Netzinnenpolitik-Talk und Gamergate-Text

Auch wenn ich in vielem nicht mit Renés Analyse zu Gamergate und Hass im Netz übereinstimme, finde ich sie sehr lesenswert und lege sie jedeR/m ans Herz.

Nachtrag: Nachdem der Text mittlerweile heiß diskutiert wird, fühle ich mich aufgefordert meinen kurzen Kommentar etwas auszuweiten. Die Kritik, die geäußert wird (Verharmlosung der Gamerhater, Relativierungen der Gewalt, unangemessene Gleichsetzung von HateSpeach und berechtigter Kritik und Coping-Strategien auf Seiten der Feminist/innen etc.) wäre genau auch meine Kritik. Der Text ist aus feministischer Perspektive unerträglich schlecht und ich verstehe voll und ganz, dass er von vielen als Zumutung empfunden wird.

Warum also die Leseempfehlung? Es ist der erste Text, der mir unter gekommen ist, der mir den Gamergate-Konflikt aus einer dezidiert Hardcoregamer-Sicht aufdröselt und zwar ohne den Hass und ohne völlige (!) Kritiklosigkeit der eignen Seite, die man sonst aus der Ecke zu hören bekommt. Ich teile die geschilderte Sicht nicht, wie gesagt, aber ich finde sie höchst aufschlussreich zu lesen.

Gamergate ist ein Phänomen, dessen Verständnis man nicht erreichen wird, wenn man die dahinterstehende Hardcoregamerkultur nicht versteht. Diese Kultur darf man als misogyn ablehnen, verurteilen, oder bekämpfen (berechtigter Weise, imho). Aber selbst für das Bekämpfen ist ein solches Verständnis von Nöten. Dieses Verständnis liefert mir der Text.

(Hinzukommt, dass einige der geschilderten allgemeinen Dynamiken von Netzdebatten durchaus zutreffend finde und dessen Verständnis hilfreich, egal auf welcher Seite man steht.) Nachtrag Ende

Dazu passend wollte ich meine jüngste abgelehnte Talkeinreichung verbloggen, diesmal für das CCCamp (Ich werd aber natürlich trotzdem hingehen):

Netzinnenpolitik Grundzüge einer Politik der Plattformgesellschaft

Excerpt: Die großen Plattformbetreiber werden von den zunehmenden Problemen einer globalen Netzgesellschaft gezwungen, ihre Neutralität immer weiter aufzugeben und in die Handlungen ihrer Nutzer/innen zu intervenieren. Das eröffnet Chancen die immer dringenderen Konflikte im Netz wirkungsvoll zu adressieren, birgt aber auch neue Gefahren. Wir haben es mit einer neuen Form zentralisierter Gewalt zu tun, zu der sich gerade erst politische Prozesse beginnen zu formen. Dennoch zeichnet sich ab, dass die Netzinnenpolitik für die Zukunft der globalen Netzöffentlichkeit von entscheidender Bedeutung sein wird.

Text: Von der Vorratsdatenspeicherung über Netzsperren bis zu ACTA – Netzpolitik hat sich als zivilgesellschaftliche Verteidigung der Netzfreiheit gegenüber den Regulierungsbestrebungen von Politik und Wirtschaft geformt. Zugespitzt kann man sagen, dass eine Gruppe von Menschen, die das Netz sowohl als ihr Zuhause, als auch den Ort der Zukunft erkannten, sich aufgerufen fühlten, es gegen äußere Feinde zu verteidigen.

Doch dieses Narrativ funktioniert immer schlechter. Das Netz kennt kein Außen mehr und die Verteidigungsbestrebungen werden zunehmend überschattet von internen Konflikten des Netzes. Gamergate, Maskuhorden, Pegida, Nazis, Verschwörungstheoretiker, Belästigung, Stalking, Shitstorms und im Netz organisierter Sexismus und Rassismus bedrohen die Freiheit eines Großteil derer, die eigentlich im Digitalen ihr Zuhause gefunden zu haben dachten.

Gleichzeitig haben sich alle Utopien vom Internet als unvermachteten Raum endgültig zerschlagen. Das Netz ist kein Peer-to-Peer-Ringelrein, sondern hat eigene, mächtige Institutionen hervorgebracht, deren Algorithmen und Terms of Service heute schon in das Leben eines Großteils der Internetnutzer/innen hineinregieren: die Plattformen.

Die Plattformgesellschaft ist längst dabei mit den Möglichkeiten dieser neuen, zentralisierten Gewalt die oben genannten Probleme anzugehen. Aus unterschiedlichen aktvistischen Kreisen und Organisation wird zum Beispiel erfolgreich bei Plattformbetreibern dafür lobbyiert, bestimmte Codes of Conduct und spezifische Policies einzuführen oder strenger und effektiver durchzusetzen. Der politische Kampf um die Plattformen hat begonnen.

Auch wenn die Protagonist/innen das nie so offen aussprechen, stecken sie doch mit ihrem Plattformaktivismus ein völlig neues, politisches Spielfeld ab. Ich nenne es „Netzinnenpolitik“.

Die Netzinnenpolitik ist von den nationalstaatlichen Regulierungen unterschieden; sie findet auf einem völlig anderen Layer statt. Sie überschreitet Nationengrenzen und kein Strafgesetzbuch ist für sie verbindlich – sie kann darüber hinaus gehen, oder dahinter zurückbleiben oder ganz eigene Wege gehen. All ihre Do und Don’ts sind noch nicht fertig ausgehandelt – aber diese Aushandlung findet jetzt statt.

Ich möchte in meinem Talk ausgehend von den Grundproblemen des Konfliktmanagements im digitalen Raum die Grundzüge der kommenden Netzinnenpolitik vorstellen. Ich will zeigen, wie Sanktionen im Netz funktionieren können und wie die Plattformbetreiber sie heute schon einsetzen. Ich will auch die Legitimationsprobleme erörtern, die entstehen, wenn eine Zentralgewalt ohne Checks & Balances normativ tätig wird und möchte dafür Lösungen vorschlagen. Und schließlich soll es einen Ausblick geben, in dem ich zeige, wie die Innenpolitik des Netzes die Gesamtstruktur der Plattformgesellschaft zur weiteren Ausdifferenzierung treiben wird.

Don Alphonso, Vorkämpfer gegen Hatespeech

„100.000 Euro für den, der ihr die Brüste abschneidet und beide in einer Güllegrube entsorgt.“

„Wenn es nach mir ginge, Kopf kürzer und Problem gelöst.“

„Ja, wenn ich in der Sicherheit wäre, könntest du bei Gewaltaktionen deine Schneidezähne aus dem Rachen zusammensuchen“

Das sind drei Beispiele von Hatespeech, Gewalt- und Morddrohungen, die aufgrund einer Hetzkampagne gegen eine junge Frau auf diese einprasselten.

Wir sprechen ja gerade von Hatespeech. Anlass sind aber nicht die oben zitierten Gewaltphantasien, sondern der Tweet eines linken Pfarrers, der folgendes schrieb: „#Feminismus ist etwas für Unterprivilegierte. ‚Adel ist was für die Laterne‘. Ça irá, #BachmannPreis, ça irá, von Rönne!“.

Von Rönne, der diese Zeilen galten, schreibt unter anderem für die Welt und ist mit Texten darüber, wie der Feminismus sie anekelt bekannt geworden. Ihre Texte sind schön geschrieben und selten durchdacht, aber dafür um so provokanter. Das ist ihr gutes Recht, dafür bekommt sie eben auch viel Kritik, mit der sie leben muss.

Damit meine ich übrigens explizit nicht den Tweet des Pfarrers. Der ist daneben, das ist ohne Frage Hatespeech und der Autor (der ihn mittlerweile wieder gelöscht hat), sollte sich was schämen! Aber ein Mordaufruf? Es ist ein Zitat eines Revolutionsliedes, das zufällig mit von Rönnes eigener Aussage über den Feminismus korrespondierte. Wenn die Ankündigung einer Revolution, jetzt bereits als Mordaufruf gilt … sagen wir, ich finde diese Lesart dann doch etwas übertrieben.

