Guttenberg, die Uni und das ganze andere Gelöt

Kurz bevor ich hier gleich übel über die Universiät als Institution herziehen werde, will ich eine Podcast-Empfehlung loswerden.

Schon länger höre ich das „Philosophische Radio“ von WDR5. Das ist mal mehr, mal weniger gut, je nach Gast. Ist der Gast interessant, werden aufschlussreiche Gespräche über Themen geführt, über die man noch nie nachgedacht hat und man auch nie dachte, welch tiefe Gedanken sich hinter Themen wir „Staub“ oder „Warten“ verbergen können.

Der Grund für die Empfehlung heute ist aber ein anderer. Martin Warnke war zuletzt zu Gast und redet über ein Buch, dass er geschrieben hatte, von dem ich gar nichts wusste. Von dem ich aber hätte wissen können, denn ich war länger sein Student an der Universität-Lüneburg. Die thematischen Schwerpunkte in seinen Seminaren und der von ihm mitorganisierten Konferenz Hyperkult haben zum Großteil die Grundlagen dessen gelegt, mit dem ich mich bis heute beschäftige. Jedenfalls war dieser Martin Warnke nun auch da und das, was dabei rausgekommen ist, ist schon sehr hörenswert.

In seinem Buch hat er nun, wie es scheint, andere und seine eigenen „Theorien des Internet“ aufgeschrieben, die ich damals noch in ihrer Entstehung an der Uni miterlebte und die auch sehr interessant im Bezug auf den Kontrollverlust sind.

Er teilt die Entwicklung des Computers in drei Phasen ein:

In der „Synthese“ ist der Umgang mit dem Rechner noch ein Experimentierkasten der Wissenschaft, in der wohlgeformte, vorher festgelegte Dinge passierten. In der Phase der „Mimesis“ entwickelt die Technik immer mehr Schnittstellen nach außen, läd die Menschen zur Interaktion ein. Aufgabe des Computers ist es, vorhandene Technologien zu ersetzen oder nachzuahmen. Also von Compuserve bis quasi heute. Interessant ist, dass Warnke die letzte Phase, die der „Emergenz“ durchaus im Jetzt ansiedelt. Es ist eigentlich gar nichts mehr vorhersagbar, das Netz entwickelt sich irgendwie und jedes mal neu, ganz ohne Vorbild, ohne dass es noch irgendeine bewusst steuernde Kraft gibt, oder jemand, der den Überblick behält. Man könnte also sagen, dass es die Phase des Kontrollverlustes ist, im großen wie im kleinen. (Ich hatte eh vor, die Kontrollverlusttheorie langfristig in Richtung einer (kleinen) technologischen Singularität zu denken. Gleich mehr …)

* * *

Ich verdanke der Universität eine ganze Menge. Ich habe damals Kulturwissenschaften in Lüneburg studiert und ich habe es seit dem nicht ein einziges Mal bereut.

Klar, ich kam zwar schon als recht nachdenklicher Mensch zur Uni, aber das Nachdenken droht sich ja immer schnell sich in den eigenen Kreisen festzuzirkeln und ich bin von dieser Gefahr – ich sage mal – überdurchschnittlich stark bedroht. So war die Uni für mich erstmal ein Tor. Ein riesiges Tor zu neuem Wissen. Aber eben nur ein Tor, durch das man selbst gehen musste, wenn man es denn wollte.

Man darf sich da aber kein falsches Bild machen. Ich habe viel gelernt an der Uni, aber nicht alles, was ich während der Uni gelernt habe, habe ich für Seminare gepaukt. Nein, die Universität – wie ich sie erfahren habe (aber da hat sich ja durch Bologna einiges verändert) war kein Garant für Wissen. Ich bin mir sicher, ich hätte von jeglichem Wissen unbeleckt und bar aller Interessen meinen Abschluss machen können. Ich kenne Leute, die es schafften ohne jeglichen nennenswerten Imput als Kulturwissenschafter eine beachtliche Abschlussnote zu bekommen. Man kann sich prima durchmogeln und man muss noch nicht mal besonders intelligent dafür sein. Die Universität ist ein großartige Möglichkeit der Wissensaneignung. Die Strukturen, die Seminare, die Bibliothek, die Dozenten sind aber alle nur ein Angebot, das man annehmen kann oder nicht. Viele meiner Kommilitonen sahen die paar vorgegebenen Möglichkeiten nur als Hürde, die es zu nehmen gilt, auf dem Weg zur eigentlichen Karriere. Und ja, auch das funktioniert.

Ich habe nach Neigung und ich habe lange und ausgiebig studiert. 14 Semester, wenn ich mich richtig erinnere, allerdings mit Studienfachwechsel zwischendrin. Ich habe Theorien aufgesogen, Bücher gewälzt und mich in Gedanken verstrickt – nicht um Scheine zu machen (das auch, ich war pragmatisch genug, da ein bisschen drauf zu achten) aber in erster Linie, weil mich der Stoff interessierte, weil ich darin aufging, weil ich die Welt verstehen wollte. Das relativ freie Studium damals ermöglichte mir diese Art zu studieren, gleichzeitig ermöglichte es anderen, relativ leicht ihre wenigen Scheine zu sammeln. Für mich war das freie Studium gut, die Universität war eine große Bereicherung in meinem Leben und sie war für mich eine größere Bereicherung, als für die, die nur auf den Abschluss schielten. Es ist mir egal, ob sie mit weniger Aufwand und schneller ihren Abschluss machten, denn darum ging es mir nicht.

