Wie beantrage ich ein US-Visum? (ALT!)

ACHTUNG, dieser Artikel ist sehr, sehr alt. Er ist von 2010! Die Angaben hier stimmen mit hocher Wahrscheinlichkeit zum größten Teil nicht mehr, einige Links zeigen ins Leere. Verwenden auf eigene Gefahr.

Dieses Blog ist in letzter Zeit zum Egostream mutiert. Das liegt natürlich vor allem an den ganzen anderen Projekten, die mich einerseits einbinden und die ich hier gerne sammle. Aber eigentlich sollen hier auch nützliche Inhalte drin stehen. Und obwohl das hier vielleicht gar nicht so einen Wert hat, für meine Stammleserschaft, will ich hier von meinem heutigen Besuch beim US-Konsulat erzählen. Das ist zwar so mäßig spannend, aber vielleicht hilfreich für Menschen, die nach Informationen dazu googlen, denn das sollte man, das ist nämlich verdammt kompliziert. Außerdem hat mich das alles ganz schön geflasht.

Vorgeschichte

Also: ich werde zusammen mit meiner Freundin für drei Monate nach New York gehen. Am 29. geht es los. Wir haben einen Flug bei Delta Airlines gebucht. Und haben dabei einen Fehler gemacht.

Obwohl wir eigentlich wussten, dass wir irgendwie nur so für drei Monate ohne extra zu beantragendes Visum einreisen dürfen, waren wir so doof und haben einfach so Pi mal Daumen gebucht. Und natürlich waren das dann genau drei Tage zu lang.

Bei Delta kann man leider nur innerhalb von 24 Stunden stornieren, umbuchen geht bei denen gar nicht und eine Reiserücktrittsversicherung hatten wir natürlich auch nicht abgeschlossen. Das heißt, die Flugdaten waren unverrückbar. Ein Visum musste her.

Nun kann man sich denken, dass das kein Spaß wird. Aber egal, wie schlimm man es sich vorstellt, die Realität ist schlimmer. Gut. Was erstmal positiv zu erwähnen ist: es lässt sich einiges davon online erledigen, da sind die recht weit, die Amerikaner.

Was muss ich beachten?

Zeit: Sich einen Monat vor dem Flug um das Visum zu kümmern ist völlig okay. Drei Wochen ist beinahe knapp. Zwei Wochen ist im Zweifelsfall schon zu spät. Eine Woche – vergiss es!

Literatur: Zunächst ist hier eine Schritt für Schritt Anleitung verzeichnet, wo auch alle Links zu den Formularen verzeichnet sind. Tolle Sache, das! Am besten bookmarken, oder als Homescreen einstellen, so lange man mit dem Visakrams beschäftigt ist.

Der Antrag

Das erste Formular, dem man sich widmen muss, ist der eigentliche Antrag (https). Man muss ihn als aller erstes machen, denn alles andere baut darauf auf. Ohne Antrag ist alles nichts!

Ein paar wichtige Tipps vorweg:

  1. Man sollte sich mindestens zwei Stunden Zeit nehmen.
  2. Man sollte folgende Dinge umbedingt in Griffnähe haben (die Formularausfüllsession timed nach einiger Zeit aus, so dass man, wenn man durch Suchen eines dieser Dinge aufhört, oftmals wieder neu anfangen muss)
    1. Reisepass
    2. Adresse von jemanden oder etwas (z.B. Hotel), wo man beauptet, dass man dort unter kommt.
    3. Die Reisedaten (Flugkrams)
    4. Alle Daten – Geburtage, Namen, Orte und sowas – von den Eltern.
    5. Passfoto, digital; Frontal, mittig, vor weißem Hintergrund, gut belichtet.
  3. Es gibt die Möglichkeit Formularausfüllzwischenstände zu speichern. Nutze das! Immer und überall! Andauend!

Wenn man es geschafft hat, alles unfallfrei auszufüllen (das müssen über hundert Fragen sein), bekommt man eine „Confirmation“. Gott sei dank auch gleichzeitig per Mail. Man sollte die gut aufbewahren. Abspeichern und Ausdrucken. Beides!

Die Terminvereinbarung

Mit diesem Wisch kann man dann wieder zu einem weiteren Formular huschen (aber erst dann!) in dem man den Termin im Konsulat vereinbart. Auch dankenswerter Weise alles online. Das ist auch nötig, denn die Telefonhotline ist schweineteuer!

