Partei

Ich habe mal durchgezählt. Ich kenne mindestens sieben Leute, die in der Politik sind, ohne in der Politik zu sein. Sie arbeiten in der Politik – als Angestellte. Zumeist bei Abgeordneten, oder bei Veröffentlichungsorganen einer Partei. Sie sitzen an neuralgischen Punkten der Macht und haben dort durchaus Einfluss. Sie sind „Entscheidungsvorbereiter“. Manche haben ein Parteibuch, machne nicht, aber keiner von ihnen macht aktive Parteiarbeit.

Obwohl sie aus vielen unterschiedlichen politischen Lagern kommen, gibt es viele Gemeinsamkeiten. Sie brennen für Politik, sie diskutieren gerne, sie sind kritisch – auch selbstkritsch mit der eigenen Partei, aber haben eben auch deutliche Präferenzen für diese. Sie wären ausnahmslos intelligent und gewitzt genug, um über die klassischen Wege politisch Karriere zu machen. Ämter, Mandate und sonstige Posten wären ihnen sicher. Ich glaube sogar, dass sie besser wären, als die, für die sie arbeiten. Sie scheinen aber diesen direkten Weg bewußt nicht gewählt zu haben.

Klar, einige Vorteile liegen auf der Hand. Es braucht keine „Ochsentour“, um politich was zu bewegen. Man hat sogleich ein Gehalt, braucht sich nicht erst langwierig ehrenamtlich durchzuschlagen. Man steht nicht so sehr im Rampenlicht, ist den Freund/Feind-Attacken im politischen Betrieb nicht ausgeliefert und hat dennoch Einfluss.

Aber ich denke, einer der wichtigsten Gründe steht hier. Wer in die Politik geht, muss seine eigene Meinung an der Garderobe abgeben. Nein, das ist kein Problem der Grünen, es ist ein Problem der Parteien generell. Es ist immer dann ein Problem, wenn man sich als Teil von etwas definiert, das nach außen hin homogen zu erscheinen hat. Und ja, ich denke, dass auch früher oder später die Piraten an diesen Punkt kommen werden. Auch sie werden noch mal jemandem höllisch ärger bereiten, wenn der etwas twittert, bloggt oder im Interview etwas sagt, dass … oh wait!

Das Konzept „Partei“ und das Konzept „eigene Meinung“ passen nur sehr bedingt zueinander.

Ich denke, die besten, die klügsten, die unbequemsten Denker stehen keiner Partei zur Verfügung. Niemand, dem seine eigene Meinung und kritisches und unabhängiges Denken etwas wert ist, wird auf Dauer eine politische Karriere anstreben. Nicht mal bei den Piraten. Und wenn ich den Blick durch die Reihen der gestandenen Politprofis schweifen lasse, dann ist das nicht erst seit gestern so.

Ich weiß nicht so recht, was das heißt. Vermutlich vieles.

1. Die Demokratie bleibt viele Stufen unter ihren Möglichkeiten.
2. Die Parteien sollten sich mal genau anschauen, wer da noch so in ihren Büros sitzt.
3. Parteien haben keine Zukunft.
4. mspro hat komische Freunde.

9 Gedanken zu „Partei

  1. Es ist allerdings auch so, dass „zerstrittene“ Parteien nicht so sehr die Gunst der Wähler genießen. Die wollen eben wissen, welche Positionen sie wählen. Und wenn dann Vertreter einer Partei in wichtigen Fragen unterschiedlicher Meinung sind, ist das nicht mehr so genau bestimmbar, was diese Partei eigentlich genau will.

  2. (wenn man hinzurechnet, dass alle 7 sich in netzpolitischen themen schnell einig wären, hätte man als 5. interpretation noch eine schöne verschwörungstheorie basteln können: „wir“ (die netzpolitische szene) unterwandern den politischen betrieb. hihihi)

    aber … vielleicht liest ja der feind mit …

  3. Wenn überhaupt eine Mischung aus 3 und 4 ;). Aber wir sollten uns davon verabschieden, dass Politik überhaupt die klügsten braucht (wie ebenso die Wirtschaft), und ob die Ergebnisse dann besser wären. Ich glaube nicht. Die institutionellen Faktoren (die „Garderobe“) hat auf der anderen Seite auch viele positive Seiten: Parteien (im Gegensatz zu Menschen) haben eine ausformulierte, nachlesbare Meinung und sind von der Durchsetzung dieser abhängig… Also abhängig vom Wähler. Ein Nebeneffekt ist natürlich dass einerseits den Wählern vielzuviel versprochen wird und andererseits diverse Lobbys ihrerseits eine Abhängigkeit zu erzeugen. Anstatt Repräsentanten wählen wir eigentlich Meinungsanbieter, welche sich entsprechend der politischen Wetterlage ausrichten (bzw. das Wetter selbst machen). Das ist das entscheidende an unserer Demokratie und nicht, dass wir besonder intelligente oder selbstkritische Personen wählen, aller Wahrscheinlichkeit ist das sogar schädlich.