Aber nach der Uni entdeckte ich aber eine andere Form der Wissenssammlung und -generierung und -austauschs für mich: das Internet. Und im Gegensatz zu den Universitäten ist hier Platz für alle. Hier braucht man keinen Numerus Clausus, nicht mal Abitur um sich an diesem unendlichen Wissensschatz zu bereichern. Alle sind frei hier zu lesen und wichtiger: teilzunehmen am Diskurs, an jedem Diskurs. Hier existieren keine Abschlüsse und keine Grade, sondern wie es Habermas formulierte, „der zwanglose Zwang des besseren Arguments und das Motiv der kooperativen Wahrheitssuche„. Naja, nicht ganz. Hier gilt natürlich auch die Rhetorik und die Lautstärke eine Menge, aber eben keine Titel, Grade oder sonstiges institutionalisiertes kulturelles Kapital. Keiner erwartet einen Ausweis, dafür, dass man sich äußern darf. Ich empfinde das als sehr angenehm, denn obwohl ich immer gerne von der Elite fasele, bin ich ein sehr egalitärer Mensch. Aber dazu später.

Diese Parallelstruktur des Internets für Wissen und Austausch aller Art stellt die Universität als Institution natürlich auch in Frage, denn sie ist zumindest nicht mehr die einzige, und meiner Meinung nach nicht mal mehr die beste Lösung für das gesellschaftliche Problem der „Wissensakkumulation„. Im Elfenbeinturm der so genannten „Geisteswissenschaften“ hat man sich lange eingemauert gegen diese Erkenntnis und tut das bisweilen gerne bis heute. Diese Cordjackettigkeit will schon lange niemanden mehr außerhalb der Unimauern beeindrucken, sondern kreist zunehmend nur noch um sich selbst. Sie hat sich damit abgefunden keinerlei gesellschaftliche Rolle mehr zu spielen und die Universität hat eine Menge Schuld daran.

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die meinen, dass die Wissenschaft sich und ihre Leistungen jederzeit in Geld aufwiegen können soll, aber ich glaube schon, dass es durchaus zu hinterfragen gilt, ob sich eine Gesellschaft eine bestimmte Art von Wissenschaft leisten soll, die nur sich selbst genügt. Vielleicht sogar ja, wenn wir keine Alternative hätten. Wenn hinter den Unimauern doch noch hier und da eine nützliche Theorie oder wichtige Beobachtung gemacht wird, was ganz sicher der Fall ist, dann reicht das so lange aus, bis es bessere und effektivere Strukturen dafür gibt. Und die gibt es, meiner Meinung nach.

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Deswegen bin ich nicht wirklich traurig darüber, wie der zu Guttenberg grinsend die Wissenschaft schändet. Wie die ganze Bundesregierung die Universität, ihre Grade und ihren Habitus demütigt und durch den Dreck schleift, beobachte ich nicht ohne etwas Schadenfreude. Noch schlimmer: ich kann durchaus nachvollziehen, wenn die gesammelte Bildleserschaft im Doktortitel ein lässliches, weltfremdes und unwichtiges Emblem vermutet. Denn damit hat sie ganz ohne Frage recht.

Mir geht es bei Guttenberg um etwas anderes: Ich bin der Meinung, dass zu Guttenberg als entlarvter Betrüger und Hochstapler kein Bundesminister sein darf. Die selbe Meinung hätte ich, wenn er Jamba-Abos vertikt oder die Steuer hinterzogen hätte. Wenn man erstmal anfängt, offensichtliche Charakterlosigkeit in höchsten gesellschaftlichen Führungspositionen durchgehen zu lassen, hat die Gesellschaft ein Problem. Ein berlusconiesques Problem.

Und deswegen bin ich Guttenberg auch auf eine gewisse Art und Weise dankbar. Er hat quasi als Karikatur vorgeführt, wie die Wissenschaft funktioniert, wozu Doktorgrade heutzutage da sind und was sie wert sind oder sein sollten. Diese Demütigung ist zwar in ihrer Heftigkeit nicht repräsentativ – in Bayreuth wird anscheinend schlimmer geschlampt und gevetternwirtschaftet als üblich – aber die Tendez stimmt. Die Universität und die Wissenschaft muss sich jetzt zurecht fragen, ob sie denn gesellschaftlich überhaupt noch die Rolle und die Stellung hat, die sie immer dachte zu haben – und die sie ja auch noch heftig beansprucht. Und sie muss sich die Frage gefallen lassen, womit sie diesen Anspruch eigentlich verdient haben sollte. Das zu beantworten wird ihr schwerer fallen, als sie glaubt. Fuck Häberle! Kein Mitleid!

Bezeichnend hierfür finde ich den Katzenjammer von Heribert Prantl in der Süddeutschen letztes Wochenende. Wie der jetzt rumheult, weil Häberle, einer seiner geliebten Ikonen des Verfassungsrechts nun als gefallener Engel darsteht und wie er ihn verzweifelt von jedem Vorwurf reinzuwaschen versucht. Vergeblich. Prantls Tränen zeugen in der Tat von kaum weniger Realitätsverlust, als die bedingungslose Treue der Bildleser zu Guttenberg. Hier wie dort ist das geliebte Idol gefallen und man will es einfach nicht wahrhaben.