Für dieses Formular sollte man eine Kreditkarte mit allen (wirklich allen!) Daten, die es zu so einer Kreditkarte gibt, griffbereit haben. Hier muss man alles nochmal auffüllen. Name, Wohnort, alles. Wenn es gut geht, kommt man zu einem Screen, wo man in einem Onlinekalender einen der freien Termine auswählen kann. Ich finde da ja immer noch prima! Sowas habe ich auf deutschen Behördenseiten nie gesehen.

Tralala (Vorsicht!)

Ab hier setzte wieder die für mich übliche Tralalalität ein. Ich hatte ja einen Termin als PDF per Mail bestätigt bekommen. Klar, das PDF war ganz schön lang und ich schwörs, ich wollte das nochmal irgendwann alles lesen, aber es war j aauch auf englisch! ich hab es mir dann natürlich nicht durchgelesen. Das heißt, ich hab das schon noch gelesen, aber erst in der Nacht vor dem Termin.

Dort fand ich dann so spannende Sachen heraus, wie die, dass ich noch einen nicht unerheblich großen Geldbetrag, nämlich 98,25 Euro hätte entrichten sollen. Und dass ich das wohl dokumentiert bei dieser Firma hätte tun sollen, damit ich deren Quittung dann mitbringen kann.

Außerdem wurde mir mitgeteilt, dass mein Foto, dass ich im ersten Formular hoch geladen hatte, vom Computer nicht akzeptiert worden ist. Ich solle ein neues mitbringen. Und dann soll ich noch einen Umschlag dabei haben, frankiert mit 1,45 Euro und mit meiner Adresse drauf.

Uff!

Die Überweisung machte ich schnell online und druckte mir das Hinweisfenster, dass die Überweisung von statten gegangen ist, aus. (SPOILER: keine gute Idee!) und als Foto machte ich dann – in etwa den Anforderungen entsprechend – ein paar Bilder mit dem iPhone, dass ich dann einfach mitbringen wollte und dann das Bild irgendwie per Mail denen zukommen lassen wollte (SPOILER2: auch keine gute Idee!)

Als letztes vorm Zubettgehen stellte ich fest, dass das Konsulat nicht – wie ich die ganze Zeit angenommen hatte – Irgendwo in Tiergartennähe ist, wo es hingehören sollte, sondern vor Zehlendorf – wo genau genommen überhaupt gar nichts hingehört!

Der Termin

Als überzeugter Radfahrer bin ich natürlich trotzdem mit dem Rad gefahren. Um 8:00 bin ich los. 12,7 Kilometer quer durch Berlin. Ich hatte mit 45 Minuten gerechnet, habe aber dann doch fast eine ganze Stunde gebraucht, weil ich den Weg immer auf dem iPhone nachschauen musste.

Ich kam also erstmal schon 10 Minuten zu spät. Das war aber – wie ich sofort sah – kein Problem. Vor dem Konsulat hatte sich bereits eine Schlange gebildet. Bevor ich mich aber einreihen konnte, machte mich ein bewachender Polizist darauf aufmerksam, dass ich mein Fahrrad hier nicht anschließen dürfe. Höchstens drüben, auf der anderen Seite der vierspurigen Straße.

Dann – auch da muss ich die Amis wieder loben – checkte bereits vor dem Konsulat eine Dame mittleren Alters die Dokumente aller Neuankömmlinge. Als ich dran war, war sofort klar: Ich komme so nicht rein! Ich brauche einen vernünftigen Überweisungsbeleg und ein richtiges Foto. Glücklicherweise gab mir die Frau routiniert ein gelbes Blatt Papier auf dem sie „10:45“ notierte. Bis dahin sollte ich mit den richtigen Unterlagen zurück sein. – Dort drüben führe man nach Zehlendorf hinein, dort gäbe es Banken und Optiker und so.