Die Interpretation stammt übrigens von Don Alphonso, der damit eine größere Debatte über Hatespeech auslöste. Die Kritik nämlich, die von Rönne für ihre streitbaren Äußerungen von Feministinnen bekam (unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass viele Rechtsradikale große von Rönne-Fans sind), zeichnet er für die Entgleisung des Pfarrers verantwortlich. Damit ist für Don Alphonso klar, dass nicht erst die Entgleisung, sondern schon die Kritik an von Rönne illegitim sei. Naja, „illegitim“ … ich zitiere ihn einfach mal:

„Das ist eine Methode totalitärer Regime, der stalinistischen Schauprozesse gegen Trotzkisten, Internationalisten und Konterrevolutionäre, der Kulturrevolution in China.“

Don Alphonsos Beitrag wurde und wird vor allem von konservativen Feuilletons sehr gefeiert. Unter anderem von der Welt und Ulf Poschardt. Nun muss man wirklich für jeden Menschen dankbar sein, der sich des Themas Hatespeech gegen Frauen im Internet endlich einmal annimmt, denn Femistinnen leiden darunter seit vielen Jahren tagtäglich, und das Thema war bislang medial unterrepräsentiert – gelinde gesagt. Dass sich die Medien ausgerechnet jetzt dafür interessieren scheint aber daran zu liegen, dass die Situation eher … untypisch ist. Sonst trifft es nämlich eher Feministinnen und die „Mordaufrufe“ sind auch … sagen wir mal: zweifelsfreier.

Die Anfangs zitierten Aufrufe waren zum Beispiel Anne Helm gewidmet. Anne Helm hatte ebenfalls wie Ronja von Rönne streitbare, provokative – und ja: etwas unbedachte – Äußerungen zu verantworten: Bombergate. Als der Berliner Kurier sie bei ihrer eigentlich anonymen Aktion enttarnte, prasselte eine Hasswelle über sie her, die in Deutschland seines Gleichen sucht. Viele der Aufrufe und bestialischen Mordphantasien, die teils immer noch hereinprasseln, sind gut dokumentiert und können hier begutachtet werden. Die Morddrohungen gegen sie sind so konkret, dass der Staatsschutz (!) sie von sich aus anruft und bittet, sie möge sich doch lieber nicht mehr im Internet gegen rechts aussprechen, sie bringe sich in Gefahr.

Die Hasskampagne gegen Helm war eine sehr öffentliche Angelegenheit, doch die heutigen Kämpfer gegen Hatespeech haben sie damals leider nicht thematisiert. Das könnte daran liegen, dass sie teils zu beschäftigt waren, sie auf der anderen Seite anzuheizen.

Don Alphonso wollte es nicht bei der im braunen Hass ertrinkenden Anne Helm belassen, sondern befeuerte den Shitstorm mit eigens ausgedachten Lügen und Verleumdnungen. Er war neben dem Berliner Kurier sicher eines der Hauptmedien, die die Hetze gegen Helm befeuerten. Seine Lügen und Verdrehungen habe ich seinerzeit hier aufgeschrieben und widerlegt (und ehrlich gesagt wundert es mich sehr, dass er seitdem außerhalb der rechtsradikalen und der Masku-Szene noch gelesen wird. Wie groß kann der Totalschaden einer Reputation überhaupt sein?)

Die oben zitierten und die vielen hundert anderen Hassnachrichten die Anne Helm bis heute ertragen muss, sind also auch Resultat der Hetze desjenigen, der sich heute als Vorkämpfer gegen Hatespeech positionieren will. Ich finde das … interessant.

Ich vermute eine Strategie dahinter. Don Alphonso möchte den verunglückten Tweet des Pfarrers als den einen Showcase für Hatespeech im Internet etablieren und so die Deutungsmacht über diesen Diskus erlangen. Wenn er das mit der Hilfe von Welt und Poschardt schafft, kann er das Narrativ so drehen, dass A) die Femistinnen ja die „wirklichen“ Hatespeech-Verbrecherinnen sind. Und wenn das nicht klappt, kann er wenigstens B) suggerieren, dass die Femistinnen ja mindestens genau so schlimm sind, wie er und sein maskulinistischer Hassmob.

Zusammengefasst: Weil einmal ein Pfarrer einen dummen Tweet geschrieben hat, kann einer der schlimmsten Verleumdner und Hetzer im Internet, der das Leben vieler Menschen täglich zur Hölle macht, die Deutungshoheit über den Hatespeech-Diskurs erlangen, um ihn zur Waffe gegen den Feminismus umzurüsten.

Ist das nicht witzig?

PS: ein kleiner Nachtrag, danke @faz_tomalforno Bildschirmfoto 2015-06-02 um 00.12.51

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Der Hacker und die nächste Politik

/***** Den folgenden Text habe ich im Rahmen einer breiter angelegten Aktion für die Geburtstagsfeier von Prof. Dr. Torsten Meyer (Uni Köln) verfasst und vorgetragen. *****/

Der Hacker ist der Held der nächsten Kunst, so Torsten Meyer in seiner zweiten These zur nächsten Kunst (Englische Version). Der Hacker ist aber auch der Held der nächsten Politik.

Eine in Hackerkreisen beliebte Definition des Hackens lautet schlicht „Atypisches Nutzerverhalten“. Eigentlich ist es eine Fremdbezeichnung der damals, in den 80ern noch als „Deutsche Bundespost“ firmierende Aufseherin aller Datennetzwerke. Gerade in seiner ganzen beamtendeutschen Bräsigkeit markiert der Begriff immer schon die Opposition zum „gewünschten Nutzerverhalten“.

Die Abweichung, die Alternative ist auch das wesentlichste Strukturmerkmal des Hacks. Der Hacker weiß, es gibt nicht die eine Weise, ein Gerät, eine Software, einen Dienst oder ein sonstiges technisches Artefakt zu verwenden, sondern es gibt immer auch eine Alternative. Es gibt immer einen Weg, der nicht vorhergesehen war. Das ist die Politik des Hackens: das Aufzeigen und Schaffen von Alternativen.

Torsten Meyer hat den Hacker als Ablösefigur des Intellektuellen, des Kritikers und des souveränen Subjekts eingeordnet. Der Intellektuelle appellierte an die Öffentlichkeit, der Kritiker kritsierte die Werke und gesellschaftlichen Zustände und das souveräne Subjekt behauptete seine Souveränität gegenüber seiner Umwelt. Die Helden vergangener Diskurse, sie interessieren den Hacker wenig.

Der Hacker kehrt der Öffentlichkeit den Rücken zu, schließt sich ein in sein Zimmer und zückt den Lötkolben. Die Öffentlichkeit kann ihm bei seinem Problem nicht helfen. Er weiß, er alleine kann den Unterschied machen, den er braucht. Er allein kann eine Alternative schaffen zu den alternativlosen Systemen der Mächtigen. Die Öffentlichkeit kann ihm dabei egal sein. Es ist umgekehrt: die Öffentlichkeit braucht ihn.

Der Hacker kann mit dem Kritiker nichts anfangen. Warum etwas kritisieren, anstatt es besser zu machen? Hacken bedeutet forken. Forken – „Gabeln“, heißt es, wenn man ein Projekt an einem bestimmten Punkt seiner Entwicklung verzweigt. Die Codebase teilt sich und wird einfach in zwei unterschiedliche Richtungen weiterverfolgt. „Behalte deine Meinung. Ich mach was neues.“ Etwas zu forken ist besser als es zu kritisieren.

Der Hacker zuckt mit den Schultern gegenüber dem souveränen Subjekt. Der Hacker weiß, dass er eingebunden ist in einem riesigen Wust an Infrastruktur. Er weiß, dass er tun kann, was er tut, weil Generationen vor ihm Code geschrieben haben, auf dem sein Code aufbaut. Er codet auf den Schultern von Giganten. Er lässt die Giganten marschieren unter seinem Regime. Selbstermächtigung ist besser als Souveränität.