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Ein weiterer Effekt ist die Demütigung des Bildungsbürgers. Der Bildungsbürger ist eine Erzählung, die eigentlich eine deutsche Mutation des Tellerwäscher-Millionär-Memes aus den USA ist. Sie geht so: Wenn du recht fleißig bist, rechtschaffen und dich vor allem bildest, dann wirst du auch gesellschaftlich aufsteigen, wirst dein Geld verdienen etc. Diese Ideologie ist recht tief verankert, vor allem bei den Konservativen. Klar, denn diese Ideologie legitimiert jegliches Bessergestelltsein gegenüber der restlichen Bevölkerung durch die so genannte „Leistung„. Es braucht nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, dass jemand, der es zu etwas gebracht hat, sich und anderen genau das um so lieber einredet. Ist ja irgendwie auch menschlich. Naja, jedenfalls abstrahiert vom Einzelnen und aufgeputscht zu einer Ideologie, nennt man das dann „Bürgerlichkeit“.

Die hat übrigens eine fast „subversive“ Tradition, denn der „Bürger“ ist jemand, der sich einst durch die Selbstdefinition qua Leistung als Gegenmodell zum Adel verstand, der sich ja wiederum durch den angeborenen Stand legitimiert. Es ist also durchaus in dieser Tradition, dass Jan Fleischhauer den „Bürger“ und die „Bürgerlichkeit“ von der Guttenbergaffaire schadlos halten will, indem er Guttenbergs Fehlleistung als „typisch Adel“ darstellt. Diese Argumentation wäre auch durchaus schlüssig. Vor ca. 100 Jahren. Heute versteht sich der Adel (oder das was von ihm übrig ist) durchaus als „bürgerlich“, sonst hätte Gutti schließlich auch nicht so sehr nach dem Doktortitel gestrebt. Sowohl in Sachen Adels- als auch Doktor-titeln ist die Union unter den Parteien schließlich führend.

Es braucht nicht so besonders viel Lebenserfahrung, um zu begreifen, dass das Vesprechen des Bürgers und des Bildunsgsbürgers quatsch ist. Geld verdient man mit perfieden Methoden, die am rande der Legalität und jenseits der Moralität angesiedelt sind immer noch am besten. Stumpf gewinnt da meist gegen intelligent. Wer hat, dem wird gegeben und die, die am meisten arbeiten bringen oft das wenigste Geld mit nach Hause. Nietzsche würde sagen, das sei eine „Sklavenmoral“. Eine Moral, die als Erzählung die „kleinen Leute“ dazu bringt, sich mit den gegeben Umständen anzufreunden. Eine Ideologie, die einerseits dazu dient, dass die Armen diesen Werten weiter hinterher rennen, während genau diese Werte ihren Wohlstand verhindern und gleichzeitig als Rechtfertigung für die Reichen dient. „Mein Wohlstand ist rechtschaffen verdient. Schau her, ich habe sogar einen Doktorgrad!

Natürlich stimmt es, dass man mit einem guten Abschluss bessere Chancen auf dem Jobmarkt hat. Aber 1.) muss man nicht erst die Pisa-Studie oder zu Guttenberg herziehen, um zu erkennen, dass in der Schule wie in der Universität sozial gesiebt und bevorteilt wird, was das Zeug hält. Und 2.) ist schon der Zugang zur Universität jenseits des Schulsystem und den Studiengebüren eine Hürde, die sozial schwächere nur schwerlich nehmen können. Weil ihnen etwas ganz entscheidendes fehlt.

Pierre Bourdieu hat in 70ern gezeigt, dass die Herkunft über ganz spezielle, kaum sichtbare Mechanismen die Machtstellung in der Gesellschaft beeinflusst. Es geht eben nicht nur um Einkommen oder Kapital im ökonomischen Sinne. Macht wird zuweilen viel subtiler weitergegeben. Er unterscheidet neben dem ökonomischen noch das kulturelle und das soziale Kapital. Das kulturelle – und hier insbesondere das inkorporierte kulturelle Kapital – ist das Rüstzeug dafür z.B. eine akademische Karriere überhaupt wollen zu können. Nur wenn man schon in einem Haushalt aufgewachsen ist, in dem Bildung viel gilt, begreift man Bildung als Wert ansich, den es anzustreben gilt. Und erst wenn man mit Kunst und Musik seit seiner Kindheit in Berührung gebracht wird, bekommt man einen leichten einen Zugang dazu. Und erst, wenn man in einem Haushalt aufgewachsen ist, in dem bei Tisch lebhaft diskutiert wurde, wird man Diskussionen auch in seinem weiteren Leben als sinnvoll ansehen. Man entwickelt von Kindheit auf etwas, was bei Bourdieu „Habitus“ heißt. Eine gewisse Selbstsicherheit und Selbstverständlichkeit im Umgang mit bestimmten Dingen, die man kaum nachträglich erlernen kann.

