Wahlparty im Hauptstadtstudio Schmück

Liebe Freunde des Politischen, liebe Infojunkies!

Wer sich aufgrund des extrem spannenden Wahlkampfes in den USA eh vorgenommen hat, die Nacht vom 4. auf den 5. November um die Ohren zu schlagen, kann dies in jetzt Gesellschaft tun. Im Salon Schmück werden wir die die komplette Wahlberichterstattung auf dem Beamer zeigen. Dort werden wir gemeinsam bei Kaltgetränken von Bundesstaat zu Bundesstaat den Hochrechungen entgegenzittern. Hoffentlich humorvoll begleitet wird das Ganze durch einen zweiten Beamer, der die aktuellen Kommentare zur Wahl auf Twitter an die Wand projiziert. Unter anderem auch die der Kandidaten Barack Obama. und John McCain.

Kommen kann man gerne ab 21 Uhr, die Berichterstattung wird aber erst ab 22:45 losgehen und 5:30 enden. Damit man diesen Marathon besser durchhält, wird es ab 23 Uhr Kaffee und Clubmate umsonst geben.

Noch mal zum Mitschreiben:

Wahlparty im Hauptstadtstudio Schmück

Salon Schmück
Dienstag, 4. November,
Skalitzer Straße 80
21:00 bis 05:30

Behavioral Targeting

Ich mag ja Behavioral Targeting. Ein schönes Beispiel ist mir heute passiert. Aus Spaß hab ich lediglich nach „ausflug“ gegooglt. Vor der Ergebnisliste wurde eine Googlewerbung eingeblendet (die teure Art bei Google zu werben). „Berlin-ausflug“. Ich klickte darauf und landete bei der Unterubrik „Reisen“ von AOL. Gepriesen wurde dort ein Ausflug nach Berlin, den ich nun sofort buchen könnte.

Ich stell mir das so vor: Die Googleserver erkennen anhand der IP meines Providers, dass ich in Berlin sitze. Sie kombinieren diese Information mit dem gesuchten „Ausflug“ und blenden die Werbung ein. Eine tolle Idee: Hamburgern einen Ausflug nach Hamburg, Berlinern einen Ausflug nach Berlin und Oberammergauern einen Ausflug nach Oberammergau anzubieten. Das senkt die Streuverluste auf nahezu 100%.

Ich hasse AOL gottseidank genug, um ihnen zu gönnen, unglaublich viel Geld dafür zu bezahlen, dass ausschließlich die Leute über ihr Angebot informiert werden, die daran eben nicht interessiert seien werden. Bitte weiter so.

Geständnis

Zunächst ein Geständnis: ich glaube an die Selbstregulierung der Märkte. Ja, Ich. Jetzt seid ihr baff, oder? Dabei kommt das tollste ja noch.

Selbst jetzt, wo sogar die eingefleischtesten Neoliberalen ihre Meinung anzuzweifeln beginnen, glaube ich weiterhin an die Selbstheilungskräfte des Marktes.

Ich glaube, das was wir derzeit erleben, ist eine Marktbereinigung gigantischen Ausmaßes. Aber eben nicht das Ende des Kapitalismus. Der wird sich, nach ein paar Jahren stetiger Bettruhe, wieder in alter Frische erheben. Verändert, sicher. Aber auf jeden Fall wieder da.

Ich glaube das auch dann noch, wenn die Regierungen nicht eingreifen und einfach alles vor die Hunde gehen lassen. Selbst wenn alles crasht und die Weltwirtschaft so richtig nachhaltig im Arsch ist, wird sich der Markt erholen.

Woran ich aber nie geglaubt habe, ist, dass der Markt nur gut für den Menschen ist. Ich glaube, wenn der Markt jetzt unkontrolliert crashen würde, dann würde durch die weltweite Depression Elend, Hunger und Bürgerkrieg herrschen. Viele Jahre lang. Vielleicht auch schlimmeres. ich glaube fest daran, dass wir wieder Krieg hätten, auch in Europa. Dass Menschen verhungern würden, dass radikale Ideologien und verzweifelte Verteilungskämpfe Millionen von Toten weltweit fordern würden.