Es geht dem Hacker dabei gar nicht mal darum, die eigene Alternative durchzusetzen, oder das bestehende System zu überwinden. Der Hack will nicht Kalif anstelle des Kalifen werden. Der Hack ist sich selbst genug. Hacken tut man, weil es geht. Alles nur für den „Spaß am Gerät“, oder „For the lulz“, wie es neuerdings heißt.

Und doch ist der Hack das dringendste politische Programm, in einer Welt, deren politische Grundkonfiguration die Alternativlosigkeit ist. Das atypische Nutzerverhalten ist ein Akt der Freiheit, denn es ist das Ausbrechen aus einem System, das alles durchzuregieren droht. Der Hack hilft zwar nicht, das System zu überwinden, sich von ihm unabhängig zu machen oder irgendeine Souveränität gegen es zu behaupten (das ist das alte Denken). Das atypische Nutzerverhalten überwindet aber die inhärente Totalität die jedem System zu eigen ist. Es stellt dem System die Alternative als Versprechen und/oder Drohung gegenüber und verweist somit auf die Kontingenz und Fragilität seines Machtanspruchs.

Das ist schon eine ganze Menge.

Einführung in den Fefismus.

Auch mich hat Fefe gefragt, zu seinem 10jährigen eine Kritik in sein Blog zu schreiben. Mein erster Impuls war ne Holofernes zu pullen, denn es ist mehr als nur ein geflügeltes Wort, dass Fefe die Bildzeitung der Nerds ist. Der Vergleich trifft es auf vielen Ebenen, auch und gerade auf den Unangenehmen.

Das hier ist ne Holofernes, allerdings mit Ansage. Ich habe Fefe freundlich geantwortet, dass ich es ablehne auf seinem Blog publiziert zu werden, denn ich halte sein publizistisches Schaffen für ein Problem (und rege mich auch ab und zu darüber auf).

Stefan Niggemeier wehrt sich seit Jahren gegen die „ironische“ Lesart der Bild, die sich in unserer auf- und abgeklärten Hipsterwelt breit gemacht hat. Ähnlich geht es mir mit den „Ich lese Fefe ja nur wegen dem Sportteil“-Gewitzel in der Netzszene. Um das hier klar zu sagen: Ich lese Fefe nicht und zwar wegen seiner mangelnden journalistischen, moralischen und diskursethischen Integrität. Wer ihn dennoch liest, kann von mir nicht erwarten, dass ich sie oder ihn noch irgendwie ernst nehme.

Weil das Phänomen Fefe aber ein diskursmächtiges ist und aus meiner Sicht auch das Hauptproblem der deutschen Netzszene, will ich meine Ablehnung etwas ausführlicher begründen.

Erstens: Fefe hat keine Ahnung und recherchiert auch nicht, um das zu ändern.

Fangen wir ruhig mit dem Offensichtlichsten an: Als letztes Jahr die (durchaus kontroverse) Diskussion über den Rauswurf von Brendon Eich durch Mozilla lief, weil dieser für Proposition 8 (also für das Kalifornische Plebiszit zum Verbot homosexueller Ehen) gespendet hatte, schrieb Fefe mal wieder einen für seine Verhältnisse längeren Text. Es sei ja wohl total legitim für die Proposition 8-Befürworter Geld zu spenden, denn die Gegenseite habe ja auch Spenden gesammelt. So sei das nun mal in der amerikanischen Demokratie. Zitat Fefe:

„Die LGBT-Bewegung hat Prop8 damals glücklicherweise gewonnen. Unter anderem deshalb, weil viele Menschen gespendet haben. Stellt euch mal vor, die anderen hätten gewonnen und würden jetzt systematisch Leute wegmobben, weil sie damals der Verliererseite gespendet haben!“

Dummerweise ist das aber genau so passiert. Die LTGB-Community hat nämlich tatsächlich verloren. Ich weiß zwar nicht, ob die Aktivist/innen im Anschluss mehr gemobbt wurden, als Homosexuelle sowieso schon immer gemobbt werden, nichtsdestotrotz ist Fefes gesamte Argumentation in sich zusammengefallen. Das scheint er aber nicht mal bemerkt zu haben, als er den Fehler noch schnell in einem Update korrigierte.

Solche Fehler passieren nicht ab und zu mal bei Fefe, sie sind der Dauerzustand. Fefe ist zu faul zum Recherchieren, hat von nichts ne Ahnung, aber zu allem ne Meinung.

Zweitens: Fefe ist ignorant und reaktionär.

Die fefetypische Schlamperei im Recherchieren mal beiseite, ist aber schon der Vergleich schlampig gedacht. Denn nein, es ist nicht das Selbe, für Homosexuellenrechte zu kämpfen, wie dagegen. Fefe fällt hier demselben denkerischen Kurzschluss zum Opfer, der Nazis regelmäßig mit der AntiFa gleichsetzt. Und zwar nicht aus Zufall. Sein Denken ist schlicht reaktionär.

Fefe hat eine gewisse Strukturähnlichkeit mit dem Konservativen-Feuilleton-Man, allerdings mit noch weniger Ahnung und einer ganz besonderen Aversion gegen Recherche. Aber wenn sich seine reaktionäre Sicht auf die Welt mit seiner aggressiven Ignoranz paart, wird es besonders schlimm.

Letztes Jahr glänzte er mit einer Analyse eines Dokoments aus dem Umfeld der Berliner Gender-Studies, das eine … gewöhnungbedürftige Form der Ansprache wählte. Studierx, Profx, etc. Klar, das kann man lustig finden, da ist nichts dabei. Man könnte die eigene Verwunderung aber auch produktiv machen und versuchen zu verstehen, was da überhaupt versucht werden soll. Man könnte Erklärungen dazu lesen und dabei feststellen, dass hier Experimente stattfinden, inklusivere Sprachformen auszutesten. Dabei würde man auch feststellen, dass die Macher/innen gar nicht jedem vorschreiben wollen, so zu reden und zu schreiben, sondern das tun, was man an einer Universität eben so tut: forschen, ausprobieren. Dass sie einfach Wege suchen, wie sich bestimmte Menschen mehr mitgemeint fühlen können, dass sie die Welt etwas gerechter machen wollen.

Oder man ist halt Fefe und beömmelt sich wie ein Dreizehnjähriger, prangert die Abweichung an und skandalisiert, was da „mit Steuermitteln“ an den Universitäten so getrieben wird. Das kann man machen, dann ist man aber kein Deut besser als die rechten Arschlöcher, die immer über die „Gutmenschen“ schimpfen.

Drittens: Fefe ist ein Arschloch

Ich weiß, dass ich mich hiermit juristisch angreifbar mache. Aber ich behaupte, das hier ist keine Beleidigung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Ja, ich glaube darlegen zu können, dass man Fefe sanktionfrei „Arschloch“ nennen können sollte.

Fefe kennt seine Wirkung. Durch Refefe (das ehemalige Projekt von Linus Neumann, das einen Mirror seiner Inhalte mit einer Kommentarfunktion ausstattete), weiß er, was er für Leser er hat und wie die so drauf sind. Sein Post über die Versuche der Genderstudies hat unter anderem einen enorm unangenehmen Shitstorm gegen die Macher/innen losgetreten, der vor allem auf Lann Hornscheidt niederprasselte. Fefe ist mehr als der Mensch, es ist mehr als das Blog. Zusammen mit seinem Lesermob ist es eine Hassmaschine. Diese Shitstormkultur gegen alles, was ihnen Fremd ist, ist kaum noch ohne Godwingepulle zu beschreiben.

