Das Ende des Geheimnisses

Es fühlt sich gerade an, wie der Showdown der Informationsethik. Die Frage nach der Transparenz und ihrer Grenzen hämmert auf mich ein. Ich bin noch nicht fertig damit. Weder mit meiner persönlichen Ethik in der Sache, noch beim durch denken der grundsätzlichen Fragen. Ich fühle mich derzeit wie eine Nußschale im eigenen Theorieozean, die oft hilfloser in den Ereignissen herumrudert, als jeder andere. Kontrollverlustverlust…verlustverlust… – Ach.

Da wäre Martin Weigert, der die Frage stellt, die in meinem letzten Posting implizit versteckt ist, die ich mir aber nicht traute, explizit zu machen.

Braucht es vielleicht das Geheimnis? Für unser Zusammenleben? Für den gesellschaftlichen und technologischen Fortschritt? Gar für die Freiheit? (Ich muss zum Beispiel an Hoffmann von Fallersleben’s „Die Gedanken sind frei“ denken. Der zweite Teil des Satzes, der die Begründung der Gedenkenfreiheit liefert, bezieht sich auf das Geheimnis: „… keiner kann sie erraten.„)

Das Paradox ist auch in Wikileaks selber angelegt: die Verbindung von dem Zwang zur absoluten Anonymität und das beständige Beharren der Macher auf die Vorteile der Transparenz machen Wikileaks zum neuralgischen Punkt der Frage nach einer neuen Informationsethik.

(Ein wenig – längst nicht angemessen – führen wir die Diskussion bei Netzwertik in den Kommentaren)

Ehtik ist immer so ein schönes Wort. Ethik beschreibt immer einen Dos & Donts Katalog, Richtschnüre für Verhaltensweisen, die man einzuhalten gebeten wird. Als ob alles eine Frage der Entscheidung wäre. Als ob uns das Internet eine Wahl lassen würde.

Selten hat mir etwas so emotional zugesetzt wie die Ereignisse in Duisburg. Ich habe viel geweint dieser Tage. Und ja. Ich habe mir alles angesehen. Ich wollte alles wissen, habe Video um Video gesehen, Bilder geklickt, Artikel und Erfahrungsberichte gelesen. Ich habe mich sprichwörtlich in den Rausch geklickt.

Und heute tauchte ein Video auf, auf das eigentlich alle gewartet haben. Es ist exakt zum Zeitpunkt des Unglücks exakt an der Stelle des Unglücks gefilmt worden. Und ab nun gibt es keine Distanz mehr. Wer wirklich hart im Nehmen ist und wer glaubt, das ertragen zu können (BITTE NEHMT DIE WARNUNG ERNST!) der kann hier klicken und ist dabei. Mitten drin.[.] (ACHTUNG: Dieses Video wird euch den Tag vermiesen, wenn nicht noch mehr)

bov
[Link]

Ich hatte das Video schon getwittert (in Wirklichkeit geretweetet) als ich es gerade erst angestellt hatte. Und schon nach wenigen Minuten erkannte ich die Tragweite dieser Dokumentation. Und neben dem Schrecken stieg in mir das Unwohlsein ob meiner Tat auf, das Video verbreitet zu haben. War das ein Fehler? Sollte man das nicht tun? Ist das Video „falsch“? Ist es falsch, dass es sich die Leute angucken können? Oder ist es nur falsch das Video zu verbreiten? Sollten es vielleicht nur bestimmte Leute sehen? Wenn ja: wer? Wer entscheidet das?

Ich hab auf die Frage vor allem zurück bekommen, dass das Video zwar krass, aber eben die Wahrheit sei. Dass es gut sei, dass es das Video gibt, denn es trägt zur gesellschaftlichen und juristischen Wahrheitsfindung bei. Die Verantwortlichen können sich so nicht so leicht aus der Verantwortung stehlen, durch das Material. So auch Alvar Freude. So auch der Urheber des Videos, der in diesem Artikel kurz porträtiert wird.

Ich wurde aber auch von einigen – teilweise energisch – ermahnt, den Link heraus zu nehmen. Dass ich eine Verantwortung habe, gegenüber zum Beispiel Kindern, die bei mir lesen. Und natürlich ist auch der Vorwurf der Informationsgeilheit und des Voyeurismus hier nicht weit. Aber kann ich Verantwortung übernehmen für das, was andere sich angucken sollen oder nicht? Wer bin ich, dass ich Gatekeeper spielen soll/darf/muss. Vor allem heute, diesem Heute, dem ich unentwegt den Paradigmenwechsel andichte, dass es die Autonomie des Leser/Konsumenten stärkt und ihm alle Macht in die Hände spielt. Und – selbst wenn ich die Verantwortung über die Information meiner Follower annehmen sollte – welche Verantwortung wiegt stärker? Die der Schonung, oder die des Informierens?

Ich habe auf all das keine Antworten. Und ich bezweifle sogar, dass es welche gibt. Weder habe ich allgemeingültige noch auch nur persönliche, die einen irgendeinen Effekt haben. Einen Effekt auf den Kontrollverlust, der sich manchmal zu einer unbändigen Bestie geriert, die schreit und stinkt, die ungewaschen über all unsere Bedenken rollt und jede Ethik zur Theorie degradiert.

Ich habe nur Fragen. Hier eine Auswahl: Werden wir persönliche oder gesellschaftliche Kulturtechniken entwickeln mit solchen Informationen umzugehen, die weder ein Wegschauen, noch ein zwanghaftes Hinschauen sind? Werden wir vielleicht eines Tages verzweifelt kämpfen, um die Institution des Geheimnisses zurück zu erlangen, weil wir merken, dass wir mit der Wahrheit nicht umgehen können? (mir klingt Tocotronic im Ohr: „… wir brauchen dringend neue Lügen…„). Und nicht zu letzt: gibt es das? Eine gesellschaftliche oder gar Logisch-Positive Notwendigkeit des Geheimnisses und der Lüge? Und gibt es – oder sollte es geben – ein Recht auf Unwissenheit? Ein Recht verschont zu werden, von Informationen? Wie sollte man das selbst bestimmt regeln können? Sichwort: Informationsparadox.

Selten haben sich mir diese Fragen so sehr aufgedrängt wie heute. Selten hatte ich so sehr ein Gefühl der Dringlichkeit.

60 Gedanken zu „Das Ende des Geheimnisses

  1. michi, ich finde du driftest gerade ab. sehr. vielleicht brauchst du mal wieder jemand normales um dich herum, der einfach nur ein bier mit dir trinken geht?

    so funktioniert das alles nicht. man kann nicht alles und jeden to the bone theoretisieren. hör doch auf mit so rhetorsichen kniffen wie „soll ich etwa gatekeeper spielen? soll ich bewerten wer was gucken darf?“ es ist DEIN teitteraccount, DU entscheidest was DU postest. die links kommen nicht vom himmel geflogen und posten sich bei dir selbst. in dem moment wo die draussen sind, ist bei dir also schon eine entscheidung gefallen: die welt soll diese information haben. gut. dann steh auch dazu und verklausulier das nicht im nachhinen so wie hier, wenn du nämlich plötzlich angst vor der eigenen courage bekommst.

    ich erinner mich das in meiner jugend die videoreihe „gesichter des todes“ bei gleichaltrigen sehr beliebt war. davon gab es wohl mehrere teile. alle unterhielten sich darüber nur ich konnte nie mitreden. weil ich sie nicht sehen WOLLTE. ich möchte auch heute kein video sehen, in dem menschen sterben. das macht es schwer, mit der gesamten lp-berichterstattung, aber es geht. glaub mir. man MUSS das nicht sehen. es trägt zu nichts bei. und man kann sich auch bewusst dagegen entscheiden zu helfen, so etwas zu verbreiten. das macht einen nicht zum zensor oder gatekeeper. das macht einen zu einem menschen, mit gesundem menschenverstand, mit anstand, mit eiern, wie auch immer du das nennen willst.

    komm mal bitte raus aus dem netz, echt mal. die debatten seitdem du weg bist, haben dir nicht gut getan. ist mein eindruck. ich würd gern mal wieder was von einem michi mitbekommen der sowohl als auch ist. also netizen UND mensch. come on!

