Ich bin immer so negativ. Immer beschwere ich mich. Klar, ich bin ein Blogger. Ein Netzmensch. Wenn wir den Mund aufmachen, haben wir was zu meckern.
Aber heute nicht. Heute will ich mich mit dem Positiven beschäftigen. Heute will ich loben, empfehlen und werben. (Und bevor jemand fragt: ja, ich weiß, dass „Positivismus“ etwas anderes heißt, als Dinge gut zu finden.)
1. Christian Stöcker hat ein Buch geschrieben. Nerd Attack! Ich hab es gelesen und bin sehr angetan. Es ist – egal was er sagt – ein Generationenbuch. Es ist schließlich auch die Langfassung von Stöckers großem SPON-Artikel „Generation C64„. Also mein Generationenbuch, also das meiner Generation. Ich hab das alles auch so, zumindest sehr ähnlich erlebt. Christan Stöcker ist etwas älter als ich, aber insgesamt passt das schon.
Das Buch ist eine kenntnisreich und klug aufgeschriebene Kulturgeschichte der Nerdkultur. Es werden beide Fäden, der Amerikanische und der Deutsche aufgenommen und parallel geführt, was Sinn macht, denn man kann wohl keine nationale Nerdkultur ohne Kalifornien erklären. Am besten ist das Buch, wenn es die beiden Kulturen anhand ihrer – im Detail doch sehr unterschiedlichen – Herkünfte vergleicht. Dort die libertäre Hippie-Kultur, hier die deutsche, eher technikkritische Linke. Dieser Unterschied erklärt vieles, bis heute. Leider traut sich Stöcker an dieser Stelle nicht weiter zu bohren, sondern belässt es bei der Feststellung. Dass der in traditionell linken Kreisen teils vor sich her getragene, regelrechte Technikhass – den Stöcker durchaus in einigen Anekdoten beschreibt – direkt in dem grassierenden Technikkonservativismus und dem selbstgerechten Elitengehabe des heutigen CCC mündet, hätte man hier schön herleiten können. Aber Stöcker gibt sich sanftmütig, sucht keinen Streit. Alle haben recht.
Dennoch ist das Buch eine Bereicherung. Es sind viele Geschichten detailreich geschildert, von denen man gehört hat und einige neue Infos konnte ich auch daraus ziehen. Vor allem ist es wirklich fluffig geschrieben. Ich hab es auf zwei Zugfahrten durchgelesen und war keine Minute gelangweilt.
Am hervorhebungswürdigsten ist aber die Tatsache, dass es dieses Buch überhaupt gibt. Ein Buch, das positiv auf Technik und Technikkultur schaut, eines dass das Internet offensiv gut findet, ist in der deutschen Buchlandschaft eine kleine Revolution.
Lasst die deutschen Verleger also wissen, dass für Internetgutfindeliteratur durchaus ein Markt existiert und kauft das Ding!
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2. Am 10. September findet mal wieder die Freiheit satt Angst Demo statt. Die einzige Demo, auf die ich regelmäßig gehe. Auch dieses mal bin ich wieder dabei. Auch wenn der Aufruf zur Demo von mal zu mal schriller wird, so dass ich mich frage, ob vielleicht doch der Titel „PANIK statt Angst“ angebrachter wäre, halte ich diese Demo weiterhin – wie schon auch letztes Jahr – für wichtig. Es ist das Signal an die Politiker, dass wir (und das ist in diesem Fall das Netz) uns einen Eingriff in unsere Freiheiten nicht gefallen lassen. „Freiheit statt Angst“ ist ein guter Titel und ich steh dazu. (Und ein bisschen demonstriere ich da auch, um einigen der Machern der Demo diesen ihren Titel selbst vor Augen zu halten. Wenn ihr mich sucht, ich bin der mit dem „Mehr Daten für alle!“ Plakat rumläuft.)
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3. Als letztes eine Wahlempfehlung. Am 18. September wird in Berlin gewählt. Ich werde wieder die Piratenpartei wählen. Warum?
Weil ich sie für wichtig halte. Man kann darüber streiten, wer die besseren Rezepte hat, ob Wowi ein guter Bürgermeister ist, ob Künast glaubwürdig ist und ob die Piraten überhaupt personell und konzeptionell Politikfähig sind. Das kann man alles besprechen, aber es interessiert mich nur so peripher.
Die Welt ändert sich gerade massiv, schneller als jeder noch so steile Prophet vorhergesagt hat aber was ich sehe – durch alle Parteien hinweg – ist Ratlosigkeit. Tiefe Ratlosigkeit gegenüber den Problemen einer Welt, die aufgehört hat, nach den alten Theorien und Ideologien zu funktionieren. Das Wissen – ob links, ob rechts – wird gerade auf allen Ebenen entwertet.
Und die Piraten haben jetzt also die Lösung?
Nö. Aber sie haben den Mut für Experimente. Sie haben Mut, die Dinge – Politik, Wirtschaft, Soziales und im Zweifel sich selbst – immer neu zu überdenken und neu zu erfinden. Sie sind sich zum Beispiel nicht zu schade, um sich als Atomwaffentestgelände neuer politischer Konzepte wie Liquid Democracy zur Verfühung zu stellen, obwohl es ihre Partei beinahe zerrissen hätte.
Klar, kann man sich hinstellen und dann über die Naivität und Zerstrittenheit der Priaten lästern. Man kann aber auch den Mut und die mentale Offenheit bewundern und dankbar sein, dass da draußen Leute sind, die es einfach mal versuchen.
Ich jedenfalls bin das. Und deswegen halte ich die Piraten immer noch für das wichtigste politische Experiment in dieser Tage und will es gerne unterstützen.