Die Globale Klasse – Eine andere Welt ist möglich. Aber als Drohung.

/*********** Ich wurde von der Jungle World gebeten einen Text zu der aktuellen Ausgabe zu schreiben. Es sollte grob darum gehen, warum der Abgrund, der sich zwischen besorgten Bürgern und der Restgesellschaft auftut, mehr von kulturellen, denn von sozioökomischen Faktoren getrieben ist. Eine These, die ich teile. Ich schrieb also einen Text, der – wie das so meine Art ist – die Jungle World Leser herausfordern sollte. Ich schrieb einen Text, der Widerspruch erzeugen wollte, indem er eine kritische Perspektive der Leser auf sich selbst erzwingt. Leider ging ich damit wohl zu weit, denn der Chef vom Dienst lehnte den Abdruck ab. (Ich wurde erst sehr spät über die Ablehnung informiert und die Begründung erfolgte auch erst auf Nachfrage). Ich finde das schon recht lustig, denn die Jungle World gilt gemeinhin als linkes Krawallblatt, das gerne kontroverse, die Linke herausfordernde Thesen in die Welt bläst, was ich durchaus zu schätzen weiß. Um so erstaunter bin ich, wie wenig Mut man hat, auch mal Texte zuzulassen, die wiederum den eigenen Narrativen zuwiderlaufen. Aber so ist das ja oft: gerne austeilen, aber nicht einstecken können. Schade. Dann eben hier.

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Die westliche Welt ist in heller Aufregung. Von überall her sprießen neue rechte Bewegungen aus dem Boden oder gewinnen an Fahrt. Von Trump, über AfD, FPÖ, Le Pen bis zu Brexit scheinen sie Leuten eine Stimme zu geben, die vorher glaubten nicht zu Wort gekommen zu sein. Seitdem wird abseits der “besorgten Bürger” gerätselt, was die Ursachen für diesen Unmut sein könnte.

Es ist vielleicht kein Zufall, dass gerade die Linke hier einen gespenstischen Wiedergänger ihrer Selbst gefunden haben zu glaubt. Und so sind auch die interpretatorischen Vereinnahmungsversuche nicht weit. Das seien alles Globalisierungsverlierer, vom kapitalistischen System abgehängte, die hier ihre politische Stimme finden. Die rüsten für den Klassenkampf, aber haben aufgrund “falschen Bewusstseins” nur noch nicht realisiert, dass ihr eigentlicher Feind der Kapitalist ist.

Die Zahlen geben das allerdings nicht her. Zwar ist es richtig, dass sich das Heer der Frustrierten zu einem Gutteil aus geringverdienenden und wenig gebildeten Dienstleistungsarbeiter/innen speist. Aber da ist ist noch eine zweite, fast genau so große Gruppe. Das mittlere Bürgertum ist ebenfalls gut vertreten auf den Barrikaden. Heinz Bude spricht schon von einer strategischen Allianz aus Arbeiterschaft und frustriertem Bürgertum. Doch während sich die Motivlagen der prekär Beschäftigten marxistisch deuten lassen, passen die Wutbürger nicht so recht ins Bild.

Ist das nicht ein merkwürdiger Klassenkampf, in der Arbeiter und Bürger Seit an Seit gemeinsam kämpfen?

Der blinde Fleck, der uns befällt, wenn wir darauf schauen wollen, was diese Leute aufregt, ist deswegen wirksam, weil wir selbst Stein des Anstoßes sind. Verlegen schauen wir uns um, aber da ist niemand. Uns? Sie meinen tatsächlich uns?

Ja, das tun sie. Arbeiter und Bürger haben sich zusammengeschlossen, um gegen eine dritte Klasse zu kämpfen. Um diese Klasse überhaupt wahrzunehmen muss man etwas sehr unangenehmes tun. Man muss, statt den Frust der Wutbürger als verkappten Verteilungskampf wegzuinterpretieren, einmal hinhören, was diese Leute von sich geben. Man muss sich in sie hineinversetzen, muss den Slogans lauschen und ihre Narrative nachvollziehen. Man muss zwar nicht ihre Ängste, aber ihre Parolen ernst nehmen.

Da ist zunächst die Erzählung einer Verschwörung, über alle Parteigrenzen hinweg. Es gäbe gar keine echte Demokratie mehr, sondern nur noch die Einheits-Blockpartei CDUSPDFDPGRÜNELINKE. Auch die Medien (“Lügenpresse”) steckten mit unter der Decke. Gut wird empfunden, dass die endlich Gegenwind bekämen (Trump, Le Pen, AfD, FPÖ, Brexit) und sich eine „echte Alternative“ (Alternative für Deutschland, Alt-Right-Movement) bildete.

Es ist leicht, diese Vorstellungen als Spinnerei abzutun, aber wenn man sich die drei wesentlichen Eckpfeiler der neurechten Programmatik besieht – Migration, Globalisierung und Political Correctness – dann ist nicht zu leugnen, dass es in diesen Bereichen tatsächlich einen gewissen Grundkonsens in den Medien und Parteien (die CSU mal ausgeschlossen) gibt. Ein Konsens, von dem allerdings gerne angenommen wird, dass es ein gesamtgesellschaftlicher Konsens ist. Weil es vernünftig ist. Weil es menschlich ist. Weil es das einzig richtige ist. Da müssten doch alle dafür sein. Nicht?

Hand aufs Herz! Ist es nicht erschreckend, dass man sich als Linker in so vielen politischen Fragen auf einmal an der Seite von Angela Merkel wähnt. Dass man anfängt, Projekte wie die Europäische Union zu verteidigen oder dass Yanis Varoufakis in pathetischen Ton verkündet, er wolle den Kapitalismus retten. Als genuin linkes Projekt! Gibt es nicht tatsächlich längst bei vielen Fragen einen Konsens, der über alle klassischen politischen Grenzen hinweg als „alternativlos“ empfunden wird? Refugees Welcome und kein Fußbreit. Aber auch: die Globalisierung ist eine im grunde positive Sache, das N-Wort sagt man nicht und Minderheitenrechte müssen geschützt werden. Doch wie weit geht dieser Konsens? Nicht so weit wie wir dachten.

Wir vergessen, dass politische Verortung eine Frage der Perspektive ist. So wie Köln und Düsseldorf sich als grundverschiedene Städte begreifen und der Berliner nur “Ruhrpott” sieht, sehen die besorgten Bürger in uns eine homogene Gruppe. Wir sind das nicht gewohnt, weil es unserer binnenwahrnehmung widerspricht. Aber das spielt keine Rolle, denn wir werden von rechtsaußen so wahrgenommen. Und wir werden längst so referenziert. Donald Trump und das Alt-Rightmovement haben einen Namen für uns. Sie nennen uns „the globalists“.

Würde Trump lesen, könnte er sich dabei auf Ralf Dahrendorf beziehen. Er hat diese Klasse bereits recht treffend um die Jahrtausendwende beschrieben. Der sich aufspannende globale Raum habe den Aufstieg dieser neuen Klasse ermöglicht. Die „globale Klasse“ ist es, die für sich die Chancen der Globalisierung entdeckt und sie zu ihrer Produktivkraft gemacht hat: den Unterschied. Damit meinte er schon damals nicht nur den kapitalistischen Großunternehmer, der seine Produktion nach Asien verlagert, sondern auch den Jogalehrer oder das chinesische Familienrestaurant in Bottrop.

Es wird Zeit über Dahrendorfs These hinauszugehen, denn seitdem ist diese globale Klasse rasant angewachsen und hat sich kulturell stabilisiert. Der Unterschied ist immer noch die von ihr kontrollierte Produktivkraft, jedoch verallgemeinert: als Information.

Es gibt heute eine globalisierte Klasse der Informationsarbeiter, der die meisten von uns angehören und die viel homogener und mächtiger ist, als sie denkt. Es sind gut gebildete, tendenziell eher junge Menschen, die sich kulturell zunehmend global orientieren, die die New York Times lesen statt die Tagesschau zu sehen, die viele ausländische Freunde und viele Freunde im Ausland haben, die viel reisen, aber nicht unbedingt, um in den Urlaub zu fahren. Es ist eine Klasse, die fast ausschließlich in Großstädten lebt, die so flüssig Englisch spricht, wie ihre Muttersprache, für die Europa kein abstraktes Etwas ist, sondern eine gelebte Realität, wenn sie zum Jobwechsel von Madrid nach Stockholm zieht. Europa und Nordamerika mögen Schwerpunkte sein , doch die Klasse ist tatsächlich global. Eine wachsende Gruppe global orientierter Menschen gibt es in jedem Land dieser Erde und sie ist gut vernetzt. Diese neue globalisierte Klasse sitzt in den Medien, in den StartUps und NGOs, in den Parteien und weil sie die Informationen kontrolliert (liberal Media, Lügenspresse), gibt sie überall kulturell und politisch den Takt vor. Das heißt nicht, dass sie politisch homogen im eigentlichen Sinne ist – zumindest empfindet sie sich nicht so – sie ist zum Beispiel in Deutschland fast im gesamten Parteienspektrum zu finden, in der CDU, SPD, LINKE, GRÜNE, FDP. Diese Klasse entspringt dem Bürgertum, aber hat sich von ihm emanzipiert.

Die Machtverschiebung ging im Stillen vor sich. Irgendwann begann sich der progressivere Teil des Bürgertums sozial enger mit seinesgleichen über Ländergrenzen hinweg zu vernetzen und kulturell zu orientieren. Die globale Klasse entstand und hat den kulturellen Wandel der Globalisierung beschleunigt. Globale Standards nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Politik, Kultur und Moral. Die progressiven, zunehmend global orientierten haben die anderen einfach abgehängt. Aber weil sie anders herrscht und weil sie sich dabei mit der Gesellschaft selbst verwechselt, merkt sie es nicht mal. Sie hat keine Gewalt auf ihrer Seite und die meisten haben noch nicht einmal wahnsinnig viel Geld. Im Gegenteil. Die globale Klasse hat zwar sehr reiche Individuen hervorgebracht, vor allem im Silicon Valley, aber interessanter Weise nutzen sie diesen Reichtum vor allem wieder, um es in diskursives Kapital zurückzuverwandeln; in andere StartUps oder in ambitionierte Weltrettungsprogramme. Denn insgeheim weiß sie längst, was die eigentliche Quelle ihrer Macht ist: Sie kontrolliert den Diskurs, sie kontrolliert die Moral.

Wer die Jungleworld liest, gehört unweigerlich zur globalen Klasse. Egal, wie linksradikal oder gar kommunistisch sich die Leser hier wähnen mögen, mit ihrem Weltbild sind sie uneingestandener Maßen viel näher an Obama und Justin Trudeau, als an den meisten Deutschen. Wir halten trotz der „neoliberalen Scheiße“ die EU für eine gute Idee und gucken zu Hause Netflixserien im Original. Wir haben uns losgesagt von den regionalen und nationalen kulturellen Standards, Idomen, Weltanschauungen und sind auch noch stolz darauf. Wir rümpfen die Nase über die, die für ihre Identität und ihr Wertegefüge auf den Bezugsrahmen Nation nicht verzichten können oder wollen.

Und das merken die anderen, die kulturell Abgehängten. Sie merken, dass uns ihre Welt zu klein geworden ist, dass wir uns moralisch überlegen fühlen und dass wir nach größerem streben. Vor allem merken sie, dass wir dabei erfolgreich sind, dass wir auf diesem Weg die Standards definieren, die nach und nach auch an sie selbst angelegt werden. Ökologische, antirassitische, antisexistische Standards. Politisch korrekte Standards eben. Und die Standards, die dabei entwertet und verdrängt werden, kamen mal aus dem Bürgertum, aus einer Zeit, als sie noch das Sagen hatten. Es ist eine kulturelle Gentrifizierung.

Auf magische Weise hat das Bürgertum trotz Grundbesitz, privater Krankenvorsorge und leitenden Angestelltenfunktion die Deutungshoheit verloren. „Take Back Control“, der Slogan der Brexiter ist der eigentliche Schlachtruf all der neurechten Bewegungen. Es gibt gerade im Bürgertum das Gefühl des Kontrollverlusts. Gemeint damit ist der Verlust der kulturellen Hegemonie, der als nationale “Souveränität” erinnert wird. Englische Standards wurden in England bestimmt, Deutsche in Deutschland, amerikanische in den USA. Die globale Klasse bringt alles durcheinander!

Und das ängstigt die Arbeiter genau so wie die Bürger selbst. Es ist nicht so, dass die Arbeiter Eliten ablehnen, im Gegenteil. Aber viele wollen ihre alten Eliten zurück, die noch in derselben Welt gelebt haben wie sie. Deswegen schafft Trump, was Mitt Romney nicht schaffen konnte: Identifikationsfigur zu sein und positiver Entwurf einer Elite zu sein, zu dem sich die Arbeiter verbinden können. Trumps Erfolg kommt ohne Bildung und ohne Political Correctness aus, deswegen wirkt er erreichbar. Er repräsentiert eine entmachtete Elite der guten alten Zeit, die sich die Leute zurückwünschen. Eine Elite, die zwar egoistisch und brutal kapitalistisch war, die aber kulturell anschlussfähig und national bezogen blieb.

Und weil man gegen die globale Klasse nicht moralisch und argumentativ gewinnen kann, bleibt der alternativen Rechten nur noch, jede Moral und jedes Argument zu verweigern. Trump und Brexit und die Reahabilitation von „Völkisch“ sind argumentative und moralische Pflastersteine in unsere Vitrinen. Sie sind der internationale Aufstand gegen die kulturelle Hegemonie der globalen Klasse. Der Brexit macht die Richtung klar: eine andere Welt ist möglich. Aber als Drohung.

PS: wie es der Zufall so will, spülte mir meine Filterbubble genau zum Zeitpunkt der Veröffentlichung folgenden Text rein: Zwischen Hyperkultur in Kulturessentialismus. Er beschreibt meines Erachtens genau den selben Konflikt, den ich hier beschreibe, allerdings wesentlich detaillierter und soziologisch fundierter.

73 Gedanken zu „Die Globale Klasse – Eine andere Welt ist möglich. Aber als Drohung.

  1. Okay, die Deutung eines neuen Klassengegensatzes mal angenommen. Was folgt? Also welche Mittel hat der neue Klassenkampf gegen die „antimoderne“ Klasse der „kulturell Abgehängten“? Was bleibt übrig, wenn sie den gemeinsamen Diskursraum bestreiten oder gar zerstören?

  2. Es gibt seit mehreren Jahren eine Große Koalition im Bundestag, die Parteien der Opposition können manche Wähler nicht abholen bzw. sind durch die Bundesratsstimmen bereits an der Einheitsfront beteiligt. Es gibt einen Mangel an parlamentarisierter Opposition. Nicht einmal die FDP als bürgerliche Oppositionspartei ist mehr signifikant. Die Praxis des Fraktionszwangs entgegen des Geistes der Verfassung und die Entsendung von Spitzenpolitiker in die Rundfunkräte tut ein übriges zur Formation eines dröhnenden, vernünftelnden Konsenses.

    Wenn Angela Merkel im Zeichen der Niederlage ihren CDU-Leuten in Mecklenburg-Vorpommern, die abgesehen von der Kanzlerin einen unglaublich hartrechten Wahlkampf führten, das Blockflöten empfiehlt, gibt sie ein ziemlich böses Stichwort für die politische Kritik von rechts.

    Die Neubewertung des Begriffs „Völkischen“ wird ja erst dadurch virulent sein, dass die AfD leichtsinnig als „völkisch“ verunglimpft wurde. Und in der Tat kann man ja zum naturalistischen Begriff des Völkischen zurückkehren und die Spinnerrechten unserer Urgroßeltern hinter sich lassen. Vielleicht ist es ja sogar gut.

    Eine Person wie Trump repräsentiert einen narzisstischen Typ, mit dem sich die Leute identifizieren können, weil er exzessiv über die Stränge schlägt. In seiner ungehobelten Freiheit spiegelt sich die Freiheit aller. Er nimmt den Begriff des Proletarischen ernst, indem er die Wünsche der Arbeiterklasse repräsentiert wie kein Zweiter. Immerhin sind sie seine Kunden. Dass dies kein höheres Menschsein und keine Verfolgung objektiver Interessen bedingt, steht auf einem anderen Stern.

    Wenn die globale Klasse diskursbeherrschend ist, dann ist auch verständlich, warum der Widerstand antiintellektuell, antimedial ist, und indiskutable Rabauken wie Trump Einfluss erhalten. Tatsächlich rauscht nicht die globale Dominanz herab sondern der amerikanische Einfluss, es kommt die multipolare Welt. Mit Hillary können wir noch verschnaufen im same-old, während Trump ernsthaft die Europäer für die Reste der amerikanischen Besatzung und ihre überzogenen nationalen Militärausgaben zahlen lassen will. Welche Art von Politik brauchen wir in einer multipolaren Welt? Wahrscheinlich eine, die stärker identitär ist aber trotzdem links bleibt. Für die Beziehungen mit China, Brasilien und Russland gibt es kein Schema, dass uns nach links-rechts positioniert. Erstens muss man wissen, wo man selbst steht und dann, was man mit diesen Mächten im Konzert erreichen kann. Hier bestehen viele Chancen für die Linke.

  3. Interessanter Ansatz. Ich frage mich auch, warum progressive Bewegungen (Stichworte: Gorbatschow, Mauerfall, Arabischer Frühling, Obamas Change, Occupy, Piraten, …) gescheitert sind und warum der Backlash überall (Putin, Pegida, ISIS, Trump, TTIP/CETA, AfD, …) so heftig boomt.

    Ich glaube, es gibt in der Gesellschaft 2 Gruppen:
    Es gibt eine Gruppe, der geht es nicht so gut. Diese Menschen sind unzufrieden mit den herrschenden Verhältnissen, sie wünschen sich mehr Freiheit, mehr Gerechtigkeit, mehr Mitsprache, mehr echte Demokratie. Sie sind tendentiell jung, urban, gebildet, links. Sie haben große Hoffungen in die progressiven Bewegungen gesetzt. Diese Hoffungen wurden dann zum großen Teil enttäuscht.