  2. Habe das Video (bzw. die Serie) vorhin auch entdeckt, und anfangs dachte ich noch: das sollte als Links mit rein. Aber nachdem ich das Ende von Teil 3 und teil 4 gesehen (bzw. eher: gehört) habe, bekam ich große Zweifel.

    Ja, ich wünsche dem Typen bei 8:37+ in Teil drei den Staatsanwalt auf den Hals. Wie kann man da nur so rücksichtslos über die Leute drüber klettern? Aber … nunja, das danach ist schon der reine Horror.

  3. @nilz Ich glaube nicht, dass das mit meinem Umgang hier zu tun hat. Klar, das alles sind Themen und Fragen mit denen ich mich schon lange beschäftige und die Gefahr der allzu sehren Theoretisierung stellt sich und stelle ich mir. Aber hier passiert gerade das Gegenteil: Meiner Theorie nach würde ich sofort sagen: Klar, raus damit. Information ist immer besser als keine Information. Mein Erleben, fühlen und erfahren hingegen ist es, dass mir in dem Text die Zweifel formuliert. Es ist also genau anders herum als zu vermutest.

    Und dass du das Video nicht angucken magst ist dein gutes Recht, dass ich dir 100% zubillige. (Ich selber habe mir nach dem dritten Teil auch den 4. nicht angetan, der angeblich noch schlimmer sein soll)

    Die Frage ist aber nicht, ob du oder ich es uns angucken sollen oder nicht, sondern ob wir diese Frage selbst bestimmt beantworten können oder nicht. Und dafür ist die Frage des Gatekeeping nun mal entscheidend.

  4. @Alvar Ich hab mich – wie man ja sieht – für einem kleinen Link und einer großen Warnung entschlossen. Derzeit bleibe ich dabei: jeder soll selber entscheiden. Das Video ist wichtig; aber es ist nicht wichtig, dass jeder es sieht, sondern, dass jeder es sehen kann. Aber wie gesagt: meine Gedanken zu dem Thema sind noch nicht abgeschlossen.

  5. Aber die Antwort muss sein: Nein, nur weil du davon weisst, musst du es nicht zwangsläufig zur Verfügung stellen (vor allem nicht BEVOR du es gesehen hast…aber das verbuche ich mal unter „Impuls“). Du bist kein Informationsdurchlauferhitzer, wo die Info reinkommt, kurz drinbleibt und sofort ungefiltert so wie sie reinkam wieder rausläuft, vielleicht noch ein bisschen mehr erhitzt. Du hast Verantwortung über jegliche Information, die du bekommst. Du hast die Verantwortung zu entscheiden ob es irgendeine Dringlichkeit gibt, sie deinen „Freunden“ zu zeigen. Und danach musst du entscheiden. Kannst du Herz, Bauchgefühl, meinetwegen auch einfach Lust nennen. Du kannst es auch analytisch entscheiden, aber irgendein Entscheidungsprozess muss stattfinden. Du bist kein Bot. Du kannst auch sagen „Ich hab da gerade dieses krasse Video gesehen“ und auf ausdrückliche Warnung den Leuten die es immernoch sehen wollen zum Beispiel per DM den Link schicken. Aber niemand zwingt dich „live sterben“ verbreiten zu müssen. Wo soll das aufhören? Wenn dir Nazis ihre Promovideos schicken, haust du die dann auch einfach raus, ohne nachzudenken? Wenn Merkel dir ihren neuen Podcast schickt, in dem sie nichts sagt: Raus damit? Du bist ein Mensch, also bist du auch ein Filter. So einfach ist das und so soll das auch sein – Kommunikation funktioniert vermutlich nach diesen Richtlinien: Der filtwert die gleichen Sachen wie ich aius dem Informationsfluss des Lebens, lass uns Freunde sein. So in etwa.

    Nochmal: Du bist kein Bot.

  6. Finde ja, der Nilzenburger hat Recht. Ich kann mir sowas auch nicht anschauen. Konnte vorgestern schon nicht einschlafen, weil mir die Bilder nicht mehr aus dem Kopf gehen. Alle schimpfen ja zu Recht auf BILD. Wo ist der Unterschied? Dass die unsere verdammte Gaffermentalität auch noch kommerziell ausschlachten? Vermutlich. Die Videos sind auch für die Wahrheit unerheblich. Sie tragen nichts bei, was wir nicht schon wissen. Ich glaube, derjenige hätte seine Aufnahmen der Staatsanwaltschaft übergeben sollen und gut ist. Die zu veröffentlichen, finde ich nicht okay.

  7. Die im Zuge der Videos (die ja bei YT zum Teil erst am 18 freigegeben sind) aufkommende Diskussion, wir sollten bedenken, dass unsere Tweets auch von Minderjährigen gelesen werden würde ich gern an anderer Stelle führen. Nicht in Kommentaren zu diesen schrecklichen Bildern von unnötigen und vermeidbaren Todesfällen.

    Und ich finde es hilfreich, dass es diese Bilder gibt. Dadurch werden sich die Verantwortlichen nämlich nicht auf auf ihre Lügen zurückziehen können.

    Zur Frage, ob jeder diese Videos sehen muss: Nein, natürlich nicht. Es reicht, die Berichte zu lesen, um sich ein Bild zu machen. Aber es müssen einige Menschen die Videos sehen, eben um die Berichte machen zu können. Und es ist gut, dass man im Zweifel auf das Originalmaterial zurückgreifen kann.

    Gerade die PK gestern hat ja deutlich gezeigt, dass man sich auf „normale“ Medien eben nicht unbedingt verlassen kann. Da wurde nämlich bis die nächsten Bilder auftauchen die Sicht der Polizei kritiklos übernommen.

    Insgesamt ein sehr dreckiges Spiel, was da gerade abgeht. Sowas aufzudecken, dazu trägt das Material bei.

    Dass sich natürlich auch Leute aus reiner Sensationslust das alles anschauen, dass muss man in Kauf nehmen. Aber insgesamt finde ich den Vorwurf zu kurz gegriffen, dass das nur deswegen angeschaut wird. Zum Teil ist das ein Weg für Menschen, damit umzugehen und das zu verarbeiten, zum anderen ist eben genau das die sonst Vielbeschworene Weisheit der Massen – Aufstellungen wie von Alvar oder auch http://loveparade2010doku.wordpress.com/2010/07/28/loveparade-2010-zeitablauf-sperrungen-und-durchlassungen/ sind umfassende Dokumentationen des Geschehens, die es sonst so nicht geben würde.