Zurück zum Service!
Zum Termin braucht man auf jeden Fall:

  1. den Pass.
  2. die ausgedruckte „Confirmation“ des ersten Formulars.
  3. Den Beleg (am besten den von Roskos & Meier OHG oder einen richtigen echten Überweisungsbeleg einer Bank.)
  4. Einen Umschlag, DinA5 – frankiert mit 1,45 Euro und der eigenen Adresse versehen.
  5. und (eventuell) ein Passbild

Zehlendorf

Ich also wieder auf das Fahrrad, ca. einen Kilometer nach Zehlendorf reingefahren. Dort erstmal kurz was gefrühstückt (so viel Zeit muss sein), dann zu „meiner“ Bank rein. Volksbank. Naja, eigentlich ja nicht meine Bank, also nicht Hannoversche Volksbank, dort bin ich eigentlich Kunde, sondern Berliner Volksbank. Was sich sofort als Problem herausstellte: Nein, man könne mir meine Überweisung nicht Quittieren. Die Hannoversche sei eben eine eigene Bank, da könne man nix tun… Herrje.

Okay, dann musste ich also in den sauren Apfel beißen, 100 Euro abheben, rüber zur Dresdner Bank gehen und direkt auf’s Konto des Konsulats einzahlen. Kostet extra 5 Euro aber man hat dann eine gültige Quittung. Dann natürlich sofort bei den Jungs der Hannoverschen Volksbank angerufen. Ja, sie können versuchen, die Überweisung rückgängig zu machen, aber nein, versprechen könne man nix. Naja, außer dass das auf jeden fall 6 Euro krams kostet.

Dann bin ich noch in dem Bürgerhaus Zehlendorf rumgeirrt. Ich finde ja, in solche Behörden gehören Passbildautomaten. Vermutlich bequatschen aber Optiker in der Gegend die Beamten, um genau das zu verhindern. Geschäftsmodell ist Geschäftsmodell.

Also beim Optiker für – extra us-amerikanisch standardisierte – Passbilder (2 Stück) noch mal 10 Euro bezahlt. Uff! Dann zurück.

Konsulat

Also, Fahrrad, wieder auf der anderen Straßenseite geparkt und rüber gegangen, angestellt. Ich fühlte mich gut, ich fühlte mich vorbereitet. Diesmal würde alles klappen! – „Mit dem Handy kommen Sie hier nicht rein!“ Scheiße! – Alle Versuche, den Polizisten zum Handyaufpasser zu machen scheiterten. Was soll das überhaupt! Warum haben die Angst vor Handys?

Jedenfalls gibt es drüben, über die Kreuzung rüber, bei der Ubahnhaltestelle „Oskar-Helene-Heim“ einen Kiosk. Die alte Dame darin, ist eine routinierte Handyverwahrerin. Kostet einen Euro und ist absolut vertrauenswürdig.

Wieder zurück, durfte ich mich also endlich in die Schlage einreihen und kam auch recht schnell rein. Beim Sicherheitscheck fiel auf, dass ich noch das Handyladekabel meines iPhones in meiner sonst als Notebooktasche genutzten Tasche lag. Wahnsinn! Das haben das kleine Kabel da behalten, ich könne es aber auf dem Rückweg wieder abholen. Ein einfaches iPhoneladekabel. Da war nicht mal das Netzteil dran!

Egal, ich war drin. Von dort an, war alles recht einfach. Nur eins: ich musste mich an den Namen und die Adresse meines Gymnasiums erinnern und niederschreiben, aber auch nur, weil ich dummerweise irgendwo einen Kreuz falsch gesetzt hatte (Kommt wohl häufiger vor).

Einmal alle meine Fingerabdrücke eingescannt bekommen, ein paar Fragen beantwortet und sofort mein Visum bewilligt bekommen. Mein Pass wird mir inllusive Visum die nächsten Tage zugestellt.

Uff!

Auf dem einstündigen Heimweg hat es dann noch etwas doller geregnet.

Angestrengtheiten

Uff, es hat mich viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet, aber der dritte und letzte Teil der Reihe „managing CTRL-Verlust“ ist draußen. Es ist mein Vorschlag für eine Politik der Zukunft, eine, die mit dem Kontrollverlust umgeht, satt wie gegen Windmühlen dagegen zu kämpfen.

Mit der Serie geht hoffentlich auch die Anstrengung und die damit einghergehende Angestrengtheit meiner Texte vorbei. Gesellschaftskonzepte erdenkt man nicht mal eben, das ist harte Arbeit. Ich werd‘ das alles erstmal sacken lassen und beizeiten vielleicht neu und flüssiger formulieren. Ich hoffe dennoch auf eine rege Diskussion, denn das Thema ist mir sehr wichtig.