    Der progressiven Gruppe steht eine andere Gruppe gegenüber. Denen geht es auch nicht gut. Aber statt Hoffnung auf Veränderung haben sie eher Angst vor Veränderung. Nicht zu Unrecht, denn Umwälzungen wie Digitalisierung, Globalisierung, die Auflösung von Grenzen bedeuten Veränderungen der gewohnten Lebensweise, Unbekanntes und Fremdes macht Angst. Die Menschen fühlen sich überfordert, ausgeliefert, ohnmächtig.
    Wo die Hoffnungsvollen Chancen sehen, selbst etwas zu verändern, sehen die Reaktionären und die Enttäuschten vor allem ihre Ohnmacht den Veränderungen gegenüber, die irgendwie von „denen da oben“ kommen, oder von draußen, von den Fremden, die hier vielleicht eher Metapher als echte Bedrohung sind: Alles soll so bleiben, wie es eigentlich nie war.

  4. Globals und locals- Dazu ein Aspekt von Harm de Blij:
    HARM DE BLIJ, The Power of Place, Oxford University Press, Oxford, New York 2009
    Der Autor unterscheidet „Globals, Locals and Mobals“. Knapp gefaßt: Globals sind weltweite Akteure, in einer geebneten (flat) Welt, Locals sind weitgehend an den Ort oder die Region ihrer Geburt gebunden, Mobals sind Arbeitsmigranten (keine Flüchtlinge) zwischen Integration und kulturellem Verharren.

    The Fateful Geography of Religion
    »Diese Anführer [gemeint sind radikale Islamisten ds] übertragen höchst unflexible und rückwärtsgewandte Eigenschaften ihres Glaubens in ein Europa, das immer noch die Narben aus Glaubenskriegen von vor einem halben Jahrtausend trägt. Das ist ein Kampf grundsätzlicher Gegensätze in einer Gegend, deren Bevölkerungszahlen schrumpfen, und viele durch Überlegungen den Glauben an den Glauben verloren haben – und nun werden sie mit der Vitalität, demographisch wie religiös, eines unendlichen Stroms von Einwanderern mit einem unerschütterlichen Glauben an den Glauben konfrontiert. Wer, wie Atlantic Monthly 2005, die Frage nach einem “Islamischen Europa” stellt, übertreibt nicht (Savage, 2004). Europas wirtschaftliche, politische und soziale Zukunft ist mittlerweile unauflösbar verknüpft mit der Vergangenheit von Süd-West Asien.« aus: Harm de Blij, The Power of Place, Oxford University Press, Oxford, New York 2009, Übersetzung Dierk Schäfer.

  5. Das Gegenargument wäre, dass mit Integration und steigendem Wohlstand auch bei den Zugewanderten die selben Effekte einsetzen, die immer einsetzen: Säkularisierung, Geburtenratenschrumpfung, Liberalisierung.

  6. mspro schreibt eingangs im Artikel:

    Ich wurde erst sehr spät über die Ablehnung informiert und die
    Begründung erfolgte auch erst auf Nachfrage

    Wär natürlich interessant, wie die Begründung der Jungle-World geht. Vielleicht kannst du (mspro) sie dem Artikel noch hinzufügen bzw. mal als Kommentar (im Wortlaut) posten, dann wird der Teil zur „verweigerten Kontroverse“ vielleicht klarer.

  7. Globale Wutbürger haben Macht? Die können vielleicht das politische Establishment erschüttern und Madame Merkel in Panik versetzen. Aber Macht? Die liegt woanders (und schon gar nicht bei der mächtigsten Frau)! Nein, Geld regiert die Welt und die, die es dick haben.
    Nach der Finanzkrise, was hat sich wirklich geändert?
    Die Deutsche Bank, mit wem hat sich die Geldgierige Bande angelegt? Mit der Finanzindustrie. Und die macht sie fertig!
    Wer zahlt? Auch die Wutbürger.

    1. mein klassenbegriff ist nicht marxistisch-orthodox genug. 2. ich rede rechten verschwörungstheorien das wort.
  8. Hallo, ich denke, das Problem des Textes ist, dass man ihn so lesen kann, als wenn Du die Globale Klasse als das Problem bezeichnest: wir, bzw. die neuen Heimatlosen seien sozusagen schuld, dass die Nationalisten jetzt aufmucken. Verständnis für die Abwehrreaktion der Nationalisten, Religiösen und Identitären aufzubringen (was ja zur Analyse notwendig ist), erfordert im Gegenzug eine Perspektive und eine Abgrenzung: Ein eindeutiges Plädoyer für die Globale Klasse. Dies fehlt dem Text. Also, wenn das denn Deine Intention ist, wie gesagt, das wird nicht deutlich….

  9. Pingback: Carta — Die Globale Klasse – Eine andere Welt ist möglich. Aber als Drohung. - Carta

  10. Ich bin auch ausgesprochen verblüfft, dass der Artikel abgelehnt wurde, denn … klar, das ist nicht die bequemste Interpretation, aber wirklich provokativ finde ich das nicht. Ganz im Gegenteil: Ich hab über den Text zwar noch nicht genug nachgedacht um jetzt schon zu sagen, ob ich die These (oder Teile) für richtig oder falsch halt. Aber immerhin ist es mal ein anderer Erklärungsansatz und bis hierhin von immerhin bemerkenswerter Schlüssigkeit.

    Daher erstmal nur zwei Dinge: Erstens Danke für den Denkanstoss. Zweizens: Kennst Du „Abschied vom Nationalstaat“ von Martin Albrow von 1998 (hier eine Rezension bei zeit.de aus eben jenem Jahr)? Falls nein, und falls es Du es lesen magst, würde ich mir freuen, Dir als Dankeschön ein Exemplar zukommen zu lassen.

  11. Wenn Sie sich tatsächlich so global bewegen, wie der Artikel vorgibt, würden sie in Diskussionen außerhalb Deutschlands schnell die Verwunderung über die deutschen Sonderwege in der Energie- und in der Migrationspolitik bemerken. Ja, ich sehe auch weltweit eine neue globale Klasse. Aber die Deutschen werden einerseits für ihren Erfolg beneidet, aber auch für ihre Sonderwege belächelt. Und man sieht von außen deutlicher, welche Probleme noch auf uns zukommen werden.

  12. tja nur dass die kulturell abgeängten nun einmal nicht „freiwillig“ kulturell abgehängt sind.

    Wenn in Ländern wie Rumänien und Bulgarien dass Durchschnittseinkommen nicht einmal an Hartz4 herranreicht unter arbeitsbedinungen die ein Witz sind … wenn Hartz4 auch nichts anderes bedeutet als eingefrore Armut…

    Dann darf man sich nicht wundern dass die Leute auf diesen Grundkonsens einen warmen Furz geben. Wenn Globlisierung nur bedeutet dass die Ausbeutung und Verödung weiter Landstriche und Bevölkerungsteile in ein nettes Kleid schöner Phrasen gebettet ist. Dann ist mir das Bedürfnis derer die in der „Sonderzone Wohlstand“ leben dürfen, das man das unter der nächsten Brücke verhungernde Zigeunermädchen jetzt nur mehr Romateeny nennen mit Armnutshintergrund nennen darf herzlich unverständlich.

  13. Gerade was den kulturellen Aspekt angeht, halte ich deine Überlegungen für schlüssig und auch die Folgerungen sind gut.

    Was mich aber ein wenig stört, was zwar nur unterschwellig im Text vorkommt, ist das, Kritik an Globalisierung und Handelverträgen eben nicht nur Nationalistische oder Rechte Gründe hat. Du schreibst es auch in einem Nebensatz mit der „Neoliberalen Scheiße“.

    Mein Punkt ist, dass dieses „abgehängt“ fühlen natürlich auch genau aus diesem Mechanismus kommt. Die Produktion von Gütern wurde in grossen Teilen verlagert was zur Folge hatte, das dort wo früher Millionen Menschen von ihrer Arbeit leben konnten, nun viele auf Mindestlohn und Harz IV angewiesen sind, aber auf der anderen Seite die Produktion jetzt unter Menschen- und Umweltunwürdigen Bedingungen, die z.b. in Europa undenkbar wären, erfolgt.

    Was erstaunlich ist. Wir haben es also zugelassen, dass in China, Indien oder Kambodscha z.b. Textilfabriken, die hier strenge Umweltauflagen haben und gewerkschaftlich erkämpfte Löhne zahlten, dort bei absoluten Minimallöhnen unter krass verschmutzenden Bedingungen produzieren und nach Europa liefern dürfen.

    Das sind natürlich auch die Folgen der Globalisierung. Das nun dadurch einige Menschen Internationale Arbeitsplätze haben, ist für den Einzelnen zwar nett, aber für die, die in der Produktion sitzen oder sassen, ist es auf beiden Seiten erstmal eine Katastrofe.

    Wenn es dann darüber hinaus Handelsverträge gibt, die lediglich diesen Handel zementieren, aber eben nicht Arbeits- und Umweltstandards festlegen, ist es erstaunlich, dass es Menschen gibt, die sich als „Links“ begreifen, diese Verträge unterstützenswert halten.

    Das ist auch ein Teil des von dir genannten Problem, ohne das man bei der Afd oder FN landen muss. Es gibt also auch ein nicht kleiner Teil der Linken, die genau diese seltsame mißachtung der Produktionsverhältnisse und des kapitalistischen Hintergrund mancher „Linken“ Kreise nicht nachvollziehen können.

    Ein weiteres Problem ist, das heute geglaubt wird die Optimierung von Arbeitsprozessen sei etwas prinzipiell Gutes. Es ist aber nur gut für den Unternehmer und selten für den direkt betroffenen. Die nach 1980 geborenen können sich kaum vorstellen, dass es mal eine Zeit gab, wo drei Pförtner am Unieingang saßen und den Präsidenten jeden morgen gegrüßt haben. Alle drei konnten eine Familie mit vier Personen ernähren und bekamen eine Rente und die Gesundheitsversorgung war kostenlos. Auch wenn sie nicht dreimal in den Urlaub fliegen konnten, war das Auskommen gesichtert. Für die gleichen Menschen ist es heute ungleich schwerer. Das Problem ist der Glaube an die Optimierung, die alle dir dort nicht mehr vorkommen Fallen läßt.

    Das der Artikel nicht in der jungle world veröffentlicht wurde liegt wohl auch daran, dass du zu wenig Fremdworte benutzt hast :-p

  14. Recht „scharf“ gedacht und wenn man den Text etwas weichspült bleibt mE ein ziemlich interessantes Phänomen = die Kluft zwischen denen, die diffuse Angst haben, (über die Angst hinaus, die Menschen immer materiell haben = Armut, Job- und Wohnungsverlust), die Welt nicht mehr zu verstehen, nicht mehr an der Deutungshoheit beteiligt zu sein, die neuen Spielregeln von facebook, snapchat, clouding, instagramm und Co nicht (mehr) zu kapieren (ist zT eine Generationenfrage aber nicht komplett) und den anderen, die lässig übers Meer der Globalisierung segeln, wissend dass man schon lange keinen Kompass, Karte, bald nicht mehr Segel braucht, sondern GPS, google maps, solarpanels genügen (mehr moderne Beispiele im digitalisierten, post-materiellen Zeitalter kann man sich mühelos fast beliebig ausdenken). Natürlich muss man zeitselbstkritisch überlegen, ob solche Klüfte nicht immer da waren zwischen den Generationen und auch den „Klassen“ aber es könnte sein, dass sie im Internet 4.0 explosiver werden.

  15. Zum Klassenbegriff: Die Doku ‚Class Dismissed‘ How Tv Frames The Working Class (2005) (https://www.youtube.com/watch?v=6QSlyq7tSYs) ist bekannt, oder?
    Darin kommt eine Aufdröselung von „Class“ in „economical class“, „political class“ und „cultural class“ vor. Ist in den Amerikastudien ziemlich commonplace, da Unterscheidungen vorzunehmen. Andererseits wird da insgesamt nicht sehr viel über Class geredet, weil es in den USA immer noch ein Tabu an sich darstellt. 😉
    Hoffe, das stellt (falls noch nicht bekannt) eine Inspiration dar. ^^

    Beste Grüße

  16. Bizarr, daß dieser Text nicht in Jungle World veröffentlicht wurde. Behält er doch die gängigen elitären Narrative bei, hinterfragt sie lediglich ein paar Grad weit, um gerade noch dieser neuen Opposition das Menschsein zumindest nicht abzuerkennen. Scheinbar ist das bereits zu viel für die linken Meinungsführer.

    Aber mal ehrlich, liebe Jungle World Leser: zu argumentieren habt ihr noch gar nicht anfangen. Was diese „globale Klasse“ auszeichnet, ist nicht Intellekt, sondern Haltung – rationale Auseinandersetzung wird ja gerade vermieden, mit dem Verweis, daß ja jeder, der nicht die eigene Sicht teilt, bereits per Definition zwangläufig irrational sein müsste. Das ist ein großartiges Perpetuum Mobile eitler, anspruchsloser Bequemlichkeit. (Und man postet sich dann auch lieber gegenseitig die Tweets oder Facebook-Posts irgendwelcher rechtsradikaler Idioten, um sich in dieser Eitelkeit zu bestätigen – während parallel dazu in ganz Europa die gesellschaftlichen Mehrheiten gerade zu den neuen Rechten wandern, und wahrscheinlich wie es aussieht, in den nächsten Jahren die EU in Schutt und Asche legen werden. Aber schon gut, Hauptsache man teilt mit den lateinamerikanischen Facebook-Freunden weiterhin total witzige Trump-Satiren und unterhält sich über vegane Rezepte.)

  17. Dass der Text nicht in der Jungleworld abgedruckt werden konnte, ist doch klar. Er ist nirgends gegendert. Auch fehlt ein klares Plädoyer für eine heile Welt sowie ein kurzgegriffener Gedanke, warum die Rechten an allem Schuld sind, besonders an der gegenwärtigen relativen Verwirrung der VIP-Lounge-Linken.

    Gleichwohl danke für die Comedy. Leute von etwas weiter außen sind jetzt also tendenziell nicht marxistisch genug oder falsch marxistisch und die Linken wundern sich, warum man sie als abgehoben und sich mit nahezu belangloser Nabelschau beschäftigend wahrnimmt und mithin als vor offener Debatte sich wegduckend („generalisiertes derailing“ würde ich es nennen). Es ist zum brüllen!

    Wenn ein solcher Text den Linken schon zu heiß ist, darf man wirklich einmal fragen, wozu man die denn eigentlich noch braucht? Wenn man sich zu allem, was einen bekümmert, erstmal einen dicken theoretischen Überbau zu überlegen hat, bevor man die Sorge(n) äußern darf, braucht man sich über mangelnde Zuhörerschaft jedenfalls nicht noch weitere Theorien zurecht legen.

  18. Tatsache ist doch das Demokratie nicht aus Wunschdenken entstand sondern sie war die reale Umsetzung erworbener wirtschaftlicher oder sonstiger Macht der bis dahin nahezu rechtlosen Klasse des Bürgertums. Die Bürger waren einfach bereits faktisch wichtiger als die Adligen bezogen auf ihre wirtschaftliche Potenz sie zu unterdrücken kostspieliger .
    Das ist halt schlicht nicht mehr so das Kapital sammelt sich bei 1 % neuem adel und die Macht der Fähigkeit bei den 9 % dahinter die restlichen 90 % sind in einer globalisierten Welt willkürlich austauschbar man kann immer neue holen an Armen besteht kein Mangel ^^.
    Also ja sofern Demokratie etwas mit der Herrschaft des Volkes zu tun hat ist ein Widerstand gegen die hier so euphemistisch „Globalisierungsklasse “ genannten neu Aristokraten erste Pflicht eins jeden an der Res Publica interessierten Bürgers.
    Übrigens hat Kant in seinem Buch zum ewigen Frieden das Problem recht genau beschrieben und Verhalten wie das unserer Bundeskanzlerin als Verrat am Staat erkannt denn dieser kann nachdem er einmal über Staatsvolk definiert wurde nicht mehr rechtmäßig verändert werden die Aufgabe von Souveränität durch Volksvertreter nicht möglich weil per definition die inner Zustimmung zur Aufgabe von Souveränität zusammenfällt mit dem nicht mehr zugerechnet werden können, Ein gewählter President der sein Amt an ein anderes Staatsähnliches Gebilde abgibt tut dies wenn auch nur für eine Sekunde als unrechtmäßiger Fremdherrscher.
    Ich finde die Arroganz der sogenannten „globalisiertenKlasse “ erstaunlich fehlt es ihr doch gänzlich an den Großleistungen vergangener Generationen seien sie kulturell wissenschaftlich oder sonstiger Natur.
    Wollen sie wirklich das man etwas anderes sieht als eine bestenfalls rosa getünschte Dystopie ? Dann nennen sie endlich Roß und Reiter entfernen sie sich aus nationalen Gremien und schauen sie ob sie eine demokratische Legitimation für ihre nicht näher bezeichnete Vision bekommen .
    Noch dreht sich das Rad der Fortuna meine Freunde

  19. @Metaphora.

    „Der progressiven Gruppe steht eine andere Gruppe gegenüber. Denen geht es auch nicht gut. Aber statt Hoffnung auf Veränderung haben sie eher Angst vor Veränderung“.

    Nun ja, wer da wem gegenübersteht ist nicht immer so eindeutig.

    „Dieser Ort mit seinen Grundsätzen, wie wir ihn uns in den letzten 25 Jahren erkämpft haben, muss bestehen bleiben“ ist kein Zitat von Pegida, sondern von Conne Island

  20. Die Jungle World musste diesen text ablehnen, weil er nicht nur leserlich geschrieben , sondern auch frei von Arroganz und Zynismus ist. Vielleicht bin ich aber auch nur ein zu schlichtes Gemüt, dem die selbstreferentielle Beweihräucherung der „globalists“ auf den Senkel geht. Ich sehe in ihren Gedanken einen der wenigen Versuche den ebenfalls stark kritisierten Worte von Kretschmann zur kulturellen Hegemonie mehr Inhalt zu schenken. Kaum wagt es jemand die Filterblase zu verlassen, die sich mit der Bezeichnung links schmückt, aber alles andere als links ist, muss er mit scharfer Kritik leben. Dagegen wäre auch nichts einzuwänden, wenn diese Kritik fundiert wäre. Aber so wie die Kritik formuliert ist geht sie gegen das Kind, das feststellt, dass der Kaiser nackt ist.

