Irgendwie ist 2010 etwas passiert. Etwas bedeutendes. Es ist ein Bruch merkbar und das Gleiten in das Jahr 2011 fühlte sich irgendwie verwirrend an. Man schaute zurück, während man rutschte und fragte, was denn genau passiert war. Es gab kein initiales Ereignis wie den 11. September oder den Mauerfall, aber doch gerade in letzter Zeit eine ganze Reihe von Ereignissen, die alle irgendwie einen Endpunkt markieren.
Staat, Kapitalismus, Geheimnis, Wachstum, Massenmedien, Demokratie, Europa, USA, Industrie, etc. sind nur einige Konzepte und Institutionen, die nur noch mit ständigen Notoperationen und einem Haufen Pflaster zusammengehalten werden.
Irgendwie scheint es so, als wäre 2010 das Jahr des Endes gewesen. Nicht, dass all diese Dinge schon wirklich verschwunden wären, aber so wie bei Peak-Oil ist ihre Endlichkeit urplötzlich in’s Sichtfeld geraten. Wir donnern sehenden Auges auf das Ende unserer Welt zu. Und das erschreckenste: Wir haben kaum Ideen, für das, was danach kommen wird oder soll.
Es gibt hierzulande keine prograssive Kraft mehr in der Politik. Der Wandel kam zu schnell, als dass der langsame Dinosaurier Demokratie darauf einrichten konnte. Mit CDU, FDP, SPD, Grüne, Linke sitzen fünf konservative Kräfte im Parlament. Keine hat eine grundlegend neue Idee, alle verteidigen bestehende Strukturen und weigern sich beharrlich, in neuen zu denken.
Die Piraten sind auf dem Weg, aber leider noch nicht weit gekommen. Dennoch ist es derzeit die einzige Partei in der überhaupt über neue Konzepte und neue emanzipative Ideen nachgedacht wird. Die Piraten sind derzeit aber eher ein Thinktank als eine politische Kraft. Aber so lange sie noch im Dunkeln tappen, ist das vermutlich auch besser so.
Jedoch: sie werden zu spät gekommen sein. Das ist meine Befürchtung. Bevor nämlich überhaupt in größeren Maßstab über Alternativen nachgedacht wird, muss es schlimm werden. Sehr schlimm. Ungarnschlimm. Wenn nicht noch schlimmer.
Der „Wutbürger“ ist keine Illusion. Es ist der – vielleicht gerechtfertigte – blinde Hass gegen „das System„, der in uns allen schlummmert. Der Wutbürger wird beklatscht, wenn sein Hass die (vermeintlich) richtigen trifft und er macht uns Angst, wenn er sich in Millionenauflagen von Hetzern wie Sarrazin widerspiegelt. Der Wutbürger wird auch 2011 auf die Barrikaden steigen, wogegen auch immer.
Ich glaube übrigens nicht, dass der Adel 1789 aus Arroganz und Ignoranz heraus jedes Zugeständnis an „das Volk“ verweigert hat. Das ist nur die nachträgliche, überhebliche Interpreation aus einer Zeit, in der die zu erstrebenden Werte der Revolution selbstverständlich sind. Nachträgliche Evidenz. Ich glaube, dass sich der Adel überhaupt keine Vorstellung einer anderen Welt machen konnte, ebensowenig wie die Jakobiner selbst.
Das System wird stürzen, bevor wir Konzepte für ein neues haben. Und dann regiert der Hass. Wie gut, dass unsere Generation die Mobilität mit der Muttermilch aufgesogen hat…
An die Utopisten: beeilt euch!