Seit Wochen prasselt eine Desinformationskampagne gegen Google-Street View auf die deutsche Bevölkerung ein, die durch alle deutschen Medien und der Politik getragen wird. In seltener Einigkeit wird dummdreiste Stimmungsmache gegen Google zusammen gertrommelt und alle machen mit. Alle Parteien, die Öffentlich Rechtlichen, die Fernsehsender und die Printverlage, Datenschutzbeauftragte, alle.
Deutsche Politik (Symbolbild) [Original]
Kein Argument ist zu dumm, als dass es nicht gebracht würde, keine Lüge zu dreist, als dass sie nicht gedruckt würde. Unwissenheit paart sich mit blankem Hass und undifferenzierten, irrationalen Ängsten zu einem Kampagnenhurricane, wie wir ihn schon lange nicht mehr hatten. Und das mit einem Thema, das lange nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat und auch heute noch als eher dröge gilt. Dem Datenschutz.
Dabei stört es die Journalisten nicht einmal, dass sie sich mit den politischen Prozessen, die sie in Gang setzen, in’s eigene Fleisch schneiden. Dass sie in der Berichterstattung den Begriff „Panoramafreiheit“ vermeiden wie der Teufel das Weihwasser, obwohl es der Garant dafür ist, dass da draußen auf der Straße überhaupt fotografiert werden darf, ohne einen Anwalt die Bilder machen zu lassen, daran hat man sich ja bereits gewöhnt. Nur fragt man sich, wie es sein kann, dass ausgerechnet Journalisten diesen Angriff – auch auf die Freiheit ihrer eigenen Berichterstattung – so wohlwollend entgegen sehen? Es kann nur mit der Hybris des Journalistenstandes zusammenhängen, dass er sich in einer Sonderposition wähnt, jenseits der Gesetze, die er für Google – und für niemanden sonst – fordert.
Dass es tatsächlich um einen Angriff auf die Panoramafreiheit – und damit auf ein wichtiges Recht für die Freizügigkeit von Information insgesamt – geht, zeigt die Hamburger Gesetzesinitiative. In ihrem Entwurf würde eine völlig neue Rechtsunsicherheit geschaffen werden, die uns alle – ja auch uns Blogger und Flickrer – einem völlig neuen Abmahnrisiko aussetzt. Nicht umsonst ist – im Gegenteil zu den von ihnen vertretenen Kollegen – der Journalistenverband alarmiert. Doch mit Argumenten lassen sich die selbsternannten „Datenschützer“ nicht aufhalten.
Kaum ein Bericht über Street View, der darüber berichtet, dass das, was Google tut, seit vielen Jahren von vielen deutschen Unternehmen getan wird, ohne dass sich je einer darüber aufgeregt hätte. Klar, denn diese Daten stehen hinterher nicht allen, sondern nur gut zahlenden Werbefirmen zur Verfügung. Was daran nun besser sein soll, kann wahrscheinlich nur ein Politiker oder Journalist verstehen.
Dass Bild.de bei dieser Kampagne natürlich allen Anstand fallen lässt und Google falsche Bilder unterschiebt (und dabei nebenbei den Datenschutzfail, den es Google zuschieben will, selbst unternimmt), gehört da nur zu den vorhersehbarsten Ausläufern der Kampagne.
Dass aber ausgerechnet Heise sich entblödet „kritisch“ über das Mitloggen von Wlan-SSIDs der Streetview-Autos zu „berichten„, lässt einen dann doch erschaudern. Nicht nur, dass genau diese Daten schon seit Jahren erhoben werden, ohne dass ein Hahn danach gekräht hätte. Nein, die Information, dass Google diese Dinge auch aufzeichnet, ist seit Anbeginn des Streetviewprojektes bekannt. Wenn nicht mal Heise es schafft, informiert und sachlich über Street View zu berichten, wer dann?
Was mich zusätzlich ärgert, ist dass der eigentlich gute und wichtige Diskurs des Datenschutzes für diese populistische Hysterie als Vehikel missbraucht wird. Das Recht in der Öffentlichkeit fotografieren zu dürfen gehört uns allen! Die Daten, die uns öffentlich zu Verfügung stehen, helfen uns allen. Sie werden helfen, uns zu orientieren und werden uns Fahrten ersparen. Sie werden die Welt ein Stück weit transparenter machen. Viele nützliche Anwendungen werden darauf basieren. Der CCC hatte immer die Devise: „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen!„. Was ist daraus geworden?
Was ist mit unseren verdienten – und im Gegensatz zu Ilse Aigner auch glaubwürdigen – Datenschützern? Die steigen entweder auch in das undifferenzierte Googlegebashe ein (Peter Schaar) und die, die um die Absurdität des ganzen Wissen sollten, halten sich vornehm zurück. Wo bleibt denn eigentlich der Chaos Computer Club in der Debatte? Wo bleibt padeluun und der Foebud? Wo sind die digitalen Vordenker des Datenschutzes, die doch zu unterscheiden wissen, was öffentliche Daten und was private Daten sind? Wo bleibt die Stimme der Vernunft, die mit Nachdruck und Autorität die wildgewordenen Protagonisten eines falsch verstandenen Datenschutzes zur Ordnung ruft? Wo bleiben die Menschen, die mit genügend Verstand gesegnet sind, um darauf hinzuweisen, dass es kaum etwas öffentlicheres gibt, als eine Hausfassade?
Und wenn dann doch jemand aus der Deckung kommt – wie Jens Best und mit seiner Aktion dem Wahnsinn einen Spiegel vorhält, wird er mit einem hämischen und wie immer undifferenzierten Beitrag bedacht, der natürlich kein Wort darüber verliert, dass Jens hier nicht für einen Konzern, sondern für unser aller Recht agitiert, öffentliche Daten zu nutzen.
Es ist nicht schwer zu erraten, was da gerade passiert. Hier wird kalte Rache geübt an einem Unternehmen, dass den Stand des Journalisten wie kein anderes angegriffen hat. Ein Unternehmen, das es schaffte, den Menschen Tools in die Hand zu geben, mit dem sie bessere, schnellere und gezieltere Informationen erlangen können, als es der Journalismus je hat schaffen können. Das mit weiteren Innovationen, die es der Menschheit beschert, nicht nur die Vormachtstellung, sondern auch den Sinn des journalistischen Standes untergraben hat. Aus den Artikeln und Fernsehbeiträgen über Google Street View spricht sich nichts als der blanke Hass gegen diese Demütigung aus. Und doch zeigt sich gerade wieder in dieser Debatte wie sehr unsere Gesellschaft doch diese irrationalen kampagnengetriebenen Gatekeeper braucht, die es wagen sich selbst mit „Qualität“ zu assoziieren: so sehr wie ein Persönlichkeitsrecht für Jägerzäune.