  21. Ein interessanter Beitrag, sowohl mit Aussagen, denen man zustimmen, als auch solchen, denen man widersprechen möchte.
    Einer der Widerspruchspunkte aus meiner Sicht ist die ökonomische Darstellung:
    Die „Globalisten“ setzen nicht – wie im Text behauptet – ihr eigenes Kapital für die Weltrettung ein, zumindest nicht vorwiegend, sondern das Geld und die Ressourcen anderer Leute, bevorzugt das Geld und die Ressourcen der von ihnen als „abgehängt“ Verachteten. Es sind der Müllfahrer und die Krankenschwester, die mit ihrer Stromrechnung die Solaranlagen auf den Dächern der ökologisch Bewußten finanzieren, es ist die jeweils einheimische Unterschicht, denen und deren Kindern man die Migranten-Integration als schulische bzw. Wohnumfeld-Nebenaufgabe überhilft und natürlich sind auch die ganzen Gender-Professuren nicht etwa von den „Globalisten“ finanzierte Stiftungsprofessuren, sondern solche, die aus allgemeinen Steuern finanziert werden.

    Wer aber die selbst definierten Aufgaben grundsätzlich andere finanzieren und erledigen läßt und nur die im Sinne der eigenen Vorstellungen korrekte Umsetzung kontrolliert, müßte sich bei auch nur geringer Reflektion eingestehen, daß „Parasit“ die wesentlich treffendere Bezeichnung ist.

  22. Wenn an sich ansieht (und anhört), welche „Empfehlungen“ den zurückgebliebenen Nichtglobalisten seitens der Vertreter der neuen globalistischen Klasse gegeben werden, dann kann es sich bei dieser neuen KLasse allerdings keinesfalls um diejenige handeln, die überreichlich mit Intelligenz versehen ist. Ich denke dabei beispielsweise an: „Eine Armlänge Abstand halten“ und „Weihnachtslieder singen und Blockflöte pfeifen“. Frage: Ist das die neue, globalisierte und bessere Welt, oder sind das instinktlose, überhebliche und selbsgefälige Blödheitsergüsse? Ich tendiere stark zur zweiten Alternative!

  23. „Und weil man gegen die globale Klasse nicht moralisch und argumentativ gewinnen kann, bleibt der alternativen Rechten nur noch, jede Moral und jedes Argument zu verweigern.“

    Meiner Ansicht nach wird der Aspekt der Globalisierung überschätzt und gesellschaftliche Entwicklungen, wie die der Depatriarchalisierung und einer Feminisierung der Eliten, unterschätzt.

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  25. Der Hinweis ist berechtigt. In einer längeren Ausführung hätte ich diesen Aspekt sicher berücksichtigt.

  26. Ihr Text ist unerwartet lesenswert und schafft es, auch einen von Ihnen gewiss als „rechts“ bezeichneten Kritiker zum Weiterlesen zu bewegen. Das ist heute angesichts der eklatanten Einseitigkeit der medialen Darstellung ja nicht selbstverständlich.
    Obwohl Sie selbst eine klare Parteinahme vornehmen, bemüht sich Ihr Text mehr als es sonst vorzufinden ist, um eine etwas umfassendere Sicht. Man könnte auch sagen, dass Sie sich um Empathie bemühen. Das ist anerkennenswert.

    Der Grundaussage Ihrer Darstellung – nämlich die Spaltung zwischen „globaler Klasse“ einerseits und Arbeitern, kleinen Angestellten und traditionellem Bürgertum andererseits – möchte ich zustimmen. Schon etwas weniger stark möchte ich allerdings Ihrer Erklärung für diese Spaltung beipflichten.

    Sie berücksichtigen die sozioökonomische Situation zu sehr.

    Bei den sog. „kleinen Leuten“ mag dieses beliebte Erklärungsschema ja noch teilweise funktionieren, schließlich fordert die Globalisierung insbesondere hier ihre Opfer. Im Konkurrenzkampf mit Niedriglöhnern in Osteuropa/Fernost oder mit großzügig allimentierten Eingewanderten auf dem heimischen Wohnungsmarkt sind sie die von den neoliberalen Linken des Spiegels oder der Zeit nie beweinten Opfer.

    Doch im Bürgertum ist es anders. Sie übersehen, dass ein Großteil des AfD-affinen Bürgertums ja gar keine gravierenden finanziellen Nachteile hat. Gewiss, die Steuerbelastung ist gerade im mittleren Einkommensbereich unangemessen hoch und auch der Fortfall von Zinsgewinnen verärgert, aber das ist – glauben Sie mir – nicht der eigentliche Beweggrund!

    Der eigentliche Beweggrund ist für Sie – als einen mental der globalistischen Szene Zugehörigen – vermutlich gar nicht nachzuempfinden: es ist der Verlust, ja die Zerstörung von Heimat und vertrauter Identität.
    Das Leid, das Sie empfinden würden, müssten Sie beispielsweise in einem katholischen süddeutschen Dorf in den 1960er Jahren leben, das erleiden auf andere Art nun andere, … weil die Welt hereinbricht ins Eigene.

    Die eigene gewohnte Lebenswelt – in der Nachbarschaft, im Erleben von Sprache im Umfeld und in den Medien, das Lebensgefühl und Sicherheitsempfinden in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Schwimmbädern und auf der Straße – ist einer massiven, immer schnelleren und stets von außen übergestülpten, fremd gesteuerten, nie selbst gewollten Veränderung unterzogen. Diese Veränderungen werden nicht nur abgelehnt, sondern subjektiv als Leid empfunden. DAS ist der Punkt! Es ist das Leiden und die Hilflosigkeit, mit der duieses Leiden hingenommen werden muss.

    Veränderungen, die Sie und Ihresgleichen für normal, für entweder unvermeidlich oder gar als positiv wahrnehmen, werden von den vielen anderen wirklich nicht nur erduldet, sondern erlitten. Ich wiederhole mich, weil es wirklich der springende Punkt ist.
    Das Leiden ist weniger materiell-finanziell als vielmehr mental. Nun gut, die deutschstämmige Unterschicht leidet sowohl physisch-materiell als auch mental.

    Da das linke bzw. marxistisch geprägte Denken gewöhnlich nur um das Materielle kreist, kann es dieses immaterielle Leiden nicht erfassen. Daher die nach wie vor fehlerhafte Erklärung jenes Phänomens, das die Herrschenden als „Rechtspopulismus“ bezeichnen und zu diffamieren suchen.

    Dass diese erlittenen Belastungen, diese Zerstörung von Heimat und Identität, nun gleichzeitig von den globalistischen Eliten und ihrem Fußvolk (z.B. in den Medien) so gebetsmühlenartig für gut und wünschenswert erklärt oder verklärt werden, reißt einen Graben auf, der inzwischen kaum noch überwindlich scheint.

    Dass die globalistische Propaganda aus Sicht der „Rechtspopulisten“ überdies so plump, so nahezu argumentfrei daherkommt und sich unübersehbar vor allem auf die physische, politische und wirtschaftliche Macht der „globalen Klasse“ stützt, steigert die Verbitterung noch.
    So entsteht der Eindruck, dass die globalistische Klasse es nicht mehr nötig zu haben glaubt, überhaupt noch zu argumentieren, sondern sich mit einer Arroganz und Überheblichkeit zum Herrschen und Verändern berufen wähnt, die an den Adel des ancien regime (d.h. den Adel vor der französischen Revolution) erinnert.
    Man denke nur an Merkels Selbstermächtigung gegen geltendes Recht.

    Und so wird auch das Zusammengehen von Arbeitern und Bürgertum verständlich – es hat seine Parallele im gemeinsamen Aufstand des Bürgertums und der Arbeiter in der Revolution von 1848 gegen den Adel.
    An 1789 möchte ich nicht gern erinnern, da die Wut der Deklassierten gegen den Adel damals jedes Maß sprengte und eine Wiederholung dieser Exzesse nun gewiss nicht wünschenswert ist.
    Dennoch sei wiederholt: die Konfliktlinie verläuft zwischen einem global fühlenden neuen Adel (sowie seinen Sympathisanten) und dem Volk.
    Und genauso, wie auch der Adel den Begriff „Volk“ nicht liebte, so wird er auch heute zu dekonstruieren versucht.

    Die Linken sind dabei lediglich der vom Adel benutzte Pudel. Ein naiver Pudel, denn er glaubt, er könnte mit dem Herrchen an der Leine machen was er will. Welch ein Irrtum!

    Die Verweigerung des Diskurses – etwa im Falle von Sarrazin oder angesichts der heutigen Masseneinanderung – schließlich ist es, was auch zunehmend bisher noch mitspielende Anhänger des Establishments und Gebildete verstimmt, verärgert, in die innere Emigration treibt – und schließlich die Seiten wechseln lässt. Denn dass das globalistische Konzept massiven gedanklichen Täuschungen unterliegt, dass hier logische Fehler gemacht werden, dass die Natur des Menschen ignoriert wird und schwer wiegende Risiken verharmlost werden, das ist mittlerweile immer mehr Menschen bewusst.
    Denken Sie nur an so unverfängliche Persönlichkeiten wie etwa den Bundeswehr-Professor Michael Wolffsohn, den Bevölkerungswissenschaftler Gunnar Heinsohn oder den Philosophen Peter Sloterdijk !

    Noch mehr aufgerissen werden die ohnehin schon tiefen Gräben, die längst nicht nur unser Land, sondern ganz Europa durchziehen, aber durch die unsägliche Selbstgefälligkeit, mit der die globale Klasse überdies auch noch behauptet, selber zu den moralisch Guten zu gehören und moralisch höherwertige Ziele zu verfolgen, während alle Kritiker moralisch minderwertig seien. Dass der Hypermoralismus gleichzeitig Herrschaftstechnik ist, haben wir längst begriffen.
    Die Ausgrenzung, die die globale Klasse den Traditionalisten vorwirft, wird von ihr selbst ja auf die Spitze getrieben!

  27. mspro: „mein klassenbegriff ist nicht marxistisch-orthodox genug. 2. ich rede rechten verschwörungstheorien das wort.“

    Dein Klassenkonzept kommt sogar ganz ohne Bezug zum Kapitalismus aus!

  28. @rechtspopulist Danke für den Einblick. auch wenn ich Ihrer Sichtweise nicht zustimme, finde ich eine solche artikulierte Version des Konflikts sehr wertvoll. Leider habe ich das Gefühl, dass sich das, was Sie hier ausdrücken in den meisten anderen Fällen (von anderen Leuten) in rassistischem Geschrei bemerkbar macht, was es wiederum für Linksstehende leicht macht, es zu ignorieren.

  29. @Rechtspopulist Ich fand ihre Antwort auch sehr erhellend. Schön, wenn so eine Diskussion auch doch noch ohne Geschrei von beiden Seiten geführt werden kann.

    Ich würde ihnen ganz persönlich zustimmen, dass ich diesem „Heimatverlust“-Gefühl zB nur zum Teil zustimmen kann und denke auch, dass sie damit Recht haben, dass es da viele auf meiner Seite des „Grabens“ gibt, die das überhaupt nicht können.

    Aber was denken Sie denn, wäre eine Lösung um zumindest die Diskussion und Kompromissbereitschaft wieder herzustellen?

    Bei Ihrer Analogie zur Französischen Revolution musste ich auch noch unbedingt daran denken: Jede Seite denkt, dass sie die Gute ist. Vielleicht mal ein eher popkulturelles Beispiel: In der US-Amerikanischen Politik machen sowohl Republikaner als auch Demokraten gerne Vergleiche, die Star Wars-Metaphorik bemühen. Und beide Seiten stellen sich gerne als die Rebellen aka. „Die Guten“ da. Und die anderen sind immer das Imperium.

  30. „Die eigene gewohnte Lebenswelt – in der Nachbarschaft, im Erleben von Sprache im Umfeld und in den Medien, das Lebensgefühl und Sicherheitsempfinden – ist einer massiven, immer schnelleren und stets von außen übergestülpten, fremd gesteuerten, nie selbst gewollten Veränderung unterzogen. Diese Veränderungen werden nicht nur abgelehnt, sondern subjektiv als Leid empfunden.“

    Aus meiner linken, westberliner, Computernerdperspektive beschreibt das ziemlich gut meine Probleme mit der blinden Terrorhysterie, dem Sicherheitswahn und der Technikfeindlichkeit deutscher und internationaler Politik, aber auch mit dem gefühlten Rechtsruck und dem gesteigerten Konservativismus und Regelhörigkeit, die sich in Berlin breit macht.

  31. Ein Manko des Textes (wie auch der beschriebenen globalen Klasse) ist die fehlende Bindung zum Leben und zum Sein: damit ist gemeint, wo sind die Kinder der Globalisierten? Wo leben die Familien? Haben Sie welche? Wo findet für diese ein Familienleben, mit Garten, Freunden, Grillpartys, gemeinsamen Veranstaltungen für alle statt? Die Globalisierten leben flüchtig und sind also auch immer auf der Flucht. Das mag für sie gut gehen, ist aber kein Modell, auf dem eine Gesellschaft, national oder supranational, funktionieren kann. Das Echo der „Abgehängten“, die eigentlich eher als von den Globalisierten „Verdrängte“ zu bezeichnen sind, ist die Rückkehr zur Basis, zu Raum, Volk, Boden, Brot und längerfristiger Perspektive. Immerhin ist der vorliegende Text ein interessanter Impuls, der viele Ideen freisetzt, für die JungleWorld also ein klarer Verlust, auf ihn zu verzichten.

  32. @Rechtspopulist

    Mal unterstellt, Ihre Position ist im Lager derer, die sich selbst als Wutbürger bezeichnen mehrheitsfähig: Wie erklären Sie denn dann, dass die Ablehnung von aus dem arabischen Raum Zuwandernden gerade in den Regionen besonders hoch ist, in denen vergleichsweise geringe Erfahrungswerte im Zusammenleben bestehen. Wo Menschen keine homogene Sozialgruppe bilden und dennoch zusammenleben – oder wenigstens nebeneinander -, gibt es nicht annähernd so große Vorbehalte, wie in Regionen, in denen das eben nicht der Fall ist.

    Ich verstehe auch nicht, wie man den Standpunkt vertreten kann, es habe um die Bücher von Sarrazin keine Debatte gegeben. Vielleicht hat eine solche Debatte nicht das Ergebnis gezeitigt, dass Sie sich gewünscht haben, aber es gab doch eine breite Diskussion rund um die Thesen.

    Wo genau findet sich das Sicherheitsempfinden, bzw. Lebensgefühl in offiziellen Statistiken wieder? Und steht das nicht im Widerspruch zu den zahlenmäßig sehr viel bedenkenswerteren Anstiegen bei fremdenfeindlichen Straftaten?

    Übrigens, mit Sätzen wie diesen

    Die Linken sind dabei lediglich der vom Adel benutzte Pudel. Ein
    naiver Pudel, denn er glaubt, er könnte mit dem Herrchen an der Leine
    machen was er will. Welch ein Irrtum!

    tappen Sie doch in dieselbe Falle, die Sie eingangs ihres Postings noch bei den Globalisten bemängelt haben: Sie setzen sich kraft angeblich überlegenen Sachverstandes über den Standpunkt des Gegenübers hinweg.

  33. @RA gute Fragen, eine erklärt sich aber auch dem Text. Wenn es weniger um das Beklagen von Zuständen, sondern um das Beklagen der Veränderung geht, wird offensichtlich, warum der Protest gegen Flüchtlinge dort am größten ist, wo am wenigsten Migrantische Bevölkerung lebt. Denn dort ist die Veränderung durch Flüchtlinge am deutlichsten sichtbar. Ich lebe in Neukölln. Wenn hier 20.000 Syrer zuziehen merke ich das nicht mal. Im hintersächsischen Dingsbums fällt jeder Dunkelhaarige auf.

  34. Was mich an der neuen Rechten wundert, ist, dass sie nicht mal ein vernünftiges Wirtschaftsprogramm auf die Reihe kriegt. Die Faschisten der Vergangenheit konnten punkten, weil sie Staatssozialistische Versprechungen verbinden konnten mit der „Freiheit“, Fremde zu hassen und sich national abzugrenzen. Heute reicht schon das letztere Versprechen (es wird von Rechten tatsächlich als Freiheit empfunden).

    Was wir kulturell bräuchten, wäre ein friedlichen Nebeneinander des Globalen und des Regionalen. Wir brauchen ökonomische Verhältnisse, die niemanden zur Migration zwingen. Auch brauchen die Regionen wesentlich größere politische und finanzielle Spielräume, damit Wahlen wieder etwas konkret im Leben der Bürger bewegen können. Das ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens.

    Allerdings müsste man dazu den globalen Kapitalismus in die Schranken weisen. Was wir auf jeden Fall verstehen müssen, ist, dass in einer Welt voller Export-Junkies und Import-Junkies noch mehr Freihandel prozyklisch wirkt. Wir sollten also lieber über Mechanismen nachdenken, Nettoimporteure zu mehr Investitionen zu bewegen und die Kaufkraft der Bevölkerung in Exportnationen zu erhöhen, damit die (nominal) mehr konsumieren können.

    Hätten wir einen solchen Mechanismus (Keynes hat einen vorgeschlagen, Varoufakis diskutiert eine zeitgemäßere Variante, auch Heiner Flassbeck diskutiert diese Frage), bräuchten wir uns um Wettbewerbsverzerrungen durch aktive Wirtschaftsförderung keine Gedanken mehr zu machen und könnten endlich wieder eine vernünftige Industriepolitik betreiben und Arbeitsplätze schaffen. Es würde jeder einzelnen Region wieder erlauben, für sich selbst die Frage zu stellen und zu beantworten, wie wir leben wollen.