    Und wenn man sich die ersten Stellungnahmen anschaut, in denen den Toten die Schuld gegeben wurde, weil sie angeblich von Mauern gestürzt wären, nur um schneller aus Gelände zu kommen – mit diesen Stellungnahmen wären die Verantwortlichen früher durchgekommen.

  8. @nilz nein. Automatisch twittere ich sowieso nix. Oder hast du da den Eindruck? 😉

    Die Frage ist – das sagst du richtig – eine Frage der Entscheidung. Um diese Entschedungsfindung geht es mir doch in dem Text. Also deren grundlagen. Und zwar allgemein, wie auch persönlich. Ich weiß nicht, ob ich das Video geretweetet hätte, wenn ich vom Inhalt gewusst hätte. Diese Frage/ Zwickmühle ist der Inhalt des Textes. Mich mit dieser Frage zu beschäftigen die Aufgabe dieses Blogposts. Ich finde das wichtig das ergebnisoffen zu thematisieren (mir hilft das), auch wenn du dich an der Art stören magst.

    @Baranek Ich verurteile die Bildzeitung deswegen jedenfalls nicht. Und mit der Unethik oder Ethik des Wortes „Gaffer“ (Voyeurismus etc.) wird mir meines erachtens auch viel zu unkritisch umgegangen. Vielleicht sollte erstmal geklärt werden, was unmoralisch daran ist, diese Bilder sehen zu wollen.

  9. @seb: ausgerechnet den westen als kronzeugen aufzurufen, ein boulevardmedium, das ja nun wirklich von sensationsgier lebt, ist vielleicht gar nicht mal so eine gute idee…:)

    @michi: ich weiss schon das du das ergebnisoffen haben möchtest, aber ich will dich zwingen zu einem punkt zu kommen! 🙂

    im ernst: man kann die fragestellung natürlich offen lassen. dann muss man es aber allgemeiner behandeln. hier geht es um einen konkreten fall. und den kann man durchexorzieren und dann zu einem ergebnis kommen (zu einem ergebnis kommen zu wollen natürlich vorrausgesetzt). das muss sich gar nicht mit dem decken, was man „allgemein“ noch als ultima ratio genannt hat. so sind wir ja nunmal: voller widersprüche.

    es geht nicht darum, das kinder den link hätten finden können oder so (machen wir uns nix vor, michi, ist auch nicht böse gemeint, aber wieviele kinder werden dir schon auf twitter folgen? ;)), das wissen wir beide. aber es geht immernoch um die entscheidung. und um die frage der entscheidung druckst du gerade rum, so wie die typen auf der pressekonferenz.

    bist du dir der verantwortung und der tragweite deiner entscheidung bewusst? oder bist du über eine grenze geschritten? würdest du es gerne rückgängig machen? guckst du es dir nächstes mal vorher an und entscheidest dann?

  10. @nilz Ich denke schon, dass ich die Entscheidung getroffen habe. Ich habe das Video ja schließlich noch mal hier im Artikel verlinkt – damit dürfte meine Entscheidung ja wohl unzweideutig sein. Ich sage aber auch, dass der Prozess des Nachdenkens dazu noch nicht abgeschlossen ist. Ich kann die andere Seite auch verstehen und ich habe nach wie vor meine Bedenken. Damit bezieht sich meine Unsicherheit eher auf zukünftige Entscheidungen, die ich zu treffen habe. (zum Beispiel auch: wird es eine Grenze geben?)

  11. Ich denke eine Veröffentlichung ist schon okay, solange man es entsprechend kommentiert. Man muss es ja nicht zwangsweise direkt verlinken, die URL im Klartext ohne Link würde wohl ein ausreichendes Hindernis darstellen, damit man nicht mal eben so drauf klickt.

    Die Videos sind sehr erschreckend, bzw. eher schon wirklich schockierend. Aber ich glaube nicht, dass man Schrecken dadurch aus der Welt befördert, wenn man ihn nicht zur Verfügung stellt. Jeder der sich diese Videos angesehen hat, wird bei der Veranstaltung schon viel kleinerer Events mal über die Möglichkeit ähnlicher Ereignisse nachdenken.

    Weiß man das man eher emotional reagiert und damit nicht klarkommt, dann soll man es doch bitte lassen, es sich anzusehen. In der Regel kann das jedenfalls jeder Erwachsene ganz gut bewerten. Von daher ist wohl auch die 18er Hürde von YouTube sinnvoll.

  12. ich finde den text vom huck sehr interessant ( http://www.stijlroyal.de/blogroyal/huckbook/das-lachen-nach-dem-schluss ), der hat mich jetzt echt ins zweifeln gebracht…jetzt weiss ich gar nicht mehr so richtig, ob das richtig war, was ich meinte. ob ich meine persönlichen moralvorstellungen über alles stelle.

    andererseits: gerade die sind ja mein anker. gerade an denen hangel ich mich doch durch soziale gefüge. ich muss die doch an allem anlegen….

    verdammt! warum bin ICH jetzt in der zwickmühle?!?!?!

  13. @nilz Das sind wir alle. Das beste, was wir tun können, ist uns bei unserer jeweiligen Art der Verarbeitung respektieren und das Internet nutzen, um uns gegenseitig die Schulter zu tätscheln.

  14. @Alvar

    Das sind mehrere, die da anfangen über die Leute zu klettern.
    Und u.U. hielten sie das für ihre einzige Möglichkeit zu überleben.
    Will das nicht gutheißen, aber ganz unrecht hätten sie mit einer solchen Annahme nicht gehabt.

    Und man selbst sollte auch nie ohne Zweifel darüber sein, dass man es nicht gemacht hätte.

  15. @Nilz Irgendwie sind ja alle Ansätze so bemüht, das zu erklären. Es ist mal wieder die große Zeit des gesunden Menschenverstandes. Und der Unterschied zwischen Mitgefühl und diesem von Nietzsche zum Mulitplikator des Elends ausgemachten Mitleid… da vielleicht lernen zu unterscheiden und dann handeln. Mehr weiss ich aber auch nicht. Vielleicht, wie Michi sagt, Respekt haben und Liebe (aka Schulter tätscheln).

  16. @nilz na ja, für ne lokalzeitung machen sie ihren job ok da beim westen. oder?

  17. Ich habe Teil 3 gesehen und Teil 4. Bisher war das alles so weit weg. Klar fand ich es schrecklich und furchtbar und grausam, dass so viele Menschen sterben mussten, aber es war eben „weit weg“. Dies hier war, bis auf einige Berichte, so ziemlich das erste, was ich bewusst konsumiert habe. Und genau das ist die Antwort auf die Fragen, die du im Post aufwirfst. Du bist kein Türsteher, der seine Follower beschützen muss, der entscheiden muss, welchen Inhalt er (zielgruppengerecht) unterbreiten kann/darf/soll. Nicht nur im RL sondern auch im Internet kann jeder für sich entscheiden, welche Informationen er bezieht. Ich hätte den Link nicht klicken müssen, niemand hielt mir ne Knarre an den Kopf bis ich die Taste gedrückt habe. Ich konsumiere Informationen. aktiv.