* * *

Des weiteren hab ich noch ein Paar Dinge nachzutragen: Einen ebenso angestrengten Podcast habe ich vor ein paar Tagen mit Max gemacht. Die Angestrengtheit liegt auch am Thema, sicher (ich gehe auch etwas auf die Inhalte, die ich jetzt verbloggt habe, ein) – aber vor allem weil ich echt erschöpft war, an dem Tag.

* * *

Und zwar davon, was am selben Tag mein Artikel über die Street View Diskussion ausgelöst hat. Über 100 Kommentare und dann werde ich auch noch angesprochen, den Artikel auf Zeit.de zu veröffentlichen. Das hatte zur Folge, dass ich mich einen Kommunikationsgewitter ausgesetzt sah, dass ich selten so erlebt habe. Als ich mich dann am Abend zu Max schleppte, war ich verständlicher Weise nicht mehr so richtig doll auf der Höhe.

Naja, aber ich will ja nicht meckern. Bloggen ist schon ein toller Job!

Ein Persönlichkeitsrecht für Jägerzäune

Seit Wochen prasselt eine Desinformationskampagne gegen Google-Street View auf die deutsche Bevölkerung ein, die durch alle deutschen Medien und der Politik getragen wird. In seltener Einigkeit wird dummdreiste Stimmungsmache gegen Google zusammen gertrommelt und alle machen mit. Alle Parteien, die Öffentlich Rechtlichen, die Fernsehsender und die Printverlage, Datenschutzbeauftragte, alle.

Bildschirmfoto am 2010-05-05 um 14.09.08
Deutsche Politik (Symbolbild) [Original]

Kein Argument ist zu dumm, als dass es nicht gebracht würde, keine Lüge zu dreist, als dass sie nicht gedruckt würde. Unwissenheit paart sich mit blankem Hass und undifferenzierten, irrationalen Ängsten zu einem Kampagnenhurricane, wie wir ihn schon lange nicht mehr hatten. Und das mit einem Thema, das lange nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat und auch heute noch als eher dröge gilt. Dem Datenschutz.

Dabei stört es die Journalisten nicht einmal, dass sie sich mit den politischen Prozessen, die sie in Gang setzen, in’s eigene Fleisch schneiden. Dass sie in der Berichterstattung den Begriff „Panoramafreiheit“ vermeiden wie der Teufel das Weihwasser, obwohl es der Garant dafür ist, dass da draußen auf der Straße überhaupt fotografiert werden darf, ohne einen Anwalt die Bilder machen zu lassen, daran hat man sich ja bereits gewöhnt. Nur fragt man sich, wie es sein kann, dass ausgerechnet Journalisten diesen Angriff – auch auf die Freiheit ihrer eigenen Berichterstattung – so wohlwollend entgegen sehen? Es kann nur mit der Hybris des Journalistenstandes zusammenhängen, dass er sich in einer Sonderposition wähnt, jenseits der Gesetze, die er für Google – und für niemanden sonst – fordert.

Dass es tatsächlich um einen Angriff auf die Panoramafreiheit – und damit auf ein wichtiges Recht für die Freizügigkeit von Information insgesamt – geht, zeigt die Hamburger Gesetzesinitiative. In ihrem Entwurf würde eine völlig neue Rechtsunsicherheit geschaffen werden, die uns alle – ja auch uns Blogger und Flickrer – einem völlig neuen Abmahnrisiko aussetzt. Nicht umsonst ist – im Gegenteil zu den von ihnen vertretenen Kollegen – der Journalistenverband alarmiert. Doch mit Argumenten lassen sich die selbsternannten „Datenschützer“ nicht aufhalten.

Kaum ein Bericht über Street View, der darüber berichtet, dass das, was Google tut, seit vielen Jahren von vielen deutschen Unternehmen getan wird, ohne dass sich je einer darüber aufgeregt hätte. Klar, denn diese Daten stehen hinterher nicht allen, sondern nur gut zahlenden Werbefirmen zur Verfügung. Was daran nun besser sein soll, kann wahrscheinlich nur ein Politiker oder Journalist verstehen.

Dass Bild.de bei dieser Kampagne natürlich allen Anstand fallen lässt und Google falsche Bilder unterschiebt (und dabei nebenbei den Datenschutzfail, den es Google zuschieben will, selbst unternimmt), gehört da nur zu den vorhersehbarsten Ausläufern der Kampagne.