    Sicherlich braucht es noch mehr als das (ich bin für einen reinen Genossenschaftskapitalismus und Demokratie am Arbeitsplatz, wie Richard D. Wolff es vorschlägt, um Verteilungsprobleme an der Wurzel zu bekämpfen), aber zum obigen Vorschlag gibt es ausgearbeitete Konzepte, er wäre schnell implementierbar und er könnte die Lage für alle Seiten – Globalisten und Lokale – extrem entspannen.

  35. @mspro

    Schon klar, aber das ist ja das fundamentale Problem in der Debatte: Dass jeder Diskutant seine eigene subjektive Wahrnehmung zur Verhandlungsmasse erklärt. Und an dem Problem der Überfremdungsängste lässt sich das gut beobachten. Denn wie begründet können diese sein, wenn sie gerade nur dort – oder aber wenigstens: weit überwiegend dort – empfunden werden, wo es nur Vermutungen und Ängste, also doch zumindest etwas diffuse Sorgen sind?

    Was man gerne in diesem Zusammenhang liest: Wer so sehr für „Multikulti“ (nebenbei ist es etwas lächerlich, sich darüber beschweren zu wollen in einer Debatte nicht ernstgenommen zu werden, wenn man gleichzeitig in großen Teilen mit Kampfbegriffen und Trollvokabular arbeitet, um den politischen Gegner seinerseits zu diffamieren) sei, solle mal nach Duisburg-Marxloh oder Dortmund-Nordstadt. Dazu zweierlei. Erstens, werden hier wieder Ängste als begründet „gefühlt“, die gar nicht selbst erlebt werden, zweitens lebe beispielsweise ich in einem Stadtteil im Ruhrgebiet, der gerne medial als Problembezirk dargestellt wird. Ich kenne auch die offiziellen Kriminalitätsstatistiken und die stützen diese Problemthese auch. Ich hingegen habe in der ganzen Zeit nur zweimal persönlich Konfliktszenarien erlebt – beide Male bin ich aufgrund meines äußeren Erscheinungsbildes von Neo-Nazis für einen Ausländer gehalten und bedrängt worden. Daran sieht man ganz gut, dass die persönlichen Erfahrungswelten nur bedingt tauglich sind für grundsätzliche Ableitungen. Denn diese Neo-Nazis dachten wohl, dass ich der fremde Zuwanderer sei, der ihnen ihr Heimatgefühl streitig macht. Ich hingegen habe bislang nur rechte Gewalt erlebt, selbst in einem „Ausländerproblembezirk“ im Pott. Soll heißen? Sicher nicht, dass ich an den Statistiken zweifle. Im Gegenteil, ich erkenne gerade aus dieser Erfahrung heraus an, dass es Korrektive braucht. Die Burka-Debatte ist da ganz ähnlich.

    Was weiterhin stört, ist, dass aus diesen Filterblasen-Wahrnehmungen die irrige Annahme gefolgert wird, man (gemeint ist das Lager der Wutbürger, aber diesmal auch ganz persönlich @Rechtspopulist) streite hier für einen großen Teil der Bevölkerung. Wo denn?
    Zunächst einmal darf man sich nicht vormachen, es handele sich bei dem AfD-Klientel um eine homogene Masse. Das ist eine Zweckgemeinschaft, die nicht ein gemeinsames Ideal, gemeinsame Überzeugungen und Werte eint, sondern einzig ein gemeinsames Ziel: Gegen den Mainstream. Gegen Gendern. Gegen Fremde. Gegen Inklusion. Gegen Gleichstellung. Gegen Globalisierung. Gegen die Medien (sic). Gegen die Politiker (sic). Gegen das System (sic).
    Da tummeln sich Verschwörungstheoretiker und Rechtsradikale, Antisemiten und auf der Strecke Gebliebene, Anti-Demokraten und Reichsbürger, Opportunisten und ja, auch Trolle. Das ist nicht eine Bewegung.
    Das heißt mitnichten, dass von dieser Seite nicht auch valide Argumente vorgetragen werden. Man kann mit guten Gründen gegen CETA oder TTIP sein, es gibt berechtigte Kritik an medialer Berichterstattung und natürlich ist auch Regierungshandeln der Ablehnung zugänglich.
    Nur muss man doch mal aus dieser Empörungs- und Kommentarwichsspirale ausbrechen und sich ganz ehrlich eingestehen: Es gibt keine Lügenpresse. Es gibt gute und schlechte Presseerzeugnisse – und manche, die man einfach nicht so nennen kann; aber genug Mittel und Wege sich ausgewogen und objektiv zu informieren. Wem die FAZ etwa zu „links-grün-liberal“ ist, der sollte sich mal ganz grundlegend fragen, ob er noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht.
    Es gibt auch kein Wirtschaftssystem, in dem niemand auf der Strecke bleibt. Jedenfalls kein irgendwie freiheitliches. Und klar, wenn man selbst betroffen ist, ist doof. Und man hat sogar Ansprüche. Auf Solidarität und Unterstützung, auf Berücksichtigung der Interessen. Nur hat man eben kein Anspruch darauf, dass alles so geändert wird, dass man wieder als Sieger dasteht.
    Es gibt Neuigkeiten, der weiße heterosexuelle deutsche Mann, ist nicht deshalb ein toller Hecht, weil er weiß und heterosexuell und deutsch und männlich ist. Der Zug ist abgefahren. Wer toller Hecht sein – oder wenigstens sich so fühlen will -, muss was dafür tun. Und so verhält es sich auch mit der Heimat, aus der man angeblich überfremdet wird. Heimat ist doch nichts geographisch Determiniertes, Heimat ist dort, wo man sein darf. Alles andere ist Anachronismus. Das mag man begrüßen oder bedauern, nur ist es Realität und diese abzulehnen ist kein pluralistischer Akt, sondern die Sackgasse jeder Debatte.
    Es geht nach meiner Wahrnehmung in erster Linie auch nur vordergründig um Orte, sondern um die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Dazugehörigkeit, nach Anerkennung und Teilhabe und Wahrnehmung. Demagogen funktionieren ja immer über dieses Gefühls- und Gemeinschaftsversprechen.

    Anders gefragt, wenn zuziehende Schwaben den Berlinern ihr Heimatgefühl nehmen, ist es dann auch Hypermoralismus, wenn man feststellt: Ist halt so? Darf man sich gegen den Zuzug wehren? Muss man es etwa, weil das Berliner Volk es so will? Ist das nicht so schlimm, weil es Deutsche sind und müsste dieselbe Argumentation nicht auch für Zuwanderer gelten- weil sie Menschen sind? Woher weiß der @Rechtspopulist eigentlich, dass er fürs Volk spricht? Werden nicht aus diesem Grunde Wahlen abgehalten? Ist das alles gewusst, gefühlt oder gewünscht?

  36. @ msopro 26.10. 13.54 Uhr

    Ich danke Ihnen für Ihr freundliches Rufen über die Gräben hinweg! Unwillkürlich kommen in mir Erinnerungen auf an längst vergangene Zeiten, da die Angehörigen konträrer politischer Lager sogar noch gemeinsam an einem Tisch sitzen konnten – etwa kurz nach Ihrer Geburt Hellmut Diwald und Sebastian Haffner in einer damals vielbeachteten ZDF-Sendereihe zur deutschen Geschichte.

    Trotzdem war ich im Zweifel, ob ich noch einmal schreiben sollte bzw. ob bei uns ein Gespräch zustande kommen könnte – vorausgesetzt, dass Sie überhaupt ein Interesse haben. Zu sehr sind unsere konträren Auffassungen durch bloße Geschmäcker, durch individuelle Werthaltungen und durch nicht mehr hinterfragbare axiomhafte Annahmen bestimmt. Zu wenig sind heute nüchterne Sachargumente noch in der Lage durchzudringen, wenn sie wunschhaften Annahmen, Behauptungen und ideologisch eingefärbten Normerklärungen in die Quere kommen.

    Ich denke, dass letzteres, dass die im eigentlichen Sinne nicht mehr logisch begründbaren und beweisbaren Grundannahmen der politischen Lager das Hauptproblem darstellen.
    Wenn eine Gruppe etwa die Behauptung aufstellt, dass das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Herkunft, Kultur und Bildung möglich sei, diese Behauptung als neue Norm verkündet und hofft, dass das Zusammenleben sogar zu einer gemeinsamen demokratischen Willensbildung und zu Zusammengehörigkeitsgefühl und Solidarempfindungen im Krisenfall führen könnte – und eine andere Gruppe diese Möglichkeiten mit bestimmten Sachargumenten (z.B. mit Verweisen auf historische Erfahrungen und den Komplex „Natur des Menschen“) schlichtweg verneint – was dann?

    In der Wissenschaft und der Wirtschaft würde ja dann wohl evaluiert werden müssen. Ja, müssen!
    Was aber, wenn die Realisierbarkeit der Behauptung von der einen Gruppe gar nicht mehr überprüft wird, auch nicht mehr überprüft werden soll, sondern einfach zur Norm erhoben worden ist mit der Begründung, dass es möglich sei, weil es doch humanistisch und „gut“ ist, weil es manche doch schaffen.

    Sie merken, worauf ich hinaus will: Die Annahme (dass das multikulturelle Zusammenleben funktioniert) ist hier zu einem nicht mehr hinterfragbaren, nicht mehr der steten Überprüfung ausgesetzten Axiom geworden.

    Über Axiome kann man aber nicht diskutieren; sie gleichen Dogmen und Glaubenslehren. Ein Diskurs gewinnt jedoch erst in dem Augenblick einen Sinn, in dem beide Seiten so offen sind, dass sie vor Beginn der Debatte eine Änderung ihrer eigenen Meinung nicht mehr ausschließen.
    Wer vor einer Debatte hingegen die Möglichkeit, sich selbst geirrt zu haben, ausschließt, der ist – im Sinne von Karl Popper – nicht mehr an Erkenntnisgewinn interessiert, sondern nur noch an Selbstbehauptung – und damit streng genommen diskursunfähig.

    Mit anderen Worten: Ein Diskurs lohnt erst in dem Moment, in dem er nicht mehr als Mittel und Waffe im geistigen Bürgerkrieg verstanden wird. Wir wissen aber beide durch den zweifelhaften „Genuss“ der Medien, dass dem nicht so ist und dass etwa in den diversen politischen Talkshows oder den Features des Deutschlandfunks das Wort nicht so sehr der Wahrheitsfindung dient, sondern ganz ausdrücklich als Degen im geistigen Bürgerkrieg verstanden wird.

    Nun gut, früher hätte man gesagt: Lass sie doch reden, denn solange sie reden, schlagen sie sich wenigstens nicht die Köpfe ein.

    Trotzdem:
    Ob Kompromisse möglich sind? Ich habe Zweifel.
    Kompromisse sind grundsätzlich nur möglich, wenn das Daseinsrecht bestimmter Positionen nicht verneint wird und man gewillt ist, den Kompromiss als neuen Dauerzustand bestehen zu lassen. Wenn man eine Kompromissvereinbarung also nicht bloß als Moment betrachtet.
    Für eine bewegungsorientierte und jegliche Grenze überwinden wollende Ideologie wie den liberalen Globalismus ist ein Kompromiss aber immer bloß eine (vorübergehende) Grenze, die später doch zu überwinden ist.

    @ flobota 26.10. 14.43 Uhr

    Danke.
    Man kann reden, wenn man will.
    Weiter oben habe ich ja in meinen Überlegungen zur Möglichkeit eines Diskurses Ihre Frage nach den Möglichkeiten von Diskussion und Kompromissbereitschaft zu beantworten versucht.

    @ mspro 26.10. um 23.10 Uhr

    Sie haben dem Leser @ RA exakt so geantwortet, wie ich es heute früh auch getan hätte.

    @ RA 26.10. um 22.47 Uhr

    Anmerkung an @ RA: Meine Gedanken zur tatsächlichen Rolle der Linken im Großen Spiel haben Sie anscheinend nicht lange genug durchdacht. Es kommt hier nicht so sehr darauf an, ob ich mich über den Standpunkt des Gegenübers hinwegsetze, sondern ob ich faktisch richtig liege.

    Mir fällt auf, wie hier mehrmals bezweifelt wurde, dass mein Wesen und meine Art zu schreiben für die Art anderer „Rechtspopulisten“, AfD-Wähler oder „Wutbürger“ typisch sei. Nun weiß ich wohl, dass es auch bei uns Schreihälse und Dumme gibt, doch ist ihr Anteil in Wirklichkeit viel geringer als Sie glauben. Es liegt halt daran, dass die Medien dieses Bild zeichnen und rüberbringen wollen – und nun sitzen Sie sozusagen Ihrer eigenen Propaganda auf.

    Außerdem würde mich wirklich sehr interessieren, wie viele Rechtspopulisten Sie beide wirklich in Ihrer Verwandtschaft und in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis persönlich kennen.
    Sind das genug, um hier zu einer repräsentativen Einschätzung zu kommen?

    @ Holger Karlson 26.10. 16.18 Uhr

    Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: die fehlende Nachhaltigkeit und die Verklärung des bloß Flexibel-Flüchtigen als Wert.
    Dabei ist es doch bloß Anpassung an Marktbedürfnisse …

    Übrigens seltsam, mit welcher Häufigkeit in den Unterhaltungsschmonzetten des Fernsehens eben dieses Problem aufgegriffen wird: entwurzelte, großstädtische, beruflich erfolgreiche Angehörige der globalen Klasse, aus dem Dorf stammend, kommt in die alte Heimat zurück – und möchte bleiben.

  37. @mspro @Rechtspopulist

    Vielen Dank euch beiden. Ich durchforste seit über einem Jahr das Internet auf der Suche nach einer sachlichen Debatte zwischen ‚Gutmenschen‘ und ‚Wutbürgern‘, die bemüht ist, ohne Unterstellungen, ad Hominem oder Strohmänner auszukommen. Dies hier ist die bisher einzige, die ich finden konnte. Möge sie fortgeführt werden.

  38. Wundere mich, dass noch nicht auf dieses Stück von Bernd Ulrich in der Zeit hingewiesen wurde: http://www.zeit.de/2016/43/babyboomer-generation-gruen-kampfgeist-politisierung-hegemon/ Es (ist ausnahmsweise mal ein guter Text in der Zeit und) beschreibt das selbe Phänomen, nur als Unterschied der Altersgruppen. Die Globalen wären hier die Babyboomer, die so viel (auch kulturelle) Macht haben, weil sie heute in den Führungspositionen von Politik und Wirtschaft sitzen.

  39. @Rechtspopulist
    Das Zustandekommen eines Kompromisses wird ja heute gerne kritisiert und als Schwäche dargestellt und soweit ich mich erinnern kann, würden mir da zu „beiden“ Seiten gute Beispiele einfallen.

    Ich komme persönlich aus (Ost-)Berlin und lebe jetzt in (West-)Berlin nach einigen Aufenthalten im Ausland. Und so wie es auch ein anderer Kommentator hier oben angemerkt hat, ist die subjektive Wahrnehmung der Entwicklung in den letzten Jahren eindeutig nicht liberal, sondern eher ein Zurückschwingen des Pendels in die andere Richtung. Das könnte gerade in Berlin damit zusammen hängen, dass wir, die hier in den 90ern großgeworden sind, in einer Zeit geprägt wurden als in Berlin wirklich alles möglich war. Es gibt hier immer noch ein Subkulturleben, das ich mir in keiner anderen Stadt in Deutschland überhaupt vorstellen kann. Aber es ist doch in den letzten 10 Jahren hier sehr viel geordneter geworden. Geld spielt eine immer größere Rolle zB. Gepaart mit der Unfähigkeit unserer Bürgermeister fühlen wir uns hier auch irgendwie bedroht.

    Und jeder, der viel Zeit in Berlin verbracht hat, wird ohne Zweifel feststellen, dass die Stadt jeden Tag versucht den Beweis zu erbringen, dass das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen und Herkunft möglich ist. Das gelingt nicht jeden Tag und es gibt sicher genug Dinge, die besser laufen könnten. Aber wenn man sich anschaut, auf Basis welcher wirtschaftlichen Faktoren dieses Zusammenleben trotzdem gelingt, und wenn man sich anschaut, wie unendlich katastrophal die Berliner Politik in den letzten 25 Jahren versagt hat, dann können wir doch stolz auf ein paar Sachen sein.

    Sie haben aber vollkommen Recht damit, dass zB Neukölln nicht ein Ort für Jedermann ist. Aber deswegen lassen wir uns genau so wenig gerne erzählen, wie schlimm es hier ist. Denke analog gilt das auch für das von Ihnen zitierte „Dorf in Baden-Würtemberg“.

    Um auch noch mal auf das Gefühl zu sprechen zu kommen: Für mich als jungen Menschen aus Berlin ist Deutschland garantiert kein Land, in dem die Linken irgendwas zu sagen haben. Im Gegenteil, es ist aus unserer subjektiven Sicht total klar, dass dieses Land so konservativ ist, dass es mir manchmal wehtut (gerade zB wenn es um „das Digitale geht). Ich finde das daher immer wieder bemerkenswert, dass „Ihre Seite“ das genau andersherum sieht. Das wäre auch mal etwas, dem man auf den Grund gehen könnte. Aber dafür müsste man einander zuhören und mit Respekt begegnen, was zur Zeit schwieriger ist, als es sollte.

  40. Ich finde den Ansatz interessant, als Denkanstoß. Und die Diskussion mit @Rechtspopulist anregend. Aber der Riss geht mitten durch die globale Klasse. Es handelt sich nicht um eine Entität, die einen gleichen Hintergrund, gleiche Interessen, gleiche Ziele, gleiche Ziele vereint.
    Man müsste diese Gruppe, die sich selbst als progressiv empfindet und darstellt, die in den USA und in Deutschland zunehmend auf Probleme mit ihrem Realitätsabgleich trifft, und die dabei ist, alte Gespenster auf der Seite der Rechten und Rechtskonservativen zu wecken, genauer fassen. Ihre Motivation, ihre Inspiration, ihre Visionen, auch ihre soziale Herkunft.