    Nichtsdestotrotz muss ich dir raten, dich zu distanzieren. Das klingt schrecklich, aber auf Dauer ist es das Gesündeste. Man darf nicht zulassen, dass man selbst an so einer Tragödie kaputtgeht. Wenn ich das nicht könnte, würde ich nachts kein Auge mehr zumachen und ständig missbrauchte Kinder, misshandelte Tiere, Kriegsopfer, Hungertote… sehen. Ich hatte so eine Phase, als ich mich intensiv mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt habe. Auf einer Exkursion ins KZ Dachau bin ich beinahe zusammengebrochen und konnte danach wochenlang nicht abschalten. Aber man _muss_ das lernen.
    Den gesunden Mittelweg zwischen Menschlichkeit und Mitgefühl und „zu viel“ finden.

  18. ja huck, du hast ja vollkommen recht mit deinem artikel. aber jetzt habe ich das problem, mich zu fühlen, als wenn ich immer mit dem erhobenen zeigefinger an der ecke stehen würde und so ist es ja nunmal auch nicht…ich habe ein paar prinzipien und ich bin bislang davon ausgegangen, das die vom „gesunden mesnchenverstand“ gedeckt wären. und jetzt hab ich das erste mal zweifel daran. und das ärgert mich.

  19. @Aquarienfisch In der Tat. Da bin ich tatsächlich auch etwas gefärdet zur Zeit, so dass sich Torsten Kleinz schon sorgen um mich macht. Ich weiß auch nicht, warum mir diese Katastrophe so nahe geht, wie schon lange nichts mehr. Aber es tut es. Ich bin aber zuversichtlich. Ich denke, mit dem ende der Berichterstattung werde auch ich mich abkühlen. Danke für den Ratschlag.

  20. Um die Kernfrage aus dem zweiten Teil des Artikels zu beantworten, ich halte es für unproblematisch, dieses Video zu posten. Es enthält, anders als angedeutet, kein detailliertes Sterben sondern dokumentiert eher die Vorgänge.

    Ich persönlich weiß, dass ich solche Videos immer anschauen werde, aber nicht aus Gründen der Meinungsbildung, sondern aus persönlichen. Ich habe einen nahen Angehörigen durch einen schlimmen Unfall verloren. Das erste, was ich Krankenhaus fragte, war komischerweise, ob ich ihn sehen kann. Glücklicherweise hat mich der Arzt davon abgehalten. Ich würde auch den Angehörigen raten, nicht auf diesen Videoaufnahmen nach ihren verstorbenen Kindern zu suchen. Sie sollten sie so in Erinnerung behalten, wie sie waren und nicht als letztes Bild, ein Gesicht voller Angst haben.

  21. Ich finde zwei Punkte spannend:

    Einmal die ganz offensichtlich grundverschiedenen Schmerz- und Verarbeitungsgrenzen der (vielen) Beteiligten Diskussionsteilnehmer. Natuerlich war mir klar, dass unterschiedliche Leute das auf unterschiedliche Art und Weise verarbeiten, aber irgendwie war ich erschrocken, wie weit die Spanne reicht und wie herzlos abgebrueht ich mir vorkam.

    Zum zweiten die Diskrepanz zwischen dem, was wir bei BILD und jedem anderen beliebigen Medium pietaetlos, reisserisch und menschenverachtend faenden, und hier einfach so hinnehmen — die Veroeffentlichung solcher Videos. Worin liegt der Unterschied? Dass der Urheber das nicht monetarisiert, anonym bleibt, eine scheinbar vollkommen objektive Sicht zur eigenen Interpretation bietet?

    Zuletzt: Michi, nimm dir Nilz‘ Tipp zu Herzen. Raus aus dem Netz, nicht nach den Verstorbenen „graben“, mit dir vertrauten Leuten bei nem Bier drueber reden und die Situation realisieren. In die Situation kommen viele irgendwann mal — siehe z.B. http://www.zwei-dinge.de/2010/07/02/verkehrsunfall/

  22. Aber Nilz, wo ist denn Dein erhobener Zeigefinger? Seh ich nicht. Du sagst doch nur Deine Meinung. Und als Vater einer kleinen Tochter sind da sicher auch ganz andere Gedanken in Dir und in wieweit man solche Videos in ihrer Unfassbarkeit zeigen sollte. Da entsteht doch in Dir sicher ein anderer Prozess als bei mir und da wieder ein anderer als bei Michi. Ich kann aber bei keiner Position erkennen, dass sie „falsch“ ist.

  23. Was die Kinder betrifft: Kinder können nicht nur diesen Link finden, indem sie sehen, unter welchen Umständen Menschen ums Leben kommen, sie können auch Pornos schauen oder sich sämtliche Greueltaten, zu denen der Mensch fähig ist, irgendwo im Internet anschauen. Das unmöglich regulierbar.
    Das Internet und die Mediengesellschaft zerstören die behütete Kinderwelt, die wir mal kannten. Was wir tun können, ist unseren Kindern beizubringen, warum es für sie nicht gut ist, sich aus welchen Gründen auch immer, alles anzuschauen und mit ihnen über das, was sie trotzdem gesehen haben sprechen.

  24. So schockierend das Material ist. Es dient der Aufklärung und ich brauche es mir auch kein zweites Mal anzusehen. Es beweist aber auch die Hilflosigleit der Betroffenen, die verzweifelten Rettungsversuche und widerlegt die Märchen der Verantwortlichen. Die sollten es sich ansehen, um endlich zur Besinnung zu kommen.

    Ich habe höchsten Respekt vor einigen Leuten, die trotz extremer Not immer noch versuchten, Anderen zu helfen. Vorbildlich ist das, und steht im extremen Gegensatz zum Verhalten der Verantwortlichen. In diesem Sinne halte ich das Video trotz dessen grausamer Realität für ein pädagogisch wertvolles Dokument.

  25. @ Nilz: Ich glaube sehr an die Macht der Bilder. Mal ein anderes, ähnliches Beispiel: Neda in der grünen „Revolution“ im Iran. Ich finde es gut, dass solche Bilder verfügbar sind und gefunden werden können. Den Bogen könnte man noch viel weiter spinnen (Vietnamkrieg und noch viel, viel weiter). Solche Bilder sind wichtig und es ist gut, dass das Netz ihre Verfügbarkeit demokratisiert. Trotzdem habe ich mich dazu entschieden, keine Bilder von sterbenden Menschen zu bringen. Deshalb muss ich Michael widersprechen: Ja doch, es ist immer eine Frage der Entscheidung.