Dass aber ausgerechnet Heise sich entblödet „kritisch“ über das Mitloggen von Wlan-SSIDs der Streetview-Autos zu „berichten„, lässt einen dann doch erschaudern. Nicht nur, dass genau diese Daten schon seit Jahren erhoben werden, ohne dass ein Hahn danach gekräht hätte. Nein, die Information, dass Google diese Dinge auch aufzeichnet, ist seit Anbeginn des Streetviewprojektes bekannt. Wenn nicht mal Heise es schafft, informiert und sachlich über Street View zu berichten, wer dann?

Was mich zusätzlich ärgert, ist dass der eigentlich gute und wichtige Diskurs des Datenschutzes für diese populistische Hysterie als Vehikel missbraucht wird. Das Recht in der Öffentlichkeit fotografieren zu dürfen gehört uns allen! Die Daten, die uns öffentlich zu Verfügung stehen, helfen uns allen. Sie werden helfen, uns zu orientieren und werden uns Fahrten ersparen. Sie werden die Welt ein Stück weit transparenter machen. Viele nützliche Anwendungen werden darauf basieren. Der CCC hatte immer die Devise: „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen!„. Was ist daraus geworden?

Was ist mit unseren verdienten – und im Gegensatz zu Ilse Aigner auch glaubwürdigen – Datenschützern? Die steigen entweder auch in das undifferenzierte Googlegebashe ein (Peter Schaar) und die, die um die Absurdität des ganzen Wissen sollten, halten sich vornehm zurück. Wo bleibt denn eigentlich der Chaos Computer Club in der Debatte? Wo bleibt padeluun und der Foebud? Wo sind die digitalen Vordenker des Datenschutzes, die doch zu unterscheiden wissen, was öffentliche Daten und was private Daten sind? Wo bleibt die Stimme der Vernunft, die mit Nachdruck und Autorität die wildgewordenen Protagonisten eines falsch verstandenen Datenschutzes zur Ordnung ruft? Wo bleiben die Menschen, die mit genügend Verstand gesegnet sind, um darauf hinzuweisen, dass es kaum etwas öffentlicheres gibt, als eine Hausfassade?

Und wenn dann doch jemand aus der Deckung kommt – wie Jens Best und mit seiner Aktion dem Wahnsinn einen Spiegel vorhält, wird er mit einem hämischen und wie immer undifferenzierten Beitrag bedacht, der natürlich kein Wort darüber verliert, dass Jens hier nicht für einen Konzern, sondern für unser aller Recht agitiert, öffentliche Daten zu nutzen.

Es ist nicht schwer zu erraten, was da gerade passiert. Hier wird kalte Rache geübt an einem Unternehmen, dass den Stand des Journalisten wie kein anderes angegriffen hat. Ein Unternehmen, das es schaffte, den Menschen Tools in die Hand zu geben, mit dem sie bessere, schnellere und gezieltere Informationen erlangen können, als es der Journalismus je hat schaffen können. Das mit weiteren Innovationen, die es der Menschheit beschert, nicht nur die Vormachtstellung, sondern auch den Sinn des journalistischen Standes untergraben hat. Aus den Artikeln und Fernsehbeiträgen über Google Street View spricht sich nichts als der blanke Hass gegen diese Demütigung aus. Und doch zeigt sich gerade wieder in dieser Debatte wie sehr unsere Gesellschaft doch diese irrationalen kampagnengetriebenen Gatekeeper braucht, die es wagen sich selbst mit „Qualität“ zu assoziieren: so sehr wie ein Persönlichkeitsrecht für Jägerzäune.

Medienradio und CTRL-Verlust

Gestern Abend verbrachte ich bei Philip Banse in seiner schönen neuköllner Wohnung nahe dem Maibachufer. Er hatte mich im Rahmen des Medienradiopodcasts eingeladen mit ihm über dies und das zu quatschen. Leider waren seine Mitstreiter alle verhindert, aber ich fand das nicht allzu schlimm. So wurde es ein recht intimes Gespräch über alles, was ich so im Internet mache. Ich fand das Gespräch sehr angenehm und ihr könnt euch das hier anhören.

