Rechte sind etwas tolles.
Ein Recht ist zum Beispiel die Panoramafreiheit. Wenn man eingefleischten Datenschützern allerdings mit dieser Argumentation kommt, sagen sie, dass der Gesetzgeber ja kaum wissen konnte, dass das Recht, auf der Straße zu fotographien automatisiert und in vollem Ausmaß ausgenutzt – um nicht zu sagen – „mißbraucht“ werden könnte.
Wenn man die Verleger nach dem Sinn des Leistungsschutzrechts fragt, argumentieren sie oft mit Google News, das neben einem Link zum Artikel auch einen Snipplet (ca. 2 bis 5 Zeilen) aus diesem anzeigt. Wenn man sie fragt, ob sie denn wollen, dass das Zitieren genehmigungspflichtig wird, raunen sie entrüstet: „Auf gar keinen Fall!“. Wenn man fragt, wie sie das Google denn sonst verbieten wollen, und allen anderen nicht, vertrösten sie einen. „Der Gesetzesentwurf ist derzeit noch in Arbeit…“
Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. „Reporter ohne Grenzen“ steht wie kein anderer Verein für dieses Recht. Jetzt haben sie Grenzen gefordert. Von Wikileaks. Wikileaks veröffentlicht Dokumente nach der Prüfung ihrer Echtheit quasi automatisiert (sagen sie). Reporter ohne Grenzen argumentieren, es seien Menschen in Gefahr. Manche Dinge dürfe man nicht veröffentlichen.
Rechte sind etwas tolles. Und Rechte werden heute auch automatisiert wahr genommen. Das scheint ein generellen Problem zu sein, auf das es verschiedene Antworten geben kann:
Leistungsschutzrechtsbefürworter und Stammtischdatenschützer fordern eine Einschränkung dieser Freiheiten. Am liebsten würde man trennen, zwischen Mensch und Maschine, oder gar Firma und Mensch. Das wird aber nicht funktionieren, denn wir Menschen benutzen die Maschinen. Und die Maschinen, die heute die Konzerne benutzen, benutzen wir in 2 Jahren im Zweifel alle. Jedes Recht, dass für Maschinen eingeschränkt wird, schränkt das der Menschen ein. Zumindest in Zukunft.
Wir müssen uns darüber bewusst werden, dass alle Rechte, die wir haben, in Zukunft auch maschinell, automatisch und in vollem Umfang (in einem Umfang womöglich, den wir nie für möglich gehalten haben) wahr genommen werden. Und wenn das geschieht, werden Gewißheiten und Sicherheiten des einen oder anderen fallen. Und das macht vielen Angst.
Und dann ist meinst der Zeitpunkt, an dem wir diese Rechte erneut verteidigen müssen.
Konsequent zu Ende gedacht und ich kann das Ende nur unterstützen. Nur der Einstieg ist etwas unschön gewählt. Reporter ohne Grenzen ging’s da ja um (Berufs-)ethik. Und diese Frage ist eigentlich zu spannend, um sie einfach zu übergehen.
Die Panoramafreiheit steht im Urheberrecht. Das gilt aber wiederum garnicht für normale Häuserfronten, weil keine Schöpfungshöhe erreicht wird. Was hier von den Google-Kritikern angegriffen wird ist viel grundlegender: Die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 GG). Solange etwas nicht verboten ist, hat jeder die Freiheit genau dieses zu tun. Dazu gehört auch, Fotos von öffentlichen Grund aus zu nehmen.. auch wenn manche dies stört: Es ist zum Glück erlaubt.
@ Stefan
„Das gilt aber wiederum garnicht für normale Häuserfronten, weil keine Schöpfungshöhe erreicht wird.“
So weit ich weiß, ist das juristisch umstritten.
@acid
Ja, das Wikileaksbeispiel passt nur sehr bedingt. Hier steht es nicht gegen eine Gesetznorm sondern eine Berufsethik. Aber von den Mechnismen ist es ähnlich, deswegen habe ich das hier mit rein genommen.
ist der rechtschreibfehler im titel so beabsichtigt?
etwas platt der Artikel (enttäuschend wenn man auf Grund der Benjamin Anspielung im Titel hier aufschlägt).
Rechte sind keine Naturgesetze und ja ich bin der Meinung das man sie bei geänderten Voraussetzungen neu diskutieren muss.
Die Konservativen sagen: Als die Gesetze geschrieben wurden haben die Schreibenden sich das so noch nicht vorstellen können, deswegen müssen wir, um die Idee eines Gesetzes aufrecht zu erhalten, die Regeln anpassen, und dieser ganze neumodische Kram ist ist da nicht erlaubt.
Die Technikfatalisten (und dazu zählt auch so ein Satz wie „Wir müssen uns darüber bewusst werden, dass alle Rechte, die wir haben, in Zukunft auch maschinell, automatisch und in vollem Umfang wahr genommen werden.“) sagen: Das Gesetz verbietet ja nicht, dass die Sachen die vorher erlaubt waren jetzt auch massenhaft und automatisiert gemacht wird.