    @ Thomas: Die behütete Kindheit ist ein Konstrukt der letzten, na, 70 Jahre. Lesetipp: Neil Postman – Das Verschwinden der Kindheit http://www.amazon.de/Das-Verschwinden-Kindheit-Neil-Postman/dp/3596238552/ref=sr_1_2?ie=UTF8&s=books&qid=1280435457&sr=8-2

  26. @mspro
    Es ist ganz natürlich, dass einem sowas nahe geht (manche Tragödien sogar näher als andere). Beim dritten Teil des Videos, als am Ende das junge Mädchen schreit, saß ich heulend vor meinem Laptop. Ich kenne auch einige Leute (primär über’s Internet) die potentiell hinfahren hätten können. Eine schlimme Vorstellung 🙁
    Kopf hoch.

    btw: ich fand den jungen Mann in dem Video auch sehr bewundernswert. In Panik werden viele Menschen zum Tier (siehe die netten jungen Herren, die über die Menge drüberklettern, ganz egal, wem sie dabei ins Gesicht steigen oder nicht)

  27. Ich hatte gerade die Idee, dass das Problem vielleicht nicht ist, dass es zu viel zu sehen gibt, sondern dass das „eigentliche“ Geheimnis, das Unfassbare oder der wesentliche Kern von solchen Sachen, durch das überall Verfügbarsein zerstört wird. Weil das gerade nicht gezeigt werden kann. Es ist jetzt halt noch so ein Video (Ich habe es mir allerdings nicht angeschaut.) Wie in dem Tweet von @bov: Eine Sache ist für die einen eine Nachricht, ein Video, für die anderen ist es der Tod des eigenen Kindes. Den Tod dieses Kindes kann man zwar filmen und dokumentieren. Das „Geheimnis“ dieses Todes aber nicht. Vielleicht war das der Sinn von Tabus früher: Wenn man Sachen allzu genau weiß und transparent macht und untersucht und präsentiert, wird ihre eigentliche Bedeutung zerstört. Und vielleicht – aber das ist auch ein so unfertiger Gedanke – liegt das Unbehagen an der Entwicklung auch darin, dass wir jetzt definitiv wissen, dass das so ist. Es kann keine Tabus mehr geben, weil es niemanden mehr gibt, der ihre Einhaltung überwachen könnte. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube, es gibt nach wie vor Geheimnisse. Aber keinen kulturellen, öffentlichen Ort mehr für sie.

  28. Hm. Nachdem ich das gelesen habe, habe ich versucht mir vorzustellen, wie der Text auf mich gewirkt hätte wenn Du oder auch irgendjemand anderes, Du warst bestimmt nicht der Einzige der es retweetet hat, von dem Video Kenntnis gehabt hätte und es nicht retweetet hätte und bei einem daraufhin folgenden, die Ethik & Co. hinterfragenden Blogbeitrag, nicht nochmals den Link dazu gesetzt hätte- also in der Frage des Gatekeepers sich für die weniger ‚Aufsehen erregende‘ Position entschieden hätte. Als mehrmaliger Teilnehmer der LP bis Mitte der 90er bin ich aber zugegebenermaßen hier empfindlicher, als wenn es um Tragödien geht, die weltweit nahezu regelmäßig stattfinden. Hier wäre/bin ich dann pro ‚immer her mit sämtlichen ‚Informationen‘. Alle nicht so leicht…

  29. Vorab: Ich hab die Videos nicht gesehen. Die Beschreibungen haben gereicht um zu wissen, dass ich das nicht sehen muss.

    In Duisburg ist eine Katastrophe geschehen. Wahrscheinlich durch Schlamperei an nicht nur einer Stelle. Es gab 21 Tote und diverse Verletzte. Der Zugang war zu eng. Der Platz war zu voll. Die Reaktionen der „Verantwortlichen“ waren peinlich u.s.w.

    Wofür in aller Welt braucht man diese Videos zur „Aufklärung“? Wozu muss man die Leute noch schocken. Warum müssen die Angehörigen der Toten ertragen, dass man den Tot ihrer Angehörigen jetzt auf Youtube betrachten kann, wahrscheinlich direkt neben irgendwelchen Adword-Links für Techno-Compilations?

    Ich verstehe es nicht. Erklärt es mir! Reicht es nicht aus, wenn der Filmer die Videos der Staatsanwaltschaft übergibt, die diese Videos dann auswertet? Wenn auf diesen Videos ein offensichtlicher Mord zu sehen ist und die Staatsanwaltschaft würde daraufhin nicht reagieren, hätte man immer noch die Möglichkeit den ganzen Kram in Web zu schmeissen.

    In meinen Augen ist der Einsteller süchtig nach Aufmerksamkeit und die Betrachter zum größten Teil ganz plumpe Voyeure. Beide tragen nichts zur Aufklärung dabei.

    Wie soll das weitergehen? Machen wir jetzt einen auf Volksmiliz? Dass Video mit den meisten Klicks fällt das Urteil?

    Ehrlich gesagt, ich scheiss auf diese Welt des Kontrollverlustes. Und den Wikileaksmachern wünsche ich, dass man ihnen die Köpfe jedes umgebrachten Informanten, jeder getöteten Quelle vor die Füße wirft. Wusste ich schon vorher, dass Krieg nicht schön ist und dass die Parteien lügen bis sich die Balken biegen. Hat sich seit dieser Woche nichts dran verändert. Ausser vielleicht den paar armen Seelen, die jetzt einen Kopf kürzer sind. (Arg verkürzte Darstellung)

    Neben mir liegt die Süddeutsche, die lese ich jetzt. Ich bin noch ganz froh, dass es diese Art der Filter noch gibt. Auch wenn ich weiss, dass die da nicht immer perfekt arbeiten.

  30. „Wer bin ich, dass ich Gatekeeper spielen soll/darf/muss.“

    BILD Klickstrecke mit Leichenbildern von der Loveparade likes this.

    Was für ein unsinniges Argument dafür, dieses Video auf dem eigenen Account mit XXXX Followern zu retweeten (habe ich nicht gesehen und werde ich auch nicht, mir reichen Schilderungen). Ich finds ungut. Man muss nicht jeden zerquetschten Menschen auf YouTube sehen, um verstehen zu können, wie krass das ist, was das passiert ist.

  31. @Marcel Danke für deine deutliche Meinung. Zu den Videos: Fakt ist: es gibt es reges Interesse daran, diese Videos zu sehen und ich finde man sollte vorsichtig sein, dieses Interesse zu verurteilen. Für mich gesprochen ist es eine Form der Anteilnahme, die zwar keinesfalls Selbstlos ist, die aber sehr wohl mit Respekt, Trauer und Mitleid eng verbunden ist. Und mit dem Wunsch nach Gerechtigkeit. Neben der Trauer habe ich oft eine große Wut und den innigen Wunsch, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Das mag man noch eher verurteilen, aber ich finde auch das sehr menschlich. Und ja, ich glaube auch eine Staatsanwaltschaft arbeitet gewissenhafter wenn die Bevölkerung über die selben Informationen verfügt, wie sie.

    Zu Wikileaks. Ja, die Gefahren für Leib und Leben einiger Agenten kann einen auch nicht egal sein. Abererseits: Geheimdienste sind nun mal ein Fremdkörper in einer offenen demokratischen Gesellschaft. Wenn Wikileaks dazu beiträgt in diesem Bereich Aufklärung und damit unweigerlich auch Abrüstung zu schaffen, finde ich, muss man die Vor und Nachteile abwägen.

  32. „Braucht es das Geheimnis?“ Ja, klar. Für Erotik, für Kunst, für Transzendenz. (Ich will nicht sagen: Religion).
    Die Frage nach dem Sinn, nach dem Dahinter, ist ohne Vorhang ja sinnlos. Und jedes Gramm Erzählung braucht einen Doppelzentner Unausgesprochenes drum herum.
    Das Geheimnis unterscheidet uns vom Bot.

    Antje denkt, glaub ich, in die richtige Richtung. Dazu kommt: Manchmal verliert man Freunde und geliebte Menschen, manchmal ist man sogar dabei, wenn sie sterben, aber diese Loveparade-Videos sind auf ewig im Netz. Die blanke, permanent verfügbare Information kann Erinnerung geradezu verhindern, also dass eine wie auch immer sinnstiftende eigene Erzählung sich über das Ereignis legt.
    Huck (Stijlroyal) hätte seinen Text doch kaum so schreiben können, er hätte das schreckliche Ereignis seiner Kindheit kaum aus der Erinnerung schildern können, wenn er ständig ein Video des Geschehenen vor Augen gehabt hätte.
    Ist das die Zukunft: Dass wir einander nichts mehr erzählen, sondern Links zu den individuellen Trauma-Videos der Kindheit mailen?

