Noch mal kurz: Politische Planspiele

Ich habe der Koalition ja noch ca. 4 Wochen eingeräumt. Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass Merkel mir zustimmt.

Merkel war immer schon durchsetzungsstark gegen die FDP, die in dieser Koalition so ziemlich jede Wahlkampffeder lassen musste, die sie sich angesteckt hatte. Jetzt aber nimmt Merkel scheinbar gar keine Rücksicht mehr auf sie. Fährt ihrem Wirtschaftsminister doch glatt über den Mund und legt sich direkt mit ihm an.

Nun hat sie sich aber gerade nach dem schnüren des Sparpaktes zusammen mit der FDP hingestellt und ihr immerhin das Feigenblatt gelassen, dass es keine Steuererhöhungen geben werde (was natürlich schon jetzt Quatsch ist, weil das jetzige Paket implizite Steuererhöhungen beinhaltet).

Aber auch insgesamt ist das anscheinend eine Nebelkerze. Die einzusparende Summe ist ohne Steuererhöhung überhaupt nicht sinnvoll zu machen. Und Merkel weiß das. Und dann kommt mir dieser Handelsblattartikel herein geflattert (ACHTUNG: nicht geflattrt!), in dem behauptet wird, dass die CDU geführten Ministerien schon einen Sparplan II in der Schublade hätten, für die Zeit nachdem die FDP Wulff abgenickt habe, also den 30. Juni. Mit – natürlich – Steuererhöhungen.

Das können natürlich auch nur gestreute Gerüchte sein, reine Verschwörungstheorien, aber ich halte das durchaus für plausibel. Merkels Kalkül wäre folgendes: die Koalition ist gescheitert, eigentlich jetzt schon. Aber noch viel mehr in der Zukunft, denn Steuererhöhungen sind – wie gesagt – unumgänglich, aber mit der FDP sowieso nicht möglich. Also noch eben Wulff durch winken (was vielleicht nicht klappen wird) und bis dahin nett lächeln und der FDP die blauen Steuersenkungen vom Himmel versprechen. Und dann, ab dem 30. Juni, einfach das ganze Ding platzen lassen. Oder die FDP einfach so lange provozieren, bis sie selber das Handtuch schmeißt – es sieht eher nach Zweiterem aus.

Ich wäre nicht überrascht, wenn derzeit schon unter größter Geheimhaltung mit der SPD geflirtet wird – für eine Große Koalition. Denn Merkel weiß: sie kann derzeit nur mit der SPD eine (ihrer Meinung nach) sinnvolle Politik machen, denn die geht nur mit Steuererhöhung. Klar, die FDP war immer Wunschpartner gewesen, aber ausgerechnet jetzt ist sie nun mal die falsche Partei zur falschen Zeit am falschen Ort. Merkel ist ja pragmatisch.

Und für die Große Koalition hat sie gleich auch die Preise festgelegt. Die sozialen Zumutungen im Sparprogramm sind die Pappkameraden, die die SPD dann zurückfordern darf und außerdem wird sich Merkel gerne für einen höheren Spitzensteuersatz begeistern und vielleicht sogar die Vermögenssteuer wieder einführen – und alle sind glücklich.

Naja, bis auf die FDP.

Ooooder doch nicht? Denn so wie ich das sehe, spekuliert die SPD ihrerseits auf eine Ampel – zumindest als grundlegende Koalitionsstrategie. In NRW sieht es ja bereits jetzt immer mehr danach aus [UPDATE: Die Sondierungsgespräche sind offenbar noch in dieser Nacht geplatzt.] und die Nominierung von Gauck ist ein klares Signal in Richtung FDP – und zwar explizit gegen Rot-Rot-grün und für die Ampel. Die FDP, die ja die Umarmungen der SPD stets routiniert von sich gewiesen hatte, wird angesichts des engen Käfigs, in dem Merkel sie hält, immer weniger zickig gegen die SPD sein, kann man annehmen. Und Gauck ist schon auch ein Leckerhappen, den Rot-Grün ihr da hin hält.

Also: so wie Merkel – wie ich annehme – heimlich mit der SPD flirtet, wird also die SPD mit der FDP flirten – naja, tut es ja bereits öffentlich.

Die FDP hat es jetzt also in der Hand. Sie kann am 30. (oder bis zu diesem Tag) die Koalition platzen lassen und Gauck wählen, oder sie hält still, wählt Wulff und lässt sich danach mal so richtig demütigen. Und schmeißt dann hin (man braucht ja schließlich einen Grund für sowas in der Öffentlichkeit.)