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Das, was wir derzeit zu sehen bekommen, ist das letzte Aufbäumen einer Art Klasse, deren Macht sich auf BILD, BAMS und Glotze stützte, wie es Gerhard Schröder mal so schön formulierte. Aber das stimmt natürlich nicht. Die Macht stützt sich auf so viel mehr: institutionelle Bildung, Wertekanon, Aufstiegsversprechen, Autofetisch, Bausparvertrag, Eigenheim, Urlaubsbedürfnisse, Lohnarbeit, Leistungsgedanke, Ehegattensplitting, Kunst-Museen, Theater und auch Doktortitel – und natürlich Habitus. BILD, Bams und Glotze sind nur ihre Propheten. (Guttenberg hat übrigens einen ganz bemerkenswert ausgeprägten Habitus, was sicher ein Grund für die bedingungslose Treue seiner Fans ist. Das muss die UntertanenDNA sein, die sich da Bahn bricht…)

Nichts destotrotz bröckelt diese Macht. Die Elite, ihre Werte und Versprechungen sind nicht mehr glaubwürdig. Die Institutionen verfallen in dem Maße, wie sie obsolet werden. Und im Windschatten dieses Prozesses, bildet sich eben eine neue Elite, mit neuen Werten. Welche das sein werden, kann man derzeit nur erahnen. Doch der habituelle Absetzungsprozess ist bereits im Gange. Ich habe ja die kulturelle Globalisierung sowie den Umgang mit der Technologie im Blick, die es ermöglicht, sich einerseits von der herkömmlichen Elite, als auch vom gemeinen Fußvolk abzusetzen. Beobachtbar ist auch die Abkehr von den oben genannten Pfeilern der Bürgerlichkeit, alleine schon, weil sie teilweise schon ganz absehbar keine Zukunft mehr haben werden. Diese Dinge passieren natürlich kaum bewusst. Man orientiert sich und klar, klopft man hier und da ab, welche Ideen oder Institutionen zukunftsträchtig sind, welche nicht. Um zu sehen, welche Werte eine künftige Elite in etwa haben wird, muss man sich eigentlich nur die Bürgerkinder angucken.

Gehen wir ruhig von einer, nein, von mehreren Verschwörungen aus. Und nehmen wir uns doch der Einfachheit halber die Definition herbei, die uns Julien Assange gegeben hat. Dass nämlich jede Verschwörung ein Netzwerk der Vertraulichkeit ist, ein Netzwerk, das – zumindest in erster Linie – unter einander kommuniziert und das kommuniziert, ohne dass die Außenwelt hier die selben Informationen prozessieren kann, wie die Mitglieder eines solchen Netzwerkes.

Das muss alles nicht bewusst ablaufen. Netzwerke entstehen nicht wirklich intentional. Soziale Strukturen verfilzen automatisch, sie streben dahin. Vor allem dann, wenn sie sich kulturelle Praktiken aneignen, die in ihrer Zugänglichkeit beschränkt sind. In einem bourdieuschen Sinne zugangsbeschränkt, meine ich. Die Verschwörung von der ich rede, geht nicht nur gegen das „Volk“ oder gegen den „Nationalstaat“ sondern gegen den „Bürger“ und damit auch gegen die alten Eliten.

Und genau so, wie Assange meint, diese Verschwörungsnetzwerke angreifen zu können, passiert es hier: durch das Streuen von Misstrauen innerhalb des Netzwerkes. Hier: die öffentliche Entwertung des Doktortitels. Nur brauchte es dafür gar kein Wikileaks. Wie praktisch!

Der Umbruch, den wir heute erleben ist radikal und Guttenberg ist nur sein Katalysator. Ich bin mir sicher, dass das Bildungsbürgertum alle Mittel und Wege beschreiten wird, Guttenberg zu stoppen. Viel zu viel steht für die aktuelle Elite noch auf dem Spiel. Das sind nicht nur gekränkte Werte, sondern handfeste Interessen, wie Franz Walter das so schön formuliert hat. Wenn die Doktorwürden auf das reduziert werden, was sie tatsächlich wert sind, dann wird vor allem das Bürgertum eine gesellschaftliche Inflation erfahren. Es sind ausgerechnet die Interessen von jenen in Gefahr, die die Union immer zu repräsentieren vorgab. Guttenberg wird gestoppt werden, aber nicht von uns, nicht von Links, sondern aus der eigenen Partei, bzw. dessen Basis.

Doch natürlich ist die Doktorblase längst geplatzt. Allein das Desinteresse des Volkes gegenüber Guttenbergs kleiner Schweinerei zeigt das allzu deutlich. Der Konflikt wird weitergehen und sich noch verschärfen und das erste Opfer ist die Union.

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Die nämlich steht momentan sowas von nackt da. Sie hat sich bei ihrer Kernwählerschaft auf die Knochen und für Jahre blamiert, nur um kurzfristig dem BILD-Pöbel zu gefallen. Das wird sie auf Jahre hinaus noch zu spüren bekommen. Andererseits hat die Union kaum eine andere Wahl, als genau das zu tun. Guttenberg ist war ihr einziges Rennpferd im Stall. Sein Charisma (oder Habitus) war der einzige strahlende Punkt innerhalb eines extrem schmucklosen Kanzlerinnenvereins. Hamburg hat geschmerzt, Baden-Württemberg wird schlimm und ohne Guttenberg noch viel schlimmer. Die Union, das kann man recht sicher konstatieren, steht so oder so mit dem Rücken zur Wand.