    Wahrheitszwang (aka Kontrollverlust) und Barbarei sind vielleicht nicht so weit voneinander entfernt.

  33. @mspro Die Opfer und besonders die Angehörigen können sich meiner Anteilnahme sicher sein. Das konnten sie schon am Samstag, als ich die ersten Meldungen hörte und die Situation durch die Bilder beurteilen konnte. Ich glaube auch eine Staatsanwaltschaft weiss heute, dass es durch das Internet deutlich mehr Möglichkeiten gibt auf ungewissenhaftes oder gar vertuschendes Arbeiten ihrerseits zu reagieren.

    Ich finde Gatekeeper also im begrenzten Maße für die Gesellschaft wichtig. Versagen diese, kann man immer noch den Weg der unbegrenzten Veröffentlichung der Materialen wählen. Nicht jeder hat die Kompetenz alles und jedes richtig bewerten zu können. So regt sich Alvar über einen Typen auf, der über die Leute steigt. Er wünscht ihnen die Staatsanwaltschaft auf den Hals. Andere greifen vielleicht zu radikaleren Mitteln und lynchen ihn direkt (Wie seinerzeit ein russischer Angehöriger den für einen Flugzeugcrash verantwortlichen Flugloten). In diversen Artikeln habe ich aber gelesen, dass in einer derartigen lebensbedrohlichen Paniksituation bei den meisten Menschen ein Tunnelblick einsetzt und es nur noch um das eigene Überleben geht. Was nun?

  34. Ok, Ergänzungskommentar: Es ist vielleicht von Bedeutung, dass solche Bilder existieren, sofern es darum geht, dass sie irgendwelche Wahrheiten aufdecken, neuen Erkenntnisgewinn erzeugen, um Dinge in der Zukunft zu vermeiden, Menschen wachzurütteln, etwas zu zeigen, dass man sonst nicht zu Augen bekommen würde, weil es zensiert wird. Wie die Bilder auf dem Irak von Wikileaks. Wie die Bilder aus dem Iran.

    Aber: Das hier ist etwas völlig anderes. Es ist Sensationsgier, wie ich schlichtweg unterstelle, weil ich das Video nicht kenne. Und wenn ich ein Video sehe, dass reine Sensationsgier befriedigt und mich schon selbst nicht zurückhalten kann, darauf zu klicken, dann verbreite ich es wenigstens nicht auch noch an tausende andere Menschen weiter. Punkt.

  35. Ach noch kurz zu Wikileaks. Ich habe da meine Probleme mit deren Auffassung, nicht beurteilen zu können und zu wollen was Relevant ist. Die Veröffentlichen alles ohne Rücksicht auf Verluste. Würde denen jemand eine Liste von Nachtclubkunden in Berlin schicken auf denen mspro mit seinen Vorlieben zu finden ist würde die es, aufgrund der eigenen Unfähigkeit es als Relevant einzustufen, veröffentlichen. Geholfen wäre damit eher keinem. Finde dazu immer diese Küchenradiofolge http://www.kuechenradio.org/wp/?p=366 gut in der es genau um dieses Thema ging und die Küchenradioleute bei all der Begeisterung für Wikileaks dann doch etwas geschockt waren.

  36. @Alle Danke für die Diskussion. Für mich ist das alles noch lange nicht zu ende Diskutiert. Ich denke Bov und Antje Schrupp haben Hinweise geliefert, wie man der Frage noch ein paar Ebenen tiefer nachspüren kann. Danke auch für den Link zu Simmel, @David.

    Ich bin derzeit noch etwas zu emotional verhaftet um das jetzt hier durchdenken zu können. Auch muss ich mich wohl oder übel mal mit Theorien des Geheimnisses auseinander setzten. Das Thema wird wieder kommen, keine Frage.

  37. nur kurz und wenig eloquent…
    es macht schon noch einen unterschied, ob du auf etwas fürchterliches hinweist (link) oder es deinen lesern vor den latz knallst (embedded autoplay).
    das du dich mitteilen möchtest, weil du sonst wahnsinnig wirst, ist vollkommen legitim und im grunde doch der sinn vom vernetzten informations- und erfahrungsaustausch.
    zu glauben, ein video über den tod eines angehörigen/freundes würde den schmerz verstärken, halte ich mindestens für zynisch.
    die welt ist eben nicht nur katzenkontent.
    youtube sendet nicht. uploader senden nicht. hinkucken kann viele gründe haben. wegschauen genausoviele. gute wie weniger gute.

    geschmackloses ps: ich bin emotional begründeter vegetarier und könnte auch manchmal kotzen, wenn mal wieder eine „lecker brathähnchen #nomnomnom“ welle inklusive kadaver twitpic durch twitter schwappt.

  38. Hier wurde von Marcel gefragt wofür man dieses Video braucht ?
    Warum man die Menschen damit schocken muss. Ich kann dir die Antwort gerne geben.
    In vielen Foren wurde diskutiert wie das alles geschehen konnte. Das Video zeigt alles und es kann vielleicht auch zu einem umdenken generell führen. Durch das Video sieht man wie gefährlich so eine Menschenmasse ist und wie schnell alles ausser kontrolle geraten kann. Da nicht überall alles überfüllt war sondern nur die massen alle zu einem bestimmten Punkt drängten. Natürlich sind viele Schuld. Aber man darf auch nicht vergessen, das jeder Teilnehmer der auf so einem Großevent geht ein gewissen Risiko eingeht. Ich meine jeder wusste wie voll die Loveparade ist und genau darin lag der reiz. Nicht einer dachte dass man dort einfach zerquetscht werden kann. Aber es ist logisch dass man bei solchen events von der Schwelle von leben und tod nicht weit entfernt ist. Dieses Video zeigt es ganz genau. Und jedem sollte bei der nächsten großveranstalltung dieses Video vor augen haben, nur durch das vorrausschauende Verhalten jedes einzelnen kann sowas vielleicht vermieden werden. Darum ist dieses Video wichtig.

  39. Und während wir uns hier den Kopf zerbrechen, ob es legetim sei, einen Link zu einem Video des grausamen und sinnlosen Geschehens zu schicken, auf dem man nach einem expliziten Login und einem Playklick und einer Warnung vor dem Beginn des Videos – sitzt ein Herr Pleitgen (der gegen eine Absage wetterte) am Tag 5 nach der Katastrophe bei Illner im ZDF und behauptet, es hätte keine Warnungen gegeben.

    Und genau dafür braucht es diese Bilder, um den zynischen Geld- und Prestigegierigen Verantwortlichen vor Augen zu führen, dass es Menschen sind, die sie mit Ihrem ach so rational abgewogenen Kosten-Nutzen-Rechnungen zu Tode gebracht haben.

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  42. Die Intimität von Sterbenden kann durch Menschenverstand gewahrt werden. Durch gesunden Menschenverstand.
    Wer durch Zufall in der Öffentlichkeit stirbt, muss sein letztes Fitzelchen Privatsphäre dank Hobbyfilmern und aufklärerischer Konsumenten aufgeben? Damit die Wahrheit eines Menschen im Sterbeprozess für jeden abrufbar noch wahrer wird? Das wünsche ich niemandem.