Warum ich aber keine Angst davor habe, Fefe ein Arschloch zu nennen, hat mit seiner Reaktion auf den Heartbleet-Bug zu tun. Nicht nur, dass er die Schuld an dem Bug einem einzigen Menschen zuschiebt (was in einem Open Source-Projekt grundsätzlich schon mal Schwachsinn ist). Nicht nur, dass er diesen Menschen mit Name, Anschrift und ehemaligen Arbeitgeber seiner Horde zum Fraß vorwirft. Nein, er entblödet sich sogar dazu, in abwegigen Verschwörungstheorien herumzuorakeln, ob der Programmierer etwa von dunklen Mächten beauftragt um zu usw. … und schürt den Hass nur um so mehr.

Wenn man sich in Open Source-Projekten engagiert und Fehler macht, muss man also damit rechnen, von Fefe bloßgestellt, in die Öffentlichkeit gezerrt und von seiner Horde geshitstormt zu werden? Was. für. ein. Arschloch!

Viertens: Das schlimmste: Fefe ist ein Fefist.

Ja, das ist tautologisch, aber ich meine es ernst: All die oben beschriebenen Eigenschaften von Fefe reichen weit über ihn hinaus. Fefe ist das Leitmedium von ahnungslosen, reaktionär-ignoranten Arschlochnerds. Würde man von einer Bewegung sprechen, müsste man #Gamergate dazurechnen, aber weil ich mich hier auf Deutschland beziehe, nenne ich sie „Fefisten„.

Immer wenn ich mich über die Dummheit eines Fefeartikels aufrege, kommt von irgendwo ein Nerd daher, der mir erzählt, was für ein supertoller Oberchecker Fefe doch sei, von welcher herausragenden Qualität sein Code sei und dass er doch die superpraktische XYZ-Bibliothek geschrieben habe. Und dann rolle ich die Augen, denn genau hier liegt der Urgrund des Fefismus. Dafür muss ich etwas ausholen:

Programmiersprachen sind komplex. Es dauert lange, sich in eine einzuarbeiten. Betriebssysteme sind komplex. All ihre verwinkelten Verzeichnisse, Prozesse und Configdateien zu kennen und wissen, was sie tun, ist eine langwierige Aufgabe. IT-Security ist ein hochkomplexes Feld, mit vielen Fallstricken und tausend Dingen, die man falsch machen kann.

Es gibt aber einige Leute, die haben sich dieses Wissen in einem erstaunlichen Maße angeeignet. Wir nennen sie „Nerds“ oder „Experten“ und die meisten von uns haben eine gewisse Ehrfurcht vor diesen Menschen, weil sie Dinge können und verstehen, die einige von uns nicht verstehen. Und manchmal haben diese Nerds dann auch selbst dieses Bild von sich: Dass sie Dinge verstehen, die andere nicht verstehen, macht sie, wie sie finden, kompetent auf eine gewisse, allgemeine Weise.

Und dann blicken sie auf die Welt, sehen politische Prozesse, sehen die Medienberichterstattung, sehen kriegerische Konflikte, sehen menschliche Interaktion und rufen:

„Das ist doch alles ganz klar! So und so einfach ist die Welt!“

Das Ganze hat aber einen Haken. Programmiersprachen sind nicht komplex. Es ist jedem möglich sie innerhalb eines Jahres komplett zu verstehen. Betriebsysteme sind nicht komplex. In jedes Betriebsystem kann man sich relativ schnell einfuchsen, wenn man ein, zwei gesehen hat. IT-Security ist nicht komplex. Es ist eine abzählbare Menge an Dingen, die man beachten muss und ein paar Denkkonzepte, die man lernen kann.

All das ist verstehbar und sogar restlos verstehbar. Ein Computer ist eine determinierte Maschine, das heißt, sie ist zwar relativ komplex, aber endlich in dem, was sie tun kann und somit ist sie intellektuell komplett erschließbar.

Und genau hier liegt der Unterschied zur restlichen Welt. Politik ist scheißenochmal komplex. Menschliche Interaktion ist megakomplex und die sich daraus egebenden Konflikte ebenfalls. Egal wie sehr sich jemand in diese Dinge einfuchst, sie werden niemals restlos verstehbar sein. Die meisten von uns haben sich an diesen Umstand gewöhnt. Er fordert uns jeden Tag eine gewisse Demut ab, eine gewisses Zurückzucken bevor man Dinge endgültig bewertet. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir niemals über vollständige Informationen verfügen, dass es Zufälle gibt und dass manche Dinge eben über den eigenen Horizont reichen und immer reichen werden.

Wir haben deswegen wissenschaftliche Fachbereiche für diese Dinge eingerichtet, die komplizierte Theorien aufstellen, die immer im Ungefähren argumentieren müssen und niemals mathematisch beweisbar sein werden. Die aber Annäherungen finden, in mühevoller Arbeit und teils jahrhundertelangen Diskursen. Aber das interessiert Fefeisten nicht.

Sie können sich damit nicht abfinden, Dinge nicht restlos verstehen zu können, denn sie sind intellektuell in Welten geprägt worden, die restlos verstehbar sind. Mit dem Überlegenheitsgefühl aus ihrer kleinen unterkomplexen Welt gehen sie also die Probleme der Menschheitsgeschicke an und unterwerfen sie ihrer eingeschränkten Systemlogik. Das ist der Kern der Nerdsupremacy und gleichzeitig ihres Denkfehlers.

Bei Fefe kann man das gut beobachten. Seine Systemlogik sieht in etwa wie folgt aus:

Irgendwo sind immer die bösen Menschen (die Amis/die Israelis/die da oben) dabei sich zu verschwören, um die Welt an sich zu reißen oder zumindest doofe Appleprodukte zu bewerben. Aber die Bösen sind auch – da kommt ihr nie drauf – superduper dumm und können gar nicht mit Technik umgehen (HAHAHA!), haben RIESEN Security Holes in ihren Betriebsystemen/Protokollen/ihrer Krypto (HAHAHA!) und deswegen klappt ihr evil Plan immer nicht. (HAHAHA!)

Gut, dass es gute Hacker gibt (CCC und so!), die dann das schlimmste verhindern und aufdecken! Hacker gut. Wenn die nicht wären, würden die Amis/die Israelis/die da oben einfach durchregieren, was sie bereits machen, die Schweine!

Und dann gibt es noch die, die eigentlich auf der richtigen (unserer!) Seite sein müssten, aber ständig von den wirklichen Bösen (die Amis/die Israelis/die da oben) ablenken: nämlich die Feministinnen mit ihrem Genderwahnsinn! Und die Linken, mit ihren ganzen Theorien! Also die Antifas, Antiras, die irgendwie anders links sind als Fefe! So mit Diskurs und son quatsch!

Damit wären ca. 90% aller Fefeposts abgedeckt. Das ist auch der Grund, warum Fefe noch die größten rechten Spinner wie Ken Jebsen als wichtigen Debattenbeitrag ansieht. Und deswegen besteht beim Fefismus auch immer eine gewisse Überschneidung zu den Querfrontlern. Das macht den Fefeismus, neben den ganzen Unannehmlichkeiten durch seine Shitstormhorden, gefährlich.

Die Nerdszene leidet extrem unter dem Fefismus. Es wird Zeit, dass es in ihr zu einer Form der Selbstaufklärung kommt. Nein, ihr seid keine Genies, weil ihr Euren Kernel selbst kompiliert. Nein, ihr habt die Welt nicht verstanden, weil ihr wisst, wie man eine Playstation hackt. Nein, ihr habt nicht den Durchblick, weil ihr die Welt in eure Schablonen presst. Nein, ihr seid nur ignorante, reaktionäre Arschlöcher wenn ihr das glaubt und dann seid ihr das Problem und nicht die Lösung.

Good Night, Nerd Pride!

Just published: Digital Tailspin – Ten Rules for the Internet After Snowden

Bildschirmfoto 2015-03-11 um 14.23.25Today is the day. My book „Digital Tailspin – Ten Rules for the Internet After Snowden“ is out now!

