„100.000 Euro für den, der ihr die Brüste abschneidet und beide in einer Güllegrube entsorgt.“
„Wenn es nach mir ginge, Kopf kürzer und Problem gelöst.“
„Ja, wenn ich in der Sicherheit wäre, könntest du bei Gewaltaktionen deine Schneidezähne aus dem Rachen zusammensuchen“
Das sind drei Beispiele von Hatespeech, Gewalt- und Morddrohungen, die aufgrund einer Hetzkampagne gegen eine junge Frau auf diese einprasselten.
Wir sprechen ja gerade von Hatespeech. Anlass sind aber nicht die oben zitierten Gewaltphantasien, sondern der Tweet eines linken Pfarrers, der folgendes schrieb: „#Feminismus ist etwas für Unterprivilegierte. ‚Adel ist was für die Laterne‘. Ça irá, #BachmannPreis, ça irá, von Rönne!“.
Von Rönne, der diese Zeilen galten, schreibt unter anderem für die Welt und ist mit Texten darüber, wie der Feminismus sie anekelt bekannt geworden. Ihre Texte sind schön geschrieben und selten durchdacht, aber dafür um so provokanter. Das ist ihr gutes Recht, dafür bekommt sie eben auch viel Kritik, mit der sie leben muss.
Damit meine ich übrigens explizit nicht den Tweet des Pfarrers. Der ist daneben, das ist ohne Frage Hatespeech und der Autor (der ihn mittlerweile wieder gelöscht hat), sollte sich was schämen! Aber ein Mordaufruf? Es ist ein Zitat eines Revolutionsliedes, das zufällig mit von Rönnes eigener Aussage über den Feminismus korrespondierte. Wenn die Ankündigung einer Revolution, jetzt bereits als Mordaufruf gilt … sagen wir, ich finde diese Lesart dann doch etwas übertrieben.
Die Interpretation stammt übrigens von Don Alphonso, der damit eine größere Debatte über Hatespeech auslöste. Die Kritik nämlich, die von Rönne für ihre streitbaren Äußerungen von Feministinnen bekam (unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass viele Rechtsradikale große von Rönne-Fans sind), zeichnet er für die Entgleisung des Pfarrers verantwortlich. Damit ist für Don Alphonso klar, dass nicht erst die Entgleisung, sondern schon die Kritik an von Rönne illegitim sei. Naja, „illegitim“ … ich zitiere ihn einfach mal:
„Das ist eine Methode totalitärer Regime, der stalinistischen Schauprozesse gegen Trotzkisten, Internationalisten und Konterrevolutionäre, der Kulturrevolution in China.“
Don Alphonsos Beitrag wurde und wird vor allem von konservativen Feuilletons sehr gefeiert. Unter anderem von der Welt und Ulf Poschardt. Nun muss man wirklich für jeden Menschen dankbar sein, der sich des Themas Hatespeech gegen Frauen im Internet endlich einmal annimmt, denn Femistinnen leiden darunter seit vielen Jahren tagtäglich, und das Thema war bislang medial unterrepräsentiert – gelinde gesagt. Dass sich die Medien ausgerechnet jetzt dafür interessieren scheint aber daran zu liegen, dass die Situation eher … untypisch ist. Sonst trifft es nämlich eher Feministinnen und die „Mordaufrufe“ sind auch … sagen wir mal: zweifelsfreier.
Die Anfangs zitierten Aufrufe waren zum Beispiel Anne Helm gewidmet. Anne Helm hatte ebenfalls wie Ronja von Rönne streitbare, provokative – und ja: etwas unbedachte – Äußerungen zu verantworten: Bombergate. Als der Berliner Kurier sie bei ihrer eigentlich anonymen Aktion enttarnte, prasselte eine Hasswelle über sie her, die in Deutschland seines Gleichen sucht. Viele der Aufrufe und bestialischen Mordphantasien, die teils immer noch hereinprasseln, sind gut dokumentiert und können hier begutachtet werden. Die Morddrohungen gegen sie sind so konkret, dass der Staatsschutz (!) sie von sich aus anruft und bittet, sie möge sich doch lieber nicht mehr im Internet gegen rechts aussprechen, sie bringe sich in Gefahr.
Die Hasskampagne gegen Helm war eine sehr öffentliche Angelegenheit, doch die heutigen Kämpfer gegen Hatespeech haben sie damals leider nicht thematisiert. Das könnte daran liegen, dass sie teils zu beschäftigt waren, sie auf der anderen Seite anzuheizen.
Don Alphonso wollte es nicht bei der im braunen Hass ertrinkenden Anne Helm belassen, sondern befeuerte den Shitstorm mit eigens ausgedachten Lügen und Verleumdnungen. Er war neben dem Berliner Kurier sicher eines der Hauptmedien, die die Hetze gegen Helm befeuerten. Seine Lügen und Verdrehungen habe ich seinerzeit hier aufgeschrieben und widerlegt (und ehrlich gesagt wundert es mich sehr, dass er seitdem außerhalb der rechtsradikalen und der Masku-Szene noch gelesen wird. Wie groß kann der Totalschaden einer Reputation überhaupt sein?)
Die oben zitierten und die vielen hundert anderen Hassnachrichten die Anne Helm bis heute ertragen muss, sind also auch Resultat der Hetze desjenigen, der sich heute als Vorkämpfer gegen Hatespeech positionieren will. Ich finde das … interessant.
Ich vermute eine Strategie dahinter. Don Alphonso möchte den verunglückten Tweet des Pfarrers als den einen Showcase für Hatespeech im Internet etablieren und so die Deutungsmacht über diesen Diskus erlangen. Wenn er das mit der Hilfe von Welt und Poschardt schafft, kann er das Narrativ so drehen, dass A) die Femistinnen ja die „wirklichen“ Hatespeech-Verbrecherinnen sind. Und wenn das nicht klappt, kann er wenigstens B) suggerieren, dass die Femistinnen ja mindestens genau so schlimm sind, wie er und sein maskulinistischer Hassmob.
Zusammengefasst: Weil einmal ein Pfarrer einen dummen Tweet geschrieben hat, kann einer der schlimmsten Verleumdner und Hetzer im Internet, der das Leben vieler Menschen täglich zur Hölle macht, die Deutungshoheit über den Hatespeech-Diskurs erlangen, um ihn zur Waffe gegen den Feminismus umzurüsten.
Ist das nicht witzig?
PS: ein kleiner Nachtrag, danke @faz_tomalforno