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  44. @mspro Ich bleibe weiterhin Fan von dir.
    Du bist immernoch so menschlich.
    Und Menschenachen Fehler.
    Nur so können wir uns weiterentwickel und hoffentlich etwas daraus lernen.

  45. Pingback: Linkdump for 29. Juli 2010 Links synapsenschnappsen

  46. Du vermischt in deinem Artikel die verschiedensten Ebenen, die meiner Meinung nach so nicht zusammen gehen. Vielleicht rührt auch daher deine Verunsicherung und das Unvermögen der theoretischen Einordnung der Dinge.
    Die neusten Veröffentlichungen auf Wikileaks und dein Tweet zum Video sind so nicht miteinander zu vergleichen. Während Wikileaks bisher unveröffentlichte Dokumente ins Netz gestellt hat, hast du einen Hinweis auf ein bereits veröffentlichtes Video erhalten und dich dann entschieden für weitere Verbreitung zu sorgen. Auch ohne deinen Retweet wäre das Video, für jeden der es sehen möchte, bereits verfügbar und auffindbar gewesen.
    Dein Dilemma entzündet sich daher eigentlich nicht an der Frage, ob man etwas erstmal öffentlich machen darf (und damit das Geheimnis zerstören), sondern an der Frage der eigenen moralischen und ethischen Verantwortung bei der Weiterverbreitung des Materials. Diese stellt sich auch dem Erstveröffentlicher, aber in einer ganz anderen Dimension, als bei dir.
    Du sprichst dies ja selbst an, bei der Frage nach dem „Gatekeeping“. Und hier bin ich ganz bei Nilz. Neben der Eigenverantwortlichkeit jedes Einzelnen gibt es auch noch soetwas wie eine Verantwortung anderen gegenüber.
    Da gibt es imho auch keinen Unterschied zwischen der analogen und der digitalen Welt. Nur weil man im Netz die Möglichkeit hat, Informationen ungefiltert zu verbreiten und alles zu sagen, was man möchte, muss man das nicht tun. Würde man in der analogen Welt ja auch nicht. Niemand verpflichtet dich dazu Informationen zu verbreiten, die schon da sind.
    Und zum Schluß: Informationen sind nicht gleichbedeutend mit der „Wahrheit“. Sofern es überhaupt eine allgemeingültige Wahrheit der Dinge gibt, was ich stark bezweifle. Auch das Video (ich habe es nicht gesehen) zeigt nur einen kleinen Teil der Wahrheit. Was vorher passiert ist, was im Tunnel passiert ist, was zum Zeitpunkt des Unglücks am Eingang des Tunnels los war, all das kann dieses Video nicht zeigen. Es ist vielmehr die Wahrnehmung eines einzelnen als die Wahrheit.
    Egal wie viele Informationen wir aufnehmen, sammeln und verarbeiten, wir können uns einer Wahrheit nur annähern. Man kann für größtmögliche Aufklärung sorgen, ja, aber das Geheimnis des Todes eines jeden einzelnen Menschen, egal in welcher Situation, kann man nicht vollständig enthüllen.

  47. „Man kann für größtmögliche Aufklärung sorgen, ja, aber das Geheimnis des Todes eines jeden einzelnen Menschen, egal in welcher Situation, kann man nicht vollständig enthüllen.“

    selbst wenn man dies könnte, was würde es ändern. das einzige, was wir wissen müssen ist, welche fehler sind begangen worden, vom veranstalter, sicherheitskräfte, der masse selbst und dieser verdammten informationsstruktur dort. damit so ein desaster nicht nochmal passiert.

  48. @helen
    Dieser Absatz bezog sich ausschließlich auf die von mspro angesprochene Frage der Wahrheit vs. des Geheimnisses und ich wollte damit noch einmal deutlich machen, das imho dieses Gegensatzpaar bezogen auf den Tod eines Menschen nicht greift.
    Und ich kann die Frage ob es etwas ändern würde auch nicht mit einem Nein beantworten. Hätte es keinen Einfluss auf uns, wenn wir dieses Geheimnis bis ins Letze ergründen könnten? Diese Überlegungen sind vielleicht bezogen auf das aktuelle Geschehen zu sehr theoretischer und philisophischer Natur.

    Für eine Aufklärung des Geschehens in Duisburg muss all das von dir angesprochene ans Licht kommen. Unbestritten. Es ist nicht meine Intention, dieses Video zu unterbinden und Informationen zu verhindern. Ich glaube nur nicht, das jeder einzelne immer und zu jeder Zeit alle Informationen ungefiltert haben muss und sich daraus auch noch die absolute Wahrheit ergibt. Oder anders gefragt: Welche neuen Erkentnisse zeigt das Video, die es vorher noch nicht gab? (Ich möchte es mir ehrlich gesagt nicht anschauen müssen, um das selbst herauszufinden. Mich beschäftigen die Bilder die ich bisher gesehen habe schon genug.)

  49. @helen @hammwanich @HilliKnixibix Ohne diese ganzen Videos würden die Verantwortlichen noch immer behaupten, da seinen ein paar übermütige Raver von einer Mauer gestürzt nach dem regelwidrigen Überrennen von Absperrungen.

    Die Videos zeigen, dass es anders als behauptet war, und sie zeigen Dinge, die man Augenzeugen in der Erzählung nicht geglaubt hätte (siehe auch PK der Polizei, deren Lügen erst übernommen wurden und dann relativiert).

    Ich glaube nicht, dass man den Getöteten durch die Videos ihre Würde nimmt, ganz im Gegenteil. Dazu muss sich nicht jeder einzelne die schrecklichen Bilder ansehen. Aber es ist gut, dass man es könnte.

  50. Tja, pizzamanne hat teil 2 bis 4 seiner Videos nun rausgenommen. Ich hatte sie kurz vorher noch gesehen und gehört und es war wirklich sehr heftig.
    Ich selbst sehe mich (eigentlich) als einen recht hartgesottenen Kerl, den so schnell nichts umhaut. Habe schon selbst mehrere (teils heftige) Unfälle am eigenen Leib erfahren und auch schon anderen Leuten geholfen, die Unfälle hatten.

    Aber die Frau, die gegen Ende von Teil 3 in totaler Panik geschrieen hat, die war mir zu viel.

    Einerseits finde ich es nicht gut, dass die Videos nun nicht mehr verfügbar sind, da sie sehr gut dokumentiert haben, was da genau passiert ist, was für ein schieres Gedränge da geherrscht hat.

    Andererseits kommen die panischen Rufe in Teil 3 und die um Hilfe flehende Frau (ist es vielleicht sogar die gleiche Person?) doch sehr unvermittelt. Vorher gibt es ein ziemliches Stimmengewirr, teils wird versucht das ganze mit Humor zu überspielen („Ich hätte gerne mal den Veranstalter gesprochen, das geht so nicht!“) teils wird dem ganzen Ärger Luft gemacht („Geht weiter ihr Idioten!“).
    Vielleicht war ich auch zu naiv beim schauen der Videos (und ich habe mich vielleicht auch falsch eingeschätzt?), aber diese Schreie kommen so unvermittelt und treffen so sehr ins Mark, dass ich einfach nur noch geweint habe und erst jetzt – ca. 2 Stunden danach – langsam beginne das alles zu verarbeiten.
    Ich denke daher, dass es schon Personen gibt, die beim schauen dieser Videos noch ganz anders reagieren als bloß zu weinen und sich diese Personen – ohne es zu wissen oder es zu wollen – einem psychologischen Stress aussetzen, dem sie einfach nicht gewachsen sind.

