Das Netz und zu Guttenberg

Während Robin Meyer-Lucht in das große Horn des Netzes stößt und Netzpolitik vorsichtig relativiert, hier meine dritte Meinung.

Ich gebe Markus eher recht, wenn er sagt, dass das Netz hier vor allem durch GuttenPlag eine große Rolle spielte aber die klassischen Medien noch eher den Ausschlag gaben. Bzw. das Zusammenspiel dieser beiden Elemente war sicher entscheidend. (Unsere gesammelte Twitterempörung hingehen ist wohl vernachlässigbar angesichts der Mediensturms von FAZ, Sueddeutsche und dem Spiegel) Aber letztendlich – da bin ich mir sicher – war es doch der verlorene Rückhalt in den eigenen Reihen und in der bürgerlichen Basis, der den Ausschlag gab. Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus.

Denn das Netz spielte natürliche eine Rolle und zwar eine große Rolle, größer als bei jedem anderen politischen Skandal in Deutschland. Größer als eine Rolle, viel größer. Nämlich mindestens zwei Rollen.

Es gab ja eben nicht nur GuttenPlag und die #guttbye Kampagne, sondern ebenso die ProGuttenberg-Facebookgruppe, die so wahnsinnig erfolgreich war, dass die Netzsprerrenpetition von 2009 fast lachhaft dagegen wirkt. Und das ist in der Tat neu: auch die andere Seite war diesmal massiv im Netz präsent und hat eine effektive Kampagne gefahren. Das ist eine Zäsur im deutschen Internet.

Das Netz forderte diesmal nichts, das Netz meinte diesmal nichts und das Netz brachte auch nichts zu stande. „Das Netz“ als – zumindest von außen – irgendwie homogen aussehender Meinungsraum, gibt es nicht mehr. Nicht mal mehr für den einfältigsten Journalisten.

Das Netz ist in der Gesellschaft angekommen, so könnte man sagen. Es sind nicht mehr nur ein paar Nerds und Spinner, die sich hier austoben. Es sind auch nicht mehr eher „Linke“ oder „Intellektuelle“, die sich hier rumtreiben. Das Netz wird nicht mehr – nicht mal mehr vorwiegend – von Akademikern, Technikern, Utopisten und Weltverbesserern bevölkert, sondern von allen Schichten, Bildungen, Berufen und politischen Einstellungen. Das Netz wird zunehmend repräsentativ.

Das wird enorme Folgen haben. Es gibt jetzt endgültig kein „Wir“ des Netzes mehr geben. Die andere Seite wird ebenso heftige und demnächst vielleicht auch erfolgreiche Kampagnen starten. Vielleicht demnächst für Netzsperren oder ähnlichen Kram? Mit allem ist zu rechnen. „Wir“ sind jedenfalls nicht mehr allein.

11 Gedanken zu „Das Netz und zu Guttenberg

  1. Die Affäre um zu Guttenberg wird sicher die „Prosumenten“ Sache neuen Antrieb geben. Im Grund versorgen wir uns mit selbst mit Informationen längst selbst. Wir haben gesehen, dass Medien sich bei uns bedienen und umgekehrt.

  2. Ich denke der „Kampf“ zwischen den halbwegs normalen Amerikanern und den debilen Teedummbeuteln der Tea-Party-Nation gibt einen Vorgeschmack auf das, was da noch kommen wird, wenn es um kontroverse Themen geht.

    Irgendwann wird der letzte Bauer einen Internetanschluß haben 🙂

  3. „Und das ist in der Tat neu: auch die andere Seite war diesmal massiv im Netz präsent und hat eine effektive Kampagne gefahren.“

    Das ist so nicht ganz richtig. Ich denke da an Stuttgart 21 Gegner und Befürworter. Auch die waren/sind sehr stark im Netz vertreten.

  4. Hmm, kann sein. Da habe ich keinen Überblick. Ich beziehe mich hier eher auf gesamtdeutsche Affairen.

  5. Die Pro-Guttenberg Unterstützer im Netz hätte es ja garnicht gegeben, wenn nicht zuvor monatelang die Propaganda der Springer-Presse und anderer Medien so erfolgreich gewesen wäre (http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/der-liebling-der-medien/). Und gerade DIESE ProGutti Facebook-Gruppe, die von einem berüchtigten Erotik-Unternehmer gegründet wurde, wurde auch ganz aktiv von „Bild“ unterstützt und Besucher von Bild-Online auf die Facebook-Gruppe umgeleitet und dort natürlich wiederum zum Mitmachen bei den Bild-Umfragen aufgerufen.