Wo ich keinen Deut Einblick habe, ist, wie es in der FDP derzeit aussieht. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Partei nicht gespalten ist. Westerwelle ist so erstaunlich still, dass es fast danach aussieht, als habe er innerparteilich ordentlich Federn gelassen. Niemand in der FDP dürfte zufrieden sein mit Schwarz-Gelb, aber eine Ampel ginge sicher nur über Guidos Kopf. Und da denken sicher nicht wenige drüber nach.

Wie ich letztens schon per Twitter fragte: Was käme da für eine FDP heraus, wenn sich in NRW eine Ampel bilden und die Bundes-FDP Gauck zum Bundespräsidenten wählen würde? Zumindest eine ohne Guido und insgesamt einem geschwächten rechts-liberalen Flügel. Ich hätte da nichts gegen.

Allerdings: so wie Merkel mit der FDP umspringt, scheint ihr das Zustandekommen einer Ampel wenig Angst zu machen. Und ich denke, sie hat recht. Ampel ist ein ungleich unrealistischeres Szenario als eine Neuauflage der Großen Koalition. Mit der SPD und der FDP wären es schließlich gleich zwei Parteien in einer Koalition, die sich erst mal selber wiederfinden müssen. Damit ist keine Regierung zu machen. Dagegen sind CDU und SPD noch gut aufeinander eingespielt. Und für vieles, was jetzt ansteht, braucht man eh den Bundesrat.

Naja. Bis zum 30. Juni sind es jetzt noch 20 Tage.

 

 

 

 

 

 

 

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Mein guter Freund Mark hat gerade noch so rechtzeitig eine Webseite gelauncht, die uns allen die nächsten Wochen noch einige Freude bereiten wird: Twitterwm!

Bildschirmfoto am 2010-06-08 um 08.57.07

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Ich hoffe mal, dass das meine WM-Müdigkeit noch ausmerzen wird.

Medienspekulanten lassen Merkelblase platzen

Die Koalition ist am Ende. Nicht, dass es ihr jemals wirklich besser ging als heute, aber seit gestern ist ihr Ende amtlich abgesegnet.

Wer den Tod festgestellt hat? Die Medien, In vorderster Front SPIEGEL, FAZ und BILD.

Dabei waren sie es, die sich seit ca. 10 Jahren geschlossene Merkelfans gerierten und bis zu Letzt bei jedem ihrer Stolperer ein Machtkalkül haben sehen wollen. Verließ jemand brüskiert ihre Reihen, dann hatte Merkel ihn natürlich „abserviert“. Zögert sie wichtige Finanzhilfen hinaus und lässt die EU fast in’s Chaos stürzen, dann handelt sie „überlegt“ und „besonnen“. Verweigert sie sich – entgegen jedem Expertenrat und jeder Staatspraxis – zunächst jedem Konjunkturpaket, wird sie für ihre Politik von „Maß und Mitte“ gelobt. Ändert sie dann ihre Meinung, ist das natürlich „alternativlos“. Als ihre größter Erfolg wurden die G8 Konferenz in Heiligendamm gezählt, bei der sie – ähhm – nichts erzieht halt. Fragt man nach 5 Jahren, was sie politisch auf den Weg gebracht hat, bleibt beinahe nichts übrig. Eine Gesundheitsreform, die derzeit bereits wieder auf dem Prüfstand steht. Was noch? Merkel ist bei genauerer Betrachtung immer wieder und überall und auf ganzer Linie gescheitert. Die Medien konnten das aber jedes mal irgendwie in einen vermeintlichen Sieg umdeuten.

Ausgerechnet an der Bundespräsidentenfrage ist sie dann endgültig gescheitert. Erst wirft Köhler verärgert hin, dann wird die von ihr favorisierte von der Leyen – aus welchen Gründen auch immer – als Kandidatin zurück gepfiffen. Dann drängelt sich auch noch Wulff nach vorne durch und beansprucht dreist den Posten, als ginge es um eine Gehaltserhöhung. Merkel steht wie immer still herum während ihr alles um die Ohren fliegt und schweigt. Sie weiß, sie kann sich auf ihre freiwilligen Spindoktoren in den Redaktionen verlassen. Und tatsächlich, selbst zu dieser mit planlosesten und stümperhaftesten Stunde Merkels wird ihr von einigen Medien noch eben jenes „Machtkalkül“ unterstellt. „Weggelobt“ habe sie den Wulff ja. Geschickt, nicht? – Herrje!