    Wie dem auch sei, die ganzen Berichte haben mir geholfen, was da überhaupt richtig passiert ist. Erst war ja von einer Massenpanik im Tunnel die Rede, dann hieß es von Seiten der Veranstalter, dass niemand im Tunnel gestorben ist.
    Jetzt ist mir klar geworden, dass viele Leute aufgrund von schlechter (bis gar nicht vorhandener) Ausschilderung gedacht haben, die Treppe sei der eigentliche Zugang zum Gelände. Klar, sie sehen, dass da Leute die Treppe hochgehen und drängen dann auch dort hin.

    Dann wurde schließlich der Platz – wie in anderen Berichten beschrieben – aufgrund der immer noch nachströmenden Besucher so eng, dass man verzweifelt nach einem Ausweg gesucht hat: Entweder der Lichtmast, der Container, die Treppe oder die Plakate.
    An der Treppe kam es dann zu so einem großen Gedränge, dass viele Leute einfach zu Tode gedrückt wurden.

  51. @seb @hammwanich,

    ich finde ja ledeglich, dass man nicht jeden einzelnen sterben sehen muss. aber die videos haben sehr genau die massenhysterie gezeigt. die haben zum beispiel auch gezeigt, dass viele die mittendrin waren und später auf der treppe, gar nicht die situation verstanden haben (siehe die, die sich bejubeln ließen etc.).

    ich denke unabhängig davon ob man die videos sehen will oder eben nicht, sind wir alle fassungslos und können nicht verstehen wie so ein desaster entstehen kann.

    jeder sucht seine möglichkeit damit umzugehen, die einen wollen alles wissen, die anderen haben ihre grenze.

    für mich ist nach diesen videos klar, jedesmal wenn jmd. die treppe rauf geschafft hat, wurde die panik für die, die unten „standen“ größer und der wille auch da hochzugehen stärker.

    ach, ich finde es schwer da eine allgemeingültige aussage zu treffen.

  52. Ich lebe ohne Fernseher und bleibe somit von drastischen Bildern verschont. Ich will nicht, also muss ich es nicht sehen. Was man veröffentlichen „darf“ hängt auch ganz entscheidend davon ab, WIE man es veröffentlicht. Ob der Schock bloßer Selbstzweck ist, oder Teil einer Erzählung. Bilder sind eine wichtige Hülle, die Aufmerksamkeit erzeugt, die aber auch mit Inhalt gefüllt werden muss. Die Entscheidung, ob man solch ein Video veröffentlicht ist also eine Entscheidung über die Notwendigkeit dieser Veröffentlichung. Über das Filtern von Informationen. Dieses Filtern nach bestimmten Kriterien macht Medien einzigartig. Letztlich filtert aber auch der Nutzer, welches Informationsangebot erbevorzugt.

  53. Es gibt ein aufklärerisches Element an diesen Videos, ja – dafür hätte es aber gereicht, diese der Staatsanwaltschaft zukommen zu lassen. Das ist immer noch ein Rechtsstaat hier.

    Was mich daran aber wirklich ein bisschen sprachlos macht ist, dass es überhaupt eine Diskussion gibt, ob sowas hochgeladen und gesehen werden sollte. Mein Gott.

    Was denkt Ihr – sollten nicht ein paar Zivis hier und dort im Kinderhospiz, im Altenheim oder im Rettungswagen auch ab und zu ein paar Videos machen – ich mein so Wikileak-mässig zur Aufklärung und um die Krassheit zu zeigen. Also damit die Leute vorsichtiger fahren? Ich fänd das gut – alles muss dokumentiert und gezeigt werden. Kann ja jeder dann selbst entscheiden ober er es ansieht. Kann ja nicht sein, dass mutmassliche Miss-Stände in Altenheimen und auf Sterbestationen länger unaufgeklärt bleiben aufgrund eines spiessigen Privatheitsglaubens und wegen diesem „Würde“ und „Pietäts“ Dreck der Konservativen.

  54. So merkwürdig der alte Spruch klingt: Bilder sagen mehr, als tausend Worte. Und wenn die Bilder alleine stehen, ohne Kommentar, dann können sie sogar hilfreich sein und Fragen beantworten, die sich zum Beispiel Angehörige stellen.
    Ich hatte Gelegenheit, mit einem Notfallpsychologen zu sprechen. Er vertritt die Meinung, dass direkt Betroffene erst Bilder sehen sollten, nachdem sie einigermaßen psychisch gefestigt sind. Die Menschen erleben die Panik neu. Es ist aber ein Unterschied, ob Betroffene freiwillig entscheiden, ob sie Bilder sehen wollen oder ob sie ihnen vorgesetzt werden. Die freiwillige Entscheidung ist grundsätzlich zu respektieren.
    Und hier besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen TV und dem Web:

    Nicht dagegen wehren kann man sich als TV-Konsument. Es ist keine freiwillige Entscheidung, wenn die Rezipienten plötzlich mit Bildern konfrontiert werden. Jederzeit können diese Bilder bei Unvorbereiteten eine Panikreaktion auslösen. Das gilt für Menschen mit Kriegserinnerungen ebenso, wie für Betroffener anderer Katastrophen.

    Da Menschen in Panik jedem halbwegs klar formulierten Befehl folgen, müssen Medienvertreter höllisch darauf achten, neutral zu bleiben. Das gelingt aber nicht, weil alle Kommentare in gewisser Weise subjektiv sind.

    Das klassische Beispiel einer negartiven Konditionierung erlebten wir noch während die Gebäude des WTC am 11.September 2001 standen: Eindeutige Kommentare und schriftliche Einblendungen, dass Amerika sich jetzt in einem neuen Krieg befände. Alle 10 Minuten wurden die Bilder der aufprallenden Flugzeuge wiederholt, ebenso, die Bilder der einstürzenden Gebäude.

    Dieses würde alle Zuschauer konditionieren, einen neuen Krieg als dringend notwendig zu empfinden, sagte mir der Notfallpsychologe bereits eine Woche nach dem Anschlag. Damit sagte er den Krieg gegen den Irak oder den Iran voraus, als noch kein normaler Mensch soetwas für möglich hielt.

    Ich will damit sagen, dass kommentierende Fernsehberichte eine wesentlich höhere Brisanz haben, als unkommentierte Filme im Web. So empfinden es jedenfalls Machtpolitiker, denen das Web ein lange bewährtes Werkzeug aus der Hand zu nehmen droht. Deswegen versuchen sie, übrigens nach bewährtem Katastrophen- Szenario, das Web zu zensieren. Man sucht sich etwas mehrheitsfähiges Entsetzliches, um eine merhrheisfähige Zensurstruktur aufbauen zu können.

    Ich wette, dass die Kinderporno-Sperrdiskussion in den nächsten Tagen von den üblichen Politikern dankbar ergänzt wird, durch die Diskussion über grausame Bilder. Das Ziel bleibt dasselbe: Aufbau einer Sperr- und Zensurstruktur.

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