Auch wenn ich in vielem nicht mit Renés Analyse zu Gamergate und Hass im Netz übereinstimme, finde ich sie sehr lesenswert und lege sie jedeR/m ans Herz.
Nachtrag: Nachdem der Text mittlerweile heiß diskutiert wird, fühle ich mich aufgefordert meinen kurzen Kommentar etwas auszuweiten. Die Kritik, die geäußert wird (Verharmlosung der Gamerhater, Relativierungen der Gewalt, unangemessene Gleichsetzung von HateSpeach und berechtigter Kritik und Coping-Strategien auf Seiten der Feminist/innen etc.) wäre genau auch meine Kritik. Der Text ist aus feministischer Perspektive unerträglich schlecht und ich verstehe voll und ganz, dass er von vielen als Zumutung empfunden wird.
Warum also die Leseempfehlung? Es ist der erste Text, der mir unter gekommen ist, der mir den Gamergate-Konflikt aus einer dezidiert Hardcoregamer-Sicht aufdröselt und zwar ohne den Hass und ohne völlige (!) Kritiklosigkeit der eignen Seite, die man sonst aus der Ecke zu hören bekommt. Ich teile die geschilderte Sicht nicht, wie gesagt, aber ich finde sie höchst aufschlussreich zu lesen.
Gamergate ist ein Phänomen, dessen Verständnis man nicht erreichen wird, wenn man die dahinterstehende Hardcoregamerkultur nicht versteht. Diese Kultur darf man als misogyn ablehnen, verurteilen, oder bekämpfen (berechtigter Weise, imho). Aber selbst für das Bekämpfen ist ein solches Verständnis von Nöten. Dieses Verständnis liefert mir der Text.
(Hinzukommt, dass einige der geschilderten allgemeinen Dynamiken von Netzdebatten durchaus zutreffend finde und dessen Verständnis hilfreich, egal auf welcher Seite man steht.) Nachtrag Ende
Dazu passend wollte ich meine jüngste abgelehnte Talkeinreichung verbloggen, diesmal für das CCCamp (Ich werd aber natürlich trotzdem hingehen):
Netzinnenpolitik Grundzüge einer Politik der Plattformgesellschaft
Excerpt: Die großen Plattformbetreiber werden von den zunehmenden Problemen einer globalen Netzgesellschaft gezwungen, ihre Neutralität immer weiter aufzugeben und in die Handlungen ihrer Nutzer/innen zu intervenieren. Das eröffnet Chancen die immer dringenderen Konflikte im Netz wirkungsvoll zu adressieren, birgt aber auch neue Gefahren. Wir haben es mit einer neuen Form zentralisierter Gewalt zu tun, zu der sich gerade erst politische Prozesse beginnen zu formen. Dennoch zeichnet sich ab, dass die Netzinnenpolitik für die Zukunft der globalen Netzöffentlichkeit von entscheidender Bedeutung sein wird.
Text: Von der Vorratsdatenspeicherung über Netzsperren bis zu ACTA – Netzpolitik hat sich als zivilgesellschaftliche Verteidigung der Netzfreiheit gegenüber den Regulierungsbestrebungen von Politik und Wirtschaft geformt. Zugespitzt kann man sagen, dass eine Gruppe von Menschen, die das Netz sowohl als ihr Zuhause, als auch den Ort der Zukunft erkannten, sich aufgerufen fühlten, es gegen äußere Feinde zu verteidigen.
Doch dieses Narrativ funktioniert immer schlechter. Das Netz kennt kein Außen mehr und die Verteidigungsbestrebungen werden zunehmend überschattet von internen Konflikten des Netzes. Gamergate, Maskuhorden, Pegida, Nazis, Verschwörungstheoretiker, Belästigung, Stalking, Shitstorms und im Netz organisierter Sexismus und Rassismus bedrohen die Freiheit eines Großteil derer, die eigentlich im Digitalen ihr Zuhause gefunden zu haben dachten.
Gleichzeitig haben sich alle Utopien vom Internet als unvermachteten Raum endgültig zerschlagen. Das Netz ist kein Peer-to-Peer-Ringelrein, sondern hat eigene, mächtige Institutionen hervorgebracht, deren Algorithmen und Terms of Service heute schon in das Leben eines Großteils der Internetnutzer/innen hineinregieren: die Plattformen.
Die Plattformgesellschaft ist längst dabei mit den Möglichkeiten dieser neuen, zentralisierten Gewalt die oben genannten Probleme anzugehen. Aus unterschiedlichen aktvistischen Kreisen und Organisation wird zum Beispiel erfolgreich bei Plattformbetreibern dafür lobbyiert, bestimmte Codes of Conduct und spezifische Policies einzuführen oder strenger und effektiver durchzusetzen. Der politische Kampf um die Plattformen hat begonnen.
Auch wenn die Protagonist/innen das nie so offen aussprechen, stecken sie doch mit ihrem Plattformaktivismus ein völlig neues, politisches Spielfeld ab. Ich nenne es „Netzinnenpolitik“.
Die Netzinnenpolitik ist von den nationalstaatlichen Regulierungen unterschieden; sie findet auf einem völlig anderen Layer statt. Sie überschreitet Nationengrenzen und kein Strafgesetzbuch ist für sie verbindlich – sie kann darüber hinaus gehen, oder dahinter zurückbleiben oder ganz eigene Wege gehen. All ihre Do und Don’ts sind noch nicht fertig ausgehandelt – aber diese Aushandlung findet jetzt statt.
Ich möchte in meinem Talk ausgehend von den Grundproblemen des Konfliktmanagements im digitalen Raum die Grundzüge der kommenden Netzinnenpolitik vorstellen. Ich will zeigen, wie Sanktionen im Netz funktionieren können und wie die Plattformbetreiber sie heute schon einsetzen. Ich will auch die Legitimationsprobleme erörtern, die entstehen, wenn eine Zentralgewalt ohne Checks & Balances normativ tätig wird und möchte dafür Lösungen vorschlagen. Und schließlich soll es einen Ausblick geben, in dem ich zeige, wie die Innenpolitik des Netzes die Gesamtstruktur der Plattformgesellschaft zur weiteren Ausdifferenzierung treiben wird.
Da ist zwar auch was Wahres dran, aber ganz treffend finde ich es nicht. Eher sind alle Strafgesetzbücher verbindlich, wenn man Nationengrenzen überschreitet, oder so. Ist ja nicht so, als würden Staaten ihr (insbesondere Straf-)Recht nicht auch für Handlungen umzusetzen versuchen, die virtuell stattfinden.