Aus irgendeinem Grund hat mein Artikel vor allem Reaktionen hervorgerufen, die sich auf das Generationending bezogen. Neben den dreieinhalb altersbedingten Eitelkeiten einzelner, die ich so im vorbeigehen verletzt hab (sorry dafür), war vor allem die Frage nach den „Digital Natives“ von vitalem Interesse.
Ich habe gekämpft, geflucht und geblutet in den Kommentaren und dennoch sehe ich es als Notwendig, hier nochmal gesondert dazu Stellung zu beziehen. Denn die Geschichte der Digital Natives, ist eine Geschichte voller Missverständnisse.
1. Die Digital Natives sind keine Nerds.
Ich glaube, das sollte der zentrale Pfeiler sein, den man sich – aus unserer Perspektive – in den Gedankenacker rammen sollte. Das heißt nicht, dass es nicht auch in dieser Generation Nerds geben wird. Nein, das schon, nur ist der Glaube weit verbreitet, wir – die Twitterer, Blogger, Netcitisens – seien sowas wie die Vorhut dieser sich entwickelnden digitalen Generation, wir würden ihnen die Boden bereiten und die Pfade vortrampeln. Nein, das sind wir nicht. Wir machen unseren eigenen Scheiß. Das was uns als Gut und Richtig vorkommt. Nur bedenken wir dabei nicht, dass es ganz andere Wertmaßstäbe sind, die wir dabei anlegen, denn
2. Die Digital Natives ticken anders.
Und eben nicht nur anders als wir Nerds, sondern anders als unsere ganze Generation. Sie sind mit Youtubeclips aufgewachsen, betrachten alles und jedes (pop-)kulturelle Phänomen aus einer unredigierten Totalen heraus. Es gibt für sie keine Genres, Richtungen und zugespitzte Lebensstile. Alles wird als einzelnes Item kontextlos für sich betrachtet und – sofern interessant -nur in die jeweils eigenen Kontexte importiert. Alles wird als großes nebeneinander wahrgenommen und unsere Einordnungen, unser Kanon, der kulkturgeschichtliche Überbau in denen wir die Dinge zu betrachten neigen, all das wird für sie keine Relevanz haben.
3. Die Digital natives werden dennoch normaler sein, als wir
Sie werden nicht mehr im Internet hängen als wir, jedenfalls kaum mehr als wir Nerds. Wahrscheinlich sogar weniger. Digital Natives heißt nicht, dass der Internetkonsum sich intensiviert. Nein, er wird nur selbstverständlicher. Denn wenn wir ehrlich sind: Wir sind doch immer noch erfasst von der Strahlkraft dieses Mediums. Wir erliegen noch allzu sehr der „weil ich es kann„-Evidenz unserer eignen Handlungen. Wir sind Bastler und Spielkinder, die die Möglichkeiten und Grenzen des tollen neuen Spielzeugs ausloten. Das werden Die DNs nicht mehr kennen. Sie werden weniger Dinge aus nur dem Grund tun, weil man es tun kann. Sie werden das Netz viel gezielter nutzen, pragmatischer. Im Grunde weniger nerdig.
4. Wir werden die Digital Natives nicht mögen.
Denn sie werden sich nicht interessieren für unseren Spielkram. Sie werden unsere Blogs nicht lesen und keinen Sinn entwickeln für gute Tweets. Unsere Diskurse, speziell der um Datenschutz, wird ihnen so fremd vorkommen, wie aus einer anderen Welt. Und es wird uns immer weniger gelingen sie mit virtuellen zukünftigen Personalchefs zu ängstigen. Sie stehen gerade voll auf Social Networks. Das ist nicht advanced. Das ist nicht vorne dabei. Das will man eigentlich gar nicht lesen. Aber es ist ihr Leben. Kein Aufsatz auf ihr Leben, kein neues Spielzeug. Nein, damit wird ganz real und ganz konkret die Freizeit, die Freund- und Liebschaften und die Hausaufgaben organisiert. Dort wird gestritten, gezofft, gemobbt, gequängelt, genörgelt, gedisst, gteflirtet und was man eben noch so tut. Dort wird Erwachsengeworden.
5. Und dennoch sind sie wichtiger als wir.
Denn sie werden eben nicht ein paar wenige abgesprengte Hanseln ihrer Kohorte sein, so wie wir es sind. Nein, sie werden eine vollständige Kohorte sein. Und wo sie hingehen, welche Dienste sie nutzen werden, dort wird das große Geld verdient. Wie immer so ein Dienst dann aussehen wird.