    Das waren also weniger überzeugte Internet-Aktivisten, als eher typisch naive Bild-Leser und Mitläufer, die durch die Bild-Gehirnwäsche schon weichgekockt waren und dann auch immer schön willig alles machen, was ihnen der Chefredakteuer der Bild befielt.

    Es handelte sich also eher um den verlängerten Arm von klassischen Medien, als um eine eigenständige Bewegung (was sie natürlich nicht weniger gefährlich macht).

    Die Anzahl der angeblichen „Fans“ muß man trotzdem gleich doppelt anzweifeln:
    1. Weil Facebook nur ein „mag ich“ kennt und ein „mag ich nicht“ nicht möglich ist. Jeder Neugierige der sich die Gruppe nur ansehen wollte und auch jeder Kritiker der einen negativen Text auf der Seite hinterlassen wollte, war also gezwungen auf „mag ich“ zu klicken und wurde somit unfreiwilig als Gutti-Fan gewertet.
    2. Gerade weil die Gruppe von einem sehr umtriebigen Internet-Unternehmer gegründet wurde, der schon oft bewiesen hat, dass er alle PR-Tricks kennt, kann man zumindest bei einem Teil der Gruppe ein bezahltes Marketing/Astroturfing nicht ausschließen:

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/5142/die-pro-guttenberg-kampagne-im-zwielicht

    http://hamlethamster.wordpress.com/2011/02/22/zu-guttenberg-facebook-fans-uber-das-wochenende-hektisch-zusammengekauft/

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34240/1.html

  6. Pingback: Medien und der Fall Guttenberg: Ohne Internet geht’s nicht mehr

  7. „Wir sind jedenfalls nicht mehr allein.“ – das ist der entscheidende Satz. Wer das leugnet und dubiosen Internetunternehmern, der B*LD oder andere dafür verantwortlich macht, dem gemeinen Volk als Unterstützer von KT den Weg ins Netz gezeigt zu haben, der verkennt, dass der „Mob“ schon lange dort angekommen ist, jedoch sich bisher aktiv nicht dynamisch öffentlichkeitswirksam mobilisiert hat. Im Grunde müsste es heißen: „Wir waren schon lange nicht mehr allein“ – die Diskussion um KT hat sozusagen das Licht angeknipst. Wer über die Pro-Guttenberg Kampagnen erfahren oder sich beteiligt hat, hat nun gesehen, dass er nicht alleine in den weiten des Internets ist und es sich auch zur Durchsetzung von Interessen eignet.

    Ich schlage jedem vor, sich bei Facebook mal ein wenig durch die Profile der Guttenberg-Fans zu klicken, also die Kommentatoren auf den entsprechenden Seiten. Da sieht man im Grunde das normale Volk, die nette Sachbearbeiterin vom Amt, die engagierte KITA-Elternvertreterin, den hilfsbereiten KFZ-Mechaniker, die Bäckereiverkäuferin von der Bachstube an der Ecke. Das mag für einige „digital Natives“ ein Schock sein. Denn, die sind im Zweifel immer mehr. Demokratie ist auch die Herrschaft der Massen. Die Zeit, dass ein kleiner Teil von early adopter und gut ausgebildeten Aktivisten mit Hilfe des Internets gesellschaftliche Debatten bestimmen konnten, geht vorbei.

  8. Es sind zwar viele, aber zu mehr als ‚gefällt mir‘ anklicken und vielleicht noch ihren Sermon abzugeben sind sie nicht fähig. Sie starten keine Aktionen.

    Guttenberg ist eine Figur, die von den klassichen Medien erschaffen wurde. Diese Facebook-Gruppe ist nur ein Echo dessen.

    Was ich sagen will: Dort versammeln sich nur die Unkreativen, die Denkfaulen. Na und? Soll sie doch.

  9. Pingback: Gut, dass ihr da seid! Oder: Warum das Netz konservative Bewegungen braucht. | Mathias Richel

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