Der Union droht eine Krise, die nur noch mit 1999 zu vergleichen ist. Die Glaubwürdigkeit und jeder Rest an Integrität ist verspielt und sie hat auf diesem Weg nicht mal etwas nennenswertes zustande gebracht. Dazu der jämmerliche Koalitionspartner FDP, dem es kaum besser geht. Diese Regierung ist am Ende. Klar, das habe ich schon mal gesagt, damals mit Blick auf die Medien, die Merkel fallen ließen, aber diesmal ist es noch um einiges schlimmer und vor allem nachhaltiger. Das ist kein Stimmungstief mehr, da bricht gerade die Substanz weg. Nicht nur der mediale, sondern der komplette gesellschaftliche Rückhalt steht hier auf dem Spiel. Und das während die uns bekannte Welt da draußen auseinanderbricht, die Finanzkrise noch nicht verdaut ist und das Internet alle Machtverältnisse durcheinander wirbelt.

Aber die Zukunft des Konservatismus ist derzeit ganz gut in vielen Ländern zu beobachten. Den USA, Dänemark, den Niederlanden, Österreich und Italien, beispielsweise. Dort hat man jedes Wertekorsett abgelegt und fährt nur noch unter der Fahne des Populismus und der Niveaulosigkeit. Alles, was Wählerstimmen fängt, wird gemacht. Noch ist die Union nicht im ganzen soweit und ich glaube auch, dass es ein letztes Aufbäumen geben wird. Aber die Zukunft wird so sein, es sei denn eine andere Partei erledigt den Job. Rechts von der CDU.

* * *

Wie ich bereits sagte. Dieses Jahr wird etwas – zumindest einiges – passieren. Bzw. es passiert schon was. Es ist in diesem jungen Jahr bereits viel mehr passiert, als im gesamten letzten Jahr zusammen genommen. Und es hört nicht auf. Alles destabilisiert sich, alles gerät aus dem Fugen. Alles, was bereits seit Jahren porös war, bei dem man aber immer sagte: das hält noch. All das ist irgendwie zu ende, stirbt, berstet, verfällt, wird verhöhnt, bricht auseinander.

Der Kontrollverlust ist eine kleine, technologische Singularität. Ein Punkt auf der Achse der Zeit, ab der die Dinge unvorhersehbar werden. Genauer: wo Informationen auf eine Art miteinander interagieren, die die Komplexität übersteigt, die man noch nachvollziehen kann. In der alles im wahrsten Sinne des Wortes, „verrückt“ wird. Aus dem Kontrollverlustmoment des Einzelnen wird der allgemeine Kontrollverlust. Alles strebt diesem Punkt zu, in einer sich beschleunigenden Welt mit sich beschleunigendem technischen Fortschritt mit sich beschleunigenden Ereignissen aber einem endlichen Menschen. Das, was Warnke Emergenz nennt, macht uns das Netz zu einem „Es“, das einfach da ist und das wir nicht mehr zu durchschauen im Stande sind. Das aber irgendwie funktioniert und Dinge tut und Ereignisse zeitigt, die wir nicht mehr verstehen, aber hinnehmen. Und wenn man ehrlich ist, fühlt es sich jetzt bereits ein bisschen so an.

Ich glaube nicht, dass der Punkt schon da ist. Wir sind nahe dran, aber das, was wir zu spüren bekommen sind nur die Ausläufer. Dennoch wird 2011 ein wichtiges Jahr markiert haben. Vielleicht das Jahr, an dem man den Blick nicht mehr von der Tatsache abwenden konnte, wie sehr sich die Welt gerade ändert und dass die alten Strukturen dem Druck nicht mehr stand hielten. 2011 ist ein Jahr des Endes für sehr vieles, soviel steht fest. Bisher ist aber noch nichts unter die Räder gekommen, was ich vermissen werde. Wobei ich natürlich nicht wissen kann, welch Rattenschwanz noch daran hängt, welche Dinge mit dem Bürgertum in den Abgrund gerissen werden und was ich dereinst vielleicht mal zurücksehnen werde. Aber wenn man das eh nicht wissen kann – denke ich mir – dann sollte man sich in so einer Situation nicht so viel Sorgen machen, sondern eher Poppkorn.

24 Gedanken zu „Guttenberg, die Uni und das ganze andere Gelöt

  1. ich finde es schön, wie du immer son bisschen den großen umbruch der welt vorhersagst. ich glaube aber immer noch nicht dran. mir ist der wandel derzeit noch viel zu wenig. es ändert sich zwar was, aber nie so grundlegend, dass sich das „system“ nicht auf die neuen gegebenheiten einstellen kann und einfach weiterexistieren. den großen umbruch, den du immer vorhersagst kann ich einfach nicht erkennen. schade eigentlich, denn der wäre dringend nötig. (und hoffentlich dann auch in die richtige richtung.)

    … und außerdem glaube ich, wird es nicht den umbruch an sich geben, das wird alles ganz gemütlich und allmählich ablaufen. und vielleicht sind wir uns dann doch gar nicht mehr so uneinig, nur du siehst die schritte dahin immer als viel bedeutender an. und ich seh sie immer nur als kleine, unbedeutende dinge.