Dann aber die Wende: Rot-Grün – diesem eigentlich ziemlich zerschossenen Grüppchen politischem Nichts – gelingt ein echter Coup. Sie schaffen es, einen Kandidaten in das Rennen zu schicken, der irgendwie fast sowas wie glaubwürdig und vor allem Parteiübergreifend satisfaktionsfähig ist: Joachim Gauck.

Und irgendwie scheint da einigen Journalisten ihr „Merkel-hat-alles
-im-griff“-Kartenhaus auf einen Schlag zusammengefallen zu sein. „Hmm,“ hat sich mancher wohl gedacht: „man hätte anscheinend ja auch einen guten Vorschlag machen können…“.

Ich kann es mir auch eigentlich gar nicht anders erklären, als dass am Freitag zwischen den Chefradaktionen ein emsiges Telefonieren losgegangen ist: „Die Merkel ist am Ende.“ Ein bisschen so, wie die Spekulanten gegen die Blase in Griechenland wetten konnten – nein, mussten – so schossen sich die Redaktionen nun auf Merkel ein. Die Merkelblase wird platzen, sie ist schon angeschlagen, da muss man nur noch ein bisschen…

Und dann ging es los:

Der aktuelle SPIEGEL-Titel: „Joachim Gauck – Der bessere Präsident“
FAZ: Joachim Gauck – ein bürgerlicher Held.
Und Sogar Bild am Sonntag titelte: Yes, we Gauck
Welt am Sonntag: Gauck fliegen liberale Herzen zu.

Die Trias von Springer, SPIEGEL und FAZ hat sich schon häufiger als extrem kampagnenfähig erwiesen. Egal ob Angst vorm demographischen Wandel, Front gegen die Rechtschreibreform oder Nacktbilder von Günter Verheugen, die Zusammenarbeit klappte stets recht gut. Wenn die drei in trauter Einigkeit zuschlagen, dann hat das etwas zu bedeuten. Die haben Blut geleckt.

Mit anderen Worten: Merkel wird gerade fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Das heißt nichts anderes, als dass diese Koalition am Ende ist und dass sie vermutlich keinen Monat mehr existieren wird. Eine Pro-Gauckkampagne würde Merkel und Schwarz-Gelb politisch nicht überleben. Die Kampagne der Blätter für Gauck ist also ein politisches Ereignis von aller höchster Brisanz. Und was findet man davon in den Medien? Nichts. (Außer natürlich in den Blogs)

Denn die Medien sehen sich selbst nicht als Akteure des politischen Betriebs. Medien sind sich selbst gegenüber blind. Alles andere wäre ja auch nicht „objektiv“. Dabei sind die Kampagnieros politische Spekulanten. Gewinnen tut, wer die Agenda setzt. Wer sich als letzter bewegt, hat verloren.

Merkel wurde von den Medien aufgeblasen, in der Hoffnung sie würde den Raum irgendwann einmal mit politischer Substanz füllen. Jetzt spekulieren die selben Leute gegen diese Blase. Und während dieser Vorgang bei Schröder viele Monate andauerte, war’s bei Merkel ein kurzer Prozess. *Puff*


PS: Darüber hinaus macht auch noch das Netz für Gauck mobil: Felix Schwenzel bläst in die Fanfare, Nico Lumma hat ein extra Blog aufgesetzt und Thomas Pfeifer eine Twitteraktion in’s Netz gestellt.

Keine Frage: auch ich halte Gauck für den geeigneteren Kandidaten und der Merkel-Administration würde ich keine Träne nachweinen. Aber etwas sträubt sich in mir, mich dieser unheiligen Kampagniero-Phalanx anzuschließen.

Flattr – es funktioniert!

Ich habe ja schon vor einiger Zeit hier über Flattr geschrieben. Meine These: Flattr etabliert eine Geschenkökonomie, wie es sie bei uns in Frühzeiten der Vorzivilisation sowie bis heute zum Teil bei indigenen Völkern gibt. Flattr entzieht sich somit in gewisser Hinsicht der Logik der herkömmlichen Ökonomie, nämlich genau so wie Blogs auch schon. Flattrn ist wie Bloggen ein Schenken.

Jetzt, nach dem Hype durch alle Blogs, ist der erste Zahltag gekommen. Und das Ergebnis ist beachtlich! Spreeblick hat 110,94 Euro eingenommen. In vierzehn Tagen! Und das während der closed Beta! Auch andere können Frohlocken. Und auch ich habe habe 26 Cent eingenommen! (Okay, bei mir ist das Ergebnis nicht aussagekräftig, ich hab seit dem Einbau hier fast nix gemacht.)

