Ich habe einen roten Küchenfußboden. Holz. Man muss ihn nicht oft wischen, da man den Schmutz nicht so doll sieht. Heute aber habe ich ihn gewischt und dabei, den Blick immer nach unten gerichtet, erfüllte mich das warme Gefühl des zu Hause seins. Warum? Als ich noch in Lüneburg lebte, da hatte ich auch schon einen roten Küchenfußboden, also vielleicht deshalb. Als ich noch intensiver nachdachte erinnerte ich mich, dass wir zu in meinem Elternhaus auch schon einen roten Küchenfußboden hatten, ihn dann aber, ich war so etwa 10 oder 11, durch weiße Fliesen ersetzten. Drei Wohnsituationen, drei rote Küchenfußböden. Das gab mir zu denken. Sind rote Küchenfußböden also nichts Ungewöhnliches? Oder aber zieht es mich aufgrund meiner frühkindlichen Prägung immer wieder unbewusst in Wohnungen mit rotem Küchenfußböden? Bin ich markiert worden durch diesen Küchenfußboden? Trage ich also eine Disposition mit mir rum, sicher nur eine von vielen, aber doch eine deutliche, die mein Schicksal in bestimme Bahnen lenkt? Sicher ist die Tatsache der Farbe meines Küchenfußbodens nicht wirklich relevant, wenn man sie vergleicht mit solchen Dispositionen wie Elternhaus, soziales Umfeld, Bildung etc. Aber dennoch hat sich etwas in mir eingeschrieben, eine Markierung, die bestimmt ist, sich zu widerhohlen. Mein Fußboden ist ein Geist, ein Widergänger meiner vorherigen Fußböden, der meines Elternhauses und der meiner Wohnung in Lüneburg. Und immer wieder, wenn ich als Mietinteressent eine Wohnung zur Ansicht betreten werde, werde ich mich gleich wohl fühlen, unbewusst und unmerklich, sobald der Fußboden rot ist, und dann werde ich sagen: „Ja, hier gefällt es mir, wie viel soll sie denn kosten?“. Und wenn ich dann nach ein paar Wochen in dieser Wohnung den Boden wische, dann wird es mir wieder einfallen: „Rote Küchenfußböden“ werde ich sofort denken aber ich werde nicht an mein Dispositiv denken, so wie ich es jetzt tue, sondern an diesen Blogeintrag, den ich gerade schreibe. Denn auch er ist eine Markierung, er ist meine Markierung und ich markiere hier nichts anderes, als meine eigene Markiertheit, mein eigenes Dispositiv für rote Küchenfußböden. Ich markiere also meinen Blog oder das Internet, und damit auch dich, der du das hier ließt, euch alle markiere ich mit meiner Markierung, ich teile sie mit euch, ich gebe sie weiter an euch. Doch auch diese Tätigkeit, dieses Ereignis des markierens, das ich hier und jetzt vollbringe wird nicht unmarkiert bleiben, das Markieren wird mich wiederum (re-) markiert haben und wird so meine bisherige Markierung trasformieren. Und diese Transformation wird unwillkürlich meine Gedanken verschoben haben, weg von meiner Disposition für rote Küchenfußböden hin zu ihrer Re-marierung und Tranformation (übersetzung?) an diesem denkwürdigen Datum, den 4. August 2005, an dem ich hier an meinem Schreibtisch sitze und darüber schreibe, wie ich über Daten, Markierungen und rote Küchenfußböden nachdenke.
Rote Küchenfußböden sind relevant, denn sie machen Dein Leben schön.
Oft weiß man gar nicht so genau, was so alles zum Glück beitragen kann.
Capo
Mein roter Küchenfußboden:
http://www.home-of-rock.de/CD-Reviews/c_clay/Miss_Greatness.html
Und ich dachte immer, ich hätte einen Schaden, weil ich zärtliche Gefühle für meine weiße Rauhfasertapete entwickele. Auch ich musste feststellen, dass da eigentlich immer mal wieder eine solche war in den meisten meiner Wohnungen, schon in der Kindheit… *FG*
Juchuuh, es wird gewischt!