  41. Ein Interessanter Beitrag, vielen Dank.

    Ein Zusammenhang, der im Text zwar auch beiläufig erwähnt wird, und auch in der Diskusson hier anklingt, aber bisher nicht weiter beachtet wurde, ist der Gegensatz Stadt – Land. Sie verorten „die neue Klasse der Globalisierten“ ausschliesslich im urbanen Umfeld, ohne darauf einzugehen, warum dieser Zusammenhang besteht, ja bestehen muss, und die „Klasse der abgehängten Angst- und Wutbürger“ auf dem Land.

    Ich glaube nicht, dass man in dieser Betrachtung mit einem Klassenbegriff hantierten sollte und kann. Die beobachtbaren Verwerfungen finden zwischen Stadt- und Landbevölkerung, Jungen und Älteren und zwischen den Geschlechtern statt, wobei diese Konflikte wiederum durch die Medien in der Regel nicht gemindert sondern angeheizt werden.

    Wenn ich mir ganz einfach mal vorstellte, ich käme vom Lande und könnte oder wollte dort, aus welchem Grund auch immer nicht weg, es gäbe dort aber nach wie vor auch keine Breitbandinternetverbindung und der Aufbau einer Webseite dauerte Minuten, dann käme ich mir mglw. auch ziemlich „abgehängt“ vor, und das vielleicht zurecht.

    Der ebenfalls angesprochene Heimatbegriff, der von der rechten automatisch mit der Frage der Nation verbunden wird, ist bei diesen eindeutig missbraucht und gebeugt. Ich bin Deutscher, ich mag vieles an deutscher Kultur sehr, aber meine Heimat ist nicht Deutschland, sondern die Stadt Hamburg.

    Wer nichts anderes gut kann, ausser deutsch zu sein, wird sich schon bei jeder kleinen Veränderung verängstigt oder abgehängt fühlen.

  42. @flobota

    Der Graben verläuft meiner Ansicht nach auch nicht zwischen „links“ und „rechts“. Im Lager der Wutbürger im weitesten Sinne gibt es genug Leute die im klassischen Sinne „links“ sind. Diese halten halt die Mentalität des durchschnittlichen Zuwanderers aus Nahost für wenig kompatibel mit linken Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenleben.

  43. Hat hier eigentlich irgendjemand das Im P.S. verlinkte Paper gelesen? Ich finde es gerade was die Bestimmung wo die Demarkationslinien entlang verlaufen, besonders erhellend.

  44. Vielen Dank für Ihren bedenkenswerten Text. Ich bin nicht so im kulturphilosophischen Diskurs der intellektuellen Linken zuhause. Die Beschreibung dieser „globalen Klasse“ kann ich aus eigener Beobachtung gut nachvollziehen. Ich habe an einer sogenannten „linken“ Hochschule (HWP Hamburg) studiert, die ursprünglich aus der Gewerkschaftsbewegung hervorging. Nach 30 J. Erwachsenenbildung, davon 8 Jahre nach dem Mauerfall in den neuen Bundesländern, bin ich ziemlich kuriert gewesen von linkem Gedankengut. Heute bin ich kein Anhänger jeglicher Farbenlehre mehr, würde mich vielleicht eher als gefühlt links einordnen. Mit einigen Einlassungen von @rechtspopulist stimme ich überein. Die kulturelle Deutungshoheit der hier so genannten „globalen Klasse“ finde ich ebenso arrogant, wenn doch Teile auch der nicht intellektuellen Bevölkerung davon geprägt werden. Was mir ein bisschen zu kurz kommt, ist die kritische Einschätzung, warum auch Teile der Mittelschicht sich mit rechtem Gedankengut identifizieren, wenn wir es dann mal als rechts bezeichnen wollen. Was von den Linken als auch von den bürgerlichen Parteien viel zu wenig berücksichtigt wird, ist das starre Festhalten an der „Islamisttollpolitik“. Ich bin aus proletarischer Herkunft in der Mittelschicht durch den Bildungsfahrstuhl angekommen. Meine Freunde in dieser Szene sind tolerante, engagierte Menschen, die alles andere als rassistische oder rechte Tendenzen haben. Aber sie machen sich sorgen darüber, was da schleichend auf uns zukommt. Schreckgespenst Islamisierung der Gesellschaft. Die Leute die aus dem islamischen Kulturkreis zu uns kamen kriegen viele Kinder. Ich habe in der Erwachsenenbildung sehr viele Eltern und Jugendliche aus diesen Kreisen kennengelernt. Die Religion hat absoluten Primat und wird eben nicht nur im privaten Kreis gepflegt. Das Buch von Houellebeq „Unterwerfung“ ist Thema bei meinen Freunden. Sie und ich eingeschlossen haben einfach keine Lust, die Aufklärung, im Sinne von Zurückdrängung der Religionen, wieder preis zu geben. Die Christen mit ihrer falschen Toleranz gegenüber dem Islam gefallen mir überhaupt nicht. Sie versprechen sich damit nur eine wieder eintretende größere Toleranz und Wichtigkeit religiöser Inhalte ins öffentliche u. politische Leben. Solche Verbände wie DITIP werden hofiert und auch noch zu Staatsverträgen eingeladen. Kurz gesagt, diese Politik der bürgerlichen Parteien kommt sehr schlecht weg in meinen Kreisen und ist meiner Meinung nach ein nicht ökonomischer Grund für die Ablehnung der heutigen Politik. Das Prekariat kennt schlichtweg das Parteiprogramm der AfD nicht und wählt diese aus Hilflosigkeit und die besser betuchte Mittelschicht könnte diese Partei wählen, weil ihre unsozialen Pläne der egal ist. Hauptsache ist es denen, dass es einmal ein Gegengewicht gegen diese Islamhofierung gibt. By the way, ich habe Sloterdijks „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ gelesen und stimme mit einigen seiner Analysen überein, aber er hat fürwahr auch reaktionäre Tendenzen in dem Werk. Vereinfacht ausgedrückt: Wir besinnen uns wieder auf patriarchalische Strukturen, Vererbungen, und alles ist wieder in Butter. Als Soziologe bin ich sprachliche Verklausulierungen gewohnt, aber Sloterdijk zu lesen ist eine Strafe, auch weil er sich so gern als egomanischer Sprachschöpfer geriert. Also, nochmal danke an den Verfasser und an @rechtspopulist für die anregenden Gedankengänge.

  45. A. Im Grunde unterscheiden sich rechte/konservative und linke/progressive Haltungen seit jeher grundlegend darin, daß die einen ihre Utopie im Prinzip immer eher in der Vergangenheit suchen, in seinen Wurzeln, seiner „Herkunft“, seinem „Ursprung“ und irgendeiner verloren-mythischen „Eigentlichkeit“ – und die anderen ihre Utopie in der „Zukunft“, der Veränderung, dem in gleichem Maße mystifizierten „Fortschritt“. Der Konservative (jedes Zeitalters) sagt: die Welt ist elend, wir müssen zurück zu den Wurzeln. Der Progressive (jedes Zeitalters) sagt: die Welt ist elend, wir brauchen eine ganz neue Idee, die alles niederreisst.

    Und was die „Willkommenskultur“ in letzter Konsequenz ausdrückt, worauf sie hinsteuert, ist eine Art gesellschaftlicher Neugeburt – was nun für die Linke wie die Erfüllung eines lebenslangen Traumes darstellt, für den Konservativen dagegen wird der schlimmste Alptraum Wirklichkeit.

    B. Wobei das wiederum nur eine ideologische Kategorisierung darstellt, worin dann einfach halbblind zwei latent neurotische Weltbilder aufeinanderprallen. Dabei gäbe es durchaus eine rationale Ebene dazwischen, worauf immer ein Gespräch möglich ist: nämlich die inhaltliche Auseinandersetzung darüber, ob bestimmte konkrete Entwicklungen unter dem Strich positiv oder negativ sind. (Diese Diskussion wird momentan leider von der herrschenden Klasse mehr oder weniger erstickt – obwohl sie unglaublich interessant wäre. Die besten Passagen der Diskussion hier erzählen auszugsweise von den konkreten Verhältnissen in als „Problemviertel“ bezeichneten Gegenden.)

  46. @Rechtspopulist

    Meine Gedanken zur tatsächlichen Rolle der Linken im Großen Spiel
    haben Sie anscheinend nicht lange genug durchdacht.

    ¯_(ツ)_/¯

    Es kommt hier nicht so sehr darauf an, ob ich mich über den Standpunkt
    des Gegenübers hinwegsetze, sondern ob ich faktisch richtig liege

    Ich habe mich mit meinem Kommentar aber gerade nicht auf die Inhaltsebene bezogen, sondern die Art und Weise. Und die war generalisierend (die Linken), vom Diskurs ausgrenzend (naiver Pudel) und seltsam selbstgewiss (Welch ein Irrtum). Gleichzeitig hieß es aber weiter oben:

    Die Verweigerung des Diskurses – etwa im Falle von Sarrazin oder
    angesichts der heutigen Masseneinanderung – schließlich ist es, was
    auch zunehmend bisher noch mitspielende Anhänger des Establishments
    und Gebildete verstimmt, verärgert, in die innere Emigration treibt –
    und schließlich die Seiten wechseln lässt

    Worauf ich hinaus wollte und will: nun ja, das ergibt nicht so schrecklich viel Sinn, wenn ich selbst tue, was ich anderen (vermeintlich) vorwerfe. Warum aber nur vermeintlich, Sie haben es ja getan? Weil ich es Ihnen ganz einfach nicht glaube. Die Begeisterung in den Kommentaren über den Umstand, dass hier jemand, der sich selbst Rechtspopulist nennt, drei gerade Sätze rausbringt, steht doch im krassen Gegensatz zu den steten Beteuerungen Ihrerseits, man könnte sich ja ob der unterschiedlichen politischen Überzeugungen gar nicht mehr miteinander unterhalten- und das obwohl Sie keine einzige Antwort bekommen haben, die diese Behauptung untermauert. Im Gegenteil, Sie werden gefragt, vielleicht kritisch, vielleicht sogar skeptisch, aber doch ernsthaft und ehrlich, wie ich es lese. Und wie reagieren Sie? Ach, es ist doch eh alles verloren. Aber warum dann überhaupt kommentieren? Nur um dann festzustellen, dass es ja doch sinnlos ist sich zu unterhalten? Warum „die Gräben“ beklagen und gleichzeitig nur in Kampfbegriffen formulieren („Adel und Fußvolk“, „naiver Pudel“, „Propaganda“, „geistiger Bürgerkrieg“)?

    (Davon einmal abgesehen: Hab ich den Satz richtig verstanden. Sie behaupten mit diesem Zitat

    Die Linken sind dabei lediglich der vom Adel benutzte Pudel. Ein
    naiver Pudel, denn er glaubt, er könnte mit dem Herrchen an der Leine
    machen was er will. Welch ein Irrtum!

    würden sie faktisch (sic!) richtig liegen? D.h., es handelt sich nicht bloß um eine Meinung oder Annahme, sondern um eine dem Beweis zugängliche Tatsache?)

    Mir fällt auf, wie hier mehrmals bezweifelt wurde, dass mein Wesen und
    meine Art zu schreiben für die Art anderer „Rechtspopulisten“,
    AfD-Wähler oder „Wutbürger“ typisch sei. Nun weiß ich wohl, dass es
    auch bei uns Schreihälse und Dumme gibt, doch ist ihr Anteil in
    Wirklichkeit viel geringer als Sie glauben. Es liegt halt daran, dass
    die Medien dieses Bild zeichnen und rüberbringen wollen – und nun
    sitzen Sie sozusagen Ihrer eigenen Propaganda auf.

    Da das vorstehende im an mich gerichteten Teil steht, beziehe ich dazu mal Stellung, obgleich ich nicht sicher bin, ob Sie damit wirklich mich meinen. Ich glaube nicht, dass die von Ihnen beschriebene Gruppe heterogen ist, insofern glaube ich auch deshalb nicht, dass ihre Motive (wie käme ich dazu ihr Wesen oder ihren Sprachduktus heranzuziehen?) repräsentativ sind. Nicht weil es Ihre sind und auch nicht weil sie sind, wie sie sind, sondern weil es nach meinem Dafürhalten einfach sehr viele unterschiedliche Gemengelagen gibt. Es ist eben eine Protestbewegung.
    Was das von den Medien transportierte Bild angeht, habe ich nicht das Gefühl, dass die AfD-Klientel als besonders bildungsfern dargestellt wird. Pegida schon eher, NPD natürlich. Nur wird die AfD eben als rechtspopulistisch verstanden und ja, so nehme ich sie auch war. (Insofern irritiert auch die Namensgebung Ihrerseits ein wenig und lässt sich wohl nur im Kontext des Hauptsache Protest verstehen).

    Außerdem würde mich wirklich sehr interessieren, wie viele
    Rechtspopulisten Sie beide wirklich in Ihrer Verwandtschaft und in
    Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis persönlich kennen. Sind das genug,
    um hier zu einer repräsentativen Einschätzung zu kommen?

    Einen. Akademiker, gebildete Schicht. Männlich, weiß. Verschwörungstheorien nicht abgeneigt, dem Revisionismus leider auch nicht abgeneigt. Ist das repräsentativ? Nö. Aber Tatsache ist, ich kenne keinen einzigen NPD-Wähler persönlich. Trotzdem habe ich eine recht genaue Vorstellung von einem. Hier hilft es, Medien zu nutzen, denen man vertraut.
    Davon mal ab, plädieren Sie hier dafür, dass man einander persönlich kennenlernen sollte, bevor man den jeweils anderen ablehnt? Denn wenn dem so ist, …

    .

  47. @ Schwarzmaler20 27.10. um 13.55

    Ich finde Ihren Kommentar zu dem großen Eingangsartikel dieser Seite sehr interessant. Ja, es gilt, die „globale Klasse“ zu analysieren, denn so homogen, wie sie vorgibt oder wie der Artikel „Die Globale Klasse – Eine andere Welt ist möglich. Aber als Drohung“ suggerieren möchte, ist sie ja eben nicht.

    Es gibt da die Akteure und die Trittbrettfahrer. Und dann gibt es auch Leute die glauben, dass sie Subjektcharakter haben, aber in Wahrheit aber nur Objekt sind.

    Was meinen Sie mit dem Riss, der durch die „globale Klasse“ hindurchgeht?

    @ RA 27.10. um 22.23 Uhr

    Wie wäre es, wenn Sie die Form wahren und die Anredepronomen „Sie“, „Ihre“ usw. groß schrieben?!
    Sie sind doch erwachsen.

    ¯(ツ)/¯ Was sollen diese Hieroglyphen?

    Über den Sinn des Austausches hier:
    Sie wundern sich über meine vorsichtig-skeptische Haltung, meine Zweifel, ob überhaupt ein Diskurs möglich sei, obwohl ich doch gleichzeitig von einigen Lesern vergleichsweise interessiert, ja freundlich aufgenommen wurde.
    Ich spüre, dass Sie etwas verstimmt sind, welche Anteilnahme man mir widmet. Insgeheim mögen Sie denken: Was soll das? Merken die anderen denn nicht, dass das doch nur ein Wolf im Schafspelz ist?! Lassen sich blenden, weil er drei gerade Sätze schafft.

    Nun, ich habe meine Zweifel über die Möglichkeit eines Diskurses doch gestern mit dem Hinweis auf gedankliche Axiome begründet und erklärt.
    Außerdem diskutiere ich ja nicht das erste Mal mit Linken und weiß daher, dass man sich da ganz schnell in völlig unfruchtbare Diskussionen zu Teilfragen verbeißt.
    Die unterschiedlichen Axiome bzw. Dogmen verhindern meist schon nach wenigen Briefen den weiteren Austausch, sodass gar keine technisch-nüchterne Sachdiskussion klappt, sondern daraus ein moralisierendes Meckern wird.
    Ich fürchte, wir beide nähern uns schon wieder diesem Bereich.
    Deshalb versuche ich, so allgemein wie möglich zu bleiben, so viel Abstand zu allem zu wahren, dass noch ein Überblick möglich wird und jenes sinnloses Verbeißen in Detailfragen nicht zustande kommt.

    Ihr Vorwurf, ich würde einen Diskurs verweigern – habe ich Sie da richtig verstanden – irritiert mich. Es ist ja keine Diskursverweigerung, wenn ich mit Sachargumenten widerspreche – im Gegenteil.

    Es gibt eben objektiv wahre und objektiv falsche Aussagen. Die Aussage 2 mal 2 gleich 4, ist objektiv wahr – jedenfalls im Rahmen unseres Dezimalsystems. Und genauso gibt es auch im gesellschaftspolitischen Bereich wahre und falsche Aussagen. Dass sie begründet werden müssen, ist natürlich richtig. Falsch ist z.B. die Aussage, dass die sog. „Antifa“ in der gewaltfreien Tradition der frühen Grünen steht. Ich denke mal, dass Sie hier keine Begründung fordern, weil Sie es selbst wissen.

    Die Aussage, dass die Linken heute den Neoliberalen und Globalisten den Weg frei räumen, in dem sie ebenfalls all jene traditionellen, konservativen und nichtflexiblen Strukturen und Kräfte bekämpfen, die die globale Klasse weg haben möchte, ist hingegen objektiv richtig. Damit meine ich die Bekämpfung oder gedankliche Dekonstruktion von nationalen Kulturen, Völkern, Nationalstaaten, althergebrachten Familienmodellen.

    Der globale Kapitalismus braucht eben den absolut flexiblen, den nicht anderweitig gebundenen Mitarbeiter und Konsumenten. Er braucht Menschen, die sich beliebig einsetzen, verschieben, anleiten und beeinflussen lassen und die sich nicht anderen traditionellen Solidargemeinschaften – Sippe, Sprache, Religion, Volk bzw. Ethnie – verpflichtet fühlen oder womöglich sogar innerhalb solcher Solidargemeinschaften zu demokratischer Willensbildung gegen die Forderungen der globalen Eliten gelangen. Jegliche echte Grenze und beharrende Struktur wird von den globalistischen Eliten als hemmende Begrenzung bei der ökonomischen Ausbeutung und Inwertsetzung“ von Räumen und Menschen aufgefasst. Das Gerede von der „Einen Welt“ ist insofern globalistische Ideologie in Reinkultur.