Außerdem erzähle ich dort von einem Text, den ich gerade für das FAZ-Blog schrieb, der zu dieser Zeit nicht fertig war. Das ist er jetzt endlich. Es geht um die Definition und Ausgestaltung einer neuen Politik im Zeitalter des Kontrollverlusts. Nachdem ich im letzten Teil der Reihe dargelegt habe, warum die alte Politik (Ausweitung ihrer Kontrolle) nicht funktionieren kann, habe ich diesmal versucht zu zeigen, wie und warum die Politik den Kontrollverlust im Gegenteil aufrecht erhalten muss, wo immer er bedroht ist. „Plattformneutralität“ ist das Gebot der Stunde und vielleicht die Blaupause einer neuen Solidarität.

Vom Kampf um die neue Welt

Der neue Netzsperrendiskurs greift in immer blumigere Metapherkisten. Jetzt hat Jörg Tauss die Netzsperrengegner mit Indianern verglichen. Wir würden von de Maizière ebenso über den Tisch gezogen, wie einst die Ureinwohner der USA von den Siedlern. Da den Indianern das Konzept Eigentum und die Technik der Grenze nicht bekannt war, wussten sie gar nicht worauf sie sich einließen.

Ebenso ginge es uns jetzt mit der Bundesregierung, so Tauss. Man solle sich also nicht einfach mit dem Minister einlassen, der nicht akzeptieren kann, dass wir hier keine Leitplanken und Grenzübergänge im Internet haben wollen. Das Konzept Zaun sei aus seinem Kopf nicht herauszubekommen.

Ich muss zugeben, dass diese Metapher durchaus ihren Charme hat. In der Tat wirkt das Internet, wie auch Peter Glaser ja auf der re:publica betonte, wie der achte Kontinent, der gerade erst besiedelt wird.

Aber ich hatte auch sofort ein schlechtes Bauchgefühl bei dem Vergleich. Die Indianer hatten sicher andere Konzepte und eine freiere Lebensweise, als die einwandernden Weissen. Aber diese Lebensweise war nicht zu retten. Sie hatten bereits verloren, als Kolumbus seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzte. Es bestand zu keiner Zeit irgendeine Chance, dass die Grenzen nicht gezogen und die Zäune nicht errichtet würden. Ich hoffe doch sehr, dass das heute anders ist.

Außerdem sind wir eben keine Eingeborenen. Auch wir sind Emigranten. Wir sind nicht mit den Indianern vergleichbar, denn wir kennen schließlich auch die andere Welt. Wir kennen die Enge und Zwänge und die Grenzen der Realwelt und wissen deswegen ja auch die Freiheit im Internet so sehr zu schätzen. Wir gleichen viel mehr den frühen Siedlern aus dem alten Europa mit seinen despotischen Fürstentümern, ihren engen Grenzen und seiner dichten Besiedelung, dessen wir entflohen sind. Wir haben unsere Hütten nun in der unendlichen Weite des neuen Kontinents aufgebaut und auch wenn uns das Konzept der Grenze nicht unvertraut ist, gibt es genug Platz für alle und wir haben uns da nicht so. Grenzen und Gesetze sind nicht unbekannt, aber fangen gerade erst an, sie zu entwickeln.

Das einzige, was uns so richtig stört, ist, dass dort drüben, sehr fern drüben, jemand sitzt und meint, uns immer noch – und zwar auch hier – regieren zu müssen. Die Bundesregierung ist meiner Ansicht nach die britische Krone, die uns ihre englischen Gesetze aufzwängen will, die doch gar nicht zu unserer hiesigen Situation passen. Der Ärger wächst und es braucht nur noch einen Funken.

Vor allem finde ich diesen Vergleich schöner, weil die britische Krone und ihre Soldaten erfolgreich mit Mistgabeln und Bärentöter aus dem Land gejagt wurden und sich die Siedler nun selbstverwaltet die Gesetze geben konnten, die sie für angemessen hielten. Selbstbestimmt und fortschrittlicher und freiheitlicher als alles, was es bis dahin gab.

