Das aus der Entenkeule geronnene Fett verteilte sich um ihren Mund und ließ die Haut rund um ihre Lippen im Kerzenlicht glänzen. Sauce war auf ihren Pullover getropft und breitete sich dort immer weitflächiger und mit der obligaten, hellen Fettumrandung aus. Ab und zu wischte sie sich abwesend die glänzenden Hände an den Oberschenkeln ab, während ihre Zähne schon den nächsten Fleischfetzen vom Knochen rissen. Zu Anfang hatte sie sich noch die Mühe gemacht Messer und Gabel zu benutzen, aber schon nach kurzer Zeit wurde sie vom eigenen Exzess übermannt. Sie achtete nicht mehr auf mich, nicht auf die feierlichen Kerzen, auf die weiße Tischdecke, das romanische Ambiente. Sie vergaß alles um sich herum. Sie wirkte merkwürdig deplaziert, so wie sie schlang, so wie sich beinahe suhlte im Essen.
Einmal, ganz kurz, schaute sie zu mir auf und ich war sofort peinlich berührt. So etwa wie jemand, der gerade aus versehen in die besetzte Damentoilette gestolpert ist. Es war, als ob ich sie in einem ihrer intimsten Momente beobachtet hätte. Ich erwartete sogleich, ihr den Schock aus den Augen zu lesen. Aber da war nichts. Kein Zeichen des Ertappt-worden-seins, keine Reue und keine Scham. Merkwürdig selbstsicher und mit leuchtender Gier griff sie über den Tisch – an mir vorbei – in die Schüssel mit den Oliven. Und weg war sie. Sie verschwand förmlich im Essen, oder besser im Akt des Essens, der sie hineinzog in den Schlund jener Leidenschaft, an der ich keinen Anteil hatte. Nicht sie war es, die aß, das Essen aß sie. Sie aßen einander. Mir wurde schlecht.
Ich überlegte kurz, ob ich etwas sagen sollte, vielleicht um ein Gespräch zu beginnen. Ich wagte es nicht. Sie war in anderen Sphären, in den schmierigen Sphären des schweren Fettgeruchs, der kehligen Schmatzer und der gurgelnden Wollust. Sie war verloren. Unendlich fern. Ich hatte keinen Zugang zu ihr. Sie spuckte den Knorpel über den Tisch und mir fast auf den Schoß. Sie warf mit einer ausladenen Geste die abgeknabberten Knochen einfach zu Boden. Sie kaute kaum und wenn, dann mit offenem Mund. Sie schmatzte. Als wieder einmal ihre Haare auf den Teller fielen, wurden sie mit einer mechanisch wirkenden Geste wieder hinter das Ohr gestrichen. Ein kleines, verlorenes Stückchen Entenhaut blieb ihr dabei am rechten Ohrläppchen hängen. Verklebt mit ein paar hängengebliebenen Haaren. Einmal stieß sie in einer zu hastigen Bewegung ihren Rotwein um. Sie bemerkte es nicht einmal.
Akribisch zerstampfte sie noch die letzten Kartoffeln, um die Reste der Sauce aufzunehmen. Als sie fertig war, leckte sie den Teller ab. Fein säuberlich ertastete ihre Zunge noch die kleinsten Essensreste und umspielte sie genüsslich. Eine Mischung aus Rotkohl und Sauce perlte noch von ihren schimmernden Wangen, als ich die Rechnung orderte.
Um es ganz klar zu sagen: Dies ist eine rein erfundene Geschichte. Sie hat niemals mit irgendwem, in irgendeiner Zeit, an irgendeinem Ort stattgefunden. Ich habe mir diese Geschichte ausschließlich für Don Alphonsos Dali Award ausgedacht. Viel Spaß.
puuh, da bin ich aber beruhigt. dachte schon, du haettest unser letztes weihnachtsessen doch nicht so genossen wie ich! 😉
Applaus.
Anja, nicht doch. Und ich hoffe du weißt dich auch dieses Jahr zu benehmen 😉
Enno, danke. Leider hab ich die Grundvoraussetzung nicht wirklich erfüllt. Erotik. Die Geschichte ist eher posterotisch, metaerotisch, oder so. Eigentlich porno, aber hyperporno, noch mehr porno als porno und deswegen schon wieder nicht. Also, was ich sagen will, ist, dass die Geschichte eher Erotik und Pronographie reflektiert. Ekel und Lust, die so häufig nahe bei einander stehen und so was.
Hübsche Skizze, suggestive Beschreibung: gefällt mir irgendwie.
Dass es dir gefällt freut mich irgendwie 😉
famos geschrieben. Klarer Fall für einen aufwärtigen Daumen. 🙂
Vielen Dank Ole, sowas wärmt das Herz 🙂