Konsumentalität

Wir hinterlassen Spuren. Ob wir über die Strasse gehen und dabei von Kameras verfolgt werden, ob wir Geld am Bankautomaten abheben, uns bei Quelle etwas bestellen oder einen Flug buchen. Überall markieren wir und unsere Markierungen werden gespeichert. Am meisten aber markieren wir, sobald wir das Internet nutzen. Beinahe alles was wir dort tun wird irgendwo gespeichert. Das Sammeln, Aufbereiten und Verifizieren unserer Markierungen, nennt man Datawarehouse und immer mehr Firmen verdienen gutes Geld damit. Daten gibt es zu genüge, die Kunst ist es aber sie zu verknüpfen und Profile daraus zu erstellen.
Nun könnte man leicht mit Gouvernementalität und dem Panoptikum kommen, die automatische Selbstanpassung des Subjektes, das weiß dass es beobachtet wird, und deshalb eben das „richtige“ tut. Man könnte meinen, dass das Subjekt doch dadurch eigentlich verschwindet, jedenfalls nicht mehr die autonome Entscheidungsinstanz sei. Aber ich halte Foucault hier für längst veraltet. Sein Ansatz evoziert eine Art staatliche Instanz, ein irgendwie geartetes moralische Deutungsmonopol, welches unsere Handlungen nach dem Schema richtig/falsch einordnet. (Jaja, natürlich weiß ich, dass Foucault nicht wirklich einen Staat meint, sondern mikropolitische Prozesse in der Gesellschaft beschreibt, aber irgendwie muss man das ja runterbrechen.) Nein, der Staat ist zwar auch ein eifriger Datensammler geworden, dennoch ist er nichts im Vergleich zur freien Wirtschaft, die aber ganz andere Interessen verfolgt. Sie denkt nicht in Richtig- oder Falschkategorien. Moral und Ethik sind ihr völlig fremd. Sie bewertet und verifiziert nach potentiellen Kunden, Mitarbeitern, Kontakten etc. Sie sammelt dabei viel akribischer und ist der eigentliche Big Brother unserer Zeit.
Während Foucault also davon ausgeht, dass wir unser Verhalten in der Öffentlichkeit (und es gibt mittlerweile keine Nicht-Öffentlichkeit mehr) abwägen, immer im Hinterkopf, dass das normative Korrektiv der Gesellschaft uns im Nacken sitzt, sollten wir (und ich glaube, das tun wir bereits) eher dazu übergehen, aktive PR-Arbeit zu leisten. Denn nie war es einfacher Spuren absichtlich zu hinterlassen, sein Abbild also gestalterisch zu formen. Auf diese Weise wird das handelnde und entscheidende Subjekt wieder eingesetzt, und zwar als PR Manager in eigener Sache, dass eben nicht seine moralische Integrität unter Beweis stellen muss, sondern die allgemeine Aufmerksamkeit lenkt, ein Bild und ein Profil erarbeitet, wie man selber gerne wahrgenommen werden will. Dieses aktive Arbeiten an der eigenen Identität, wird in der Zukunft ein immer wichtigerer Bestandteil des Lebens werden. Und dieses Arbeiten wird im Gegensatz zur Gouvernementalität ein bewusster Prozess sein müssen, ein aktives Gestalten, ja sogar ein planungsbedürftiger Prozess. (Damit ist nun einerseits die Wende vom „Subjekt“ zum „Projekt“ und somit auch die Wende von Foucault zu Flusser vollzogen.) Bald gibt es sicherlich Selbst-PR Agenturen, die das für einen übernehmen. Aber es braucht auf jeden Fall eine Instanz im Kopf, nennen wir sie „Konsumentalität“, die die Handlungen des Subjektes überwacht und das eigene Profil nie aus den Augen verliert. Konsumentalität ist sich der Unausweichlichkeit der allgemeinen Profilbildung bewusst und vermag sie mittels intentional gestreuter Information zu steuern.

Also liebe Konsumentenprofilcrawler:

  • Ich suche keine neuen Investment Lösungen!
  • Von euren Heiratsvermittlungen will ich nichts wissen!
  • Ich brauche kein Enlargement!
  • Ich will keinerlei Pharmazeutika aus den USA importieren!
  • Exiting Job Opportunities könnt ihr euch sonst wohin stecken!

NACHTRAG: Blogger sollte mal Fussnoten einführen!
NACHTRAG 2: Hoffentlich werde ich jetzt nicht anhand der Schlüsselwörter von Google als Spam geblacklisted… (keine gute PR)