    Allerdings gebe ich zu, dass es schwer ist, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, wenn man selbst Teil des Geschehens ist und als Angehöriger der Linken zwar diverse Unterschiede zwischen der eigenen Szene und den liberalen Globalisten erkennt, gleichzeitig aber die Gemeinsamkeiten zwischen der Linken und den Globalisten gegenüber anderen Gruppierungen übersieht.

    Ich meine jene Gemeinsamkeiten, die beide zusammen von anderen abhebt.
    Die wichtigsten Gemeinsamkeiten zwischen globalistischen Eliten und Linken sind der universalistische und utopische Ansatz.
    Beide Ansätze zielen auf Bewegung, auf Veränderung und führen dazu, dass all jene Strukturen, Traditionen von Linken und Liberalen, bekämpft werden, die im weitesten Sinne konservativ und nicht universell und nicht flexibel sind.
    Zwar verfolgen Linke und Globalisten mit ihrem universellen und utopischen Ansatz durchaus verschiedene Fernziele, doch sind sie in ihrem Zerstören und Abräumen alter Strukturen klammheimliche Verbündete.

    Dass Linke und Liberale all jene beharrenden Kräfte, jene konservativen Kräfte, die die amerikanisch dominierte(!) Globalisierung nicht bejubeln, nun pauschal und stereotyp als „rechts“ oder gar als „nazi“ bezeichnen, ist lediglich taktisch motiviert, ist leicht als bloße Kampfsprache zu erkennen. Man würde ein anderes Wort wählen, wenn es wirksamer wäre. Vor 1970 war etwa das Attribut „kommunistisch“ wirksamer, also wurde es damals von den Mächtigen diesseits und jenseits des Atlantiks öfter verwendet.
    Als „rechts“ oder „rechtspopulistisch“ wird heute vom politisch-medialen Komplex pauschal derjenige bezeichnet – gewollt: stigmatisiert – , der sich den global-kapitalistischen Mustern verweigert, der einen pervertierten und längst übers Ziel hinausgeschossenen Liberalismus kritisiert und an traditionellen Werten und Strukturen festhält. Da muss sogar Sarah Wagenknecht aufpassen … Eine kluge Frau übrigens.

    Dieses neue Begriffsverständnis von „rechts“ stand übrigens ziemlich genau so schon um 1998 herum im Berliner Tagesspiegel ! Ich erinnere mich daran, weil ich diese Umdefinition von „rechts“ schon damals bemerkenswert fand.

    Mit tatsächlichen Nazis, also solchen Leuten, die an die Verhältnisse des Dritten Reiches anknüpfen wollen – ja, vereinzelt gibt es die wirklich – hat der heutige Begriff „Rechts“ aber herzlich wenig zu tun.

    Natürlich glauben die Linken, sie würden sich nicht nur gegen die Konservativen behaupten, sondern in einer Art Endkampf auch gegen die globalen Kapitalisten, etwa gegen die Wallstreet, siegen. Doch halte ich diese Annahme angesichts der realen Machtverhältnisse für naiv und falsch, denn die wirkliche Macht sitzt eben woanders. Ich meine, die Linken haben nicht die Spur einer Chance, wenn es um Veränderungen geht, die den liberal-kapitalistischen Globalisten nicht passt. Das merkt man ja schon bei dem entschiedenen Widerstand der Eliten, wenn es nicht mehr darum geht, AfD-Plakate zu zerstören, sondern TTIP zu verhindern. Auch der Blockupy-Bewegung bläst ein ganz anderer Wind ins Gesicht!

    Und sollte ich mich irren, sollte die Linke auf globaler Ebene siegen, so wäre das grauenvoll.

    Warum? Die Linke der Gegenwart vertritt im Grunde dieselben kommunistischen Ziele wie ihre Vorgänger vor rund 100 Jahren oder noch früher. Nur die Methode hat sich geändert: statt blutiger Revolution nun der Versuch der kulturmarxistischen Durchdringung.
    Zu welchem Schlamassel und zu welch großen Leichenbergen der Wahnsinn der kommunistischen Utopie geführt hat, wird indessen gern beschwiegen. Jede Utopie lässt sich immer nur mit Gewalt und Zwang durchsetzen. Robbespierre, Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot – allesamt Politgangster, die mit Hitler auf einer Stufe stehen.

    Hierzu als Lesetipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Schwarzbuch_des_Kommunismus

    Ich denke, diese Zeilen mögen reichen, um zu verdeutlichen, dass die Aussage:
    „Die Linken sind dabei lediglich der vom Adel benutzte Pudel.“ objektiv wahr ist.

    Es ist mir klar, dass diese Aussage für einen Linken harter Tobak ist, dass sie ungemein provozierend, ja verstörend ist und sozusagen ans Eingemachte geht. Gerade weil diese Frage für Sie aber so wichtig ist, möchte ich Sie bitten, meine Beweisführung nicht zu überlesen – man liest heute eh´ immer viel zu schnell und zu oberflächlich.

    Ich schreibe über diesen Punkt auch deswegen so ausführlich, weil es eben diese Sache ist, die dazu führte, dass ich selbst kein Linker mehr bin. Irgendwann hatte ich begriffen, dass das linke Gerede, die „Rechten“ hielten es mit den Neoliberalen und seien stets für die Reichen, einfach nicht stimmt.
    Es war schon in den 1990er umgekehrt: Die Salon-Linken aus den Medien hielten und halten es mit den Neoliberalen – und verachten die kleinen Leute im eigenen Land!

    Den zweiten Teil meiner kritisierten Aussage …
    „Ein naiver Pudel, denn er glaubt, er könnte mit dem Herrchen an der Leine
    machen was er will. Welch ein Irrtum!“

    … kann man natürlich nur als bisher unbewiesene Einschätzung bzw. als Meinung betrachten.
    Die Geschichte wird zeigen, ob ich hier richtig oder falsch liege.

  48. Sehr geehrter @Rechtspopulist,

    ich will an dieser Stelle noch etwas eingehender auf einige Ihrer Punkte eingehen.
    Aus Redlichkeit oute ich mich im Voraus bereits als Linken. Auch wenn wir mit unterschiedlichen Grundannahmen arbeiten, so scheitert das Gespräch doch erst immer dann, wenn man sich weigert, in die Perspektive des Gegenübers einzutreten. Ich hoffe jedenfalls, dass ich Ihnen keinen Grund geben werde, diese Bereitschaft aufzugeben.
    Ein Vorschlag meinerseits zur Verbesserung der Diskussionskultur ist folgender: Lasst uns Spekulationen über die Motivation des Diskussionspartners vermeiden, da sich das Gegenüber sonst falsch verstanden fühlt, was einer Versachlichung der Debatte entgegensteht.
    Nun zum Inhaltlichen:
    Ja, die Identitätspolitik, die sich der Linken seit Anfang des 20. Jahrhunderts als neues Betätigungsfeld erschließt (Geschlecht/sexuelle Identität/Hautfarbe, etc.), ist sehr einfach mit neoliberalem Gedankengut kombinierbar, da sog. Chancengleichheit ein Interesse des Neoliberalismus ist, das seinen wirtschaftlichen Interessen nicht entgegensteht, sondern eher noch unterstützt (siehe u. a. auch Greenwashing). So ist es zu erklären, dass die Linke sich angeblich mit dem System gemein macht, während tatsächlich eine Appeasement-Politik betrieben wird, die von der Anti-kapitalistischen Arbeit der Linken ablenkt. Damit will ich die Identitätspolitiken nicht zu einem „Nebenwiderspruch“ erklären, sondern darauf aufmerksam machen, dass die vereinzelte politische Emanzipation der Frauen, LGBTI, etc. nicht möglich ist, sondern immer auf die Emanzipation der Menschheit abzielen sollte.
    Einen Vorwurf, den ich Ihnen machen möchte ist, dass sie eine sehr funktionelle Auffassung von globaler Klasse und der Linken haben. Sie nehmen die Gründe für das Handeln der Linken völlig aus ihrer Bewertung dieses Handelns heraus und stellen somit beide als einen Block dar, da es nun so aussieht, als unterstütze die Linke die globale Klasse, während sie sie tatsächlich bekämpft.

    Ich will darauf aufmerksam machen, dass nicht nur traditionelle Solidargemeinschaften dazu in der Lage sind, Protest gegen globale Eliten zu äußern. Traditionell war dies das Kerngeschäft der Linken.
    Tatsächlich findet ebenfalls eine Umdefinition des Wortes „links“ statt. Während es in früheren Debatten immerhin noch die Differenzierung zwischen liberal, linksliberal und links gab, gilt in manchen Kreisen heute bereits die CDU als links. Mag sie zwar nicht mehr so konservativ wie noch vor 20-30 Jahren sein, so ist sie trotzdem noch weit entfernt davon, sich links zu schimpfen. Ich stelle eine Aufweichung und Verwischung der Begriffe „links“ und „rechts“ auf beiden Seiten fest. Ich werfe diese Verwischung nicht Ihnen vor, sondern sehe sie als Tendenz im allgemeinen Sprachgebrauch.
    Ich finde es interessant, dass sie annehmen, dass A: die gesamte Linke ein einheitliches Ziel hat; B: Die Linke sich über dieses Ziel auch im Klaren ist. Jedenfalls interpretiere so ich Ihren Absatz über Mao, Stalin, etc, mit denen ich niemals in einen Topf geworfen werden wöllte. Sie widersprechen ihrem Satz „Jede Utopie lässt sich immer nur mit Gewalt und Zwang durchsetzen.“ selbst, indem sie den Linken „Kulturmarxismus“ vorwerfen, was ja bereits mit einem Verzicht auf eine blutige Revolution einhergehen würde.
    Dass sich durch ein anderes Herrschaftssystem andere Zwänge ergeben, ist bekannt.

    Alles in allem sollte dieser Austausch uns allen noch einmal die Möglichkeit geben, unser eigenes Weltbild kritisch zu hinterfragen. Ich danke Ihnen jedenfalls dafür, dass Sie sich für diese Debatte zu Verfügung stellen und hoffe, dass dies ein Anknüpfungspunkt für eine gesamtgesellschaftliche Entspannung der Situation sein kann, auch, wenn ich nicht so vermessen bin, ernsthaft daran zu glauben.

    Mit freundlichen Grüßen
    NumberXY

  49. Die Argumentation scheint mir ziemlich blind gegenüber den eigenen Privilegien zu sein. Ansonsten käme man wohl nicht auf die Idee, ausgerechnet diejenigen mit den größten Privilegien (Jet-Set, hypermobile und obzön verdienende Managerinnen, internationale Wissenschaftlerinnen etc.) mit denen in einen Topf zu werfen, die den größten Diskriminierungen ausgesetzt sind (Arbeitsmigrant*innen, globales Prekariat und am besten auch noch Flüchtlinge). Denen ein gemeinsames Klasseninteresse zu unterstellen, das funktioniert wirklich nur in einem paranoisch rechten Weltbild á la Trump, Pegida und AfD.

    Außerdem: Heutzutage ernsthaft zu behaupten, die „globale Klasse“ vertrete den politisch korrekten Konsens „Refugees Welcome und kein Fußbreit“ – seriously? In dem Jahr, in dem mehr Menschen auf der Flucht und an Grenzen starben als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit ist das ganz schön kontrafaktisch.

    Und wer sich „als Linker“ in diesem Herbst noch immer an der Seite von Angela Merkel wähnt, glaubt entweder einer großen, falschen Erzählung oder ignoriert bewusst die menschenfeindlichen immer weiter gehenden Asylrechtsverschärfungen und die Abschottungspolitik der Bundesregierung und der EU.

    Dass Gefühle des Kontrollverlusts und kulturellen Abgehängtseins eine wichtige Rolle im Aufkommen der neuen rechten Begwegungen spielen – okay, geschenkt. Is ja keine neue These, und hat viel für sich. Deswegen aber in einer Welt voller Rassismus, Sexismus und Umweltzerstörung von angeblich alternativlos gültigen „ökologischen, antirassistischen, antisexistischen Standards“ zu schwadronieren, das ist nix anderes als die Übernahme der rechten Paranoia in die eignen Erklärungsmodelle für diese Paranoia.

  50. @rechtspopulist Ich beziehe mich dabei auf den meines Erachtens nach Kernsatz des Artikels „Es gibt heute eine globalisierte Klasse der Informationsarbeiter, der die meisten von uns angehören und die viel homogener und mächtiger ist, als sie denkt. Es sind gut gebildete, tendenziell eher junge Menschen, die sich kulturell zunehmend global orientieren…“. So weit gehe ich mit. Wir denken global, wir lesen global, wir informieren uns global, wir sind mehrmals im Jahr auch außerhalb Europas unterwegs, beruflich und im Urlaub, wir kennen und verändern die Welt. Aber was die Schlußfolgerungen angeht, daß wir die gleichen politischen Ziele teilen würden, die gleichen Politiker symphatisch finden würden, die gleiche links-grüne Ideologie teilen, da gehe nicht nur ich nicht mit, es widerspricht auch meinen Erfahrungen. Diese globale Internet-MacBook-Flughafen-Starbucks-Generation ist viel differenzierter, sieht die Entwicklung oft viel skeptischer als aus der – ich sage mal polemisch – Berliner Innensicht. Ich habe mich zum Beispiel kürzlich in Johannesburg nicht nur über die Probleme der Nach-Apartheid-Zeit dort unterhalten, es wird dort auch genau wahrgenommen, welche Probleme wir in Deutschland mit der Migration haben. Die gleichen Leute der globalen Klasse, die in gleichen Großraumbüros arbeiten, die über die gleichen Serien lachen, auf Twitter sind und die gleichen YouTube-Videos sehen. Ja, die Welt wird einiger, aber sie wird deshalb nicht zwingend links. Viele wissen oder ahnen, daß die Nationalstaaten noch eine Weile bestehen werden, daß der Nationalstaat eines der wenigen Anker ist, die uns von der Anarchie trennen.

  51. …oder kurz: der Riß zwischen Rechts und Links zieht sich auch mitten durch die globale Klasse.

  52. …wobei ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob das, was ich ablehne (hochsubventionierte wetterabhängige Energiewende, unkontrollierte Zuwanderung nach dem Motto „no borders no nations“) wirklich links ist, und das, was ich befürworte (Sozialstaat, Förderung der Kernkraft, Zuwanderung nach einem Punktesystem) – wirklich rechts. Zumindest scheint es derzeit in Deutschland Konsens zu sein, den politischen Kompaß so herum zu halten. Es gab Zeiten, da wäre ich mit meinen Ansichten Sozialdemokrat gewesen.

  53. Ich glaube nicht an die Macht der globalen Klasse. Man sieht diese vermeintlich wuchtige Klasse als Sklaven Ihrer Laptops weltweit reisen. Mit ein paar netten IT-Gimmicks fühlen diese zumeist jungen, dynamischen Menschen sich dem Bürgertum, der Elterngeneration weit voraus. Die waren vielleicht noch Arbeiter in Birmingham oder Bottrop, deren Arbeit ist der Generation Apple so fremd wie jene der Arbeitssklaven in Bangladesch oder anderswo in Asien. Man hat eben auch den Klassenfeind exportiert, schön weit weg in die Diktaturen dieser Welt. Auf dem Rücken dieser Entrechteten lässt es sich vorzüglich Geschäfte machen, Derivate vernebeln den Blick auf Minenarbeiter und Nähsklaven. Die wahren Herren der Welt sind die Blackrocks und deren Klasse, im Westen wie im Osten, die in hemmungslosem Reichtum ohne jede gesellschaftliche, globale Verantwortung die Welt mit Ihrer Konsumsoße überschütten. Für jene reist auch die ‚globale neue Klasse‘ um die Welt, entwurzelt, It-versklavt, einem hippen Jugendwahn der Marketingstrategen verfallen, mit unzureichender Altersversorgung, in wenigen Jahren burned out, aber ‚mia san international‘. Stolz auf ein paar ‚Freunde‘ im Ausland, das uns Deutschen belustigt und verwundert zuschaut, die Erschaffenen des Marshall-Plans, die nun ganz geschichtsvergessen sich über jedes Like kindisch freuen.
    Die ‚Wutbürger‘ sind dabei die Letzten, die merken, dass Sie nicht mehr gebraucht werden, ohne Facebook und Co wertlos sind für die moderne Welt.
    Und darum für die Elite auch so skurril in Ihren altertümlichen Aufmärschen daherkommen. Dabei teilen sie das Schicksal der von Ihnen Beschimpften; den Rechtlosen in Afrika und Asien. Diese Klasse dort wird noch eine Wucht entfalten, sozial und ökologisch, gegen die der Große Marsch ein Sonntagsspaziergang war. Wann übernimmt die Elite endlich wieder Verantwortung? Der Club of Rome hat übrigens in den 70ern schon alles präzise vorhergesagt… Aber der hat damals leider noch nicht getwittert.

  54. @RA

    „Wo genau findet sich das Sicherheitsempfinden, bzw. Lebensgefühl in offiziellen Statistiken wieder? Und steht das nicht im Widerspruch zu den zahlenmäßig sehr viel bedenkenswerteren Anstiegen bei fremdenfeindlichen Straftaten?“

    In einer Zeit, in der der Ministerpräsdient Brandenburgs sagt
    „Bei der Polizei wird jeder Übergriff, bei dem nicht erwiesen ist, dass er keine rechtsextreme Motivation hat, in die Statistik [rechtsextremer Straftaten] hineingezählt“, dürften auch solche Statistiken den besorgten Bürger wenig beeindrucken.

  55. Nachdem ich den Artikel gelesen habe, habe ich den starken Eindruck das diese „globale“ Klasse nur in einen Apple Werbespot existiert. Das kommt davon, dass der Autor kulturelle Identität bzw. Bewusstsein, mit Konsum und Konsumorientierungen verwechselt. Noch erfundener ist die Fähigkeit dieser nur für das Marketing existierende Klasse, moralische Ansätze zu formulieren. Sie dominiert nichts, wird aber von der Wirtschaft gewaltig dominiert doch glaubt etwas Dominanz auszuüben, weil sie mit den Themen Gender und Migration rumbasteln kann. Wobei diese Themen längst von dem globalen Wirtschaftssystem und die Technik definiert und entschieden sind.