    Klar geworden ist mir das so wirklich erst bei meiner Zeit bei den Piraten. Ich war Anhänger der Kernthemenidee & habe dazu naiverweise gehofft, mit Internet kriegen was besseres hin als etwa die Grünen (bzgl innerparteilicher Organisation). Aber das gibt der „Wählermarkt“ nicht her! Heute würde ich die Piraten schon als „normale“ Partei sehen mit etwas Schwerpunkt auf Internet. Und das ist gut so! Alternative wäre wohl ihre Irrelevanz, denn wer das Spiel nicht spielen kann wird aussortiert.

    Heute unterstütz ich weiterhin die Piraten, aber Partei?…das muss nicht sein. Dafür ist mir Politik zu wichtig.

  4. Ich möchte einmal zugespitzt formulieren: Die wirkliche Macht liegt bei den Apparaten der politischen Bürokratie. Parteien machen nur das Theater, das davor aufgeführt wird. Warum also soll jemand, der etwas bewirken will (und dazu Macht braucht) ausgerechnet in eine Partei eintreten und „politische Karriere“ machen um es mal zum Star-Schauspieler eines Schmierentheaters zu bringen?

  5. Eine Partei (!) ist eine Ansammlung von eigenen Meinungen. Wenn Parteien thematisch nicht mehr „zerstritten“ sind, sollten sie die Sinnfrage stellen.

  6. „Ich denke, die besten, die klügsten, die unbequemsten Denker stehen keiner Partei zur Verfügung.“

    Wenn Du damit meinst, dass nicht die klügsten und besten Leute in die Parlamente kommen – geschenkt. So ist Demokratie ja auch nicht gedacht. Das wäre dann Aristokratie im Wortsinne.

    Parteien müssen sich eben auch Anregungen von außen holen. Und akzeptieren, dass Experten/Freigeister/younameit nicht in eine Partei eintreten wollen. Obwohl sie sich ihr nahe fühlen.

    „Das Konzept ‚Partei‘ und das Konzept ‚eigene Meinung‘ passen nur sehr bedingt zueinander.“

    Nuja. Kommt darauf an, was mit dem „bedingt“ gemeint ist. In der SPD sind so unterschiedliche Personen wie Johannes Kahrs und Franziska Drohsel zu finden (das ist mein Standardbeispiel); innerhalb eines gewissen Spektrums ist in Parteien im Normalfall sehr viel Raum für divergierende Meinungen. (Werbung für andere Parteien sollte man bspw. allerdings nicht machen.)

    „Und wenn ich den Blick durch die Reihen der gestandenen Politprofis schweifen lasse, dann ist das nicht erst seit gestern so.“

    In den Aufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren herausragende Persönlichkeiten an vorderster Front in allen Parteien zu finden; Carlo Schmid (SPD) ist mein Lieblingsbeispiel.

    Es ist ein Zeichen der Normalisierung, dass nicht mehr die besten und klügsten Köpfe in die Politik gehen, sondern sich eher in Wissenschaft und Wirtschaft austoben. „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat“ – der Brecht-Spruch stimmt noch immer.

  7. „Die wirkliche Macht liegt bei den Apparaten der politischen Bürokratie. Parteien machen nur das Theater, das davor aufgeführt wird.“

    Das wäre schlimm, wenn es so wäre. Die Beharrungskräfte der Bürokratie und der Verwaltung sind groß, ja – aber würde man davor kapitulieren, dann wäre die Demokratie tot.

  8. „wenn man hinzurechnet, dass alle 7 sich in netzpolitischen themen schnell einig wären“

    Sobald Netzpolitik kein Nischenthema mehr ist, werden die Parteien aufgrund ihrer Ideologien abweichende Haltungen und Meinungen entwickeln. Dieser paradiesische Zustand der Abwesenheit von Streit wird nicht ewig anhalten.

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