Dass „Welt“ ein erschaffener Raum ist, glauben die Kreationisten. Heute wissen wir, dass sie recht haben. Wo in aller Welt ist uns Pluto hin entkommen? In einem Nichtraum. Einem Raum den es gestern doch noch gar nicht gab. Er ist in diesem neuen Raum, einem Gefäß, nur für ihn geschaffen. Interniert, könnte man sagen. Zwergplanet (Wikipedia ist schnell, gell?). Was ist das, ein Zwergplanet? Ein Zwergplanet ist alles, was kein Planet ist, aber auch kein Meteorit. Es ist ein Weder-Noch. Ein Zwergplanet ist der Zwischenraum, das ungefüllte Inter, die Lücke im Gesetz. Denn was denn nun ein Planet ist, das hat man gleich mitdefiniert und damit ein Loch in den Kosmaos gerissen. Man hat dieses Loch sodann ausgemessen, indem man das Maß bestimmt. Man hat Räume abgesteckt und sie damit neu erschaffen. Man hat Stati, Modi und Kategorien erfunden, um damit Räume aufzuspannen. Man hat Löcher gestopft, Löcher die man selber eben erst gegraben hat, gegraben indem man sie abgrenzt. Man hat einen Zaun errichtet und eine Mauer. Ein Konzentrationslager? Jedenfalls haben sich selbsternannte Grenzschützer an den Rand der neuen Plantendefinition gestellt, mit dem Maschinengewehr am Anschlag. Sie sagten: Du bist hier nicht mehr willkommen. Das neue New Orleans des Sonnensystems soll ein saubres sein, ein reiches, ein weißes, eines ohne Pluto. Und wir alle waren diesmal hautnah dabei.
Der Witz: Der Streit, die Entscheidung und die Durchführung wurden der „Wissenschaftlichkeit“ wegen herbeigeführt.
Pluto ist ein Opfer der Wissenschaft. Abgedrängt, ausgeschlossen von seinen ehemaligen Artgenossen. Die Macht der Ausschließung schafft neue Räume, das schon. Aber hat einer der Planetenforscher je daran gedacht, wie es Pluto jetzt geht? Hat man bedacht, dass er sich jetzt ganz allein fühlen wird in seiner Einzelhaft? Wie ein Mensch ohne Pass, ohne zu bestimmende Zugehörigkeit zieht er einsam seine Bahnen. Man kann ihn nicht ignorieren. Man will ihn aber auch nicht in der nun „ethnisch“ gesäuberten Planetendefinition sehen. Deshalb schiebt man ihn ab, in sein Herkunftsland, ein Herkunftsland, das erst phantasiert werden musste. In ein Land ohne gültigen Status, ohne gültige Grenze, ein Land ohne Verfassung, Anerkennung und ohne Einwohner.
Diese brutale Gewalt, wie sie sich hier ganz offenbar präsentiert, ist der Spiegel unserer Gesellschaft, der Spiegel unseres Denkens, des Denkens der Kategorien und der Schubladen. Ein Denken, das alles einordnen will, um der der Freiheit keinen Platz einzuräumen. Ein Denken, dass mit jeder Ausschließung versucht, nur die eigenen Vorraussetzungen zu verleugnet. Nämlich das immerwährende Phantasma der Objektivität, das nicht als solches sichtbar werden darf. Es ist aber ein Phantasma-sein, dass sich in eben jenen Situationen der Unentscheidbarkeit als diese brutale Bestie offenbart, der wir heute Zeuge wurden.
Wer wird sich für ihn erbarmen? Für Pluto den Ausgestoßenen. Der um der Erhaltung der Illusion einer „Wissenschaftlichkeit“ wegen exkommuniziert wurde. Degradiert und entehrt. Es zählte nur die Wissenschaftlichkeitsräson. So wie bei Dreyfuss, damals im führen 20ten Jahrhundert in Frankreich.
Deshalb ist es Zeit Tribunal zu führen über das Tribunal:
Ich klage an: Die Internationale Astronomische Union, weil sie nur um der sogenannten „Wahrheit“ willen, einem Planeten das Herz gebrochen hat.
Ich klage an: Die Wissenschaft, weil Sie durch ihre selbst deklarierte Deutungshoheit, kategoriale d.h. auch topologische Machtansprüche gegenüber den Menschen und Planeten rigoros und ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzt.
Ich klage an: Das westliche Denken der Definitionen, weil es ausschließlich durch Ausschließung operieren kann.
Ich klage an: Unser Jahrtausend, das modernes Kriegsgerät, in Form von neuen Beobachtungsinstrumenten zum Nachteil unschuldiger Himmelskörper hervorgebracht hat.
Ich klage an: Die Medien, die durch die ständige und unnachgiebige anbiedernde Berichterstattung dieser Barbarei auch noch stattgibt, und die Köpfe der Menschen vergiftet.
Ich klage an: Das Sonnensystem, dass sich anscheinend zu fein ist, seinem lieb gewonnen Mitglied Schützenhilfe zu leisten.
Ich klage an: Das Licht, dass es in niederstem Denunziantentum gewagt hat, die entsprechenden Fakten für die Wissenschaftler sichtbar zu machen.
Zufällig weiß ich genau, dass Pluto nie ein Planet sein wollte. Und außerdem kratzt ihn viel mehr, dass er einen Hundenamen trägt.
Achja? Klar, auch ich kenne dieses Interview. Aber wenn man genau hinsieht, dann bemerkt man die unruhigen Gewehrläufe in seinem Nacken, die Schweißperlen auf der Stirn und die Leere in seinen Augen …
Aber Pluto wollte doch eigentlich immer… ein Holzfäller sein!