You can order a free copy here.

It is basically the second part of my German book, „Das Neue Spiel“.

The central idea of both books is that the digitalization of the world has changed the basic mechanics of how things work, i.e., society. The main issue: We cannot control the flow of data and information in the way that we used to.

The „Digital Tailspin“ is the translation of the second part, where I summarize the main contents from the first part in the form of „rules“, and different design strategies to cope with these rules.

I’m very grateful to Anwen Roberts for the translation. Many thanks go to Miriam Rasch, who edited the book, and of course to Geert Lovink, who made all this possible.

The English edition is one of the stretched goals adopted during the Crowdfunding campaign. So I sincerely hope the result meets your expectations.

From the blurb:

Privacy, copyright, classified documents and state secrets, but also spontaneous network phenomena like flash mobs and hashtag revolutions, reveal one thing – we lost control over the digital world. We experience a digital tailspin, or as Michael Seemann calls it in this essay: a loss of control or Kontrollverlust. Data we never knew existed is finding paths that were not intended and reveals information that we would never have thought of on our own. Traditional institutions and concepts of freedom are threatened by this digital tailspin. But that doesn’t mean we are lost. A new game emerges, where a different set of rules applies. To take part, we need to embrace a new way of thinking and a radical new ethics – we need to search for freedom in completely different places.

Algorithmendeutung

In dem Artikel über die Impfgegner habe ich – nebenbei – den Hauptunterschied zwischen den sich für „kritisch“ haltenden Verschwörungstheoretikern und den tatsächlich kritisch denkenden Menschen daran festgemacht, dass wirklich kritisches Denken vor der eigenen Urteilsfähigkeit nicht halt macht. Seine eigene Urteilsfähigkeit in Frage zu stellen gehört genau so dazu, wie skeptisch gegenüber den Einschätzungen von anderen zu sein. Dabei muss man aber nicht immer so weit gehen, sich selbst präventiv für verrückt zu erklären, sondern es beginnt schon dabei einmal in Zweifel zu ziehen, dass man über alle notwendigen Informationen verfügt, um einen Sachverhalt zu beurteilen. Das ist nämlich meistens schon nicht der Fall und so werden schnell aus einer Beobachtung oder eine anekdotischen Episode Schlüsse (blitz-)abgeleitet, die sich bei näherem Hinsehen nicht halten lassen. Das passiert übrigens nicht nur Verschwörungstheoretikern, sondern allen, ja, mir natürlich auch; so musste ich aufgrund des richtigen Einwands von Anne Roth eben jenen Artikel nochmal etwas überarbeiten, weil auch ich hier voreilige Schlüsse aus meinen Beobachtungen gezogen habe, die empirisch vielleicht gar nicht haltbar sind. (Danke dafür)

So viel zur Einleitung, aber ich will hier auf eine Form des Fehlschlusses zu sprechen kommen, die – aufgrund ihrer Technologiebezogenheit – relativ neu ist, die ich aber immer wieder beobachte – und zwar auch bei eigentlich intellektuell gefestigten und sogar technikaffinen Menschen. Ich nenne diesen Trend „Algorithmendeutung“ und sehe darin die moderne Form des Kaffeesatzlesens.

Das erste mal ist mir das Phänomen aufgefallen, als sich 2011 die Berichterstattung um Wikileaks dem Höhepunkt näherte. #Wikileaks war lange auf Twitter das „Trending Topic“ – und dann auf einmal nicht mehr. „SKANDAL! ZENSUR! DIE US-REGIERUNG STEHT DAHINTER!“ wurde allenthalben in meine Timeline gebrüllt und das machte mich gleichzeitig stutzig und ein wenig traurig. Man muss fairer Weise dazu sagen, dass das mehr oder weniger parallel zu tatsächlichen Sperrungen von Wikileaks-Accounts bei Mastercard, Paypal und Domainamen-Diensten passierte. Dennoch war ich erschrocken von der Schnellschußaftigkeit meiner Mittwitterer. Zensur ist eine ziemlich krasse Anschuldigung, für einen einfachen Sachverhalt, für den sich Millionen plausiblere Erklärungen finden lassen und der sich auch aus den Interessen der US-Regierung nicht wirklich plausibel herleiten lässt (als ob man damit Berichterstattung unterdrücken könnte – im Gegenteil …).

Algorithmen sind eine komplexe Angelegenheit. Wenn wir mit ihnen in Berührung kommen, glauben wir oft zu wissen, wie sie funktionieren, oder zumindest funktionieren sollten, Wer aber sowas aber schon mal selbst gebaut hat, weiß, dass das alles nicht so einfach ist. 1.) kann man immer in seiner Filterblase gefangen sein und nur weil alle in meiner Timeline von Ereignis X reden, muss das noch nicht Weltweit der Fall sein. 2.) Ist der Trending-Algorithmus von Twitter eben nicht zu verwechseln mit „Worüber alle Leute gerade reden“, sondern will – wie der Name eigentlich schon sagt, eher herausfinden worüber alle demnächst reden werden. Er sucht nach Trends und bildet eben nicht den aktuellen Mainstream ab. Stichwörter, über die seit Tagen heftig diskutiert wird, sind nicht (mehr) Trending. Das heißt 3.), dass der Algo eine zeitliche Komponente implementieren muss, die sonst wie bestimmt sein kann und dass er eher die erste Ableitung der Popularitätskurve scannt. Dazu kommen 4.) Gewichtungen, um bekannte Unereglmäßigkeiten auszuschließen, sowie der Versuch den Spammern das Leben schwer zu machen, die natürlich ständig versuchen das System zu spielen. Am Ende bekommt man einen ziemlich komplexen Algo, der auf einer riesigen Welle von Echtzeitdaten surft und eben nicht mehr durch einfache Beobachtung der eigenen Timeline vorhersehbar ist.

Aber es trifft nicht nur technisch ungebildete. Letztens machte ein Freund – der selbst Programmierer ist – seinem Ärger Luft, wie Google so unverschämt sein könne, bei einer Suche, die er tätigte das googleeigene Youtube so weit vor Vimeo zu platzieren. Klarer Fall von Ausnutzung des Marktmonopols!!! Jetzt kann ich nicht ausschließen, dass Google tatsächlich so doof ist und plump seine eignen Dienste höher rankt. Aber sowas von der Beobachtung einer einzelnen Suche zu schließen, ist schon ziemlich hanebüchen. Googles Rankingalgorithmus gehört locker zu den komplexesten Programmen, die auf dieser Welt existieren und sitzt auf einem Datenberg, der seines Gleichen sucht. Nur weil einem das Ranking seines Suchergebnisses mal nicht in den Kram passt, gleich solche Behauptungen in die Welt zu setzen erinnert an den Klimaleugner, der, weil er gerade in seiner Wohnung friert, die Erderwärmung in Frage stellt. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Wetter und Klima. Klar hängt beides zusammen. Aber um vom Wetter auf das Klima zu schließen, braucht man mehr als nur einen Messpunkt, sondern Hunderttausende und ausgeklügelte Verrechnungsmethoden.

Und so geht das weiter: Eine Freundin beklagt, dass sie irgendwas auf Facebook nicht posten kann, weil darin das Wort „Drogen“ vorkommt („ZENSUR!“), ein anderer hat Probleme einen Link per Instant Messanger zu schicken („Da steckt doch die NSA hinter!“). Ach Kinners. langer Seufzer

Also, hier als Hilfestellung: Wenn ein Algorithmus ein Verhalten an den Tag legt, der Euch überrascht, solltet ihr euch als erste fragen, ob es auch eine andere Erklärung geben könnte, als die, die ihr euch gerade zwischen Butterbrot und Pullerngehen zusammenreimt. Eine Verschwörung ist meist unwahrscheinlich. Ein Fehler in der Internetverbindung, im Algorithmus oder einen, den ich vielleicht selbst gemacht habe, oder – wie meistens – die Unzulänglichkeit meiner Informationen – sind sehr viel wahrscheinlicher. Wenn man einen Verdacht hat, kann man gerne anfangen zu forschen. Aber dann bitte mit einem überzeugenderen Forschungsdesign. Ansonsten muss ich Euch leider in die Spinnerschublade stecken.