Beides ist doch irgendwie falsch. Es genicht nicht um das Gesetz sondern darum sich zu überlegen was damit geschützt werden sollte. Was sich ändert bei geänderten (technischen) Voraussetzungen. und ob irgendwas überhaupt noch geschützt werden soll oder muss, weil nunmal auch 60 Jahre ins Land gegangen sind..
Lawrence Lessig disktuiert das übrigens ausführlich in ‚Code‘.
@mspro @Stefan Die Schöpfungshöhe ist bei Lichtbildern irrelevant (§72 UrhG), deshalb gab es doch schon so viel Ärger mit Brötchenfotos.
Pingback: Lesenswerte Artikel 13. August 2010
Ich versteh das Bohei um Streetview nicht so ganz. Du und ich und andere weisen doch gern darauf hin, dass das Internet in seinen technischen, sozialen und kulturellen Folgen allenfalls mit der Erfindung des Feuers oder des Rades verglichen werden könne.
WIe kann man dann, wenn es um die Beurteilung eben dieser Folgen geht, plötzlich argumentieren, dieses und jenes unterscheide sich ja eigentlich gar nicht von früher? „Streetview ist ja praktisch wie selber hingehn und knipsen.“
Ist es natürlich überhaupt nicht. Da wird ein gemeinsames Drittes (das Gebäudefoto) für das Ganze genommen, um zwei ansonsten ziemlich verschiedene Phänomene gleich zu setzen.
Beim Urheberrecht ist es unter Netzleuten doch auch unstrittig, dass die neuen technischen Möglichkeiten wahrscheinlich andere Gesetze brauchen, oder?
Ich will damit nicht sagen, dass es für Streetview diese neuen gesetzlichen Regelungen unbedingt braucht. (Ich habe dazu keine Meinung.) Aber die Frage danach kann man nicht einfach mit falschen Analogieschlüssen wegwischen.
@Pilpul @bov Rechte sind aber auch keine Dinge, die man einfach so abschaffen dürfte, nur weil einem das Ergebnis nicht passt. Hinter den Rechten von Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und etc steht ein Menschenbild und eine Verantwortlichkeit, die man diesem Menschen zuschreibt. Da steht nicht, welches Geschäftsmodell ein Verlag haben muss, oder wie ein Straßenpanoprama aufgearbeitet werden muss. Aus gutem Grund. Denn Freiheitsrechte haben wir nicht eingeführt, um die Welt in einer gewissen Weise zu gestalten, sondern um sie dem Menschen in die Hand zu geben, dass er – EGAL WAS – daraus macht.
Dass das Ergebnis jetzt viele überrascht betone ich ja. Übrigens habe ich tatsächlich überlegt, das Urheberrecht mit hinein zu nehmen. Denn aus genau den oben genannten Gründen ist bereits das Recht auf Privatkopie gefallen. Klar geht auch dort der Kampf. Allerdings eben gegen die Freiheit. Das Urheberrecht ist es exklusives Nutzungsrecht, eine Unfreiheitsrecht. Das ist sozusagen der selbe Kampf mit umgekehrten Vorzeichen.
Ich habe diesen Artikel geschrieben, gerade weil ich weiß, dass mal eben auf der Straße zu fotografieren eben nicht das selbe ist wie Street View. Aber es wäre nur über den selben Hebel einschränkbar. Und das ist das Problem.
@dentaku, mspro
Es geht nicht darum ob die Streetviewbilder geschützt sind (sind sie), sondern ob die Häuserfronten selbst urheberrechtlich geschützt sind. Sind sie nicht. Sonst könnte mein Architekt nämlich meinen Nachbar wegen illegalen Kopierens verklagen.
Selbst wenn Häuserfronten unter das Urheberrecht fallen würden, wäre der Architekt derjenige der sich gegen Google wehren müsste wegen der _Urheberrechtsverletzung_ seitens von Google, nicht der Hausbesitzer. Zum Glück ist dies ja nicht der Fall da wir Panoramafreiheit haben und somit _Kunstwerke_ im öfffentlichen Raum fotografieren dürfen… zB Springbrunnen.
Worum es mspro und anderen geht ist die Begründung _für_ die Panoramafreiheit nämlich die allg. Handlungsfreiheit. Es soll niemand verklagt werden weil sie ein Foto von einem *Kunstwerk* macht. Das Fotografieren von normalen Häusern ist einfach nicht geregelt und daher grundsätzlich erlaubt. Und genau diese Freiheit nimmt Google in Anspruch.
@Stefan, dentaku
Ich hab mal in einer interessanten Session von RA Henning Krieg gesessen, in der es genau um diese Frage ging. Doch. Auch Hausfassaden haben ein Urheberrecht und man darf die – wie im übrigen jedes Kunstwerk – eigentlich nicht ohne weiteres Fotografieren und/oder die Fotografien in Umlauf bringen. Dass man es doch darf liegt explizit an der Einschränkung des Urheberrechts durch die Panoramafreiheit. Das war jedenfalls das, was Krieg dazu sagte.