Was die Neoliberalen nie erkannt haben, ist, dass es nicht um den Markt geht. Der Markt mag sich selber regulieren und der Markt mag auch alles überleben, sich selber heilen usw.

Aber es geht doch um den Menschen!

Die paar BWL- und VWLvorleseungen denen ich beiwohnen konnte, vermittelten mir eines sehr genau: Das kalte Bild des Homo Ökonomikus. Der seinen Nutzen kühl kalkuliert und ihn stets maximieren will. Er will möglichst wenig Kosten aufwenden, um einen möglichst hohen Ertrag zu erlangen. Die Strategien zu diesem Ziel, sind der größte Teil jedes BWLstudiums. Man bekommt tatsächlich in Vorlesungen die Vorteile von Sollbruchstellen in Produkten gepriesen. Unter anderem.

Was komischer Weise nie Teil der BWL war, ist folgende Strategie: Jemand hat Geld, also haue ich ihn um und nehme es mir. Gibt es ein besseres, das heißt kostengünstigeres Verfahren seinen Nutzen zu maximieren? Ich denke kaum. Warum wird es dann nicht gelehrt? Es wird einfach daran liegen, dass es hier verboten ist. Vom Staat. Im Gegensatz zu Sollbruchstellen in Produkten oder dem Weiterverkauf von faulen Krediten.

Ich glaube an den Markt. Und ich glaube genau deshalb, dass er reguliert werden muss. Dass im Zentrum jeder Politik nicht der Markt, nicht die Exportweltmeisterschaft, nicht der Standort oder die Investitionen oder die Konjunktur stehen sollte, sondern der Mensch. Und die Gerechtigkeit.

Ohrhörer

riot36 (bekannt aus vielen Partys, so ab mitte 90er irgendwo in Berlin) und mspro (bekannt aus seinem Heimatdorf, irgendwo in Niedersachsen) in dem wohl aufregendsten Spielfilm seit vom Winde verweht. Sehen sie Verzweiflung, Leidenschaft und Ohrhörer und lassen Sie sich mitreißen in eine Welt, die der Ihren nicht so völlig abseitig ist, als es eine Welt sein könnte, wenn sie denn wollte und von Designern zu diesem Zweck so gestaltet worden wäre. Aber nicht bei uns!


Ohrhörer from ms pro on Vimeo.

Cui Bono

Man sagt ja immer, Geld werde „verbrannt“. Andere werfen dann ein, dass das ja nicht stimme. Das Geld lande halt irgendwo anders. Was logisch erscheint.

Was mich also interessieren würde: Wo? Also wer ist das, der bei diesem ganzen Debakel gewinnt. Ich will keine Verschwörungstheorie anleiern (Verschwörungstheorien beginnen oft mit dieser Frage), nein, ich hab ein ganz anderes Anliegen.

Ich hab da nämlich eine Bitte:

Wenn Du, lieber Finanzkatastrophengewinnler hier mitließt (Was ich annnehme, wir Gewinnertypen sind ja untereinander gut vernetzt), dann will ich Dir zunächst einmal gratulieren! Du hast es geschafft! Ja, Du hast gewonnen!

Und ich gönne es Dir aus ganzem Herzen. Obwohl ich doch glaube, dass das Spiel eher „Mensch ärgere Dich nicht“ (Glück) ist, als Schach (Können). Das soll Deinen Erfolg aber nicht im mindesten schmälern, und ich will Dir die Anerkennung auch nicht verweigern. Wir alle nicht.

Nur. Es gibt da ein Problem. Du hast jetzt alle Spielfiguren. Wir anderen können nicht weiterspielen. Und – jetzt kommt’s – Du auch nicht.

Was willst Du mit Deinem Geld, wenn es keine Wirtschaft mehr gibt, die Dir eine subkontinentgroße Yacht mit 25 Swimmingpools noch bauen kann? Wer soll den Wein für Deinen Champagner anbauen? Wo willst Du die exotischen Zierpflanzen für Deinen Schloßgarten kaufen? Und auch Monaco macht keinen Spass mehr, wenn dort alle nur bettelnd auf den Straßen liegen. Na eben!