In den Kommentaren bei Spreeblick bin ich aber auf etwas interessantes gestoßen. Egghat beschwert sich dort, dass solche Modelle von den Bloggern nicht genug gepuscht werden:

Wir müssen Leser darein bekommen und ihnen irgendwas dafür bieten. Ich habe das für Kachingle angeboten: 5 User, die auch zahlen, mehr im Monat und ich mach Adsense aus. Das ist monetär ein Verlust Geschäft, aber darum geht es nicht. Über sowas solltet ihr Euch mal den Kopf zerbrechen … Ihr seid doch kreativ …

Ich finde das in sofern bemerkenswert, als sich dort jemand anschickt, genau das wieder auszuhebeln, was – meine Meinung nach – Flattr erst erfolgreich macht. Egghat möchte diese Bezahlmodelle gerne wieder in einen Tausch zurück verwandeln. Ich tue dies, du tust dafür das. Die Logik des Geschenks scheint ihm nicht geheuer zu sein.

Weiter oben schreibt er in seinem Kommentar, dass er gefrustet ist. Ich kann das verstehen. Es ist vermutlich die selbe Frustration, die die Verleger haben, wenn sie über das Internet sprechen. Ihre Informationen sind im freien Aushandlungsprozess nichts wert. Nicht mal Werbung mögen die Menschen sich mehr angucken, als Austausch. Dennoch versuchen einige immer noch einen objektivierbaren „Marktwert“ für ihr Veröffentlichtes auszuhandeln. Und sei es, dass sie dabei drauf zahlen. Es geht fast weniger darum Geld einzunehmen, als das altvertraute Modell der Verlagsökonomie behaupten zu wollen.

Andererseits verstehe ich die Frustration von Egghat aber auch nicht. Flattr zeigt doch, dass es auch anders funktioniert. Es kommt reales Geld zurück und zwar erstaunlich viel. Flattr scheint zu funktionieren und zwar gerade deswegen, weil es sich einem normalen Preisaushandlungsprozess entzieht und stattdessen jeden einzelnen Flattrer vor die selbe Frage stellt, die es jeden Schenkenden stellt: Was und wie viel möchtest du geben?

Ich persönlich merke das an mir selber. Flattr hat mich in die Situation gebracht, mir Gedanken zu machen, was mir die Blogs, die ich lese eigentlich wert sind. Nicht wert in dem Sinne von: wie viel Geld würde ich in die Hand nehmen, um einen Artikel zu bezahlen, wenn ich es müsste (vermutlich gar nichts), sondern – gemessen an meinem Gesamtbudget (das nicht sehr groß ist): wie viel würde ich davon gerne den Blogs, die mir gefallen schenken? So insgesamt, mit allgemeiner Höchstgrenze.

Ich habe, wie gesagt nicht viel Geld. Ich brauche auch nicht besonders viel. Ich brauche kaum Luxus, fahre lieber Rad als Bahn oder Auto. Ich habe eine kleine Wohnung, weil ich da eh nicht viel Zeit verbringe. Aber ich habe einen teuren Rechner und ein teures Telefon. Im Grunde kaufe ich in dieser Hinsicht immer das teuerste. Das magh für manche absurd klingen, aber so verteile ich nun mal meine Präferenzen.

Eine Wohnung zu haben ist wichtig, aber eine große und schöne Wohnung zu haben, ist mir unwichtig. „Wohnen“ ist eine Tätigkeit, die ich selten ausübe. Am Rechner sitzen ist dagegen eine Tätigkeit, die mein Leben mehr als alles andere bestimmt. Deswegen ist mir ein guter Rechner viel Geld wert, da mache ich ungern Kompromisse. Wenn ich darüber nachdenke, was mir mein Rechner „wert“ ist, dann sage ich zunächst einmal: alles, was ich mir leisten kann. Und so lange ich mich nicht ruiniere, werde ich auch weiterhin das teuerste kaufen, das es gibt.

Bei Blogs ist das ganz ähnlich. Als Flattr herein flatterte habe ich mich spontan gefreut. Nicht weil ich glaubte, jetzt reich werden zu können, nein, sondern, weil ich froh darüber war, dass ich dieses diffuse Gefühl des „Mir sind Blogs etwas wert“ jetzt auf genau die Art und Weise ausdrücken kann, wie ich es empfinde: als spontane Freude und Zustimmung über einen einzelnen Blogeintrag.

Ich habe mein Flattr von Anfang an auf 20 Euro pro Monat gestellt. Meine eigene Einschätzung, wie viel mir Blogs Wert sind, wäre eher 50 Euro, aber das geht derzeit nicht. Schade.