Ich wette, es gibt keinen einzigen deutschen Landtagsabgeordneten in Deutschland, der für den Jugendschutzmedienstaatsvertrag gestimmt hat, der nicht wußte, was für ein unsagbarer Crap das ist. Im Gegensatz zu dem, was einige Politiker behaupten, ist der Aktionismus und die Aufklärungskampagnen gegen den Vertrag seitens des AK-Zensur nämlich nicht erst seit gestern im Gange.
Aber es war ihnen schlicht egal!
Das Ding sollte durch gewunken werden, weil … ja weil … weil man das halt so tut! Wie SPON schreibt:
„Denn mit deren Zustimmung galt der Vertrag eigentlich längst als verabschiedet, die Zustimmung der Länderparlamente ist bei solchen Gesetzeswerken in der Regel eine Formsache.“
Parlament? Reine Formsache.
So ist das eben. Als Politiker muss man auch „2 + 2 = 5“ vertreten können, wenn es gefordert ist. Und dann werden 100 Experten angehört, die alle sagen, dass 2 + 2 = 4 ist und die Mathematikergemeinde schreibt Brandbriefe noch und nöcher, dass 2 + 2 = 4 ist und als Politiker stellt man sich hin und sagt: „Nun ja, es gibt Zweifel, dass 2 + 2 = 5 ist, da herrscht Uneinigkeit. Und wir sind uns auch nicht mehr so sicher. Aber wir sind ja nun in einer Koalition und die parlamentarischen Zwänge, nun…“
Aber es braucht nur einmal die Opposition (ausgerechnet die, die allgemein als besonders rechenschwach gilt) anzudrohen, öffentlich zu behaupten 2 + 2 sei 4 – und Zack! – dreht sich das gesamte Parlamentskarussel in die andere Richtung. Wie von der Hornisse gestochen springen sie jetzt alle auf „Stopp“. Schließlich wäre die Alternative gewesen, sich vom allgemein als Klassendepp anerkannten Nixkönner wegen offensichtlicher Doofheit auslachen lassen zu müssen. Und alle lachen mit.
Ja, so funktioniert Politik, liebe Leute. Ich habe das schon ausführlich bei der Zensursuladebatte beobachten können. Und natürlich rufen jetzt wieder einige: das ist halt so, lebt damit! Aber nein, sorry. Ich verliere jeglichen Respekt vor der repräsentativen Demokratie, je weiter ich mich mit ihr befasse. Das ist ein schleichender Delegitimationsprozess, der – da bin ich sicher – nicht nur mich ereilt. Und das geht weit über ein knurriges ungewaschenes „die da Oben„-Geseiere hinaus. Das hier entsteht aus echter – teils hautnaher – Erfahrung.
Es wird Zeit für neue Strukturen politischer Willensbildung. Die repräsentative Demokratie ist viel zu unterkomplex in der Prozessierung der Probleme und viel zu überkomplex in ihrem Machtapparat. Legitimation durch Verfahren (Luhmann), schön und gut. Aber was, wenn das Verfahren selbst längst die Legitimation verliert? Das ist doch niemandem mehr vermittelbar. Selbst dann nicht, wenn einem das Ergebnis zufällig mal in den Kram passt.
Hihi. Komplexität wird das schon lösen!
>Ich wette, es gibt keinen einzigen deutschen Landtagsabgeordneten in >Deutschland, der für den Jugendschutzmedienstaatsvertrag gestimmt >hat, der nicht wußte, was für ein unsagbarer Crap das ist.
Die Wette halte ich…
Ich kenne eine ganze Menge Landtagsabgeordnete und selbst die Kompetenz der „Medienexperten“ der Landtage bezieht sich (bestenfalls) auf Fragen der Rundfunkregulierung.
Das Internet und seine Infrastruktur (vulgo: Telekommunikation), die Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Regulierung in einem grenzüberschreitenden Medium sind denen fast allen völlig fremd. Und die „Aufklärungskampagne“ des AKZ hat erst in den letzten Wochen erstmals bis in die Fraktionen hinein gewirkt. So etwas wie eine wirkungsvolle „Lobby für das Internet“ bildet sich ja gerade erst in Deutschland.
Das alles hat mit der Schwäche repräsentativer Demokratie nix zu tun. Nur mit den Schwächen der handelnden Personen. Und das die „Netzcommunity“ leider immer noch sehr weit weg ist von dem, wie Politik nun einmal funktioniert – völlig egal in welchen Strukturen politischer Willensbildung.
Mit der Repräsentativen Demokratie hat der Prozess der parlamentarischen Entscheidungsfinung zu tun, die sich in keinem der Parlamente an sachlichen Kriterien orientierte und in NRW heute zur absoluten Farce wurde. Die Intelligenz wurde heute am Nasenring durch die Manege geschleift.
Ist es nicht eher ein Argument für den Entscheidungsprozess, wenn eine solche Sache abgekanzelt wird?