Deshalb sei Dir unserer Anerkennung sicher, und bitte, bitte, bitte, gib das Geld wieder zurück. Wenigstens ein bisschen. Danke!

Obama: Yes We Can weiterwurschteln!

Zunächst mal ein Update. So. Und wer hat’s gesagt?

Aber: Was mich derzeit am meisten desillusioniert, ist Obama. Bisher konnte er, im Gegensatz zu dem, was viele schreiben, nicht nur schöne Reden halten. Er hatte auch konkrete Konzepte und gute Ideen, die durch detaillierte Sachkenntnis gestützt wurden, überzeugen. Etwa beim Gesundheitsprogramm, in Sachen Netneurality und der Rückkehr zum Multilateralismus in der Außenpolitik. Das waren nicht nur schöne Worte, das hatte alles Hand und Fuß und ist bitter notwendig.
Zu Beginn der Finanzkrise, jedenfalls als das Ausmaß in etwa ersichtlich wurde, twitterte ich folgendes

„naheliegende vorhersage: wer als erstes einen ausgefeilten plan zur neustrukturierung des finanzsystems vorlegt, wird präsident.

Meine Hoffnungen waren da natürlich eher auf Obama bezogen, als auf McCain. Von dem war ja bekanntlich in Sachen Wirtschaftskompetenz nicht viel zu erwarten. Naja, auch er hat ja Berater, vielleicht also doch, aber Obama hat sich in dem Wahlkampf viel eher wirtschaftskompetent positioniert. Zudem hätte ein wirklicher Neuanfang an der Wall Street in das große Ganze seines „Change“-Pathos gepasst, wie sonst kaum etwas.

Egal. Denn alles was man aus beiden Mündern bisher hörte und vor allem gestern, war ein unsicheres „Ja, aber“. 
Paulsons Notfallrettungsplan, der mithilfe von Steuergeldern einfach den Status Quo wieder herstellen will, wird derzeit aus allen Ecken kritisiert. Es werden längst Alternativen erarbeitet, die weit aus glaubwürdiger, transparenter und gerechter sind, als der bisherige Plan. Aber aus den Lagern der beiden Präsidentschaftskanditaten ist man merkwürdig still.
Keiner kommt auch nur mit der groben Richtung eines Konzeptes. Niemand will über Regulierungen sprechen, niemand scheint eine Neuordnung für sinnvoll zu halten. Das einzige was man hört, ist ein populistisches Draufhauen auf zu hohe Managerabfindungen, die es jetzt zu verhindern gelte. Das mag dem Gerechtigkeitsempfinden des Wählers ja entgegenkommen, aber lösen tut dies gar nichts.
Die Krise der Finanzmärkte ist eine Strukturkrise. Es bei der Mutter aller Bail Outs zu belassen, hieße an den Symptomen herumzudoktern und redselig auf den nächsten Crash zu warten.
Der einzige Grund, den ich mir tatsächlich vorstellen kann, dass dort keiner seinen Masterplan zückt, ist: Es hat keiner einen! Die beiden Präsidentschaftsbewerber sind genau so ratlos, wie sie dasitzen. Und das macht mir wirklich angst.

too big to fail

Wo kommen eigentlich die 700.000.000.000 Dollar her?

Gelddrucken ginge nicht, sagen manche. Weil, wer würde denen denn dann noch Dollar leihen?

Aber: Die USA sind für die Weltfinanz, was die Finanzbanken für die USA sind: nämlich too big to fail!

Schon mal drüber nachgedacht?

(Hey, das müssen wir doch jetzt auch mal einsehen. Das ist doch besser für uns, als die USA vor die Hunde gehen zu lassen. Sonst gehen wir doch eh nur mit. Die ganze Welt meine ich.)

Auf der Suche nach dem Indian Summer

Als ich vor knapp einem Jahr mit Mate in den USA herumtourte, erwarteten wir nicht weniger als am farbenprächtigen Spiel des nordamerikanischen Herbstes teilzuhaben. Dem „Indian Summer“. Die roten Blätterwälder kannten wir nur aus den Medien. Um so enttäuschter waren wir, als wir nach vergeblicher Suche zu dem zu Schluss kommen mussten, dass es ihn wohl nicht mehr gibt, den Indian Summer. Jedenfalls nicht in den USA. Es gab nur eine einzige Erklärung dafür: Präsident Bush muss schuld sein! Also schulterten wir unsere Millionen Dollar teure Filmausrüstung und begannen mit den Recherchen, die uns bis nach Canada führen sollten.

Nach fast einem Jahr aufwändigster Postproduction ist der Streifen nun endlich fertig. Sehen Sie selbst:


Indian Summer from mate on Vimeo.

Marktliberalismus 2.0

Marktliberalismus ist einfach: Man schreit nach Steuersenkungen mit der Begründung, dass der Markt den Rest schon erledigen werde. Das mit dem Menschheitsglück natürlich. Aus irgendeinem Grund ist diese Meinung die letzen paar Jahre recht populär geworden. Je weniger die so genannten „Leistungsträger“ von ihrem Kuchen abgeben müssen, um so besser für uns alle. Denn es geht auch um die Wettbewerbsfähigkeit, international versteht sich.

In sofern finde ich tatsächlich das fulminante Eingreifen des amerikanischen Staates in die Finanzwirtschaft eben nicht sozialistisch wie jetzt viele meinen. Es ist eine folgerichtige Weiterentwicklung des bisherigen Konzeptes. Eine Art Marktliberalismus 2.0 sozusagen. (Oder auch Hypermarktliberalismus)

Die USA haben eine ganze Reihe Banken, wenn nicht beinahe alle, die sich mit faulen Krediten ganz schön in die Scheiße geritten haben. Der Staat zeigt sich gnädig und übernimmt jetzt die faulen Kredite einfach auf die eigene Schulter. Ich schätze die angepeilten Kosten von einer halben Billionen Dollar (200 Millarden sind ja schon versenkt) für optimistisch geschätzt. Verstaatlichung rufen da einige, und haben teils recht. Aber im Gro wird jetzt nur eines verstaatlicht: nämlich die Risiken von Krediten.

Aber: man kann das durchaus in einer Linie mit den Forderungen nach Steuersenkungen betrachten: Denn, nach der Null hört die Skala schließlich nicht auf. Nennen wir es einfach eine Art negative Steuer für Finanzhäuser.

Was wir nämlich erleben werden, ist, dass das Bankensystem in den USA sich wieder aufrappeln wird. Und in dem Bewusstsein, dass die Risiken ja nicht man selber, sondern im Notfall der amerikanische Steuerzahler trägt, werden die Banken in den USA international derart Wettbewerbsfähig sein, dass sie alle anderen das fürchten lehren werden. Es winken Traumbilanzen: Abschreibungen auf Forderungen können getrost gestrichen, Rückstellungen zurück in die Assets gebucht werden. Also krass gesagt: Man muss nur „too Big to Fail“ sein. Dann lässt sich jeder Staat erpressen.

Ich höre schon die Stimmen aus Deutschland: Das brauchen wir auch! Wir müssen ja international Wettbewerbsfähig sein und mit den amerikanischen Superbanken die auch ohne eigenes Risiko arbeiten, konkurrieren! Ackermann wird das nicht schreien. Er hat es teilweise bereits. Alle anderen werden folgen. Denn die Amis sind nicht zurückgefallen durch die Krise, sie sind nur wie immer einen Schritt weiter.

Es ist naiv anzunehmen, dass das marktliberale Gewäsch, dass vorher abgesondert wurde, tatsächlich von den Apologeten selbst geglaubt wurde. Man fordert nur konsequent weiter, wenn man die Null hinter sich gelassen hat. Dummerweise braucht das Kind jetzt einen neuen Namen. Wörter mit „liberal“ nimmt man denen wohl erstmal nicht mehr ab.