(PS: Ich will auf keinen Fall die Möglichkeit kleinreden, dass Algorithmen bösartig manipuliert werden können und dass das eine Gefahr für die Gesellschaft ist. Im Gegenteil. In meinem Buch geht es viel genau darum und wie wir dafür sorgen können, dass das nicht eben geschieht. Ich persönlich glaube bis zu einem Gegenbeweis nicht, dass die populären Algos von Google, Facebook bis Twitter bösartig manipuliert sind, aber wir als Gesellschaft brauchen definitiv Kontrollmechanismen, sowas auch zu überwachen. Was wir aber nicht brauchen, sind Schlauberger, die den ganzen Tag „Wolf!!“ schreien.)

Abschlussbericht: Das Neue Spiel

2015-02-19 08.12.15
Foto: Startnext

Ich habe gerade bei der Veranstaltung PubNPub über mein Buchprojekt berichtet. Ich finde das einen guten Zeitpunkt, denn es ist etwas über ein Jahr her, dass ich die Crowdfundingkampagne zu Das Neue Spiel abgeschlossen habe. Seitdem habe ich innerhalb der angekündigten Zeit das Buch vorgelegt und auch die Streched Goals sind bereits in Arbeit oder teils fast fertig. Zeit also, einmal blank Bilanz zu ziehen. Jetzt auch hier. Heute gibt es Zahlen, Zahlen, Zahlen!

Am Ende stand ich also da mit der Summe von 20.467,47 Euro. Das war toll, ein voller Erfolg. Zusätzlich hatte ich durch die Publicity auch noch einen Buchvertrag mit Orange Press, der mir zusätzliche 1000 Euro als Vorschuß in die Kasse spülte. Damit sind wir bei 21.467 Euro auf der Habenseite. Das scheint unfassbar viel für so ein Buch, aber reden wir doch mal über die Kosten.

Die Kosten

Meine Hauptausgaben war natürlich erstmal die Aufrechterhaltung meiner vitalen Funktionen, zu dessen Zweck ich mir jeden Monat 1000 Euro überwies. Ich hatte einen knapp 7,5 monatigen Schreib-/Organisier-/Lektorier-Prozess und komme somit auf 7.500 Euro. Mit iRights hatte ich den Deal, dass ich ihnen von meinem Crowdfundinggeld schon mal 2500 Euro gebe, für Lektorat, e-Book-Produktion und Beratung bei die Lizenz. Richtig reingehauen hat auch die englische Übersetzung des zweiten Teils (Kommt anfang nächsten Monats raus), die hat 2.400 Euro gekostet (vielen Dank Anwen!) Dann habe ich natürlich für die Zeit auch Büromiete zahlen müssen; da kommen dann nochmal 1.340 Euro drauf. Dann sind wir bereits bei 13.740 Euro.

Dann habe ich ja noch eine Party geschmissen, bei der ich die VIP sogar zum Essen eingeladen habe. 256,60 Euro habe ich bei der Long March Canteen gelassen (es war sehr lecker!). 285 Euro hat das Edelweiß gekostet und 500 Euro hab ich für Getränke draufgelegt. In einer Nacht habe ich also 1.041,60 Euro auf den Kopf gehauen. Aber das war es wert!

Die Special Edition (ca. 120 Stück) war teuerer als erwartet. Ein Chromoluxeinband (Spiegelpapier) (239,16 Euro), darauf mit blauer Farbe das Originalbild per Siebdruck (266,56 Euro), geschnitten, gepfalzt und verschickt (284,15 Euro) drauf … insgesamt also 789,87 Euro nur für die Special Edition. Aber ich find sie immer noch geil!

Was ich völlig unterschätzt hatte: Wie aufwändig und teuer es ist, die 350 Crowdfunder/innen-Exemplare zu verschicken. 209,05 Euro nur für Kartonage, 361,40 Euro für das verschicken. Und weil 10 Bücher nicht ankamen, nochmal 20,00 Euro raushauen (die verschwundenen Bücher nicht eingerechnet). Das alles kostete mich insgesamt also auch noch mal 600,45 Euro.

Auch sonst fiel noch einiges an. Eigenbedarf an Büchern zum Verkauf und Verschenken (245,99 Euro), Paypalgebühren vom Crowdfunding (487,65 Euro), die Spende an Startnext (2% aka 409,35 Euro), ich hatte einen Agenten, der mich bislang ebenfalls 175,50 Euro (Danke, Herr Brauer!) kostete, hinzu kommen diverse Zugfahrten, Mittagessen für Treffen zum Lektorat, Übernachtungen, etc. in Höhe von 252,34 Euro. Macht also insgesagt noch mal 2.125,93 Euro.

Mit anderen Worten, den 21.467 Euro stehen 18.321,59 Euro gegenüber, was einen Gewinn von 3.145,41 Euro ausmacht. Nicht viel, aber immerhin. Aber ich habe noch nicht alle Kosten bezahlt. Die Produktion des Hörbuchs habe ich noch nicht mal angefangen bisher. Aber das kommt dieses Jahr noch.

Der publizistische Erfolg

Bislang haben wir 1.142 Printexemplare verkauft (das ist exklusive der 350 Crowdfunder/innen-Exemplare). Was ich geradezu erstaunlich finde: Trotz des allgegenwärtigen Umsonstangebots der Digitalversion haben 375 Leute das eBook gekauft. Das sind allerdings die Zahlen bis Dezember 2014. Für dieses Quartal haben wir noch nichts, also gehe ich mal davon aus, dass wir weit über 400 eBooks verkauft haben. Meine Buch-Landingpage hatte bislang 6214 Aufrufe und das PDF wurde 993 mal runtergeladen. 45.498 Aufrufe bei Sobooks und mit 306 Kommentaren auch noch das meist diskutierte Buch dort. Insgesamt gab es 23 Artikel, Interviews und Rezensionen, viel Radio und Blogs. Die wichtigste Rezension war wohl die von Scobel in der Mediathek von 3Sat. Ansonsten stehe derzeit bei 3,9 Sternen und 9 Rezensionen bei Amazon.

Die Rezensionen bei Amazon und anderswo sind fast einhellig positiv im Grundton, fast immer Leseempfehlungen, trotz teils durchaus vorhandener Kritik. Einen richtigen Verriss sucht man vergebens, obwohl mich das auch interessieren würde.

Insgesamt muss ich aber sagen, dass ich mir publizistisch mehr erhofft habe. Es ist kein Flopp, sicher, die beiden Verlage und ich kommen dabei ganz gut raus, aber ein bisschen mehr Resonanz (vor allem eine richtige Debatte), hätte ich mir doch gewünscht – mein Ziel war es, weit aus meiner Filterbubble rauszureichen und ich muss mir eingestehen, dass das nur bedingt geklappt hat. Die Printmedien sind größtenteils gar nicht auf das Buch eingegangen, was ich schade finde. Da hat das Rauschen im Bätterwald gefehlt. Die erste Auflage (2000 Stück) bekommen wir mit Sicherheit noch weg, ob sich das finanzielle Risiko für eine zweite (Print-)Auflage lohnt, müssen wir noch entscheiden. Zur Not gibt es ja noch Book on Demand.

Fazit

Nichtsdestotrotz ist die ganze Aktion unterm Strich ohne Frage ein voller Erfolg. Das Endprodukt ist in der angekündigten Zeit fertig geworden, ich bin damit zufrieden und es findet seine Leser und gefällt den allermeisten sehr gut. Ich habe ein knappes Jahr von dem Geld leben können und bekomme gerade auch wieder ordentlich Vortragsanfragen rein, was mich jedenfalls teilweise durch 2015 tragen wird. Es war eine großartige Erfahrung, ich danke iRights (vor allem Valie) und Orange Press (vor allem Undine) für die großartige Zusammenarbeit. Ich bereue nichts und würde das allermeiste genau so wieder tun.