  56. @schwarzmaler Um Ihre These vom „Riss quer durch links/rechts“ zu unterstützen, fiel mir ein gutes Beispiel ein: Das Manifest des Akzelerationismus

    Es gibt innerhalb „der Linken“ durchaus einige, denen es auf die nerven geht, das „links“ mitunter heißt, dass wir wieder unsere eigenen Kartoffeln züchten. Und gerade, wenn man sich die Geburt der Sozialdemokratie anguckt, ging es doch vor allem darum, dass alle, vor allem die Arbeiter selbst, am Fortschritt profitieren – und nicht wie die ludites ihn abzulehnen.

    Beispiele im 21. Jahrhundert wären zB Kernkraft und Breitenforschung, damit der Strom bezahlbar bleibt und am Ende vielleicht die kalte Fusion steht. Gentechnik ohne Megakonzerne, die Patente auf unsere Nahrung haben, moderne „Gig economy“ aber mit Sozialstaat, Aufstiegschancen für alle, aber deswegen nicht so tun, als wenn Bildung kostenlos ist.

    Und in diesem Sinne sind sich ja zB einige „Bio-linke“ und einige „Schöpfungsbewahrer“ näher als sie denken.

  57. Sehr geehrter @ Number xy,

    haben Sie Dank für Ihren Brief.

    Ja, der Versuch, die Perspektive des Gegenüber zu verstehen, ist unverzichtbar. Allerdings steht ihr Satz „Lasst uns Spekulationen über die Motivation des Diskussionspartners vermeiden, da sich das Gegenüber sonst falsch verstanden fühlt“ dazu in gewissem Widerspruch, vielleicht verstehe ich den Satz aber auch nur falsch.
    Wenn ich die andere Perspektive verstehen will, muss ich ja die Motive zu ergründen suchen.
    Vielleicht meinten Sie damit aber bloß, dass man dem Gegenüber keine negativen Absichten unterstellen sollte. Da stimme ich voll zu!

    Zu den Motiven. Bezogen auf die eigenen Grundannahmen möchten die meisten Menschen andere nicht schädigen. Ich bin mir auch sicher, dass es den meisten Linken und Liberalen subjektiv wirklich darum geht, etwas Gutes zu bewirken, von dem sie glauben, dass es anderen oder gar der „Menschheit“ nutzt.
    Ich denke auch, dass die intelligenteren Rechten das sogar ebenfalls zugeben würden.

    Der Knackpunkt ist aber eben der, dass Konservative oder Rechte bezweifeln, dass bestimmte Weltveränderungsvorstellungen angesichts der Natur der Dinge und der Natur des Menschen überhaupt realisierbar sind. Wir werfen den Linken und Liberalen nicht Böswilligkeit vor, sondern Wirklichkeitsferne. Wir meinen, dass beim Anstreben unrealisierbarer Ziele viel Wertvolles und Stabilisierendes kaputt gemacht wird und dass deswegen manche Probleme sogar eher vergrößert werden. Der Konservative gleicht dem nüchternen Statiker, der den kreativen und fantasievollen Architekten mit seinen Berechnungen verstimmt und entmutigt, weil er ihn auf den Boden des bautechnisch Möglichen zurückholen möchte. Und der Architekt antwortet: Aber lass es uns doch wenigstens versuchen! Es klappt schon. Es wird bestimmt ein wundervolles Haus!

    Auf der anderen Seite gleitet die Kritik von Linken und Liberalen an uns Konservativen aber oft ins Moralisierende ab. Nur deswegen, weil wir bestimmte utopische Verbesserungen aus bestimmten Gründen für unrealisierbar und wegen ihrer Folgeschäden für gefährlich halten und ablehnen, wird uns ja für gewöhnlich ein moralisches Versagen oder gar Böswilligkeit vorgeworfen. Wir sind die „gruppenbezogenen Menschheitsfeinde“, das „Pack“!

    Die hierdurch aufgerissenen Gräben sind viel, viel tiefer als Leute wie Merkel, Maas, Roth, Stegner oder Gabriel ahnen … Es ist wie bei einer privaten Beziehungskrise: Hat man erstmal die Überzeugung gewonnen, dass der Partner einen wirklich betrügt, dass er Verrat begangen hat an der Beziehung, dann ist der Schaden nicht so rasch zu kitten. Man glaubt dann nichts mehr.

    Sie schreiben:
    „Einen Vorwurf, den ich Ihnen machen möchte ist, dass sie eine sehr funktionelle Auffassung von globaler Klasse und der Linken haben. Sie nehmen die Gründe für das Handeln der Linken völlig aus ihrer Bewertung dieses Handelns heraus und stellen somit beide als einen Block dar, da es nun so aussieht, als unterstütze die Linke die globale Klasse, während sie sie tatsächlich bekämpft.“

    Ich verstehe, dass Sie es so wahrnehmen. Ja, „funktionelle Wahrnehmung“, und zwar im Hinblick auf meine Außenperspektive und die Wirkung. Aus Sicht eines Konservativen ziehen sie am selben Strang und haben zunächst dieselbe Wirkung.
    Gleichzeitig bin ich mir aber wohl bewusst, dass die Linke die kapitalistischen Globalisten bekämpfen will und andere Motive und Ziele hat als diese.
    Es kommt aber auf den Blickwinkel an – ich habe das ja weiter oben beschrieben (bei: Gemeinsamkeiten und Unterschiede).

    Hinsichtlich der Aufweichung von Definitionen bin ich vollkommen Ihrer Meinung. Auch die Wörter „rechts“ und „links“ werden heute ganz anders gebraucht als etwa um 1960 oder 1970 herum. Manches war dabei Absicht.
    Die Zerstörung der Sprache ist ganz allgemein eines der ärgerlichsten Übel unserer Zeit.

    Zum Kulturmarxismus.
    Dass eine blutige Revolution erstens unschön ist und zweitens leicht zu brutaler Tyrannei führt, ist ja durch die historischen Erfahrungen vielfach belegt … von der Guillotine bis zum Gulag! Der Kulturmarxismus (d.h. Frankfurter Schule mit Adorno, Marcuse und Epigonen wie Habermas) hatte und hat daher das Ziel, mittels Anpassung an die harten Machtrealitäten der kapitalistischen Welt, vergleichsweise sanfter kultureller Unterwanderung, Minderheitenbevorzugung Kontrolle der Medien usw. ans Ruder zu kommen. Auf diesem Wege sind sie leider weit gekommen! Trotzdem unterscheidet sich der Kulturmarxismus im Hinblick auf seine inhaltlichen Ziele – übersteigertes Gleichheitsideal, Auflösung von Staaten, Völkern, Religionen, Grenzen, hergebrachten Familienmustern, Schaffung eines „neuen Menschen“ usw. – nur wenig von der altmarxistischen Variante.

    Da diese Vorstellungen aber gegen die Natur der Dinge und die Natur des Menschen verstoßen und Widerstand bewirken, ist auch diese sanftere Variante letztlich gezwungen zu manipulieren, zu normieren, auszusondern, zu unterdrücken, zu drohen – und damit Verhältnisse zu fördern, die man als „totalitär“ bezeichnet. Die Handelnden tun das natürlich nicht, weil sie bewusst totalitär sein wollen, aber in ihrem Bemühen, ihre schöne Vision zu verwirklichen, drängen sie all jene Phänomene (z.B. nationalstaatliche Traditionen) zurück, die nicht der eigenen Vision entsprechen. Mit anderen Worten: Ausgrenzung und autoritär verordnete Vereinheitlichung werden für Kulturmarxisten am Ende doch notwendig, wenn die sanfte Methode nicht mehr reicht. In etwa da sind wir heute angelangt.

    Trotzdem: Ich sehe es auch so, dass die „Linke“ in der Praxis sehr heterogen ist. Je weiter man selbst als Beobachter entfernt ist, desto weniger nimmt man aber Unterschiede wahr.

    Und dann gibt es etwas, über das viel zu wenig gesprochen wird und das auch die sog. „globale Klasse“ betrifft: Vieles ist Anpassung an die Anforderungen des Marktes, an den liberal-kapitalistischen Zeitgeist, ist das Spüren, was gerade angesagt ist, womit man bei anderen „Punkte macht“. Natürlich gibt es Moden auch im gesellschaftspolitischen Bereich! Welcher Mensch unter 35 will denn nicht modern, international und „hip“ (sagt man das nicht heute?!) sein? Ich war früher auch so!
    @ Schwarzmaler20 hat genau auf diese Dinge hingewiesen!
    Ob man damit glücklich wird? Manche nicht, manche ja. Manche machen viel Kohle und Karriere.

    Motive der Anpassung: Anpassung aus innerer Überzeugung, Anpassung aus ängstlichem Anpassungsbedürfnis und Angst vor Ausgrenzung, Anpassung an die Freunde, Anpassung aus zynischem Eigennutz oder zumindest aus ganz normalem Opportunismus, um beruflich in einer veränderten Welt mithalten zu können … der Typ des Mitläufers … 1792 und 1933 genauso wie 1949 in der DDR. Manche laufen mit und glauben, nur, weil sie mitlaufen, das neueste Smartphone haben usw. hätten sie in der globalen Klasse irgendwas zu sagen, zu melden. @ Leo hat das noch viel besser beschrieben!

    Ein letzter Gedanke: Die Schwierigkeiten zwischen den politischen und gesellschaftlichen Lagern und Gruppen haben m. E. sehr viel damit zu tun, dass die Tendenz, sich nur noch mit Seinesgleichen zu umgeben, nur noch mit Leuten aus der eigenen Szene Kontakt zu haben, seit Jahren und Jahrzehnten immer weiter zugenommen hat. Viele Menschen haben mit andren Lebenswelten keinen Kontakt mehr.
    Um nur ein Beispiel zu bringen: Wie viele junge Menschen ohne Abitur kennen Sie persönlich?
    Die Gesellschaft ist mental so heterogen geworden, dass sie sogar im Hinblick auf Angehörige derselben Ethnie so zerfallen und fragmentiert ist, als seien es verschiedene Völker und Kulturen. Die Spaltung ist heute noch viel größer als etwa 1914 im deutschen Kaiserreich. Ein ganz großes Problem!!!

    Ich hoffe, dass ich Ihnen halbwegs ausreichend geantwortet habe.
    Im Grunde könnte, ja müsste man vieles länger ausführen, um Missverständnisse zu verringern , aber ich schreibe hier ohnehin schon zu viel, bin zu weitschweifig und redundant. Habe auch nicht so viel Zeit, weshalb ich mich schon früher aus diesem Blog zurückziehen wollte, den ich bloß zufällig entdeckt hatte. Andererseits konnte und wollte ich Ihren interessanten Brief nicht unbeantwortet lassen.

    Ebenfalls freundliche Grüße
    von einem Rechtspopulisten

  58. Mensch, egal ob „global actor“ oder Dorfschreiner, kann Rosinen picken oder Rosinen für alle wollen. Darum gehts. In alten Zeiten und heute und in Zukunft.

  59. Errm, sagt dem Autor und allen Mitverfolgenden dieser These der Vortrag von Peter Kruse auf der Republica 2010 etwas?
    „Wie die Netzwerke Wirtschaft und Gesellschaft revolutionieren“

    Darin beweist er mit einem Umfrage, welche nach Wertevorstellungen im on- / offline Leben fragt, das es zwei Typen mit unterschiedlichen, ja meist diametralen Ansichten zu ihrem Leben in Bezug zu analog und digital gibt. Dies fällt im Alltag kaum auf, weil sie die selben Begriffe benutzen, sie aber krass anders bewerten.
    Er benennt sie Digital Residents und Digital Visitors.

    Nun frage ich mich, ob dieser Umstand, welcher durch alle Altersklassen fast gleich verteilt ist, eine Grundlage für die parallele Entwicklung von Kulturregiemes sein könnte (siehe den am Ende des Artikels vermerkten Aufsatz bzgl. Kulturessentialismus und Hyperkultur).

    Der Clash dieser globalen Klasse gegen die der kulturell Abgehängten wird doch durch einen gerade stattfindenden Erkenntnisprozess ausgelößt, welcher nur darum so heftig ist, weil ein organisches ineinanderfließen (kontinuierliches interagieren) unzureichend oder eben nicht stattgefunden hat.
    Dort greift die These von Peter Kruse ein, indem er feststellen musste, das diese beiden Typen nur glauben über das gleiche zu reden, aber ihre Wirklichkeit ganz anders erleben.

  60. Ich werde hier nicht das Fass der „fehlenden“ Sachargumente aufmachen, sondern beziehe mich lediglich auf die Moral. Es liegt nicht nur keine moralische Überlegenheit vor, die Position der Globalisten ist einfach nur amoralisch. So zumindest die Empfindung der aufkommenden Gegner, egal ob sie es im Einzelnen logisch unterfüttern können.

    In der Selbstanalyse wurde ein nämlich ein wunder Punkt umschifft und ein anderer in seinen Folgen nicht ausgeführt. Zu der Natur der Sache gehört, dass ein Globalist zumindest theoretisch nicht für die Schattenseiten, oder „vorübergehenden“ Auswirkungen seiner Forderungen haften muss. Er ist ja flexibel und wechselt notfalls den Stadtteil, oder schickt mit ein wenig Kleingeld seine Kinder auf Privatschulen. Schon hier muss man von Heuchelei und nicht von Moral sprechen. Für den Globalisten ist das Ganze ein Spiel ohne eigene Einsätze. Die Rechnung wird er nicht bezahlen müssen und tut es auch nie. Das progressive Bürgertum ist irgendwie nicht sonderlich erpicht darauf seine Kinder auf Gesamtschulen zu schicken.

    Der nicht erwähnte Punkt ist die Heuchelei im Bezug auf den eigenen Verdienst. Der „Informationsarbeiter“ ist von staatlichen Geldern abhängig. Der Hass auf die GEZ kommt nicht von ungefähr. Er beschränkt sich aber nicht nur auf die Öffentlich-rechtlichen. Etwa die Amadeu Antonio Stiftung gibt an, zur Hälfte von staatlichen Zuschüssen zu leben. In Wirklichkeit wird der Anteil höher sein, wenn man die indirekten Zuwendungen und Spenden aufschlüsseln würde.

    Selbst bei direkten „Informationsarbeitern“ ist es der Fall. Die Medienbranche findet für ihre Ideen immer weniger Abnehmer. So ein „Arbeiter“ lebt von einer Befristung zur nächsten. Ein hervor stechendes Beispiel ist die taz. Die Löhne sind niedrig. Dafür findet man die Namen wieder in Stiftungen, die von staatlichen Zuschüssen oder Aufträgen leben. Die Emanzipation von dem Bürgertum bedeutet hier lediglich eine schleichende Emanzipation von dem Markt.

    Da braucht man sich nicht zu wundern, dass die offen zur Schau gestellte Verachtung und kostenlose Forderungen auf wenig Gegenliebe stoßen. Moral setzt die Möglichkeit von negativen Konsequenzen voraus. Hier werden Forderungen aufgestellt, die national getragen werden müssen. Von Leuten, die sich zur Not absetzen werden und im Alltag auch schon jetzt absetzten. Dazu auch noch von Leuten, die häufig von nationalen Fleischtöpfen leben.

  61. Eine weitere Gemeinsamkeit ist ein weitestgehend nicht vorhandenes Verhältnis zum Staat als solchen. Das traf sicherlich zu allen Zeiten auf den grössten Teil der Bevölkerung zu. Für eine führende Klasse ist es aber relativ neu und aus sich der Gegner natürlich fatal.

    Die eigene Biografie legt es natürlich Nahe. Das Verhältnis zum Begriff des Staates ist diffus. Man setzt durchgehend Moral auf Individueller Ebene mit dem gesellschaftlich Gebotenen und Möglichen gleich. Man behandelt den Staat als solchen durchgehend wie eine Person. Gleichzeitig setzen sämtliche „Sachargumente“ zumindest zeitweilig die Existenz eines Weltstaates voraus.

    Ein schönes Beispiel: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-11/integration-kinderehen-deutschland-heirat-religion/seite-2
    Lange Ausführung darüber wie Kinderehen in anderen Regionen entstehen. und gerechtfertigt werden. Gefolgt von einer pauschalen Annahme, dass die Nichtanerkennung einer solchen Ehe durch den deutschen Staat irgendwelche Konsequenzen für die Auffassung der Betroffenen hätten. Irgendwie würde die Tochter verstossen und ihre sysrischen Erbansprüche verlieren, weil der deutsche Staat hier die Ehe nicht anerkennt. Fröhliches Gehopse zwischen verschiedenen Regionen und Ebenen. Am Ende kommt der für die globale Klasse typische Wunsch, dass man Bitte nicht „pauschal“ entscheiden solle.“

    Dieses „Nichtpauschale“, auf den „Einzefall“ und „Nichteinfache“ ist das was ich mit der Personifizierung des Staates meine. Zugleich soll es irgendwie einen intellektuellen Anspruch und einen moralischen Flair vermitteln. Tatsächlich stellt man die Forderung an die Bürokratie, dass sie dieses oder jenes Problem bitte lösen solle, auf den „Einzelfall“ bezogen. Der Staat als Onkel Heinz, der die Probleme von Tante Ute lösen soll. Die Logik der Bürokratie, der innere Sinn von Gesetzen, das Alles kommt nicht vor. Wenn es dann nicht so klappt wie gedacht, ist man über alle Berge und sendet von dort aus weitere Lösungsvorschläge für „vor Ort“. Alles selbstverständlich als Vorwurf.

    Die Moral bedeutet hier lediglich einen Vorwurf schnell zu äussern, bervor man bezichtigt werden kann. Man darf nicht vergessen, dass man sich keine „einfachen“ Antworten wünscht. Um ganz sicher zu gehen, fängt man gleich bei globaler Verantwortung an.

    Was Alles zu ertragen wäre, auch auf Staatskosten. Nur bleibt es nicht beim Gerede. Daraus werden konkrete Entscheidungen, die gerade weil sie jeden Einzelfall berücksichtigt sehen wollen, besonders einfach und unpassend ausfallen. Wer für die ganze Welt in der Verantwortung ist, ist es für Niemanden. Wer den Fernsten wie den Nächsten liebt, liebt mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nur sich selbst.