  2. Den Kulturpessimismus teile ich ebenfalls nicht, jedoch die Beobachtungen zur Inflation des Bürgertums und der Welle des Populismus, die Guttenberg derzeit trägt, während die Empörung (v.a. der Akademiker) nicht recht Anschluss finden mag bei den Nicht-Akademikern.
    Andererseits – und da denke ich vll (noch) konservativ – gilt es das nicht gleichgültig zu beobachten, sondern ist argumentativ zu begleiten. Denn gerade dass die Affäre so heruntergespielt werden kann, dass jemand „einen Professor aus Heidelberg“ unwiderbringlich zu diffamieren imstande ist, zeigt, dass Deutschland immer noch mehr Gartenzwerg als Elite ist.
    Beides gilt es nicht anzustreben. Beides – let’s face it! – gilt es aber zu bewahren.
    Wenn alle FAZ läsen wäre es genauso schlimm, wie wenn die BILD das einzige Medium bliebe.

  3. Ich bin beeindruckt, zumal in der Guttenberg-Sache nun langsam mein Interesse erlahmt. Dieser Text geht weit darüber hinaus, gibt Denkanstöße und fesselt mich. Ebenfalls ein „herzliches Danke“.

  4. Bin ganz deiner Meinung. Es wird eine Neugestaltung unserer Gesellschaft geben.
    Zum www möchte ich noch Anmerken, dass die Befreiung der Bücher der erste große Schritt war.
    Und Google Street View sollte man aus der Sicht von Albert Kahn betrachten.

  5. Zitat: „Die uns aufgetischten Lügen sind weit weniger gefährlicher als die uns vorenthaltenen Informationen.“
    Konrad Lorenz

  6. Ist es wirklich Kulturpessimismus, wenn man den Fall gesellschaftlicher Mauern beschreibt? Wer in einer globalen Welt nicht nur überleben, sondern auch ein soziales Leben führen will, hat die Wahl zwischen dem Bau von Bollwerken, die nur begrenzt vor einer starken Flut schützen können, und dem Erwerb von Fähigkeiten: vom Schwimmen bis zum Führen eines Bootes. Und auch wenn ich nie gedacht hätte, jemals einen Vorsitzenden des Bundeswehrverbands zu zitieren: „Können beweist man durch Tun“ (und nicht durch Titel).

  7. Aus den Zwischenzeilen des Textes entnehme ich, dass sie ihr Dissertationsvorhaben ad acta gelegt haben. Denn warum noch einen akademischen Grad anstreben, der von einer antiquierten Institution vergeben wird und den die „Neuen Eliten“ keinen Distinktionswert mehr beimessen.

    Ich habe nun auch gemerkt, woran mich ihre Texte erinnern. An Texte aus radikal-linken Untergrund-Publikationen. In der Vor-Internet-Zeit kopiert und unter der Hand oder in einschlägigen Locations weitergetragen. Revolutionsromatik, die auch durch andauernde Wiederholung nicht an Relevanz gewinnt. Gemeinsam ist neben der Revolutions-Phantasie, dass sie sich durchaus mit realen gesellschaftlichen Entwicklungen und Problemen befassen, jedoch mit einem beschränkten Blick auf die Gesellschaft diskutiert werden. Großstädtische Singles zwischen 20 und 40 in prekären Lebenslagen mögen es als Auseinanderfallen einer bürgerlichen Kultur interpretieren, nur bilden diese keinen nennenswerten Teil der Gesellschaft, sondern lediglich eine sich selbst erregende Subkultur.

    Das ist auch das Grundproblem, lieber MSPRO. Ihre Texte und Gedanken bekommen Beifall von Leuten, die in vergleichbaren Situationen wie sie leben. Jedoch nicht von den „Agents provocateur“ des Wandels, die Entwicklungen aktiv vorantreiben. Ich dachte einmal, sie könnten es besser. Aber wie man an Broder und einigen anderen sieht, kann der Job als publizistischer Irrer eine lukrative Perspektive bilden. Nur sollte man sich dann vom Anspruch einer „Neuen Elite“ verabschieden.

  8. Ganz ehrlich, ein bisschen bitter ist es schon, dass der Doktor nun wenige Wochen vor dem Abschluß meiner Diss so abgewertet wird. Hinter mir liegen nämlich tatsächlich Jahre wirklich harter Arbeit. Was aber tröstet, mich jedenfalls, ist, dass ich mir diese Arbeit nicht WEGEN des Dr.’s gemacht habe, sondern weil ich Gelegenheit haben wollte, eine mir wichtige Idee mal mit einiger Ausführlichkeit auszuarbeiten. Für mich war die Uni, bei allen Unzulänglichkeiten, dazu die Möglichkeit überhaupt. Und ich werde nun wohl auch vor dem Umbruch fertig, alas! Tausche Anerkennung gegen Revolution heisst das wohl….

  9. dampfbadbiber – nein, ich habe meine Doktorambitionen noch nicht über Board geworfen, denn genau so, wie ich meinen Uniwerdegang beschrieben habe, promoviere ich auch. Der Titel ist mir ziemlich egal, aber den Prozess und die Struktur sehe ich als Ansporn mich auch eine gewisse, tiefere Art mit Themen und Fragestellungen beschäftigen zu können, die mich interessieren. Das tue ich zwar im Netz schon die ganze Zeit auf eine viel freiere und angenehmere Weise, aber die Wissenschaft ist noch ein Stück weit anders, hat andere Ansprüche und Betrachtungsweisen, die ich nach wie vor noch gewinnbringend erachte.

