Tag 2 / Fortsetzung:
Koomot ist ein gar wunderliches Ding. Eigentlich arbeitet die App ganz gut als Radroutenplaner. Man kann eine Route definieren, die sie einen per Screen und Sprache entlangsteuert. Gleichzeitig ist es aber auch ein Tracker, der jeden Meter gefahrene Strecke genaustens erfasst. Auch das klappt ganz gut. Die geplante Strecke sieht man Blau, die gefahrene Pink.
Nun will man hin und wieder mal anders als die App es plant und dann weicht man vom blauen Weg ab. Dann ist die App sauer und will, dass ich umdrehe. Wenn ich nicht folge, tut sie einsichtig und sagt: „Tour wird angebasst“. Ja, das ist richtig, sie sagt „angebasst„. 5 Sterne Deluxe und gefällt das.
Auch ist das Teilen der Tourdaten ist nicht ganz unkompliziert. Hier ist ein Link, aber er zeigt leider nur die geplante Tour, nicht auf die zurückgelegten Km.
Jedenfalls bin ich ja schon von der Tour abgewichen, als ich zum Zeltplatz am Ratzeburger See fuhr, weil der ja weiter südlich war, als ich dachte. Auf dem Weg zurück nach Norden, richtung Lübeck spricht die App kein Wort mehr mit mir. Gut, denk ich mir, ist halt beleidigt und genieße insgeheim die Stille. Den Weg nach Lübeck finde ich auch so. Sind ja nur 20 Km und Lübeck ist gut ausgeschildert. Außerdem kann ich per Screen ja noch sehen, ob ich on-Track bin.
Nach meinem Aufenthalt in Lübeck schieße ich die App ab und starte sie neu. Jetzt muss ich erst auf mein Profil gehen, dort auf die geplanten Routen, meine Route auswählen und dann „Route Starten“ drücken. Gott sei dank startet die App die Route nicht, wie ich befürchtet hatte von ganz von vorn, sondern führt sie an der Stelle fort, wo ich bin. Ohne zu murren, ohne Irritationen. Find ich toll. Jetzt spricht sie auch wieder mit mir und irgendwie freut es mich, dass wir uns wieder verstehen. Ich hatte sie schon ein bisschen vermisst.
Jedenfalls bin ich von Lübeck über allerlei obskure Fahrradwege einfach immer weiter nördlich, Richtung Ostsee geradelt. Auf dem Weg bin ich noch schnell in meine neue, kurze Hose geschlüpft. Gleich viel angenehmer. Die Fahrt war recht unaufregend. Waren ja nur noch knapp 20 Km bis Scharbeuz. So gegen 16:00 komme ich an.
Scharbeuz ist ein reiner Touriort. Es gibt eine endlose Strandpromenade die Ruhrgebietsartig übergeht in die vom Timmendorfer Strand. Überall sind Eiscafees, Pizzerien, Strandmodegeschäfte und Tourigbimmel. Es ist voll, viele alte Leute, Familien mit Kindern. Dennoch, da ist der Strand.
Ich schwimme also ein bisschen raus, aufs Meer, komme zurück. Leg mich auf mein Handtuch und Seufze tief. Hier geht sie eigentlich los, die Ostseetour.
Gegen 18:00, meine Badehose ist kaum trocken, entscheide ich mich, erstmal meinen Zeltplatz aufzusuchen. Laut ADAC-App liegt er etwas weiter nördlich. Ich radel langsam die Promenade entlang, bis ich das Zeltplatzschild sehe. Ich fahre auf die Auffahrt, stelle das Rad ab und gehe zur Rezeption.
Ob er noch ein Zeltplatz frei habe, heute nacht, frage ich den etwas fertig wirkenden, rauchenden Typen hinterm Tresen. „Nein“, brummt er zurück. „Wirklich nicht? Ich hab nur ein Zweimann-Zelt und ein Fahrrad“. „Nein“, erwiedert der Typ und zuckt mit den Schultern.
Gut, dann muss ich wohl umplanen. Es gibt da einen Zeltplatz, viel weiter südlich, noch unter Travemünde. Nagut. Also nix mit enspanntem Tag. Ich muss noch mal weiter. Zum Zeltplatz ist es erstmal dieselbe Route, die ich bei Komoot eingegeben habe – nämlich osten. Die App führt mich sicher immer weiter Richtung Zeltplatz. In Travemünde merke ich, dass ich hier von der Route abweichen muss, wenn ich zum Zeltplaz will. Den Rest der Strecke begleitet mich ein stetiges: „Die Tour wird angebasst.“
Kurz vor acht Uhr abends komme ich am Campingplatz Ivendorf an. Ich bin ziemlich kaputt, aber immerhin regnet es nicht. Ich habe heute wieder über 60 Km zurückgelegt und bin jetzt insgesamt bei 135. Ein entspannter Tag war das nicht.
Ich baue mein Zelt auf und packe meinen Kocher aus. Es gibt zwar nebenan eine Pizzaria, aber es wird Zeit, mal meine Survival-Kochkünste auszuprobieren. Ich bringe 500 mL Wasser zum Kochen und schmeiße zwei Beutel Reis rein. Das Wasser wird mit Gemüsebrühe versetzt. Ich merke, das ist vielleicht zu wenig Reis. Ich erinnere mich, dass ich volumenmäßig Reis und Wasser sich die Wage halten sollen und kippe einen weiteren Reisbeutel rein. Als der Reis andickt tue ich noch etwas olivenöl und Tomatenmark dazu. Für den Geschmack.
Als da Wasser ganz weg ist, bleibt ein schleimige, leicht rötliche Substanz übrig, die ich mir einlig reinschaufle. (Hatte keine Zeit für Foto) Ich habe wirklich, wirklich Hunger. Der Reis ist noch nicht ganz durch, doch das macht mir nichts. Ich knusper meinen Reis, als wäre es ein Festessen.
Nachdem ich abgewaschen habe, hole ich meinen Rechner raus und schreibe diese Zeilen. Ich bin jetzt ziemlich kaputt und denke, ich werde mich gleich in meine Gemächer zurückziehen. Mal gucken, ob der Akkupack schon fertig geladen hat.
Tag 3:
Er ist endlich da. Der schlimme Ganzkörpermuskelkater. Ich war schon um 5 wach, seitdem nur rumgedöst. Jede Bewegung tut weh. Da muss ich wohl durch jetzt.
Ich war erstmal duschen, habe meinen Akku eingesammelt, den ich über Nacht in der Dusche hab laden lassen. Dann zurück zum Zelt. Das Außenzelt ist sowohl von innen, wie von außen nass. Von außen vom Tau, klar. Aber von innen? Sind das meine Transpirationen? Werd das mal beobachten.
Habe gerade gefrühstückt. Zwei Weltmeisterbrötchen mit Käse. Essen macht echt so viel mehr Spaß, wenn man Sport treibt. Diese Käsebrötchen waren mit das Beste … was ich seit gestern morgen gegessen habe.
Ich lade außerdem mein Macbook-Air, während ich hier schreibe. Bin schon bei 85%. Mein Zelt soll währenddessen in der Sonne trocknen. Ich hatte noch keinen Kaffee, deswegen etwas trantütig.
Gleich geht es wieder on the Road. Bis Wismar sind es 50 Km von hier, aber ich überlege, lieber auf der Insel Poel zu nächtigen. Da war ich schon mal und fand das ganz nett. Aber erstmal Kaffee …