Aber eigentlich geht es ja nicht um Urheberrechte in diesem Fall, sondern um Datenschutz. Die Panoramafreiheit wäre nur eines der Gesetzeshebel an die man anlegen könnte und die Freiheit zu beschneiden.
Es gibt kein Datenschutzgesetz, dass auf Streetview anwendbar wäre. Das ist vor allem ein Definitionsproblem. Es gibt keine gesichterte und vor allem genau ausdefinierte Grenze zu den persönlichen Daten. Hausfassaden gehören natürlich nicht dazu. Eigentlich. Und man stelle sich vor, was passieren würde, wenn sie es täten. Eine ziemlich gute Analyse findet sich hier: http://www.geografitti.de/?p=1594
Erinnert mich ein wenig an die Verantwortung, die angeblich jeder hat (letzthin entdeckt, dass Schaffhausen, CH, das in die Verfassung reingeschrieben hat), dann aber Regierungen hingehen und bei beliebigen Dingen die Verantwortung komplett absprechen.
Vielleicht nehmen heutige Konzerne die Verantwortung nicht mehr wahr, weshalb die Mehrheit verführt ist, statt mit den Füssen abzustimmen und dieselbigen eingehen zu lassen (was bei Google sehr schwer ist, zugegeben), mit der Gesetzeskeule Dinge in Stein meisselt, die in ein paar Jahren komplett irrelevant sein werden.
Verfassungen sind allgemein gehalten, weil man sich nicht allzusehr auf Details festlegen möchte. Wir dürfen deshalb nicht allzusehr einen Allmachtsanspruch davon ableiten. Auch darf man nicht auf Gesetzeshöhe durch Überregulierung diese Rechte wieder aushebeln. Deshalb sollten wir uns grundsätzlich klar werden, was wir wie „allgemein“ reguliert haben wollen. Denn die Zeiten ändern sich heute anders als früher, Dinge vergehen schneller oder werden schneller älter, unwichtiger. Wer sich heute über Google aufregt, hat morgen schon FB verpasst – oder so ähnlich. Wenn wir allzusehr auf Google rumhacken, verpassen wir, dass eine Biotechfirma remote genomics scanner entwickelt und dann? Wenn wir uns aufs Urheberrecht verlassen, wollen wir das Urheberrecht auf Gene anwenden? Wir benötigen einen „dritten“ Rechtskörper (neben natürlicher, juristischer), so ähnlich wie einen „allgegenwärtigen“. Also eine Entität, die durch ihre Art überall vorhanden ist. Google mit seinen Daten entspräche dem, oder eine Firma, die am Genom arbeitet. Diese Firmen müssten dann ganz anderen Normen unterstellt werden, als es heute natürliche und – leider auch – juristische Personen sind.
Ein bisschen wolkig, ich weiss, aber wenn alles in der Cloud verschwindet, muss es ja Spuren hinterlassen…
@mspro – Freiheitsrechte haben wir nicht eingeführt, um die Welt in einer gewissen Weise zu gestalten, sondern um sie dem Menschen in die Hand zu geben, dass er – EGAL WAS – daraus macht.
An dem Satz hängt für meinen Geschmack etwas zu viel Stuck 😉
Ich halte dagegen: NICHT EGAL WAS.
Es gab immer Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit, und die Interpretation dessen, was „die Rechte anderer verletzt“ (Art. 2,1 GG), ändert sich ständig. Auch durch technische Entwicklungen.
Das „Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ von 1909 hatte vermutlich wesentlich weniger Einschränkungen als die StVO von heute. Die Haager Landkriegsordnung heute ist eine andere als sie es vor der Atombombe war. Usw.
@bov Das ist richtig. Aber dann muss man erstmal genau nachgewiesen ob, wie und wie stark das Recht eines anderen verletzt wird, wenn ich mir sein Haus angucken kann. Und wenn wir das geklärt haben, können wir Nutzen und Schaden abwägen. Doch bisher hat diese Frage noch keiner beantworten können. Was die Leute stört ist keine Verletzung irgendwelcher Rechte, sondern ein Unbehagen gegen das Ergebnis: ein ungekanntes Mehr an Transparenz.
Oelsen – Sofern möglich, konnte ich die Gedanken nachvollziehen. Du hast recht mit der Feststellung, dass es sich hier nicht um ein regionales Rechtsproblem handelt, sondern um ein grunsätzliches Problem, dass der Staat als Gesetzgeber dem technischen Fortschritt auf Dauer nicht mehr gewachsen ist. Deinen Ideen würde ich aber nicht zustimmen. Vielmehr braucht es einen Paradigmenwechsel im Werte und Normenkatalog, der diesen Kontrollverlust von vornherein mit ein berechnet. Das ist vor allem ein Paradigmenwechsel im Denken gefragt.