    Inwieweit ich von meinem eigenen sozialen Umfeld geblendet bin, vermag ich nicht zu sagen. Das ist natürlich recht schwierig sich da ein unverstelltes Bild zu machen. Aber meine Argumentation dort oben fußt ja nur wenig auf anekdotische Evidenz, sondern viel mehr auf große strukturelle Änderungen, die ich weniger an mir und meinem Umfeld, sondern in erster Linie aus Umfragen und allgemeinen Medienereignissen herleite.

    Gut, mein Gedanke zur neuen Elite ist sicher sehr angreifbar. Aus meiner Perspektive sieht es aber eben so aus.

  10. Pingback: Old politics? | schneeschmelze | texte

  11. Saubere Analyse, nur verläuft die aktuelle Konfliktlinie für mich anders.

    Ich glaube nicht, dass es eine progressive Bewegung ist, die da gerade alte Institutionen wie den Doktortitel bzw. die dahinterstehende Universität angreift. Ich wäre sehr vorsichtig von einer „neuen Elite“ mit neuen Werten zu sprechen, die daraus entsteht. Ich glaube eher, wir beobachten ein Aufbäumen der Modernen gegen die Postmodernen, der Dienstleistungs- gegen die Wissensarbeiter. Der Bürger hat einfach die Schnauze voll, ist zerrissen zwischen den Versprechungen und der Realität des 21. Jahrhunderts, und er lässt es an der Elite aus. Während die Wirtschaft stagniert, die Umwelt kaputt geht und die Politik zu einem Schmierentheater verkommt, denkt sich der Versicherungsvertreter, die Krankenschwester, der Reisekaufmann: Wieso soll ich mir noch länger all diesen Schwachsinn anhören? Was haben diese Eliten jemals für mich getan? Es ist eine elitenfeindliche Stimmung und zu Guttenberg hat diese Unzufriedenen bedient (und die BILD das Thema befeuert).

    Die neue Elite, wie sollte die aussehen? Kosmopolitische Lohas, wie Du sie neulich skizziert hast? Die wären ja noch abgehobener und damit für den Großteil der Bürger noch weniger akzeptabel als die bisherigen konservativen oder neoliberalen Eliten.

    Die breite Masse hat sich nicht über den Doktorbetrug empören können, weil ihnen ein strahlender Held, ein intaktes messianisches Narrativ viel wichtiger ist als abstrakte Werte wie Aufrichtigkeit. Weil sie selber nicht aufrichtig sind und deswegen solche Makel verzeihen können. Weil sie sich danach sehnen, einmal von einem Menschen angeführt zu werden, dem sie sich restlos emotional hingeben können. Und sich nicht in ihrer seltenen Begeisterung stören lassen wollen.

    Unvermeidliche Parallelen zu ihrwisstschonwem nicht beabsichtigt. Andere Zeiten, andere Anführer.

  12. Friedemann – das mit der Abgehobenheit der neuen Elite ist auch meine Befürchtung. Es wäre die erste global orientierte Elite und insofern auch eigentlich gar keine Elite mehr, in dem Sinne, dass sie überbaupt auf gesellschaftliche Legitimation noch großen Wert legen müßte. Insofern eine viel gefährlichere, weil egoistischere Elite …

  13. Soeben meldet die BILD das unvermeidliche.

    Insofern hat doch letztlich einfach die Vernunft über die Emotion gesiegt, oder? Ist das nicht, ganz simpel, Aufklärung 2.0?

  14. Erstmal Gratulation zu diesem Artikel. Ich habe ihn komplett durchgelesen, obwohl ich aus Zeitgründen im Netz eher ein „Springer“ bin.

    Ich glaube auch, dass wir vor einer Bewusstseinswende stehen. Vielleicht noch nicht 2011, aber vielleicht 2013. Es ist wie mit einem Ballon, der bis zum Platzen aufgepumpt wird. Den Leuten reicht es irgendwann. Ich sehe es in meinem beruflichen Umfeld als Psychologe. Die Menschen _lechzen_ nach Werten und einem neuen moralischen Kodex. Übigens auch die Unternehmen – in einem weit geringeren Ausmaß, aber der Trend ist da.

    Für mich hat das auch mit dem Rückgang der Religion zu tun. Man kann über die Kirchen denken, was man will, aber es gelang ihnen in den vergangenen Jahrzehnten, der Gesellschaft so etwas wie einen moralischen Maßstab anzubieten. Sogar wenn man Kirche in Deutschland (oder den Papst) besch… fand, konnte man sich dann deutlich von etwas distanzieren.

    Heute ist das nicht mehr möglich. Anything goes. Der Mensch ist sozusagen zurückgeworfen auf eine ultimative, allein zu konstruierende Verantwortung, seinen eigenen ethischen Kodex zu schaffen. Viele überfordert das. So entlädt sich zum Beispiel in den Stuttgart21-Protesten auch die Wut über die eigene Hilflosigkeit, diesem neuen Anspruch nicht gerecht werden zu können. Dieselbe Wut und Hilflosigkeit zeigt sich auch in der Guttenberg-Debatte. Die Menschen sehnen sich nach einem neuen ethischen Vorbild – nachdem Guttenberg ja nun ausfällt.

