Es sieht so aus, als ob mein Aufruf zur Datenschutzverordnungskritik gefruchtet hat. Vor allem Hauptspackerist @tante nahm meine Anregung auf, jeden Tag über einen Artikel der Datenschutzverordnung zu bloggen. Dafür hat er ein eigenes tumbler eingerichtet und es ist sehr lesenswert. Zuletzt nimmt er das „Recht auf Vergessen“ auseinander.
Das Recht auf Vergessenwerden ist konzeptionell kaputt. Wenn es ginge, dass ich als Datenquelle Daten verlässlich aus dem Internet entfernen können würde, gäb es die Filesharingproblematik nicht weil die Filmindustrie die Illegalen Kopien einfach löschen lassen würde. Funktioniert aber nicht. Das Internet ist eine Kopiermaschine.
Rechtsanwalt Thomas Stadler, der schon seit längerem die Datenschutzverordnung kritisierte, hat auch noch ein paar mal nachgelegt. Einerseits sieht er konkrete Probleme bei der Definition der IP Adresse als personen bezogenes Datum, anderseits stellt er sich vor allem gegen die von der Digitalen Gesellschaft vertretene Auffassung, dass die Datenschutzverordnung pauschal die Bürgerrechte stärken würde.
Um es deutlich zu sagen: Ein strenges Datenschutzregime beinhaltet immer auch eine Einschränkung der Kommunikationsfreiheiten. Es besteht also ein latentes Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung – als Grundlage des Datenschutzes – und der Meinungs- und Informationsfreiheit. Es ist also aus bürgerrechtlicher Sicht etwas kurzsichtig, sich nur auf einen grundrechtlichen Aspekt zu konzentrieren, ohne die Wechselwirkungen zu beachten.
Der schönste Rant gegen die Verordnung kommt übrigens von Peter Fleischer (vorsicht: Googlemitarbeiter), in dem er den EU-Datenschutz mit Don Quixote vergleicht:
The cynical realists will see that Europe’s innovation-inhibiting privacy laws will simply drive more Big Data and Internet innovation to move increasingly outside of Europe. Will we see companies choose to move their research arms elsewhere, for example, to the US or India or Singapore? Ask yourself whether US or European companies will turn out to be more hobbled by Europe’s rules? The answer is obvious: European companies will have to swallow these new rules entirely, while non-European companies can simply ring-fence their slower, less innovative operations in Europe. Companies may end up offering a series of slower, less-cutting-edge services in Europe, given the significant risks that cutting-edge data-services could be smacked with massive fines.
I say all this with sadness, as the world moves on. Who am I to deride Don Quixote’s dream? Who am I to celebrate the demise of his delusions?
Zuletzt, habe auch ich mir noch mal Gedanken zum derzeitigen Paradigmenwechsel beim Datenschutz gemacht, den ich vor allem ausgelöst durch die Herausforderungen des Kontrollverlust durch Big Data sehe.
Es war klar, dass der Datenschutz an einen Punkt kommen wird, an dem er von einem freiheitsermöglichenden Schutzrecht zu einem freiheitseinschränkenden Regime wird. Ich glaube, dieser Zeitpunkt ist jetzt.
Wenn der Datenschutz seine Vorstellungen von “Personenbezug” durchsetzt, erweitert er seine Kompetenzen auf beinahe Alles. Dann wird er entweder totalitär oder wird an dieser Stelle schlicht und ergreifend ebenso armselig scheitern, wie es die tragische Figur Thilo Weichert heute schon beinahe täglich vormacht.
Es freut mich, dass neben dem Lobbyismus-Alarmgeschrei auch eine inhaltliche Auseinandersetzung im Netz beginnt. Und ich bin mir sicher, dass auch LobbyPlag zu dieser Diskussion beitragen kann, wenn die Aufregung über das pure „Plagiieren“ abgeebbt ist.