Jetzt geschieht etwas positives und dadurch wird dann trotzdem direkt das ganze „System“ in Frage gestellt. Auch bedenken, dass es tausende von Entscheidungen gibt, die durchaus vernünftig von allen Parteien gemacht werden, diese allerdings unter diesen Top-Gesetzen untergehen, die in der Netzgemeinde eine große Welle schlagen, ohne rezipiert zu werden.
Dieser Beitrag ist wütend geschrieben worden, lässt allerdings historische und politische Zusammenhänge ganz außen vor. Wenn ich da meine Unterlagen zu meiner Magisterarbeit einmal durchblättere, muss ich teilweise lachen. Die Argumente, die viele Anti-Demokraten bzw. Anti-Republikaner in der Weimarer Republik gebracht haben, kommen heute wieder auf. Alles schon einmal dagewesen.
Ein ewiger Kampf zwischen:
Stabilität – Erneuerung
Rechtsstaat – Ad hoc-Entscheidungen
Politischer Filz (Elite) – plebejischer Mob
Nicht falsch verstehen: Ich unterstelle hier keine radikale Meinung, aber es wurmt mich, wenn direkt die gesamte Republik (in der Form der repräsentativen Demokratie) zum Abschuss freigegeben wird. Da wird dann z.B. auch der Minderheitenschutz zu Grabe getragen, wenn man eine wirkliche direkte Demokratie bevorzugt.
Wo Menschen sind herrscht (Macht-)Gier, Fehler treten auf, Angst, Gemütlichkeit, Wut etc. ist vollkommen normal. Wir können es nur versuchen durch Gesetze und rechtliche Institutionen einzuhegen.
Reformmöglichkeiten gibt es viele: Stärkere Vernetzung mit den Bürgern und Kommunikation von Entscheidungen, Kommunale Bürgerentscheide und Gremien etc. pp. Da ist noch viel für unsere Generation zu tun. Die, die jetzt an der Macht ist, ist halt so, wie sie ist. Damit muss jede neue Generationenkohorte kämpfen.
Dabei sollte allerdings nicht die Leistung, das Positive vernachlässigt werden, was wir hier in der Bundesrepublik haben. Und seht es doch mal so: Es tut sich was! Es ist eine richtig interessante Zeit in der wir leben. Das Internet kann etwas bewegen! Also Arsch hu und in die Tasten kloppen. 🙂
Wie gesagt. Nicht das Ergebnis delegitimiert die Demokratie, sondern sein Zustandekommen.
Im übrigen finde ich die Weihmacher Republik-Vergleiche langweilig und unkreativ. Und falsch. Es geht mir nicht darum einen neuen Prozess zu verteufeln (damals) sondern einen alten auszurangieren. Zu diesem Zweck solltest du den von mir weiter unten verlinkten Beitrag lesen, der auf diese Notwenigkeit völlig unabhängig der heutigen Ereignisse eingeht.
Die Methoden ändern sich, aber die Vorwürfe bleiben im Kern gleich. Das war in der griechischen Polis so, setzte sich über die französische Revolution (auch im Gegensatz Montesquieu vs. Rousseau) fort und brach in Weimar wieder auf. Außerdem war dies damals in der Kritik kein „neuer“ Prozess, sondern die Kritiker nahmen klar Bezug auf die verfilzten Politiker (der Republiken), die nur an sich denken, nicht an das Volk etc. pp.
Hier ist immer die Lektüre von Carl Schmitt interessant. Die Schlußfolgerungen, die er zieht, stehen in vielen Politikblogs heute, nur in einer anderen Sprache.
Und zu deinem anderen Artikel:
Ja, da kann und wird sich was tun und was du schreibst ist grundsätzlich richtig. Trotzdem müssen einige Fragen beantwortet werden:
Was ist mit einer (unabhängigen) Verwaltung?
Wie werden Minderheiten in einer solchen Demokratie vor der Mehrheit geschützt?
Wie sieht der Rechtsstaat aus?
Wie schützt man die Aktiven vor den Weniger- oder Nichtaktiven?
Mehr Möglichkeiten und Partizipation der Bürger sind gut und Wünschenswert und wenn nicht jetzt wann dann, wenn wir mit dem Internet diese Möglichkeit haben.
Nur: Menschen sind Arschlöcher und daran ändert sich auch nichts dran, wenn sie vor dem Internet sitzen. Wo Menschen abstimmen können, gibt es Demagogen. Und im Endeffekt gab es und wird es nur eine Möglichkeit geben diese einzuschränken:
Die Republik mit ihrem Checks&Balances, Interessengruppen, langweiligen Filz und Geschwurbel. Sonst musst du den huomo nuova kreieren und das glaube ich, geht nicht.
Carl Schmitt war dumm und bös. Das ist doch etabliert, oder?
Carl Schmitt war böse, aber nicht dumm. überhaupt kein bisschen dumm war der.