taz: Die Transparenz der Anderen

In meinem Vortragspaper zur openmind10 habe ich die Widersprüche in der netzpolitischen Szene erwähnt. Ganz neu sind sie den Lesern dieses Blogs eh nicht. Aber im Vorfeld der Freiheit statt Angst habe ich sie noch mal gesondert aufgeschrieben:

Die Transparenz der Anderen

„Denn transparent soll immer nur der andere sein. Der Staat, nicht der Bürger, der Geschäftsmensch nicht der Privatmensch, der Profi, nicht der Amateur. Und gleichzeitig verschwinden genau diese Grenzen, soll Politik mehr von Bürgern gemacht werden, machen Amateure den Profis Konkurrenz. Schunkeln sie jetzt, aber bitte nur jeder zweite.“

Das Grundproblem, die Frage nach der Öffentlichkeit immer aus der Subjektivität heraus zu stellen, scheint hier nur auf, wird aber Gegenstand aller weiterer Überlegungen sein.

3 Gedanken zu „taz: Die Transparenz der Anderen

  1. Grundsätzlich ein guter Ansatz, das Thema Transparenz/Offenheit vs. Datenschutz mal „vom anderen her“ zu denken, ganz im Sinne der goldenen Regel, „Was Du nicht willst, das man Dir tu…“. Vor diesem Hintergrund (und auch sonst) ist die CCC-Forderung nach unverpixeltem Ins-Netz-Stellen von Aufnahmen von Polizisten tatsächlich ziemlich problematisch.

    Ansonsten werde ich den Eindruck nicht los, dass Du Dich an ein paar Scheinwidersprüchen abarbeitest, die zum Teil auf vagen Begrifflichkeiten aufgebaut sind. Transparenz, klar, kann man immer fordern, macht sich gut, aber solange man nicht genauer analysiert, was da von wem konkret gefordert wird, kann man das auch nicht groß problematisieren (oder mal eben als Widerspruch zu Datenschutz aufbauen). Datenschutz ist nach hiesigem Verständnis in erster Linie ein Persönlichkeitsschutzrecht für Privatpersonen. Bei juristischen Personen, also Unternehmen und Behörden gelten da andere Maßstäbe. Und so kann ich als Privatperson oder kleiner Selbständiger von einem börsennotierten Unternehmen durchaus erwarten, dass es Quartalszahlen veröffentlicht und eine ordentliche Jahresbilanz vorlegt, ohne dass ich im Gegenzug meine Vierteljahres-Einkünfte und die jährliche Gewinn- und Verlustrechnung für die Steuererklärung in der Lokalzeitung oder im Bundesanzeiger veröffentlichen muss. Das kann man ungerecht finden oder zumindest für mit zweierlei Maß gemessen, aber ich denke, Dir wird klar, was ich damit sagen will: Daten sind nicht gleich Daten, es sei denn, man vermengt die Begriffe Datenschutz und Datensicherheit. Und deswegen genießen Privatpersonen andere Datenschutz-Privilegien als juristische Personen, anderen Tun und Lassen ja je nach dem durchaus einiges öffentliches Interesse bestehen kann. Der Politiker, der höhere Verwaltungsbeamte oder der Unternehmens-Entscheider muss sich Transparenzforderungen ja meist nur im Rahmen seiner Amtsgeschäfte gefallen lassen und eben nicht als Privatperson. Das jeweils abzugrenzen, ist natürlich nicht immer einfach, aber deswegen Transparenzforderungen und Sorge um den Schutz der eigenen personenbezogenen Daten in so eine diffus abgeschmeckte Wderspruchssuppe zu rühren, finde ich dann doch ein bisschen najaaa.

  2. hmm .. die armen taz-online-redakteure moderieren wohl noch. ich paste hier mal eine sneak-preview rein:

    Wow, Michael! Einer deiner besten Texte. Vielleicht etwas oberflächlich (oder leide ich unter „Differenzierungswahn“?), aber schön klar formuliert. Und du machst einen glasklaren Punkt.

    Nur leider ist es eben doch nicht so einfach. Europa und die ganze Welt hat in unterschiedlichen Bereichen eine Tradition der Schutzrechte und Verbote. Heute ist es nun einmal so, dass jemand, der ganz ungeniert seine kleine Sünden und vergehen öffentlich macht, sich angreifbar und erpressbar macht.

    Die gesellschaftlichen Konventionen zu überwinden dürfte viel Zeit in Anspruch nehmen. Und wo ist dann die Grenze? Dass ich gerne bei Rot über die Straße gehe – geschenkt. Das kann ich gerne eingestehen. Aber wie sieht es mit dem Britney Spears-Song aus, den ich vor zehn Jahren maximal halblegal gefileshared habe? Spätestens wenn ich meinem Chef sage, dass ich homosexuell bin und gerne rosa Spitzenunterhöschen trage, dürfte der Job Geschichte sein. Das Finanzamt versteht (außer bei außergewöhnlich reichen Familien und großen Beträgen) auch keinen Spaß, wenn es um Steuerhinterziehung geht.

    Das stille Übereinkommen darüber, dass niemand sich zu 100% an jedes Gesetz und jede Regel halten kann, bedingt Privatheit, bedingt Geheimnisse, bedingt Datenschutz und bedingt somit in deiner Definition Intransparenz. Alternative: Wir schaffen Gesetze und Regeln ab

  3. Sicher, es gibt gute Gründe, warum man dort derzeit eine Grenze einzieht und sie legitimieren kann. Diese Grenzen sind aber eben nicht zukunftsfest, denn an dem Abbau dieser Grenzen wird gearbeitet. Beispiel Liquid Feedback. Und das ist gut so.

    Klar kann man fordern, dass der Staat transparent und der Bürger intransparent sein soll. Aber dann darf man an dieser Grenze nicht rütteln. Und das wäre ziemlich schade und ist auch von den meisten Netzpolitischen Aktivisten nicht gewollt. Denn das Netz bietet immer mehr Möglichkeiten all die Zwischenräume der institutionellen Kategorien auszufüllen und in stufenfreien Skalen sich an Politik und Wirtschaft zu beteiligen.

    Und man braucht auch keine Zukunftsvision zu entwickeln um zu sehen, dass auch der Andere ein vitales Interesse meiner privaten Daten haben kann. Dass wir in Deutschland über Gehälter nicht reden, leistet der Ausbeutung Vorschub. Woher soll ein Berufsanfänger wissen, wie viel er fordern kann?

    Wenn ich eine Krankheit habe, wird es immer Menschen geben, die davon profitieren würden, wenn ich darüber öffentlich spreche. Sei es zum Informationsaustausch oder nur der Seelenstütze wegen.

    Das öffentliche Bekenntnis zur eigenen speziellen Sexualität hilft im Zweifel hunderten von anderen, die wegen der sozialen Kontrolle und dem mangelnden Austausch in ihrem Kaff sich selbst für pervers halten.

    Egal was wir tun, was wir sind, wer wir sind: wenn wir persönliche Informationen veröffentlichen, helfen wir anderen. Den neuen Techniken sei dank, sogar in einem ungeahnten Ausmaß.

    All das spiegelt unsere Ethik heute noch nicht wieder. Aber ich sehe gute Chancen, dass die Streetviewhausverpixeler nach der Einführung in Deutschland als Vandalen, Bilderstürmer und Egoisten gelten.

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