Dialog statt Einigung / Freundschaft statt Gemeinschaft


Bild von Cem Basman
Vor erst ganz kurzer Zeit bin ich auf ein sehr junges, aber nichtsdestotrotz interessantes Blog gestoßen. WILLYAM beschäftigt sich scheinbar vornehmlich mit „postmodernen“ Fragestellungen. Das tut er aber auf einer sehr kritischen Basis, was ich sehr begrüße. Denn die Kritik ist nicht plump, wie die übliche „Irrationalismus“-Kritik die von der anderen Seite des Ozeans oft herüberschwappt, sondern vor allem ethisch motiviert.

Jedenfalls hat sich sogleich ein fruchtbarer Dialog entfaltet, der hier seinen Ausgangspunkt nahm und dort mündete. Meine Antwort auf seinen letzten Beitrag habe ich dort schon im Kommentar abgefasst, macht sich aber hier genauso gut, da ich eh vorhatte über das Thema zu bloggen:

Ein ganz vortrefflicher Streitpunkt ist das. Denn bei dem Begriff der „Gemeinschaft“ hört unsere Gemeinschaft auf. Nicht aber, und das ist wichtig, unser Dialog.

Wie Du siehst, ist der Dialog nicht an Gemeinschaft gebunden. Ich würde sagen, das Gegenteil ist der Fall. Der Dialog ereignet sich ausschließlich in der Differenz.

Ich bin für Dialog. Und gegen Gemeinschaft. Gemeinschaft in einem Sinne, wie wir sie institutionalisiert zuhauf vorfinden und sie immer nach dem Schema F abläuft: Man versammelt sich unter einem Namen, gibt sich ein Gesetz und wählt sich seine Vertreter. Ob Staat, Terroristenzelle, Rockband, Partei oder Unternehmen. Es ist alles das gleiche.

Nein. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Das konnte ich noch nie leiden. Kompromiss, Mehrheitsmeinung, Unterwerfung, Weisung und Zugehörigkeit sind keine Konzepte für mich. Oft mit Leuten zwangsvergemeinschaftet, mit denen ich nicht mal ein Bier trinken würde. Und ich denke, das alles wird auch bald nicht mehr notwendig sein.

Denn wenn es eine Postmoderne gibt, dann ist sie gerade erst im Anmarsch. Sie wäre eine Kommende, wie Derrida sagen würde. Und so, wie Derrida würde ich auch auf ein ganz anderes Gemeinschaftsmodell hoffen. Ein Gemeinschaftsmodell jenseits der Gemeinschaft. Eines, das einen nicht einfasst in etwas anderes, über einem Stehendes.

Das wäre die Politik der Freundschaft. Freundschaft STATT Gemeinschaft.

Ja, ich weiß. Irgendwie fremd und doch ganz banal. Ich habe Beziehungen zu Menschen. Nicht zu Organisationen, Verbänden, etc. Auf die Beziehungen zum Menschen kommt es mir an, auf jede einzelne. Und niemals wird man diese fassen können in einem Begriff, der sie alle versammelt und ihnen ein Gesetz aufdrückt.

Im Internet kann man diese Organisationsform, die völlig ohne Organisation auskommt, bereits super beobachten. Durch Buddylists oder Blogrolls ergeben sich komplexe Netzwerkstrukturen aus miteinander kommunizierenden Individuen in denen niemand seine Individualität, seine Meinung oder sich selbst einer Räsion unterordnen muss.

Und ich bin mir sicher, dass sich dieses Modell irgendwann politisch bemerkbar macht. Und ja, ich bin mir sicher, es ist das Modell der Demokratie von morgen, in der niemand mehr seine Stimme _abzugeben_ braucht, sondern sie nutzt, um direkt in den Diskurs einzugreifen. Und dann wäre Politik dort, wo sie hingehört: beim Einzelnen und seiner Verantwortung.

Das wäre also mein Standpunkt: Dialog statt Einigung. Freundschaft statt Gemeinschaft.