    Ich erinnere mich noch an die Anfangsphase von Pegida. Ein Herr Bachmann wird zu einem empathischen Intellektuellen, wenn man sich seine Gegner anschaut. Diese verantwortungslose und dünkelhafte Anmaßung, verschlägt einem den Atem. Die fröhlich infantile Beweislastumkehr macht einen sprachlos.

  62. Ist das nicht ein merkwürdiger Klassenkampf, in der Arbeiter und
    Bürger Seit an Seit gemeinsam kämpfen?

    Merkwürdig ist dieser Klassenkampf allenfalls für den, der der Vorstellung erlegen ist, daß von Klassenkampf nur da die Rede sein könne, wo Arbeiterschaft und Bürgertum einander als feindliche Blöcke gegenüberstehen. Sooo holzschnittartig simpel ist die Wirklichkeit der Klassenkämpfe nie gewesen.

    Ich glaube, es war entweder Ehmke oder Wischnewski, der die sozialliberale Koalition und die auf ihr beruhende Regierung Brandt/Scheel feierte als historisches Bündnis von organisierter Arbeiterschaft und liberalem Bürgertum.

    Einer verbreiteten Vorstellung zuwider, nahm die Novemberrevolution von 1918 nicht in wilden Arbeiterstreiks und kollektiven Meutereien in der Etappe des Feldheeres und bei der untätig in den Häfen liegenden Hochseeflotte ihren Ausgang, sondern bei einer starken Fraktion des liberalen Bürgertums. So abwesend , wie man zuweilen glauben macht, war der 48er Geist im Kaiserreich beileibe nicht, seine Opposition gegen den Wilhelminismus (welcher eher den Geist des französischen Empire atmete, als den der traditionellen preußischen Monarchie) war eben nicht konstruktiv-politischer Art, sondern artikulierte sich, gerade in Berlin, vorzugsweise kulturell – ich empfehle die Lektüre von Heinrich Manns Gesellschaftssatire „Im Schlaraffenland“, dem genialischen Erstling des künftigen Großschriftstellers: Darin findet sich z.B. eine Szene, wie das durch und durch großbürgerliche hauptstädtische Premierenpublikum einem Revolutionsstück (gemeint sind wohl Hauptmanns „Weber“), in dem die Gattin des großbürgerlichen Fabrikanten von aufständischen Proletarieren geschändet und umgebracht wird, frenetischen Beifall spendet. Manns Kritik gilt einer bürgerlichen Elite, die durch den Wilhelminismus in mannigfacher Weise korrumpiert ist, da sie von ihm profitiert; wohlwissend, daß sie des Obrigkeitsstaates nicht entbehren kann, wird diese ökonomisch führende Schicht dennoch von schlechtem Gewissen geplagt, daß sie gegen ihre Bevormundung durch die alten Mächte nicht, wie ihre Väter, aufbegehrtt hat. Insofern diese Klasse durch den Mund ihrer kulturellen und intellektuellen Wortführer Kritik an den herrschenden politischen Zuständen übte, war diese, als Folge ihrer paradoxen Lage zwischen Obrigkeitsstaat und potentiell umstürzlerischer Arbeiterschaft, zugleich verdruckst und von einer unpolitischen Radikalität, die zuweilen ans Anarchische grenzte. Im Theaterparkett brachte die Inszenierung proletarischer Gewalt die Frauen der besseren Stände dazu, in Ohnmacht zu fallen. Mit solcherart künstlerischer Tabuverletzungen hielt man sich für seine ganz reale politische Ohnmacht schadlos. Als der Umsturz der Monarchie dann herbeigeführt war, dauerte es nicht lange, bis das liberale Bürgertum erschreckt zurückwich, denn Soldaten und Matrosen, die ihre Offiziere hinterrücks umbrachten, und die Spartacusrevolte überhaupt hatte man schließlich weder gewollt noch vorhersehen können, nicht wahr…

    Nicht unerheblich für die Entwicklung, die zum Sturz der Monarchie führte, war übrigens, einem verbreiteten Vorurteil zuwider, der Umstand, daß der kleine Mittelstand in den späten Kriegsjahren politisch weit nach links gerückt war. Arbeiter und Matrosen auf der einen Seite und Bankiers und Finanzleute auf der anderen hätten ohne das Dazwischentreten eines unzufriedenen Mittelstandes kaum das Ende des Hohenzollern-Regiments herbeiführen können.

  63. Sehr geehrter Herr Seemann,
    ich bin von der Seite sezession in Netz auf Ihren blog gestossen. Dort wird Ihr Beitrag ausführlich besprochen und diskutiert.
    Als „Rechter“ stimme ich den Ausführungen des „Rechtspopulisten“ zu. Eine ergänzende Frage noch an Sie und in die Runde:
    Wie viele Angehörige der „Arbeiterklasse“ und der Bürger werden bereit sein, zur Verteidigung der Herrschaft der von Ihnen so genannten Globalisten, persönliche Opfer in Kauf zu nehmen, wenn es mal richtig ernst wird?
    Und richtig ernst wird es werden. Die in ihrem weltweiten Umfang historisch einmalige Politik der Notenbanken mit negativen Zinsen und Ausweitung der Geldmengen wird in einer gewaltigen Wirtschaftskrise ihr Ende finden.
    Wer wird dann aufstehen für die „Dritte Klasse“?
    Jetzt schon jammern Gauck, Merkel und die ganzen Nomenklatura darüber dass der „Aufstand der Anständigen“ gegen AfD, Pegida und das ganze Pack nicht in die Gänge kommt. Kaum ein Arbeiter oder Bürger wird einen Finger krumm machen, die Macht dieser Herrschaften zu erhalten, wenn die Krise los bricht.

  64. Nachtrag:
    Ich möchte meinen vielleicht etwas harschen Beitrag nicht als Drohung verstanden wissen, sondern als ernste Mahnung.

    In vielen westlichen Staaten haben sich Spannungen aufgebaut, die zur Entladung drängen. Zur Zeit ganz aktuell in den USA.

    Ich sehe für Deutschland nur noch einen Weg zu einer politischen Lösung:
    Bundesweite Volksabstimmungen, besser der Umbau unseres Systems zu einer Demokratie nach Schweizer Vorbild.
    Und es bleibt nicht mehr viel Zeit dazu. Die kommende Wirtschaftskrise schwebt als Damoklesschwert über uns.

  65. Zu der Machtfrage:

    Die globale Medienklasse hat insofern Macht, insofern damit die Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes gedacht ist. Was für das klassische Grosskapital nicht teuer ist, wenn man dafür nützliche Idioten bekommt.

    Der gemeinsame Nenner aller Globalisten ist als linksliberal zu bezeichnen. Man spricht zwar immer gerne von der Stärkung der örtlichen Strukturen, in der Praxis ist damit aber die Stärkung des Einzelnen durch einen zentralen Entscheider gemeint. Die Linke hatte schon immer einen Hang zum Zentralismus, hier geht es aber nicht um die Forderung nach Planwirtschaft. Zentrale Stellen sollen für eine Angleichung der sozialen Verhältnisse im Land, Kontinent und der ganzen Welt sorgen.

    In der Praxis bedeutet es die Auslagerung der Entscheidungsgewalt in Gefilde, in der der grösste Teil der Bevölkerung allein schon sprachlich aussteigt. Was es professionellen Spielern natürlich einfacher macht ihre Interessen durchzusetzen. Hier fällt einem das simple Menschenbild schnell auf die Füsse. Man tröstet sich damit, dass man irgendwie das EU-Parlament stärken sollte. Was so mittelfristig wenig bringen wird. Eine Teilhabe auf so einer Ebene würde eine gemeinsame Alltagssprache und gemeinsame sprachliche Codes voraussetzen. Schlechtes Englisch ist aber mittelfristig das Höchste der Gefühle. Währenddessen wird die aktuelle Situation dazu ausgenutzt das Ganze auf noch eine höhere Ebene auszulagern, wie dem CETA, wo sogar die EU-Ebene mit Hilfe von Schiedsgerichten ausgehebelt wird.

    Dafür bekommt man die eigenen Arbeitsplätze gesichert und ein paar nicht in das Gewicht fallende Linke Fetischprojekte durchgesetzt. Sicherlich kann ich mich als Rechter über Sprachesoterik und ihre Nebenwirkungen aufregen. Ins Gewicht fällt es aber nicht und kostet vergleichsweise Nichts.

    Neben dem Zentralismus ist die globale Klasse massiv für Armutszuwanderung. Die Begründungen könnte man ausführen. Der wichtigste Grund ist die Annahme, dass alle Menschen auf der ganzen Welt genauso sind wie der Netflexfreund selbst. Besser gesagt, er könnte so sein, genauso wie wir in einem Weltstaat leben könnten. Die Unfähigkeit die verschiedenen, sogar zeitlichen Ebene auseinanderzuhalten führt zu Forderungen, die das könnte wie einen Ist-zustand behandelt.

    Selbst wenn man sich nicht für eine Politik der offenen Tore direkt ausspricht, ist man gegen alle Maßnahmen, die eine kontrollierte Einwanderung ermöglichen würden. Angefangen damit, dass man hier wieder „pauschale“ Ablehnungen ablehnt und die staatliche Bürokratie vor unmögliche Aufgaben stellt.

    In der Praxis bedeutet es auch wieder den Import eines Lumpenproletariats, das aus ersichtlichen Gründen dazu beitragen wird, dass das soziale Netz abgeschafft wird. Wer davon profitiert dürfte klar sein. Das wusste eigentlich auch ein gewisser bärtiger Mann, vor mehr als hundert Jahren.

    Generell ist die Welteinrettung eine schier endlose Reihe von Forderungen, die das Gegenteil bewirken.

    Was besonders verwundert ist die durchgehende Politisierung der Globalisten, bei fast genauso durchgehendem Desinteresse für die Geschichte als solche. Aber man ist überzeugt schlauer als die Vorfahren zu sein, weil man seine Bildchen in Sekunden um die Welt schicken kann. Der deutsche Globalist ist auch wohl der erste Mensch, der aus der Vergangenheit gelernt hat, ohne sie zu kennen.

    Ich kann den kapitalistischen Imperialismus verstehen, ich kann den Imperialismus der Sowjets verstehen. Die heutige Einstellung kann ich nur noch als widersprüchlich nachvollziehen. Bei den ersteren Fällen hatte man es mit einer Hybris der Überlegenheit zu tun, die ganze Welt erziehen zu können, die sich mit Eigennutz paarte. Wobei man anrechnen muss, dass zu Beginn des Kolonialzeitalters in den Ländern der Eroberer die Masse nach den heutigen Maßstäben ebenfalls unterdrückt wurde. Halbbarbaren haben andere Barbaren unterworfen. Die Standards entwickelten sich nach und nach, konnten sich auch nur so entwickeln. Auch das lässt sich an sich bei einem bärtigen Menschen nachlesen.

    Das heutige Weltbild konstruiert eine irgendwie geartete Schuld des Westens voraus. Man vergewaltigte die Paradiese dieser Welt. Da man sich generell kein Interesse für die Geschichte hat, ist so ein Bild einfach zu glauben. Die Vergewaltigung soll bis heute anhalten. Was an sich auch wieder eine lustige Anekdote wäre, wenn man nicht daraus eine Überschätzung der eigenen Möglichkeiten ableiten würde. Wenn die deutsche Regierung einen massiven Einfluss auf die Verhältnisse etwa in dem 90 Millionen starken Ägypten hat, lässt sich ja es mit ein paar netten Unterschriften umgehen. Genauso wie einer beliebigen Menge an Einwanderern deutsche Zucht und Ordnung beigebracht werde könnte.

    Die Menschenliebe kippt hier in das Rassistische. Man würde niemals sagen, dass in Deutschland ein obdachloser Künstler die Zustände einführte, die er eben einführte, während die Gesellschaft wie ein Mann im Widerstand steckte. Bei Milliarden von Menschen und sogar bei Bürgerkriegen unterstellt man aber genau das. Der fiese Diktator herrscht mit importierten Waffen, als Marionette finsterer Mächte.

    Was im Übrigen den fiesen Diktator und die örtlichen Gesellschaften ein Balsam für die Seele ist. Ich brauche nicht in die arabischen Länder zu gehen. Ein Land wie Russland genügt. Der Westen ist moralisch verdorben, die eigene Lage wurde von Juden, Freimaurern und anderen finsteren Mächten herbeigeführten. Die eigenen Eroberungen waren und sind eine tolle Sache und der Westen solle Bitte die Waren rausrücken, die er einem gestohlen hat. So das Weltbild, welches man mit ein wenig Sprachkenntnis verallgemeinert zusammenfassen kann. Den Leuten reicht der Globalist dann in internationalen Gremien die Hand und fällt zusammen Entschlüsse, die zum Glück halbwegs ohne Wirkung bleiben. Durch die Brille der Resolutionen müsste man denken, dass etwa Deutschland die Hölle auf Erden ist, von Israel ganz zu schweigen und nicht etwa ein Pakistan.

    Volker Pispers sagte einmal, dass es in der Zukunft darum gehe, ob die Reichen mit den Armen im Land teilen werden. Das spannte er dann auf das Verhältnis zwischen den armen und reichen EU-Ländern, um anschliessend bei der ganzen Welt anzukommen. Ein Halbwahrheit ist schlimmer als eine Lüge. Es kommt nämlich auch darauf an, ob die Armen hier teilen wollen. Und zwar nicht nur mit den Reichen, sondern untereinander. Die Antwort ist naheliegend, wenn man sich die Welt nicht als eine Ansammlung von edlen Wilden, oder Klonen der eigenen Gestalt vorstellt.

    Die Linke hat sich ja enttäuscht von den nationalen Entrechteten vor Ort abgewandt, weil diese die (unrealistischen) Erwartungen erfüllt wurden. Jetzt kommt der Globalist und möchte ein noch wilderes Volk vergöttern, mit noch unbrauchbaren Mitteln als die Vorgänger. Die klassische Linke setzte zumindest auf Gewalt als eines der Mittel. Hier soll es irgendwie so gehen, weil man die eigenen Verhältnisse auf die ganze Welt überträgt. Dabei ist der Kontakt zum Ronny aus der deutschen Unterschicht eine Art Safari von der man halb entsetzt, halb belustigt zurückkommt.

    Wie soll man mit einer solchen Elite Staat machen? Nichts gegen Dekadenz, wenn man wenigstens damit rechnen könnte, den anschliessenden Kater zu überleben. Diesen Fusel möchte aber nicht zu mir nehmen.

  66. Wenn die neue „globalisierte Klasse“ eben nicht die homogenen Ziele hat, wie sie hier im Kommentarbereich und im Artikel angemerkt sind, dann kann man auch sagen, dass diese Klasse sich zu diesen imaginären Zielen treiben lässt, weil ihnen auf der anderen Seite mehr widerstrebt, als sich diese globalisierte Klasse antun will. Sie wählten also das kleinere Übel, in dem sie nicht gegen ihr eigenes Nutzniessertum im Schatten der Neoliberalen vorgingen, wie sie es gegen das alte Bild des Nazis und des Rechtsprolls gerade noch affektiv können.

    In einem anderen Forum habe ich eine bemerkenswerte Aussage eines schwulen Linken gelesen. Er schreibt – hinsichtlich der Zugehörigkeit der Regenbogenfraktion zur Linken, dass diese ansich gar nicht Links sei, weil sie sich letztlich ausschliesslich für sich selbst interessiert. D.h., dass sie sich Links anschliesst, weil sie dadurch erhofft, ihren Lebensstil weiter leben zu können. Echte linke Interessen aber bestehen gar nicht, sondern nur der Plan, seine eigene Party ungestört weiter zu feiern.

    Das war bemerkenswert, weil es etwas reflektiert, was man auch auf eine breitere Gruppe ausweiten könnte – etwa hier im Sinne dieser globalisierten Klasse, die sich derzeit offenbar tatsächlich zumindest in der Deutungshoheit befindet, sodass sie einen recht großen Einfluß auf andere Menschen ausübt(e).
    Nur aber weil sich diese Gruppe im Kern kaum die Bohne für echte Linke Interessen interressiert, steht sie derzeit da und weiß nicht wohin es gehen sol, ausser eben diese eigene „Party“ so weiterführen zu können, wie bisher. Aber so gehts natürlich nicht. In diesem Konflikt entsteht dann das Bedürfnis der Diskursverweigerung, weil man ansonsten seinen eigenen Weg (der zum Teil eben unausgesprochen sei, weil er eben das Maß erträglichen Egoismusses übersteigt) infrage stellen müsste. Sich für Liberalität einzusetzen lässt hier nur den Wunsch zu Tage treten, sich selbst nicht verändern zu müssen, um das Leben aller Menschen in Freiheit und Würde zu ermöglichen.

    Die Metapher, dass die Linke … globalsierte Klasse hier der Pudel sei, der meint, sein Herrchen an der Leine zu führen, finde ich dementsprechend auch ausgezeichnet und passend, weil man sich den Luxus gönnt, nicht ernsthaft genug über seinen eigenen Weg gedanken zu machen und nicht bemerkt, dass man tatsächlich an einer unsichtbaren Leine geführt wird und sich dabei auch noch wohl fühlt – das aber auf Kosten anderer geschieht, die in diesem Sinne die besseren Linken seien (hier gemeint: die Pegidisten – welche aber aus Wut über die Verhältnisse einen reinen Protest-Feldzug wählen).

    tldr:
    wer sich heute noch „links“ nennt, hat ein Luxusproblem und will sich nicht verändern – nicht erwachsen werden. Linkssein krankt an Inkonsequenz. Linkssein ist an der Meinungsfront ebenso Reaktionär, wie das aus ihr hervorgehende Rechtsruck-Proletatiat. Mit dem Unterschied, das diese globalisistische Klasse noch immer ihren Lebensraum besitzt und nutzniesst, während deren ideologische Gegner am sozialen und emotionalem Hungertuch nagen müssen.

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