ich schweife ab. Jedenfalls ist es auf den ersten Blick evident, dass Parteien so ziemlich das letze sind, in das sich der typische Netzbewohner einklinken möchte. Der gesellschaftliche Wandel hin zum Individualismus ist nicht mehr rückgängig zu machen, im Gegenteil, er wird durch das Internet nochmal exponentiell beschleunigt.

Dies ist ein Wandel vom Angebotsmarkt der „Weltanschauungen“ hin, zum Nachfragemarkt der Lebensstile.

Damit meine ich mehreres. Oberflächlich gesehen, kann man feststellen, dass die Gesellschaft, als Parteien noch das Mittel der Wahl (zweifachkonnotiert) waren, um Demokratie zu organisieren, ein starres System war, in dem man als Individuum nur einige wenige Lebensentwürfe (mit Ideologie/Weltanschauung als Gratiszubehör) zur Auswahl hatte (dass man überhaupt eine Auswahl hatte, war ja bereits hart erkämpfte Emanzipation), in denen man sich dann den entsprechenden gesellschaftlichen Zwängen hingab. Die „Peergroup“ waren eben die Leute, die sich eben mehr oder zu weniger zufällig im eigenen geographischen Radius um einen herum gruppierten. Dazu kamen ca. drei soziale Schichten mit wenig Transfluktuation. Die wenigen „Exzentriker“ waren dazu noch „liberal“. Dass die Zahl der gesellschaftlichen Nenner begrenzt und sie selber sehr niedrigschwellig sein mussten, damit man sich nicht gegenseitig an die Gurgel springt, ist ziemlich Systemevident. Dinge mussten Kollektivistisch vorangebracht werden, alles hatte sich – mindestens – der Klasse unterzuordnen. Ja, das galt auch für die Bourgeoise!

Und nun, heute, haben sich die Optionen verdröftausigfacht! Mindestens! Nein, viel wahnsinniger: sie sind free floating! Die Menschen sind in jeder Sekunde immer wieder auf der Suche nach neuen Lebensentwürfen, Einstellungen und Ideen. „Individualismus“ ist angesichts einer zigfach und in tausend Teile zerschepperten Internetidentität geradezu ein Euphemismus! Es herrscht definitiv ein Nachfragemarkt nach Identitäten, und das obwohl die Wechselkursbindungen längst fallengelassen wurde.

Gut, also nehmen wir jetzt den ganzen Stuss da oben mal als gegeben an und mappen die zwei Systeme – Partei und Internet – in die Zukunft, dann wird es – nein, einen Knall wird es nicht geben – eher ein tiefes, gähnendes Desinteresse bei den … naja, wir halt. Die Demokratie würde an reinem Desinteresse sterben, oder an dem Überangebot an Vollspießern und Karrieristen, die die einzigen wären, die sich auf dieses Spießspiel noch einließen. Aber was heißt schon Zukunft? Das ist doch bereits jetzt so! In den Jugendorganisationen der Parteien engagieren sich bereits jetzt nur noch die dämlichen Streber, die doch eigentlich verkloppt gehören! Ach, was red ich.

Jedenfalls sehe ich da einen noch viel grundsätzlicheren Wandel auf uns zukommen. Wenn wir von einer, nach Derrida, „Demokratie l’avenir“ reden, also einer künftigen Demokratie, dann kann es unmöglich nur die Demokratie eines Demos (d.h. Volkes) sein. (zum ganzen Paradoxiekomplex des „Nationbuilding“, d.h. auch um das „Volk“, den „Staat“ und die „Repräsentation“ gibt es noch hier einen alten, verschwurbelten Text von mir) Das Demos ist der Demokratie doch längst entflohen! Bzw. es bildet sich auf so eine ganz neue Art neu. Im Netz. Ad Hoc. Zu jedem Thema ein je ein neues und verflüchtigt sich sogleich wieder. Das Demos der Zukunft ist kein geografisches, ethnologisches, genetisches, nicht mal mehr ein sprachliches. Das Demos der Zukunft ist eine instabile Wolke, das sich um ein Thema gruppiert, sobald es virulent wird. Es ist eine Memverabreitungswolke zum prozessieren teilgesellschaftlicher Semantik!

Früher wurde Politik für eine Gesellschaft gemacht. In Zukunft werden sich Gesellschaften für bestimmte Politiken einfinden.