Meine 31c3 Einreichung

Ich bin zwar noch im Urlaub, aber da ich gerade Zeit habe und mich meine (erwartete) Rejected-Email erreicht, will ich hier gerade nochmal aus Dokumentationszwecken meine Einreichung verbloggen.

Abstract Die Netzpolitik-Szene, insbesondere der Kampf gegen Überwachung ist seit Edward Snowdens Enthüllungen in der Krise. Bisher funktionierende Strategien greifen nicht mehr. Das liegt daran, dass sich nicht nur ein paar Parameter verschoben haben, sondern das gesamte Spiel ein anderes ist. Die Grundzüge des neuen Spiels sollen in dem Vortrag dargestellt werden.

Description Anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Snowdendokumente ist es Zeit für den Internetaktivmus kritisch Bilanz zu ziehen. Der vor allem in Hackerkreisen lang erwartete Super-Gau der Überwachung ist eingetreten, doch anders als sich viele erhofft haben, ist er politisch wirkungslos geblieben. Die Überwachung wird allgemein hingenommen und widerwillig gewöhnen auch wir uns an den Gedanken, dass wir mit der Situation leben müssen. Internetaktivist/innen sind demoralisiert, der Kampf gegen Überwachung ist in der Krise.

Angesichts dieser Entwicklungen ist es legitim ein „Game Over“ zu sehen und sich nun verbittert zurückzuziehen. Vielleicht war der Freiheitstraum des Internets schon immer ein naiver. Vielleicht haben die Kulturpessimist/innen doch schon immer recht gehabt. Das Internet ist eben kaputt. Wir sind gekränkt. Die Letzte macht das Licht aus.

Ich habe mich gegen diese Lesart entschieden. Statt ein Game Over sehe ich ein „Neues Spiel“. Eines, bei dem wir zwar derzeit ständig verlieren, aber nur, weil wir mit veralteten Strategien operieren.

Die Welt hat sich durch die Digitalisierung auf so vielen Ebenen gleichzeitig verändert, dass selbst diejenigen den Überblick verloren haben, die sich im Internet beheimatet fühlen. Um aber das Neue Spiel zu verstehen, muss man die komplexe Mechanik analysieren, wenn Technik und Ökonomie ineinandergreifen, tradierte Institutionen erschüttert werden und neue, komplexere hervorbringen. Erst in der Gesamtschau wird man die neuen Möglichkeiten entdecken, die weiterhin im digitalen Umbruch stecken, aber auch die neuen Gefahren, gegen die wir uns wappnen müssen.

In meinem Vortrag möchte ich die Hintergründe dieser Veränderung mithilfe einiger Medien-, Informations- und Wirtschaftstheorien beleuchten und aus dieser Gesamtschau „10 Regeln des neuen Spiels“ ableiten. Ziel ist es dabei, Strategien aufzuzeigen, die auch im Zeitalter des Kontrollverlusts noch wirkmächtig sind.

Mal was ganz anderes …

2014-10-17 11.28.41Als ich gestern morgen in mein Büro direkt am Weichselplatz kam, sah ich dieses Plakat an unserer Tür. Es war der erste Tag im Büro nachdem ich den ganzen Anfang der Woche krank im Bett lag und so hatte ich von dem Drama um das „Weichelplatz-Baby“ nichts mitbekommen. Im Laufe des Tages erfuhr ich, dass der Finder des toten Babys ein guter Bekannter war, der oft bei uns im Büro vorbeischaut und mit dem wir uns immer gerne über alles mögliche verquatschen. Als ich ihn traf wirkte er erstaunlich gefasst, doch regte er sich auch auf: über die Polizei, die sich grobe Fehler erlaubt hatte und vor allem über die Presse, die hinter ihm her war und verdrehend berichtete. Ich bot ihm an, seine Geschichte auf meinem Blog zu veröffentlichen. Ungekürzt, selbstbestimmt und so wie er die Sache sieht – wofür Blogs meines Erachtens da sind. Er nahm das Angebot an und ich glaube, für ihn war das Aufschreiben ein wichtiger Verarbeitungsschritt. Weil ich es ihm versprochen habe und weil ich seinen Text als gültiges Zeitdokument empfinde, veröffentliche ich ihn hier ungekürzt und nur minimalinvasiv redigiert. Aus nachvollziehbaren Gründen will mein Bekannter gerne anonym bleiben. Hier wäre wohl auch sowas wie eine Triggerwarnung angebracht. Der Text ist jedenfalls nichts für schwache Nerven.


Freitag letzter Woche erzählte ich meiner Freundin, dass im Park vermutlich ein toter Hund lag. Beim Spazierengehen mit meinem eigenen Hund über den Weichselplatz fand ich eine Plastiktüte, aus der der Geruch von Verwesung drang. Mit dem Fuß prüfte ich das Gewicht. Es waren sicher keine Grillreste vom sonnigen Spätherbst. Andererseits hatte ich nicht die leiseste Ahnung, was sich hier offenbaren würde.

Da auch ein Hund nicht unbegraben herumliegen sollte, wollte ich von zu Hause die Feuerwehr rufen – die sind schliesslich für so etwas zuständig. Doch soweit kam es gar nicht, denn auf dem Weg stieß ich auf eine vorbeifahrende Polizeistreife. Der aus dem Beifahrerfenster schauende Beamte nahm meine Mitteilung, dass wohl ein Kadaver im Park liege, gelassen auf. Die Stelle brauche ich ihnen nicht zu zeigen, sicherte er zu, die Richtung genüge, man würde sich schon darum kümmern.

Später, beim eiligen Kaffeetrinken, ging ich davon aus, dass die Sache bereits erledigt war, wollte aber besser doch noch einmal nachsehen. In den inzwischen verstrichenen 10 Minuten war die Streife abgefahren und das Paket lag nicht mehr an seiner Stelle. Dafür fand es sich aber gleich in der Nähe in einer großen Gitterbox für Grill- und sonstige Abfälle wieder. Gut, dachte ich, die Beamten werden wohl nachgesehen haben, ich hatte mich wohl getäuscht. In Berlin werfen doch Polizisten keinen Hund in den Müll, sondern ordern ordnungsgemäß den Tierkörperbeseitigungsdienst.

Da die Runden meines eigenen Hundes sehr begrenzt sind, passierten wir in den nachfolgenden Tagen mehrmals den Behälter, und jedes mal nahm ich wieder diesen Geruch wahr. Nur zwei Meter davon entfernt steht eine verrückte Bank, auf der Abends gelegentlich Pärchen sitzen. Meine Nase ist wohl empfindlicher, als die anderer Menschen.

Montagnacht war ich wieder mit meinem Hund im Park. Weil ich von ihm eine Stuhlprobe nehmen musste, war ich mit einer Taschenlampe bewaffnet. Als ich in der Dunkelheit durch den Park schritt, war da wieder dieser Geruch, nun noch stärker. Ich hatte immer noch ein ungutes Gefühl bei der Sache und im Schutz der Nacht traute ich mich das Paket näher in Augenschein zu nehmen. Es erschien noch genauso verknotet und verschlossen wie am ersten Fundort. Auch als ich es diesmal leicht anhob war nur wieder etwas Stoffähnliches mit darauf kriechenden Maden durch ein Loch zu erkennen. Vom Gewicht könnte es ein Junghund sein. Mit einem Stock versuchte ich das Loch zu weiten, was nicht gut gelang, und ich fragte mich was ich hier tue. Dann tastete ich mit dem Stockende die Oberfläche ab, größtenteils weich, aber dann war da eine Harte Rundung. Ein Kopf? Aber definitiv größer als der einer Hauskatze. Nun konnte ich nicht aufgeben, vielleicht ist es ja doch bloß die Gelenkkapsel eines Rinderknochens, hoffentlich. Nun wollte ich es wissen, ich wollte sicher gehen, dass es ein Tier ist, ich wollte das Fell sehen, bevor ich diesmal direkt die Feuerwehr auf den Plan rufe. An der weichen Stelle grub ich weiter, zog nach und nach ein Stück eines braun verfärbten Tuches heraus, nahm darunter etwas fahlgraues wahr. Sachte zog ich es mit dem Stock heraus.

