Eine kleine Geschichte des politischen Internets

1969: Das amerikanische Militär gibt ein paar Hippie-Wissenschaftlern den Auftrag das Internet zu bauen.

1993: Tim Berners Lee macht das Internet klickbar und viele glauben nun das Internet sei eigentlich ein Shoppingcenter.

1996: John Perry Barlows Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace verhallt ungehört.

2001. Das Shoppingcenter ist pleite.

2005: Tim O’Reilly ruft das Web 2.0 aus – Das Internet soll nun die Menschen verbinden.

2009: Spätestens seit den Netzsperren-Kampagnen wird das Web von allerlei technikaffinen Utopisten, Weltverbesserern, meist mit Hochschulabschluss und eher links-liberal eingestellten Menschen bevölkert und und von diesen als der intellektuelle Zukunftsort der partizipativen Demokratie angesehen. Es wird in Stellung gebracht als „Gegenöffentlichkeit“ zu den „gleichgeschalteten“ „Mainstreammedien“ (also viel zu konservativen), die ja gar nicht mehr das „Volk“ (das sie selbst sind), sondern höchstens noch die Interessen der „Wirtschaft“ (also alle anderen) repräsentieren. Das aber sei jetzt vorbei (HAHA!), denn nun darf jeder ein Sender sein (Bätsch). Jeder hat eine Stimme. Das Volk wird sich jetzt einfach äußern, ob es den Mächtigen oder Politikern passt oder nicht.

2011: Das Volk kommt und äußert sich.

2012: Wir werden uns noch wünschen, sie wären internetverdrossen.

14 Gedanken zu „Eine kleine Geschichte des politischen Internets

  1. „Denn würde auch nur ansatzweise realisiert, was die Bürger/innen sich wirklich wünschen, wenn sie abends, wenn der Nebel sich über dem Rheintal, dem Rodgau oder dem Vordertaunus senkt und sie angstvoll zwischen ihren Vorhängen hervor schauen, ob noch alles seine Ordnung hat, bräuchte man über ein Jugendstrafrecht nicht mehr diskutieren. Das Geheimnis rechtsstaatlicher Verfahren liegt in Deutschland eben darin, dass Urteile nur der reinen Form nach „im Namen des Volkes“ verkündet werden. Im Idealfall werden sie im Namen eines Rechtssystems gefällt, das in der Bundesrepublik immer besser war als die Bevölkerung und deshalb auch vor dieser geschützt werden muss.“ – Thomas Uwer, Angst siedelt im Bauch

  2. Das sind dann die Internetnutzer, die Stefanie zu Guttenbergs RTL2-Sendung für investigativen Journalismus halten. Und wenn „wir“ dann was dagegen haben, dann bekommen wir den Shitstorm ab. Auf die deutsche Tea Party müssen wir nicht mehr lange warten.

  3. Wenn „wir“ Shitstorm koennen, koennen „die“ das auch. Klar, das wird wohl so werden. Aber es ist auch eine Chance: Weil dann vielleicht auch der letzte Politiker begreift, dass das Netz nicht nur ein „rechtsfreier Raum“ ist, sondern ein Teil der Gesellschaft. Und dann muss nur noch die grosse graue Masse ins Netz kommen, die Schreihaelse repraesentieren die Bevoelkerung genauso viel wie „wir“ das tun. Naemlich nur zu einem kleinen Teil. „Die“ sind auch nicht das Volk.

  4. Andererseits gehörte zur Mobilisierung etwa gegen Netzsperren auch mehr als eine Facebook-Gruppe. Die sind zwar viele, aber auch langsam, ich würde sogar sagen, fast manövrierunfähig. Und echte planende Kommunikation ist da ja kaum möglich, weil alles binnen Minuten von der Frontpage rutscht, jeder nur seinen Sermon hinschreiben will und dann wieder verschwindet. Die Likes der einzelnen Beiträge halten sich ja auch äußerst in Grenzen, ganz zu schweigen von Kommentaren. So lange sich da zum Beispiel keine echten Multiplikatoren und Impulsgeber wie – um beim Beispiel zu bleiben – netzpolitik.org bilden, wird diese Bewegung(?) in sich zusammenfallen.

    Angstschweiß kriege ich nur bei der Vorstellung, dass sich jetzt irgendeine Agentur an zu Guttenberg anbiedert und er sich dann mittels Social Media-Methoden aus seinem Schloss heraus vor die Masse stellt.

  5. Der Eintrag zu 1969 ist komplett falsch – siehe »Arpa Kadabra«, ISBN 3898645517. Licklider, Baran, Kahn & Co. waren alles andere als Hippies, die das Internet erdachten, und es gab keinen »Auftrag« vom Militär, die mußten im Gegenteil jahrelang seit 1965 kämpfen um ein bißchen Budget dafür zu bekommen.

  6. Auf mich macht es auch den Eindruck als würde da sehr stark geschummelt. Auf dieser Facebook Seite wurde sehr oft dazu aufgerufen (mit Link) entsprechende Umfrage-Seiten zu besuchen und dort (natürlich) „für“ Guttenberg zu stimmen. Aber was ist passiert? Bei der Tagesschau etwa (dieser Link wurde auf FB besonders oft gespamt) finden es trotzdem 64,5% toll, dass Guttenberg zurückgetreten ist (bevor der Link bei FB so verbreitet wurde waren es sogar nur 60%) – bei gerade mal 137710 Teilnehmern. Mit der Masse an vermeintlichen Unterstützern, die sich da bei Facebook zu sammeln scheinen, wäre es aber ein leichtes gewesen, diese und andere Umfragen spielend für Guttenberg zu entscheiden. Da aber nichts dergleichen passiert ist, wirft das ein völlig anderes Licht auf diese angebliche Bewegung. Der Fakt, dass sie alle fast das gleiche sagen, tut ein übriges – auch wenn ein Mob von irrationalen, anti-intellektuellen BILD-Lesern in typischer anti-aufklärerischer Haltung natürlich immer deprimierend sowie besorgniserregend ist.

  7. Darf ich mit dem Text den Guttenberg machen und es woanders posten? Bitte, bitte! 🙂

  8. schönes Mem „den Guttenberg machen“. Hab ich heut auch schon mal woanders verwendet.

    Und zu 2012: Seid doch froh, dass die jetzt alle da sind und so immerhin jetzt theoretisch die Möglichkeit haben, „unseren“ Argumenten zuzuhören. Und das der pauschalisierende Sprachgebrauch aufhört, von der „Internetgemeide“, der eine gleichgeschaltete Meinung unterstellt wird.

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