Niemand wird mehr in einem Kompromiss leben wollen. Dann lieber in so vielen Gesellschaften, wie es die vielen eigenen Identitäten eben verlangen. Wie der Weg dahin ist, wird die Zukunft zeigen. Also wir. Und die nach uns. Aber wir müssen uns da was einfallen lassen. Machen wir. Auf dem Politcamp. Versprochen!

Antisteinmeier

Ich habe einen ziemlich konkreten Wunschkandidaten als Kanzler für die Bundestagswahl. Sein Name: Antisteinmeier. Ich unterstütze ihn, weil ich ihn für einen grundehrlichen Menschen halte und er in bisher allen Positionen ganz auf meiner Linie war. Hier ein Plädoyer für meinen Kandidaten.

Damals, unter Schröder, war er ein Gegner der Agendapolitik. Er hat versucht, das schlimmste zu verhindern. Leider hat er es nicht geschafft. Aber dafür tat er alles, der Deregulierung der Finanzmärkte entgegenzuwirken.

Außerdem rechne ich ihm hoch an, dass er sich persönlich für Murat Kurnaz einsetzte, als dieser in US-Folterhaft geriet. Sein selbstloser Einsatz verhinderte das Schlimmste und zeigte die innere, tiefere Moral und den Glauben an die Menschenrechte, die Antisteinmeier tief bewegt und antreibt. Meinen größten Respekt davor!

Ich finde auch die klare Abgrenzung zu Schröder gut. Man merkt sofort, da ist ein eigener Kandidat. Ein eigener Charakter. Der hat es nicht nötig, irgendwen zu imitieren, der hat eigene Ideen und ein eigenes Charisma. Eben kein blasser Schauspieler, sondern ein richtiger Typ.

Jetzt, da er ganz legitim durch das Votum der Partei – und nicht etwa an durch einen feigen politischen Meuchelmord – der Kanzlerkandidat der SPD ist, bin ich froh, dass man hier einen grundehrlichen Menschen aufgestellt hat. Es gibt ja andere, die die krasseste wirtschaftsliberale Umwälzung der letzten 50 Jahre in Deutschland an vorderster Front mitzuverantworten haben und jetzt aufs billigste auf den „Neoliberalismus“ schimpfen. Nicht so Antisteinmeier. Er räumt die Versäumnisse der SPD in dieser Hinsicht ein und gelobt Besserung und ist dabei eben umso glaubwürdiger, weil das ja schon immer seine Linie war.

Ich finde auch gut, dass er wegen seiner aktuellen Forderungen nach Mindestlöhnen und Reichensteuer die Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht ausschließen mag. Dazu muss man stehen können. Das muss eben dazugesagt werden, denn diese Ziele mit FDP oder Union erreichen zu wollen, würde ich ihm – und nicht nur ich – als angekündigten Wahlbetrug auslegen. Das ginge schließlich über billigen Populistmus weit hinaus.

Er ist auch ein Mann klarer Linien. Als seine Partei im Wahlprogramm ganz schwammig formulierte, man solle die reichen irgenwie mehr zur gesellschaftlichen und so, votierte Antisteinmeier für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Seine Begründung, dass man sich unglaubwürdig mache, wenn man diffus irgendwas fordert, dann bei konkreten Vorschlägen aber einen Rückzieher macht, teile ich voll und ganz. Sowas machen nur Schleimscheißer, die eh nie meinen, was sie fordern.

Überhaupt bin ich mit Antisteinmeier in so vielen Belangen d’accord. Seine Bemühungen für die Bürgerrechte (gegen Vorratsdatenspeicherung, gegen Überwachung, gegen Internetsperren, für Netzneutralität) lassen einen weitblickenden Mann der Zukunft druchscheinen. Dass er sich strikt weigert, Opel um jeden Preis retten zu wollen und das Geld stattdessen in Zukunfts- und Umwelttechnologien zu investieren, unterstreicht dies. Mit ihm, werden wir die Krise meistern.

Auch rechne ich es ihm hoch an, dass er sich bei der Pro Reli-Geschichte offen gegen die Kirchen stellt. Die endlich überfällige Trennung von Staat und Kirche, ist ihm ein persönliches Bedürfnis.

Ach, Antisteinmeier ist mein Kanzlerkandidat der Herzen. Vielleicht nächstes mal.