Mehrmals musste ich hinsehen, um gewahr zu werden, dass dies keine Tiefpfote ist. Ich zählte bis fünf, oh mein Gott!

Drei Schritte zurück, durchatmen. Dann den Notruf wählen. Lange Minuten, im Kopf schwirren Gedanken: das kann doch nicht wirklich wahr sein. Man hat davon gehört, aber dass es einen selbst betrifft. Und doch nicht wenn ein Polizist es vermeintlich schon durch den Park getragen hat. Es kann nicht sein was es ist. Aber meine Augen täuschten nicht.

Die ersten eintreffenden Streifenbeamten schauten kurz, ich vergewisserte mich bei ihnen nochmals, dass meine Augen mir keinen Streich spielten. Sie sagten es schaue danach aus. Jedenfalls wenn es keine Puppe ist. Sie hatten die geschmeidige Bewegung des Armes ja nicht gesehen und trauten sich selbst nicht heran. Stattdessen riefen sie die nächste Instanz, die Kripo. Ich verlies alsbald den Ort, wo ich die Leiche nun schon zum zweiten Male gefunden hatte. Das alles war so merkwürdig.

Innerhalb der nächsten zwei Stunden fuhr eine Armada von Einsatzfahrzeugen auf, wie ich es noch nicht gesehen habe. Ein befreundeter Nachbar erwachte dadurch und zählte vom Balkon rund 30 Wagen. Die Dunkelheit des Parks wich Scheinwerferlicht. Zurückgerufen zum Ort nahm ich in die nun beklemmende Stille wahr, so still dass sich selbst jetzt ein Fuchs heranschlich. Mein Denken schwankte in den nächsten Stunden zwischen Gelähmtheit und Bedachtsamkeit. Die morgendliche Vernehmung verlief sehr sachlich.

Nachmittags traute ich mich wieder in den von Profis verlassenen Park. Ich erzählte die unglaubliche Geschichte einem Freund, der in der Nähe wohnt. Es tauchten auch andere Personen auf, die ihre – wie ich dachte – journalistische Arbeit machten und fragten rum, wer etwas wisse. Ich konnte die Eindrücke schlecht für mich behalten, also wandte ich mich an diese drei Menschen. Gleichzeitig wollte ich nicht zu viel von mir preisgeben. Aber das haben die Journalisten natürlich drauf, einem ein Detail nach dem anderen zu entlocken. Fotos sind genau so wichtig, vor allem für den Boulevard. Wenigstens konnte ich mich durchsetzen, nicht fotografiert werden zu wollen. Noch.

Am Mittwoch klingelte es schon an der Wohnungstür. Ich hatte bereits am Vormittag mit Journalisten zu tun gehabt, doch diese beiden Herren hier wirkten mir zu schmierig, also wies sie ich ab. Trotz meiner eindringlichen Aufforderung auch an sie, mich nicht abzubilden, nahm ich wahr dass sie vom Weiten hinter mir her fotografierten. Fotografieren ist erlaubt, Veröffentlichung bedarf der Zustimmung, wenn kein höheres Informationsinteresse der Öffentlichkeit es ausnahmsweise rechtfertigt, so war meine Rechtsauffassung. Große Gedanken machte ich mir darüber nicht, bis ich spätnachts in der Onlineversion des des Berliner Kuriers meine Rückansicht – für andere gut erkennbar – wiederfand. Mit einer bösen Mail lies sich das noch zurückholen, die Druckausgabe befand sich jedoch schon auf dem Weg in die Regale.

Fühlte ich mich bis dahin ruhig und der Situation angemessen, kochte ich nun über vor Wut über diese unsinnige Verletzung meiner Privatsphäre. Sollten mich nun Hinz und Kunz darauf ansprechen? Wie soll ich diesen Situationen begegnen? Klar, ich möchte mit Menschen darüber sprechen, es tut gut, die eigene Geschichte zu erzählen, aber in welcher Situation, das möchte ich entscheiden.

Erst am späten Abend konnte ich wieder an das eigentliche Geschehen denken. Und man muss darüber nachdenken, denn sonst spürt man nur Kälte und Leere. Heute am Tag drei erscheint mir der Kopf wieder klar, nachdem ich am Morgen dem immer noch heimlichen herumlungernden Fotografen eine Standpauke gehalten habe.

Was mich berührt ist die Unachtsamkeit, die sich durch die ganze Angelegenheit zieht. Sie begann Anfang letzter Woche mit wahrscheinlich im Ausnahmezustand handelnden Eltern. An sie hatte ich bisher noch gar nicht gedacht, wobei sie nach dem Kind die am meisten Betroffenen sind. Jenes lag mehrere Tage neben dem Weg, nicht nur Hunde müssen es wahrgenommen haben. Aber in Neukölln herrscht überall viel Unachtsamkeit und daher liegt sowieso viel herum.

Wenig achtsam war das Handeln der beiden Streifenbeamten, die ich zuerst ansprach. Ohne großes Interesse erledigten sie die Sache vorschnell, ohne genau zu prüfen, was ich da gefunden hatte. Erst die Kriminalbeamten erwiesen der Situation die angemessene Achtsamkeit, doch das war ja auch nicht mehr zu vermeiden.

Das Interesse, das mir danach vom Boulevard entgegenschlug war heftig, aber wiederum von einer ungeheuerlichen Unachtsamkeit geprägt. Für einige Stunden verdrängte mein Ärger über die Journalisten das eigentliche Geschehen. Kostbare Zeit, wie ich empfand, die ich doch so dringend brauchte, um die Angelegenheit für mich zu verarbeiten.

Hurra, hurra! Das Buch ist da!

Am Samstag habe ich offiziell mein Buch released. Es gibt hier eine Landingpage, die unterschiedliche Wege und Plattformen aufzeigt, an mein Buch zu kommen. Greift zu und ich freu mich über Feedback.

Am Samstag war dann auch Buchvorstellung für Crowdfunder/innen und Freund/innen und wir haben episch gefeiert. Danke an alle, die da waren. Ich hoffe, ihr hattet ebenso viel Spaß, wie ich.

Lesung
Foto: @feenzeit

Wenn man so ein großes Projekt macht, passieren auch Fehler. Der erste ist schon mal, dass die Printausgabe nicht rechtzeitig fertig wurde. Die ist erst am 15. – also Mittwoch – startklar und auch mir wird sie erst gegen Ende nächster Woche zugestellt. Dann muss ich die vielen Crowdfunder/innen-Exemplare noch alle signieren und die Special-Editions werden ebenfalls erst dann fertig gestellt. Das sollte – nein, das muss – übers Wochenende geschehen, denn ab Dienstag bin ich ja weg. Die Printexemplare sollten also irgendwann Anfang nächster Woche bei Euch ankommen …

Ein weiterer Fehler scheint sich bei den Danksagungen eingeschlichen zu haben. Es haben sich bereits mehrere Leute gemeldet, die dort auftauchen sollten, es aber nicht tun. Ich nehme an, dass ich da beim Hin- und Her-kopieren irgendeinen Fehler gemacht habe. Das tut mir wirklich sehr leid.

Ich verspreche aber, dass, wenn es zu einer zweiten Auflage kommt (wovon ich ausgehe), der Fehler behoben wird. Und alle, die versehentlich keine Erwähnung gefunden haben, bekommen dann noch mal eines der korrigierten Exemplare.

Danke noch mal für alles, Eure Geduld und Euren Support. Ich tue mein Möglichstes, dem gerecht zu werden.