News

Ich hab den ersten Teil meiner Reihe „managing CTRL-Verlust“ online gestellt, in dem ich eine Aufarbeitung der Zensursuladebatte einerseits und gleichzeitig eine tiefere Analyse der Problematik des Kontrollrückgewinns der Politik andererseits zu bieten versuche. Heraus kommt der „Korridor der Politik im Internet„, der Spielraum, in dem Politik sinnvoll stattfinden kann, sogar sollte. Er wird Grundlage des nächsten Artikels werden, in dem ich versuche, die aktuellen Probleme zu charakterisieren. Ehrlich gesagt, bin ich da noch nicht sehr weit. Ich habe einige Ideen, bring die aber noch nicht so richtig auf den Punkt.

* * *

Aber kommen wir zunächst zu Twitkrit. Denn Twitkrit hat Geburtstag, das Projekt ist mittlerweile tatsächlich bereits zwei Jahre alt. Wer hätte das gedacht? Damals gaben bosch und ich den Netzpiloten ein Interview zu dem Projekt. Ich weiß noch, dass wir große Zweifel hatten, ob das Besprechen von Tweets mehr als ein paar witzige Pointen bringen würde und sich das Konzept nach wenigen Wochen erschöpft haben würde. Aber irgendwie ist das auch nach zwei Jahren nicht der Fall. Vor allem nicht wegen den tollen Autoren, dafür ein herzliches Dankeschön.

bosch und ich haben uns jedenfalls zusammengesetzt und einen kleines Video zum Geburtstag aufgenommen. Zum angucken und gratulieren bitte hier entlang.

Gerechte und ungerechte Gruppenidentitäten

Gestern hatte ich eine kurze Diskussion mit Mathias Richel und Deef auf Twitter. Es ging mal wieder um das Problem der Gruppenidentität, das irgendwie dauernd virulent ist. (Mein Eindruck ist ja, dass das Internet das Konzept Gruppenidentität überall dekonstruiert und deswegen alle so unglücklich damit sind, obwohl unsere gesamte Gesellschaft immer noch danach aufgebaut ist)

Richel hatte bei Spreeblick in den Kommentaren für die SPD das reklamiert, was die Blogger und Internetmenschen auch für sich reklamieren (z. B. auf unserem Pannel): nämlich nicht alle mit allen in einen Topf geworfen zu werden.

Ich kann das sehr gut nachvollziehen, dass ihn das stört. Guppenidentitäten und ihr kleiner noch hässlicherer Abkömmling, die Sippenhaft, sind widerliche und auch widersinnige Konstrukte, denen ich so oft es geht in Suppe spucke. Zum Beispiel auf dem letzten Politikcamp. Da hab ich sogar eine Session dazu gehalten und Wege aufgezeigt, wie ich glaube, dass man aus diesem Dilemma herauskommt, aber das würde hier jetzt zu weit führen.

Denn Mathias Richel hat zwar recht, dass diese Sippenverhalftungen nerven und falsch sind, jedoch billige ich ihm und der SPD nicht zu, sich dem entziehen zu dürfen. Im Gegensatz zu den Bloggern und Netzmenschen – ebenso wie den „Männern“ und „Frauen“, den „Schwulen“, den „Ossis“ und „Wessis“ (wie Deef anmerkt) – haben sich die SPDler nämlich alle diese Gruppenidentität selber und völlig freiwillig gegeben. Sie haben alle ausnahmslos ein Papier ausgefüllt und eine Unterschrift geleistet, sie haben sich ein Parteibuch aushändigen lassen und sich selbst als Genossen bezeichnen lassen. Ihnen wird also keine Identität aufgedrückt, sie haben sie selber gewählt.

Während die Gruppenidentität der Blogger, Ossis, Schwulen, Frauen, und AmPoBehaarten keine von ihnen selbst gewählte Identität ist, sie ihnen höchstens von außen aufgestülpt wird, sondern nur eine Eigenschaft, die sie mit anderen gemeinsam haben, ist jede gruppenidentitäre Zusammenfassung nicht nur dämlich (das ist sie auch bei der SPD), sondern auch noch hochgradig ungerecht.

Deswegen: Kein Mitleid mit der SPD. Wer sich in eine Gruppe begibt, darf auch damit assoziiert werden. Aus genau dem Grund bin ich nie Mitglied einer Partei, eines Vereins, einer irgendwas anderes, was sich als Metakonstrukt über meine Identität legt und mich mir anderen vergemeinschaftet, gewesen. Ich bin leider Staatsbürger, aber das konnte ich mir nicht aussuchen. (Und wenn jetzt jemand ankommt und meint, ich sei doch irgendwie in diesem Blogdings, weil ich doch blogge und so, dann mach ich es wie Felix Schwenzel und schreibe ab sofort nur noch in das Internet rein.)

kurz:

Selbstgewählte Gruppenidentät = gerecht.
Aufgedrückte Gruppenidentiät = ungerecht.

