Weil ich jetzt noch so wach bin, und weil ich eh was zu Obama sagen wollte: Ich glaube, IX und ich sind uns in einem Punkt ähnlich: wir sind beide ziemlich empfänglich für Pathos. Naja, wir sind uns noch in einem zweiten Punkt ähnlich: wir wissen darum.
Ich will hiermit erklären: ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, was für eine Art Präsident dieser Obama wird. Werden würde. Aber ja, auch ich bin irgendwie angefixt von seiner Rhetorik. Und das, was mich an Obama fasziniert, ist nämlich genau das, was mich an Amerika, den USA, trotz aller Kritik, die man äussern kann, immer begeistert hat: Diese kompromisslose Haltung, die so zuversichtlich in die Zukunft schaut. Diese beinahe naive Utopistik. Dieses kraftvolle: Wir können es schaffen-Ding.
Ich denke, da haben die Amis den Deutschen einiges voraus. Hier ist sowas wie „change“ immer negativ beghaftet. Sogar wenn es ziemlich beschissen läuft – und das tut es politisch gesehen in Deutschland – haben immer noch alle Politiker Angst davor, offen für einen radikalen Wandel einzustehen. Es gibt hier keinen wie Obama, der mit der Hoffnung punkten kann. Alle sagen nur: mit uns wird es dies oder jenes anders. Aber für einen umfassenden Wandel ist hier keiner bereit. Ich glaube sogar, dass jeder der sowas propagieren würden, gleich vom Verfassungsschutz kritisch beäugt würde.
Aber zurück zu mir: mich berührt dieser Obama. Und das, was er berührt, ist nichts, was unproblematisch wäre. Er spielt auf meinen Emotionen wie auf einem Klavier. Ja, das konnte Göbbels auch sehr gut. Ja, das konnten viele Demagogen sehr gut. Und ich glaube auch nicht, dass gute Politik nur mit dem Herzen gemacht werden sollte. Aber ich glaube, dass das Herz unweigerlich mit dazugehört, zur Politik.
All die „Pragmatiker“, die man hat kommen und gehen sehen wollten uns einreden, es gäbe keine „linke“ und keine „rechte“ Politik: nur „gute“ Politik. Es gäbe nur qualifizierte, weniger qualifizierte und bestens qualifizierte Politiker, um das Land zu regieren. Politik habe „ideologiefrei“ zu agieren. Realpolitisch. Und da gäbe es eben nur den „guten“ Kurs und alles andere sei Populismus. Am besten wir schaffen die Demokratie ab und bestimmen einen Geschäftsführer von McKinsey.
Ich sage: Bullschit! Eine Politik, die nichts will, ist nichts wert! Eine Politik, die nicht träumt – ja, von einer besseren Welt träumt – ist keine Politik, sondern eine „Verwaltung“. Alle Politik muss mit dem Traum anfangen, von einer besseren Welt. Und sie muss daran glauben, diesen Traum in die Tat umzusetzen. „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“ hat der Schmidt gesagt. „Wer keine hat, soll Buchhalter werden„, sage ich.
„Heal this nation„, verspricht Obama. „Repair this world„, fordert Obama. Und selbst wenn es naiv ist, selbst wenn Obama weit weit weit hinter seinen Ansprüchen zurückbleiben wird: Was wäre diese Welt, wenn es nicht wenigstens ab und zu Menschen gäbe, die es wenigstens versuchen? Sie wäre schlicht: eine Welt ohne einen Funken Hoffnung.
„There has never been anything false about hope„, sagt Obama. Und da hat er einfach recht. Und – vielleicht gibt es keine Hoffnung ohne Pathos. Ganz einfach weil: „Wir sind diejenigen, auf die wir gewartet haben.„. Das heißt: weil es nichts gutes gibt, außer man tut es, gibt es keine Hoffnung ohne ein pathetisches „wir“. Man nannte das auch lange das „Prinzip Hoffnung„.
Und deshalb, obwohl es vor Pathos trieft, hier nochmal das „YES WE CAN“-Video: