Krasse Links No 43

Willkommen zu Krasse Links No 43. Fürchtet Euch nicht, wenn Krasnov die Wahrheit umkehrt, heute stürzen wir die NATO zugunsten des ultra-imperialistischen Data Colonialism.


Die Mutter eines der Opfer von Hanau, Sedat Gürbüz, wird von der CDU, SPD und FDP-Koalition der Stadt respektlos in einer Pressemitteilung angegriffen, nachdem sie die Stadt für ihren Umgang mit dem Terrorangriff kritisierte.

Darin heißt es, Gürbüz habe sich bei der Gedenkveranstaltung „mit schockierenden Äußerungen zu Wort gemeldet“. Tatsächlich hatte sie in ihrer Rede erklärt, dass „die Stadt Hanau die Verantwortung für den 19. Februar 2020“ trage und „schuldig“ sei. Der Täter habe zuvor Briefe geschrieben, die von der Stadt ignoriert worden seien. Zudem sei gegen die verschlossene Notausgangstür des Tatorts nichts unternommen worden.

Das Widerlichste: Jetzt soll wegen dem Eklat die Gedenkveranstaltung beendet werden.

Bei allem Verständnis für die Trauer“, verlangte der Vorsitzende der Hanauer FDP-Fraktion, Henrik Statz, „Respekt und Achtung gegenüber Bund, Land, Stadt sowie den anderen Opferfamilien“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Pascal Reddig warf Gürbüz vor, die Gedenkveranstaltung genutzt zu haben, um „rückwärtsgewandt zu spalten und die schreckliche Tat zu instrumentalisieren“. Für die Zukunft stellte die Koalition klar, es werde derlei Gedenkveranstaltung in Hanau nicht mehr geben.

Unabhängig davon, ob man die Kritik von Frau Gürbüz teilt oder nicht, ist es erschreckend, wie man sich heute erlaubt, mit Kritik umzugehen. Der Trumpismus schlägt bereits überall um sich. Marxismus ist Verfassungsfeindlich, Klimaprotest ist Terrorismus, Friedrich Merz nennt Demonstrationen gegen Rechts „undemokratisch“, Menschen werden in einer Tour wegen unangenehmer Meinung zur Palästina-Frage gecancelt und ich frage mich: Gibt es niemand mehr, der noch die freie Gesellschaft verteidigt?


Für das Projekt Der Aufstieg der NSDAP/AfD haben die Leute von Data Journal die erschreckenden Parallelen zwischen den Ereignissen der Weimarer Republik und heute auf drastische Art in Szene gesetzt.

Die Parallelen zu Weimar sind in der Tat erschreckend, aber ich finde der geopolitische Kontext ist der wichtigste Unterschied zwischen damals und heute. Think Deutschland 1930, aber das Britische Königreich und Frankreich sind bereits an den Faschismus gefallen … während eine neue Eiszeit beginnt.

Sie befinden sich hier.


Kyiv Independent berichtet, dass der Ukraine in Verhandlungsgesprächen Seitens der USA mit Abschaltung der Starlink Support gedroht wird.

The United States has threatened to cut off Ukraine’s access to Starlink satellite internet terminals if Kyiv does not reach a deal with the U.S. regarding critical mineral resources, Reuters reported on Feb. 21, citing three sources familiar with the negotiations.

U.S. and Ukrainian officials are currently negotiating the terms of a revised minerals deal after President Volodymyr Zelensky refused to sign an initial proposal. U.S. President Donald Trump said earlier on Feb. 21 that the parties are „pretty close“ to an agreement.

Das ist jetzt, wie Politik funktioniert. Im Plattformbuch habe ich das „Politik des Flaschenhals“ genannt.

Ein Akteur mit Kontrolle über Verbindungen kann seine Macht dahingehend einsetzen, dass er implizit oder explizit damit droht, eine Verbindung zu kappen oder einzuschränken.

Ist es nicht schon ein Zeichen von Schwäche, wenn man explizit drohen muss?


Leonhard Dobusch kritisiert den Umgang des deutschsprachigen Journalismus mit Rene Benko.

Jahrelang berichtet die Wirtschaftspresse über „Benkos Signa-Holding“ oder einfach nur „Benkos Signa“. Regelmäßig findet sich dann zwar in einem Nebensatz der Hinweis, dass Benko „bei Signa (…) übrigens firmenrechtlich keine offizielle Funktion“ hat. Aber: keine Diskussion, warum das so ist. Keine Beleuchtung der Frage, welche Folgen damit für gesellschaftsrechtliche Haftungs- und Sorgfaltspflichten verbunden sind.
– Grotesk ist, dass niemand die Frage gestellt hat, warum es trotz dieser offensichtlichen, einheitlichen Leitung keine konsolidierte Bilanz, sondern nur eine überschaubar große Zahl an Einzelabschlüssen gegeben hat. Warum Benko zwar unumstrittener Signa-Chef war, formal aber nicht einmal in den Stiftungen etwas zu sagen hatte, die wesentliche Anteile zentraler Signa-Gesellschaften hielten?

[…]
Mag sein, dass es an Benko, dem begnadeten Gastgeber und Blender, lag, dass viele offensichtliche Fragen jahrelang ungestellt blieben und teilweise noch bleiben. Das wäre jene Lesart, bei der die Wirtschaftspresse noch am besten wegkommt. Weniger freundlich wäre die Lesart, dass Benko keine Ausnahme, sondern der Regelfall von Stiftungs- und Steuervermeidungskonstruktionen im Umfeld von Multimillionären und Milliardären ist. Wegschauen und wegducken wäre demnach eine in Österreich etablierte wirtschaftsjournalistische Praxis.

Ich frage mich wirklich was mit den Medien (der den Menschen?) falsch gedrahtet ist, dass sie immer wieder auf dieselbe Art von Schaumschläger reinfallen? Wir sollten das wirklich ablegen, wenn wir überleben wollen.


Gil Duran hatte bereits Anfang Februar die Paralellen zwischen DOGE und dem RAGE-Plan des Neoreactionary-Vordenkers Curtis Yarvin aufgezeigt. Ich wusste um die grundsätzliche Parallele, aber es gibt einen Yarvin-Text von 2022, den ich noch gar nicht kannte, wo die Parallelen nur konzeptionelle Fragen übersteigen. Die ganze Analyse ist Lesenswert, aber ich picke zur Veranschaulichung nur ein paar zitierte Yarvin-Ausschnitte raus.

We’ve got to risk a full power start—a full reboot of the USG. We can only do this by giving absolute sovereignty to a single organization—with roughly the powers that the Allied occupation authorities held in Japan and Germany in the fall of 1945. This level of centralized emergency power worked to refound a nation then, for them. So it should work now, for us.”
[…]
Trump himself will not be the brain …He will not be the CEO. He will be the chairman of the board—he will select the CEO (an experienced executive). This process, which obviously has to be televised, will be complete by his inauguration—at which the transition to the next regime will start immediately.
[…]
– The CEO he picks will run the executive branch without any interference from the Congress or courts, probably also taking over state and local governments. Most existing important institutions, public and private, will be shut down and replaced with new and efficient systems. Trump will be monitoring this CEO’s performance, again on TV, and can fire him if need be.
[…]
[H]e will throw it directly against the administrative state—not bothering with confirmed appointments, just using temporary appointments as needed. The job of this landing force is not to govern. It is to understand the government. It is to figure out what the Trump administration can actually do—when it assumes the full Constitutional powers given to the chief executive of the executive branch…


Annika Brockschmidt verpetzt im Volksverpetzer mal wieder die Wahrheit über die USA.

Eines sollte mittlerweile allen klar sein: Wer in Europa der Demokratie verpflichtet ist, und noch immer auf diese Trump-Regierung als Verbündete zählt, hat den Schuss – oder eher, die Schüsse – nicht gehört. Was Vance in München und in Washington geliefert hat, war die Beerdigung des transatlantischen Bündnisses – gekleidet in Doppelsprech, Gaslighting, und mehr oder weniger offene Drohungen. Auf CPAC spuckten die Wortführer der MAGA-Bewegung auf das Grab der transatlantischen Beziehungen, um ganz sicherzugehen, dass die Botschaft angekommen ist.

Es ist allerhöchste Zeit, dass Europa aufhört schlafzuwandeln. Die sicherheitspolitische Lage ist für Europa und Deutschland so brenzlig und gefährlich wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Es ist längst an der Zeit, das zu benennen – anstatt sich in Wunschdenken zu üben und die Augen vor der Realität zu verschließen.


Der Historiker Timothy Ash spricht es in diesem Podcast aus: Die NATO ist tod.

„I find it incredible to say this but I think NATO is dead. I mean Europe is on its own. It’s crystal clear, we cannot the US is no longer a Dependable Ally for Europe.“

Ich setze einen drauf: die NATO ist jetzt eine Falle. Trump wird die NATO nicht aufgeben, sondern sie als abusive Relationship gegen uns wenden. Strategische Ambiguität wird ihm erstmal viel bessere Dienste leisten als Austritt und weil ja immer irgendwas passiert, wird Trump auf die Idee kommen, wegen irgendwas Article 5 zu callen. Und dann will ich sehen, wie sich Kanzler Merz gegen Trump stellt.


Festzustellen, dass man den amerikanischen/westlichen Imperialismus ablehnt, versetzt einen in die heikle Lage, auch all die anderen Imperialismen in der Welt navigieren zu müssen und viele tappen dann in Putins oder Xis Falle und fangen an zum Beispiel den russischen oder chinesischen Imperialismus zu leugnen.

Die etwas Beleseneren sprechen lieber von den Vorteilen einer „Multipolaren Weltordnung“, im Kampf gegen den Imperialismus. Das „Gleichgewicht der Mächte“ hält sich in Check, etc. Aber die Multipolare Weltordnung ist eben unter kapitalistischen Bedingungen ein Multipolarer Imperialismus, wie Promise Li vor zwei Jahren im Spectre Journal schrieb.

What characterizes this new multipolar order and the nature of intercapitalist competition? As a whole, this emerging multipolar world of bourgeois states does not create better conditions to challenge global imperialism, but merely preserves and even heightens these capitalist dynamics.

Das liegt daran, dass die hegemoniale kapitalistische Struktur nur den Besitzer wechselt, anstatt in Frage gestellt zu werden.

The decline of US imperial power and the rise of multiple “poles” on the global stage only reshuffles which states are mediating the existing global relations of production, without reorganizing the latter or fundamentally empowering independent movements in each region.

Rather than seeing multipolarity as opening up space for revolutionary struggles against imperialism, I contend that contemporary multipolarity functions as a new stage of the global imperialist system, a departure from unipolar US hegemony without neatly falling back into the traditional mode of interimperialist rivalry as described in Vladimir Lenin’s and Nikolai Bukharin’s comments on the last century.

Statt der Mächte, die sich in Check halten, erhält man einen “ultra-imperialism”, der zwischen Kriegen und Auseinandersetzungen immer auch Ebenen der ausbeuterischen Kooperation zwischen den Imperien herstellt.

A Marxist theory of imperialism today must thus not overstate the dynamic of interimperialist rivalry without endorsing a perspective that capitalist states are now entering a stage of peaceful coexistence enabled by financial interdependence, or what Karl Kautsky called “ultra-imperialism.” This deeper intertwining of state and capital enables new and more complex dynamics between ruling elites. Even as value transfer from peripheries to core remains intact, we can now witness multiple geographies of interimperial relations, with different cycles and layers of collaboration and competition between different sectors of the ruling class. Now joined by an often invisible class of institutional investors, state elites draw from more sophisticated technologies of repression and control across geopolitical blocs, leading to an uneven development of global authoritarianisms to counter independent and popular movements. This widespread erosion of political democracy, as it takes diverse forms, is thus a central policy of imperialism today.

Der Text ist von 2023 und alles ist bereits viel plumper gekommen, als im Text beschrieben. Unabhängig davon, ob Trump nun „Krasnov“ ist oder nicht, sehe ich Russland und die USA längst im selben Team.

Wenn man die Wahl Trumps nicht geopolitisch, sondern im Sinne einer Systemkonkurrenz von Oligarchie und Demokratie denkt, hat Putin gewonnen und sein System installiert. Das bedeutet nicht, dass jetzt alle dieselben Interessen haben, aber sie haben jetzt einen gemeinsamen Broligarchen-Layer, auf dem man so von Bro zu Bro die Welt als Beute aufteilen kann.


Nick Couldry und Ulises A. Mejias verkünden mit Blick auf DOGE die Ankunft des „Datenkolonialismus“ im Land seines Ursprungs.

Elon Musk’s radical intervention in the US government through the Department of Government Efficiency (DOGE) has been called an “AI coup,” a “national heist,” and a “power grab.” Various experts are concerned that it is unconstitutional. But beyond its legal ramifications, the parts of it that involve getting access to government data fit well within the playbook of what we call data colonialism.

Ich bin kein Fan des „Data“-Geredes (meist geht es um Verbindungen, nicht Daten), aber manchmal stimmt es eben doch.

In neoliberalism, citizens become consumers; in data colonialism, citizens become subjects. If the difference is not apparent, think of how government data, down to their DNA, is used to control the Uyghur population in China. In this version of colonialism, what’s being appropriated is not land but human life through access to data.

Die Autoren verweisen mit Blick auf das rücksichtslose Data-Scaping für KI-Zecke darauf hin, dass die Erlaubnisstruktur der kolonialistischen Landnahmen immer schon auf „intelligentere“ Nutzungsformen von Ressourcen verwies.

Historical colonialism’s doctrine of terra nullius was designed precisely to rewrite the law of new ‘colonies’ simply by the act of seizing the land, with the excuse that no one smart was using it. Strip aside the faux democratic narrative, and that’s Musk’s playbook, too.

[…]

The new alliance between Musk and President Donald Trump’s government might seem shocking, seen from the perspective of recent liberal capitalism. But it makes absolute sense within colonial history where lawless individuals and corporations (from the Spanish conquistador Hernán Cortés in Mexico to the British East India Company) worked in ever-closer alliances with states to produce a mature colonialism that combined corporate and sovereign power.

Was wir gerade auf allen Ebenen erleben, ist die Rückkehr des Westens zu seinen kolonialistischen Wurzeln, bzw. aufmerksamere Beobachter als ich es war, wussten schon lange, dass der Kolonialismus sich in Gestalt der Westlich-Kapitalistischen Hegemonie nur die Maske aufgehübscht hatte.


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Die Kulturwissenschaftlerin Sylvia Sasse teilt in einem Interview in der Zeit die interessante Beobachtung, dass sich die Lügen von Trump/Vance/Musk/Putin und Co vom diffusen „Bullshit“ (es ist egal, was wahr ist) der 2010er Jahre immer mehr zu einer Strategie der Umkehrung der Wahrheit weiterentwickelt haben.

In dieser verkehrten Welt behauptet etwa Wladimir Putin, Russland sei eine Demokratie. US-Vizepräsident J. D. Vance sagt, er trete für Meinungsfreiheit ein. Trump versichert, er bekämpfe den Deep State. Und Alice Weidel betont, Hitler sei Kommunist gewesen. Dabei ist jeweils das genaue Gegenteil der Fall. Die verkehrte Welt der Populisten und Autokraten ist eine Erzählung von der Welt, in der alles um 180 Grad gedreht wird.

Das zeitigt teils wunderliche Effekte.

Wenn Putin etwa die Propaganda verbreiten lässt, dass ukrainische Flüchtlinge dauerhaft in die deutschen Sozialsysteme einwandern wollten, dann wird das von rechtspopulistischen Kreisen, die von Migrationsangst politisch profitieren wollen, weiterverbreitet. Die gleichen Kreise, allen voran die AfD, kooperieren jedoch mit Putin. Diese Verkehrung wird in der Migrationsdebatte kaum thematisiert: Russland war in den letzten Jahren ein Hauptverursacher von Migration. Sei es durch den Krieg in der Ukraine, durch die massive Repression im eigenen Land, durch das Schleusen von Geflüchteten über die belarussische Grenze in die EU oder die militärische Unterstützung des Assad-Regimes. Überhaupt sind Autokratien und religiöser Fundamentalismus Auslöser und nicht etwa Lösung für Migration.

Und vor allem haben die Legacy-Medien überhaupt kein Konzept, damit umzugehen und tragen die Lügen deswegen weiter.

Bestimmte journalistische Formate fallen nicht selten auf Verkehrungen ins Gegenteil hinein, weil sie daraus eine Nachricht machen. In manchen Newstickern wird etwa einfach wiedergegeben, was Vance oder Putin gesagt haben. Oder in Überschriften heißt es nur: „Vance kritisiert fehlende Meinungsfreiheit“ oder „Vance liest Europäern die Leviten“. Das finde ich fahrlässig. Denn Verkehrungen ins Gegenteil sorgen für Schwindel. Viele Menschen sind orientierungslos, weil es ihnen schwerfällt, gleichzeitig den Widerspruch zu erkennen zwischen einer Aussage, mit der sie sich identifizieren, und einer gegenteiligen Realität, über die nicht gleichzeitig ebenfalls berichtet wird.


Der Kanal Second Thought hat ein schönes Erklärstück darüber, wie die Rede von „der Wirtschaft“, die „wachsen“ müsse, immer nur dazu diente, von der im Kapitalismus produzierten Ungleichheit abzulenken.

Das Bruttoinlandprodukt als Gradmesser des Wohlstands einer Gesellschaft zu nehmen, lässt nicht nur die horrenden Ungleichheiten außer acht, dass also nur ein winziger Prozentsatz überhaupt merklich von dem Wachstum profitiert. Es ist auch ein weirdes Weltbild, in dem alles, wofür Du bezahlst als „Wunsch“ interpretiert und alles, was Du nicht bezahlst, als wertlos deklariert wird.

„To interpret that in the way GDP Works, assumes that any increase in how much money people spend can be interpreted as an improvement. In order to imagine that you need to delude yourself into thinking that people only spend money on things they want. To have total freedom to pay the price, they think, is fair for the things they buy and that anything of value can or should be able to be bought.“

Dass die „Growing the Pi“-Matrix aber so wirkungsvoll ist, liegt an dem psychologischen Effekt der Erzählung, wie der ehemaligen FED-Chef Henry Wallich in diesem Moneyqoute dargelegt:

Growth is a substitute for equality of income. So long there is growth there is hope, and that makes large income differentials tolerable“.

Der Gaslightning Industrielle Komplex weiß, was er tut.


Mit „Oligarchy & Authoritarianism“ kulminiert die Beschäftigung bei Then&Now mit Marx und der Geschichte des Kapitalismus in einer historischen und analytischen Kontextualisierung unseres politischen Moments.

Lewis Waller zeigt nicht nur anhand der historischen Konzentration von wirtschaftlicher Macht im 19. Jahrhundert auf, welche Probleme damit einhergehen, sondern auch, wie die wirtschaftliche Machtkonzentration immer auch eine Voraussetzung für faschistische Machtergreifungen war.


Dazu passt dieser Klassiker. Rules for Rulers basiert eigentlich auf dem Buch Dictators Handbook von Alastair Smith und Bruce Bueno de Mesquita, die ein verblüffend einfaches Manual der politischen Machtausübung vorgelegt haben.

In KI ist ein Coup hatte ich das Framework bereits verwendet; (ein Text, der auf ne weirde Art vorzeitig irgendwie obsolet geworden ist.)

Jedenfalls wird angenommen, dass Machthaber*innen an die Macht kommen wollen und dort bleiben wollen und dass sie aber, um das zu erreichen, auf andere Menschen angewiesen sind.

Die, auf die man angewiesen ist, kann man grob in drei Gruppen einteilen:

  • Das Nominelle Elektorat sind die, über die man herrscht, aber ohne, dass man wirklich von ihnen abhängig ist. In Putins Russland ist das so ziemlich jeder, in Deutschland zum Beispiel die Jugend oder Migrant*innen.
  • Das Tatsächliche Elektorat ist die deutlich kleinere Gruppe an Menschen, auf deren Zuspruch man wirklich angewiesen ist. In den USA sind das die Wähler*innen in den Swing-States, in Deutschland zum Beispiel die Renter*innen und in Russland die Eliten.
  • Die Gewinnende Koalition. Das sind Menschen, auf deren Zuspruch oder Mithilfe der Machthaber absolut angewiesen ist. Das können Parteifunktionäre sein, aber seien wir ehrlich: heute sind es in den USA und Deutschland genau wie in Russland vor allem Oligarchen.

Um die eigene Macht abzusichern, arbeitet jede Machthaber*in daran, seine Abhängigkeiten zu reduzieren und die Abhängigkeiten, ohne die sie nicht kann, abzusichern. Das funktioniert gewöhnlich dadurch, dass man das Nominelle Elektorat zugunsten der Gewinnenden Koaliton ausbeutet.

Und tatsächlich ist das ein Muster, das man überall beobachten kann, nicht nur in Russland und gerade USA. Auch in „intakten Demokratien“ passiert das auf die ein oder andere Art und Weise, aber eben meist verschämter durch die Abschaffung der Vermögenssteuer und dem Schaffen von immer mehr Steuer-Schlupflöchern. Dieses Prinzip ist aber auch gar nicht auf den Kapitalismus beschränkt, sondern ließ sich in den Sowjet-Regimes genau so beobachten, wie im Feudalismus.

Der Unterschied zwischen Demokratie und Autokratie ist den Autoren zufolge weniger eine Frage der Rechtskonstruktion, sondern der Verteilung von Abhängigkeiten, also Macht. Olaf Scholz und Putin wollen beide an der Macht bleiben, doch Scholz hat dafür einfach ein viel größeres Tatsächliches Elektorat und gewinnende Koaliton zu managen, als Putin.

Dass Machtkonzentration und Demokratie nicht so gut miteinander können, hat bereits der Ressourcenfluch gezeigt, der eigentlich Machtkonzentrations-Fluch heißen sollte, denn nichts anderes sehen wir in den USA und in Ansätzen bereits auch in Deutschland.

Wenn sich die materielle Macht in einer Gesellschaft so weit konzentriert, dass sich die Politik an ihr nicht mehr vorbeibewegen kann, ist es egal, was für ein tolles, aufgefeiltes Rechts- und Demokratiesystem wir haben. Wenn es so wenig Hügel einzunehmen gilt, um an die Macht zu kommen, ist jede Demokratie immer nur zwei Züge von einen Coup entfernt.

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