(Und insofern ist zwar der Aufruf von Sascha Lobo, @weltkompakt wegen der Bildblogabmahnung zu entfollown, irgendwie kindisch aber durchaus nicht ungerecht: immerhin hat sich Frank Schmiechen ja seinen Arbeitgeber relativ frei ausgesucht, allerdings nicht ganz so frei, wie es ein Genosse mit seiner SPD tut.)

re:publica und ihre Kinder

Irgendwie bin ich einerseits etwas in ein Loch geraten und gleichzeitig vollkommen reiz- und damit auch gedankenüberflutet aus der re:publica heraus gestolpert. Kurz: es war toll! Inspirierend, thematisch überwältigend, sozial berauschend und stimmungsmäßig euphorisch. Kurz: die beste re:publica auf der ich je war. Und ich war auf allen.

Ich hab während dessen getwittert, dass ich über jedes einzelne Gespräch einen Blogartikel hätte verfassen können, wenn ich das alles nicht wieder vergessen würde. Ich hab es wohl vergessen, naja, nicht so richtig, die Meme schwirren mir im Kopf und ich trage mich mit hundert Ideen und Überlegungen gleichzeitig schwanger. Es wird Jahre dauern, bis das alles durch gebloggt ist.

Dazu hab ich ja insgesamt auch an 3 Veranstaltungen mitgewirkt und ich glaube, dass sie alle mehr oder minder gut gelaufen sind. Über die Twitterlesung hab ich in dem dazugehörigen Blog bereits geschrieben, der Livepodcast mit Max, ähh, hört doch einfach selbst. (Bei dieser Gelegenheit sei auch noch mal auf das Twitterbuch hingewiesen, dessen inhaltliche Vorbereitung auch mit zum Stress gehörte, der mich vor der re:publica so auf Trab hielt.)

Die letzte Veranstaltung, die Diskussion zwischen Dirk Baranek und Christian Heller (plomlompom) über die Freiheit des Internets fand ich auf eine Art aber die Gelungenste. Es wurde das erste mal eine Diskussion ganz ohne Scheuklappen aufgetischt – intern (diesmal nicht gegen einen äußeren Feind) – wie wir in dem von uns allen geliebten Medium Internet leben wollen und wie wir gedenken, diese unsere Vorstellungen durchzusetzen. Gibt es überhaupt allgemeine Vorstellungen und gibt es überhaupt Ansätze sowas allgemein zu legitimieren und durchzusetzen? Die Diskussion war kontrovers bis heftig und hat einige entscheidende Fragen aufgeworfen. Philip Steffan war so gut und hat die Veranstaltung aufgezeichnet:

plomlompom vs. baranek: Kann denn Freiheit grenzenlos sein? from Philip Steffan on Vimeo.

Im Nachklang sind mir die daraus erwachsenen Fragen so dringend aufgestoßen, dass ich mich die letzten Tage mit einer Versuchen einer adäquaten Beschäftigung herum quäle. Ich hab jetzt ca. 1,5 Texte dazu geschrieben, die ich nicht veröffentlichen konnte, weil sie mir noch merkwürdig unfertig vorkamen. Deswegen habe ich heute erst mal für den FAZ-Blog einen Einleitungstext verfasst, wo ich eine Textreihe ankündige, in der ich diese mich quälenden Fragen klären möchte. Das wird kein leichtes Unterfangen, aber ich werde mich bemühen.

Das fängt jedenfalls nächste Woche an und wird dann hoffentlich auch fertig.

wmr 6.5 – Ankündigungen

Nur kurz, eher lustlos und total übermüdet haben mspro und ich uns zusammengefunden, um eigentlich nicht viel mehr zu machen als eine Ankündigung: Wir Müssen Reden wird es live geben.

Bitte hier herüber.

Oder schon am Donnerstag, auf der re:publica:

Donnerstag, 15. April
um 18:00 Uhr
im Blauen Salon
auf der re:publica

Ihr bringt das Bier mit, wir die Themen.

Wir freuen uns!

Podcast: Download