  15. Zuerst: Trotz der Länge ein schöner und gut lesbarer Text.

    Allerdings:
    Die Welt ändert sich ständig rasant, nur halt meistens in Bereichen, die öffentlich weniger wahrgenommen werden. Mit etwas Abstand betrachtet kann wohl inzwischen konstatiert werden, dass zB die Hartz-Reformen eine erhebliche Umwälzung der bundesdeutschen Sozialpolitik darstellen. Da auch ziemlich viele Menschen davon betroffen waren/sind, dürfte dies unstrittig sein.

    Ähnliche Dinge lassen sich auch über die Bologna-Reform sagen – hier allerdings war die öffentliche Wahrnehmung schon nicht mehr ganz so gross. Und auch die zweifelsohne revolutionären Veränderungen durch das Internet betrifft, wie du schon richtig sagtest, (erstmal) nur eine Elite – es soll noch Menschen geben, die Videorekorder und Faxgeräte besitzen und benutzen. Um ein Fass zum Überlaufen zu bringen, reicht zwar ein Tropfen, aber es muss halt vorher schon bis zum Eichstrich voll sein mit Unmut, sozusagen. Will heissen: 1989 begann 1980 in Polen – von daher mag 2011 später mal ein wichtiges Datum werden, aber die Weichen wurden schon vor längerer Zeit (1989? 1998? 2001?) gestellt.

    Was die Partei rechts von der CDU betrifft: die heisst CSU – ich glaube (und hoffe) nicht, dass sich das bedeutsam ändert, da ist bisher jeder dran gescheitert ud Versuche gab es genug. Dass bedeutet nicht, dass es keine Veränderung der Parteienlandschaft gibt: Ich schätze eher, dass sich SPD, Union (und die Grünen in den Großstädten) irgendwo im 20 Prozent-Bereich rumtreiben werden, FDP und Linke hingegegen zwischen 5 und 10 Prozent. Regionale Besonderheiten sind dabei nicht berücksichtigt – ich meine wer glaubt ernsthaft, dass die absolute SPD-Mehrheit in Hamburg etwas über die Stärke der SPD aussagt?! Richtig allerdings ist, dass sowohl das Konzept Nationalstaat als auch das Konzept der bundesdeutschen Nachkriegs-Parteiendemokratie nicht mehr zeitgemäß ist.

    Deinen Ausführungen zu den Möglichkeiten der Universität kann ich mich nur anschliessen (und müde über die 14 Semester lächeln….). Und dass das Hochschulsystem (schon seit den 1950ern) durch „Reformen“ ständig auf fatale Wege geschickt wird – geschenkt. Die Möglichkeiten des Netzes sind hier wirklich eine gute Ergänzung, allerdings finde ich schon, dass einiges kulturelles Kapital dafür nötig ist und es genügend „Hürden“ gibt.

    Ob Guttenberg zurücktritt? Ob es im Mai eine neue grosse Koalition gibt? Keine Ahnung. Egal wie er sich jetzt verhält, es wird der Union schaden, und Aussitzen klappte ja bisher auch ganz gut.

    Sorry für die langen Ausführungen. Und da viele in ihren Postings inzwischen das „Im übrigen bin ich dafür, dass Guttenberg zurücktritt“ anhängen, hier mein cetereum censeo: Es gibt keinen Adel in der BRD, und das ist auch gut so!

  16. Ich glaube, diese „deine“ Elite würde ihre Legitimation aus einem nachhaltigen Lebensstil ziehen, ihren Führungsanspruch aus dem langfristigen gesellschaftlichen Nutzen ihrer Konzepte. Und diese Ebene ist immer global bzw. supranational. So a la biosphärisches Bewusstsein, Rifkin 2001.

    Ich weiß nicht so recht.

  17. Pingback: Das Netz und zu Guttenberg « H I E R

  18. Hi,
    sehr gut zusammengelötet! Am wichtigsten scheint mir der Gedanke zu sein, der zeigt, dass es eine direkte Linie von Assange zu Guttenberg gibt. Es sind genau diese (CSU)-Netzwerke, in denen nun der Keim des Misstrauens gelegt ist. Siehe auch die Reaktionen von Seehofer.

  19. Vielen Dank für dieses Monster, das ich noch nicht ganz durchdrungen habe (und vielleicht auch noch mehrmals sacken lassen muss). Aber, es bringt dieses Gefühl tief im inneren zum Ausdruck, das die ersten Wochen diesen Jahres tatsächlich hinterlassen hat. Da ist ein Lavasee am Kochen, wie er nicht größer und stärker sein könnte, die ersten Spritzer haben den Krater schon verlassen und bereits mehr an Wirkung hinterlassen als die letzten zarten Eruptionen der vergangen Jahre. Wahnsinn, nein vielleicht ist es auch ein Glück in dieser Zeit zu leben und von Zeit zu Zeit so ein Monster vorgesetzt zu bekommen, das dieses Gefühl in Worte fasst. Auch, wenn aus dem Zusammenhang gerissen, aber es ist manchmal so eine Offenbarung, wie damals als ein DJ Deines Vertrauens Stränge „zusammengelötet“ hat, wie julius01 es nennt.

  20. Pingback: Lesenswerte Artikel 2. März 2011

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